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1. Die Beschwerde des Kindesvaters vom 29.04.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kerpen vom 02.04.2024 (153 F 94/22) wird zurückgewiesen.
2. Gleichzeitig wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kerpen vom 02.04.2024 (153 F 94/22) in Ziffer 1c) abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
a. Der Kindesvater ist berechtigt, mit seiner Tochter Y. Q. O., geb. am 00.00.2011, Umgang ausschließlich wie folgt auszuüben:
aa. Der Kindesvater darf Y. Q. zweimal jährlich einen Brief schreiben und zusätzlich zum Geburtstag, zu Weihnachten und Ostern Geschenkpakete schicken. Die Briefe sollten nach Inhalt und Sprache dem Alter Y. Q. entsprechen.
bb. Der Kindesmutter wird aufgegeben, die vorgenannten Postsendungen des Kindesvaters Y. Q. jeweils unverzüglich auszuhändigen.
cc. Ein darüber hinausgehender Umgang des Kindesvaters mit dem verfahrensbetroffenen Kind wird bis zum 31.03.2027 ausgeschlossen.
b. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus diesem Beschluss ergebenden Verpflichtungen gemäß Ziffer 2a. kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kindesvater zu tragen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Das verfahrensbetroffene Kind Y. Q. O., geboren am 00.0.2011, lebt bei seiner Mutter, der Beteiligten zu 2., und deren Ehemann.
4Die räumliche Trennung der Kindeseltern erfolgte wohl am 30.07.2011, als Y. 4,5 Monate alt war. Die Umstände im Einzelnen wurden im zweiten Gerichtsverfahren höchst kontrovers vorgetragen. Ihren jetzigen Ehemann lernte die Mutter 2012 kennen, als Y. ca. 1 Jahr alt war. Die Heirat fand 2014 statt.
5Im Jahr 2012 fand auf Betreiben des Kindsvaters ein erstes Umgangsverfahren statt (152 F 134/12 AG Kerpen). Zum Zeitpunkt des Antrags vom 06.06.2012 sah der Kindsvater Y. montags von 17.00 bis 19.30 Uhr und samstags bzw. an einem Wochenendtag von 10.00 bis 13.00 Uhr in der Wohnung der Kindesmutter. Unter dem 18.07.2012 einigten sich Y. Eltern auf einen Wochenendumgang alle 14 Tage von freitags bis sonntags.
62013 folgte auf Betreiben des Kindsvaters ein Sorgerechtsverfahren (152 F 190/13 AG Kerpen). Durch erstinstanzlichen Beschluss vom 15.01.2014 wurde dem Kindesvater das gemeinsame Sorgerecht übertragen. Im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln schlossen die Eltern einen Vergleich, in dem man sich auf den vom Kindesvater zu zahlenden Kindesunterhalt, die Durchführung gemeinsamer Elterngespräche bei einer Familienberatungsstelle, einen respektvollen Umgang miteinander und die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge einigte. Durch den Senat wurde anschließend die gemeinsame elterliche Sorge - wie bereits erstinstanzlich geschehen - aufrechterhalten.
7Die im vorherigen Verfahren getroffene Umgangsvereinbarung wurde bis etwa September 2018 umgesetzt.
8Ende 2018 begehrte die Kindesmutter die Aussetzung dieser Umgangsregelung im Wege der einstweiligen Anordnung. Y. habe berichtet, von ihrem Vater geschlagen worden zu sein, und wolle nun nicht mehr zu ihm. Wegen dieses von der Kindesmutter behaupteten Vorfalls erstattete sie Strafanzeige.
9Das Amtsgericht leitete daraufhin ein einstweiliges Umgangsverfahren ein (155 F 181/18 AG Kerpen). Unter dem 19.12.2018 trafen die Kindeseltern eine Vereinbarung, nach der zunächst nur noch wöchentliche telefonische Kontakte per Videotelefonie stattfinden sollten und in der Hauptsache ein Sachverständigengutachten zur Frage der kindeswohldienlichen Gestaltung von Umgangskontakten eingeholt werden sollte.
10In dem von Amts wegen eingeleiteten Hauptsacheverfahren Umgang (155 F 202/18) erstattete die Sachverständige Prof. Dr. K. unter dem 23.04.2019 ein Gutachten (dort Bl. 13 ff. d. A.). Hierin führte sie aus, der Kindevater führe das Verhalten von Y. auf eine Manipulation der Kindesmutter zurück und weise jedes Fehlverhalten von sich. Sie selber halte es nach der durchgeführten Exploration für sehr unwahrscheinlich, dass die Schläge des Vaters tatsächlich in dem von Y. berichteten Ausmaß erfolgt seien; Y. idealisiere vielmehr ihre Mutter und überidentifiziere sich mit ihr. Den Vater lehne sie vollkommen und sehr feindselig ab. Ein unter Zwang durchgesetzter Umgang würde jedoch das Selbstwirksamkeitserlebnis des Kindes sowie sein Sicherheits- und Kontrollbedürfnis beeinträchtigen, wenn dadurch seine Bewältigungsstrategien zerstört würden. Eine möglicherweise bestehende symbiotische Beziehung zur Mutter könne dadurch eher verstärkt werden, so dass eine realistische Auseinandersetzung mit dem Vater unmöglich werde. Eine Längsschnittstudie zeige, dass Kinder, die zu Umgangskontakten gezwungen worden seien, diesem Elternteil gegenüber im Erwachsenenalter häufig intensive Wut empfanden; in der Folge sei die Beziehung zu beiden Elternteilen belastet. Es sei in den Explorationen und Verhaltensbeobachtungen aller Beteiligten zu klären, welche Auswirkungen im konkreten Fall bei einem Durchsetzen des Kontaktes gegen Y. Willen zu erwarten seien, wie ihr vehement geäußerter Wille zustande komme, welche Motive sie habe und inwiefern ihr geäußerter Wille überwiegend auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung durch die Mutter beruhen könne. Falls dies ausschlaggebend sei, müsse überlegt werden, wie dem Kind ein Weg eröffnet werden könne, wieder Zugang zum Vater zu finden, ohne die Loyalität zur Mutter aufgegeben zu müssen. Die Daten seien anhand der an das narrative Interview angelehnten Explorationstechniken, dem Einsatz der Sorge- und umgangsrechtlichen Testbatterie (SURT) und der Fragebögen zu Ressourcen im Kindes- und Jugendalter (FRKJ) zu erheben. Auf der Grundlage dieser Techniken kam die Sachverständige zu dem Ergebnis, die Kindesmutter trage durch eine unklare Haltung und doppelte Botschaften und ihre eigene Abneigung und Kränkung durch den Kindesvater ungewollt und unterschwellig massiv zum Konflikt des Kindes bei. Der Kindesvater fühle sich durch den Ehemann der Kindesmutter in seiner Vaterrolle gekränkt. Er habe klare Erziehungsvorstellungen und meine, dass ein Kind auch mal „zurückstecken“ müsse. Er könne die Verweigerung von Y. insoweit akzeptieren, als dass er sie nicht zwingen wolle und könne, jedoch falle es ihm schwer zu akzeptieren, dass er nicht an sie „herankomme“. Y. habe erklärt, mit ihrem Vater sei gar nichts schön, sie wolle, wenn überhaupt, nur freiwillig etwas mit ihm zu tun haben, ihn ansonsten weder sehen noch hören. Wenn sie erwachsen sei, könne sie sich das ja noch einmal überlegen. Insgesamt polarisiere Y. Mutter und Vater und lasse beim Vater nur wenige positiveren Aspekte zu. Sie deute dessen gröberes und forderndes Erziehungsverhalten als ihre Person übergehend und die „freundschaftliche Klapse“ des Vaters als Schläge. Die Aussage der Mutter, sie könne zum Vater, er dürfe sie aber nicht schlagen, sei für Y. ein gangbarerer Weg, ihren Konflikt, die Mutter nicht verraten zu müssen, wenn sie zum Vater gehe, zu lösen. Der frühere Verfahrensbeistand erklärte gegenüber der Sachverständigen, der Kindesvater lade die Telefonkontakte mit immer neuen Konflikten auf und stelle Y. als dummes Kind dar, so dass Y. sich über ihren gebrochenen Stolz beschwere. Zusammenfassend befinde sich Y. in einem unauflösbaren Konflikt. Ein unter Zwang durchgesetzter Umgang würde das Selbstwirksamkeitserleben des Kindes sowie sein Sicherheits- und Kontrollbedürfnis beeinträchtigen. Für ihre seelische Gesundheit sei es daher notwendig, sie von dem Druck zu befreien. Sie solle daher an eine Erziehungsberatung angebunden werden und die wöchentlichen Kontakte sollten aufrecht erhalten bleiben.
11Das Verfahren endete mit einer Vereinbarung der Beteiligten vom 29.05.2019, die einer entsprechenden Empfehlung der Sachverständigen folgte. Danach sollten die wöchentlichen Telefonkontakte beibehalten werden und eine Anbindung der Eltern und Y. an eine Erziehungsberatungsstelle erfolgen.
12Unter dem Aktenzeichen 155 F 6/20 führte das AG ein weiteres Umgangsverfahren. Dem war vorausgegangen, dass der Kindesvater sich an die Mutter gewandt und diese gefragt hatte, ob sie eine baldige ggf. begleitete Kontaktanbahnung unterstützen würde. Die Termine in der Erziehungsberatungsstelle fanden in dieser Zeit nur vereinzelt statt. Unter dem 29.08.2019 schlug die dortige Fachkraft begleitete Umgänge vor, in welchen sich die gegenwärtige Bindung zwischen Y. und ihrem Vater zeigen könne.
13Im November 2019 meldete sich der Kindesvater, ohne hierüber vorher mit Y. gesprochen zu haben, für den Martinszug ihrer Grundschule als Zugbegleiter ihrer Klasse an. Als er hiervon trotz einer entsprechenden Bitte Y. nicht Abstand nehmen wollte, nahm diese nicht an dem Martinszug teil. Nach einem Gespräch mit dem Jugendamt lehnte die Kindesmutter daraufhin Anfang Dezember 2019 die von der Erziehungsberatungsstelle vorgeschlagenen begleiteten Umgänge mit der Begründung ab, dass sie keine Veränderung in Y. Willen feststellen könne und somit keine Möglichkeit der begleiteten Umgänge sehe.
14Anfang 2020 wurde Y. bei Kunststück Familie e. V., einem Kunstprojekt für Kinder und Jugendliche aus Familien in Trennung, angebunden.
15Unter dem 24.06.2020 fasste das Gericht den Beschluss, dass der Kindesvater fortan nur noch berechtigt sei, maximal einmal pro Monat Y. einen Brief zu schreiben und ihr zusätzlich zu ihrem Geburtstag, zu Weihnachten und anderen hohen Feiertagen ein Geschenkpaket zu schicken. Der Kindesmutter wurde aufgegeben, die vorgenannten Postsendungen des Kindesvaters unverzüglich auszuhändigen und Y. positiv darin zu bestärken, dem Kindesvater zurückzuschreiben. Ein darüber hinausgehender Umgang des Kindesvaters mit Y. wurde für die Dauer von 18 Monaten ausgeschlossen.
16Der Kindesvater legte gegen den Beschluss unter dem 29.07.2020 Beschwerde ein. Durch Beschluss vom 15.09.2020 verwies der Familiensenat beim Oberlandesgericht (14 UF 111/20) die beteiligten Kindeseltern gemäß § 36 Abs. 5 FamFG an den zuständigen Güterichter, wo sich die Kindeseltern am 26.02.2021 auf die Durchführung von Elternberatungsgesprächen einigten. Nachdem seitens des Kindesvaters unter dem 12.08.2021 das Scheitern des Güterichterverfahrens mitgeteilt worden war, fand am 23.11.2021 ein Anhörungs- und Erörterungstermin vor dem Beschwerdesenat statt. Zunächst wurde Y. durch den Senat angehört. Sodann einigten sich die Kindeseltern darauf, Y. umgehend bei einem Psychologen oder einer Kinderpsychologin anzubinden. Der Kindesvater nahm daraufhin seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kerpen vom 24.06.2020 zurück. Aufgrund der Beschwerderücknahme erfolgte keine Verschriftlichung des Ergebnisses der Kindesanhörung.
17Das vorliegende Umgangsverfahren ist durch Anregung des Kindesvaters vom 11.07.2022 eingeleitet worden. Darin hat er sich darüber beschwert, dass die Kindesmutter die vereinbarte Anbindung Y. an eine Therapie nicht vorgenommen habe, und begehrt, seinen Umgang mit Y. zu regeln.
18In ihrer Erwiderung vom 29.08.2022 hat die Kindesmutter darauf hingewiesen, dass sie ca. 40 Stellen kontaktiert habe, um einen Therapieplatz zu erhalten. Dass der Kindesvater ihr die erbetene Vollmacht verweigert habe, habe die Suche nach einem Therapeuten erschwert. Zudem seien die Wartezeiten für einen Therapieplatz derzeit beträchtlich. Sie hat begehrt, den Umgang zwischen Vater und Tochter für weitere 24 Monate auszusetzen.
19Das Jugendamt hat unter dem 01.09.2022 über Gespräche mit Mutter und Kind berichtet und darauf hingewiesen, dass Y. Haltung zu ihrem leiblichen Vater unverändert und ein zwanghaft umgesetzter Umgang nicht kindeswohldienlich sei.
20Der neue Verfahrensbeistand, Herr Z., hat unter dem 18.09.2022 ausführlich berichtet und mitgeteilt, dass Y. weiterhin persönliche Kontakte, auch in Form von begleiteten Umgangskontakten, zu ihrem Vater ablehne. Bei einer Durchsetzung von Umgängen gegen den ausdrücklichen Kindeswillen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit psychische Belastungen zu erwarten. Diese könnten u.a. Hilflosigkeit, Resignation und Labilisierung des Selbstwert- bzw. Selbstwirksamkeitsgefühls umfassen. Zudem bestünde das erhebliche Risiko einer weiteren Verfestigung der kindlichen Verweigerungshaltung, wohingegen die Chance auf eine positive Beziehungsentwicklung durch erzwungene Kontakte verschwindend gering erscheine. Eine Umsetzung von Kontakten, die über das derzeitige Maß (Briefkontakte) hinausgehen, würde derzeit dem erheblichen Distanzierungsbedürfnis des Kindes widersprechen. Daher sollte eine Wiederaufnahme persönlicher Umgangskontakte zum Vater erst bei steigender Bereitschaft von Y. erfolgen. Auch wenn Y. es nicht selbst gegenüber ihm, dem Verfahrensbeistand, verbalisiert habe, müsse von einer massiven Belastung bei Y., bedingt durch die Beziehungsstörung zu ihrem Vater und das innerfamiliäre Spannungsfeld, ausgegangen werden.
21Im Erörterungstermin am 24.10.2022 haben die Eltern eine detaillierte Zwischenvereinbarung über eine mögliche psychotherapeutische Anbindung von Y. geschlossen.
22Unter dem 28.04.2023 hat das Jugendamt von Gesprächen berichtet, die man zwischenzeitlich mit den Eltern und Y. geführt habe. Am Ende dieser Stellungnahme ist folgende Einschätzung erfolgt: „Kindeswohldienlich ist sicherlich allgemein der Kontakt zu beiden Elternteilen. Da Y. jedoch seit Jahren immer wieder den Willen äußert, keinen Kontakt zum Vater zu wollen, ist davon auszugehen, dass es zum aktuellen Zeitpunkt ihr tatsächlicher Wille ist, der sich im Laufe der Zeit gefestigt hat. Sie ist nicht in der Lage, etwas Positives über ihren Vater zu berichten. Zum aktuellen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass sich das negative Bild von ihrem Vater so manifestiert hat und sie nicht mehr den Blick in die andere Richtung werfen kann. Ein zwanghaft umgesetzter Umgang ist aus hiesiger Sicht nach wie vor nicht kindeswohldienlich bzw. kaum durchsetzbar. Mit dem steigenden Alter von Y. wird vermutlich die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Y. nochmal kritisch mit dem Thema auseinandersetzen wird und sich ggf. die Sicht auf die Kontakte mit ihrem Vater ändert, so dass zukünftig möglicherweise über eine Vater-Tochter Annäherung durch begleitete Umgänge gesprochen werden könnte."
23Mit Schriftsatz vom 16.05.2023 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter den Psychotherapeutenbrief des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Dipl. Psych. M. L. vom 02.05.2023 zur Akte gereicht. Danach haben die Gespräche mit den Eltern ergeben, dass es aus seiner psychotherapeutischen Sicht keinen Anlass gebe, Y. Erinnerungen dahingehend als nicht erlebnisbasiert einzuordnen, dass Y. gar kein negatives oder als grob zu charakterisierendes Erziehungsverhalten erlebt hätte. Die Reaktionen Y. auf diese Erlebnisse gäben aus psychotherapeutischer Sicht vielmehr Aufschluss über die frühere (geringere) Tragfähigkeit der positiven Repräsentation vom Vater und weniger Aufschluss über etwaige fremd- oder autosuggestive Einflüsse. Bei Y. bestehe keine Indikation für eine Psychotherapie, da bei ihr kein Anhalt für eine psychische Störung mit Krankheitswert vorliege. Aus psychotherapeutischer Sicht sei auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse nicht zu erwarten, dass in dem konkreten Fall eine gegen die Selbstbestimmung des dem Jugendalter nahestehenden zwölfjährigen Mädchens erzwungene Kontaktanbahnung einen positiven Effekt auf die Repräsentation vom Vater und/oder auf die psychische Gesundheit des Mädchens erzielen werde. Es sei eher das Gegenteil, die weitere Verfestigung der negativen Repräsentation und eine psychische Belastung des Mädchens zu erwarten.
24Unter dem 29.5.2023 hat der Verfahrensbeistand mitgeteilt, dass er mit Y. am 10.05.2023 im Haushalt der Kindesmutter ein neuerliches Einzelgespräch geführt habe. Während des gesamten Gesprächs sei ihm Y. unbelastet und sehr eindeutig in ihrer Ablehnung gegenüber dem Kindesvater erschienen. Sie habe jedwede Kontakte zu ihrem Vater abgelehnt, indes auch die Aufrechterhaltung der Briefkontakte. Sofern sie „gezwungen" würde, ihrem Vater im Kontext eines begleiteten Umgangs zu begegnen, würde sie „nur da sitzen", ihn nicht anschauen, nicht mit ihm sprechen und ihn komplett ignorieren. Entschuldigen könne sich ihr Vater nicht bei ihr, sie werde ihre Meinung über ihn ohnehin nicht ändern. Sie sei nicht wütend, sondern vielmehr mittlerweile genervt und habe Angst vor ihrem Vater. Obwohl er versprochen habe, sie in Ruhe zu lassen, wenn sie zum Psychologen gehe, sei er wieder vor Gericht gegangen und habe somit sogar dieses Versprechen gebrochen. Dies sei sie mittlerweile aber schon von ihrem Vater gewohnt, weswegen es ihr auch nicht mehr sonderlich viel ausmache. Er spiele in ihrem Leben schon seit langem keine Rolle mehr und werde dies auch nie mehr tun, es sei einfach zu viel vorgefallen.
25Im Termin am 15.06.2023 hat der Kindesvater die Einholung eines lösungsorientierten Sachverständigengutachtens angeregt, um zukünftig zumindest begleitete Umgänge zu erreichen.
26Unter dem 03.07.2023 hat das Amtsgericht Y. angehört. Im Rahmen der Anhörung hat sie erklärt, dass sie Herrn S. N., den Ehemann ihrer Mutter, als ihren eigentlichen Vater ansehe. Auf die Frage, ob sie Herrn S. N. denn auch mit „Papa“ anspreche, habe Y. erklärt, dass sie das nicht tue und ihn auch zu Hause immer S. nenne. Sie habe das in ihrer frühen Kindheit gegenüber dem leiblichen Vater einmal anders gehandhabt und sei dann von ihm angeschrien worden. Seitdem nenne sie den Ehemann ihrer Mutter nicht mehr Papa, sondern S.. Auf die Frage, wie sie es mit ihrem leiblichen Vater zukünftig halten möchte, hat Y. erklärt, dass sie ihn jetzt, wo die Erwachsenen entscheiden würden, nicht sehen „wolle“ und dann, wenn sie, Y., erwachsen sei, keinen Kontakt mehr mit ihm haben „werde“.
27Da Y. im Rahmen ihrer gerichtlichen Anhörung nach dem Eindruck des Verfahrensbeistands und des Gerichts das Interesse hatte durchblicken lassen, ihre Oma väterlicherseits noch einmal zu sehen bzw. zu treffen, haben die Eltern sodann eine erneute Zwischenvereinbarung über einen Umgangskontakt mit der Großmutter väterlicherseits getroffen. Dieses Treffen hat in der Folgezeit gegen den ausdrücklichen Willen von Y. auf Druck der Kindesmutter stattgefunden, führte aber dazu, dass Y. die Räumlichkeiten verließ, nachdem die Großmutter sie gefragt hatte, warum sie (Y.) die Großmutter denn nicht möge und, da sie hierauf nicht antwortete, ob man ihr das Reden verboten habe.
28Unter dem 01.12.2023 hat das Gericht die Beteiligten aufgefordert, ihre Vorstellungen zur Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
29Der Verfahrensbeistand hat daraufhin unter dem 16.12.2023 mitgeteilt, dass er die Fortsetzung des Verfahrens unter Würdigung der Gesamtumstände sowie der aktuellen Ergebnisse des neuerlichen Gespräches mit Y. als wenig sinnvoll erachte. Eine wie auch immer geartete veränderte Haltung von Y. ihrem Vater gegenüber habe sich während des gesamten Verfahrens nicht eingestellt. Die Ablehnung, die Y. nicht nur äußere, sondern auch lebe, habe sich seit dem Beginn des Verfahrens sogar noch verstärkt und beziehe offensichtlich auch andere Familienmitglieder (väterlicherseits) mittlerweile mit ein. Eine Veränderung dieser Einstellung durch eine Fortsetzung des Verfahrens werde sich aller Voraussicht nach nicht ergeben.
30Dieser Einschätzung hat sich das Jugendamt mit Schreiben vom 21.12.2023 im Wesentlichen angeschlossen. Mit Schreiben vom 27.02.2024 ist das Jugendamt der Installierung einer Umgangspflegschaft entgegengetreten, hat aber eine Erziehungsbeistandschaft für vorstellbar erachtet.
31Die Kindesmutter hat an ihren ursprünglichen Anregungen festgehalten.
32Der Kindesvater hat mitgeteilt, er habe erkannt, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Umsetzung einer unmittelbaren Umgangsregelung nicht möglich sei. Momentan verweigere Y. zwar jedes Treffen mit ihm. Es bestehe aber die Annahme, dass sie auch nicht den Raum dazu hätte, sich umzuentscheiden, wenn sie dies wolle. Da Y. sehr unter der Abneigung der Kindesmutter gegen ihn leide, sei eine Umgangspflegschaft einzurichten, was bislang entgegen der Empfehlung der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 23.04.2019 noch nicht versucht worden sei. Es sei daher hilfreich, Y. eine Familienhilfe an die Seite zu stellen, damit sie in ihrem Alltag Unterstützung habe und Räume geschaffen würden, in welchen sie frei und unvoreingenommen über ihren Vater sprechen könne. Mit der Kindesmutter sei dies nicht möglich. Y. müsse unbedingt von ihrem inneren Druck und ihrem inneren Konflikt befreit werden. Stelle man ihr weiterhin keine Hilfe zur Seite, obwohl die Gutachterin dies ausdrücklich empfohlen habe, werde das Kind weiter darunter leiden und erhebliche Schäden davontragen.
33Mit angefochtenem Beschluss vom 28.03.2024 hat das Amtsgericht den Umgang des Kindesvaters mit Y. dahingehend geregelt, dass er seiner Tochter zweimal jährlich einen Brief schreiben und zusätzlich zum Geburtstag, zu Weihnachten und anderen hohen Feiertagen Geschenkpakete schicken darf. Einen darüber hinausgehenden Umgang des Kindesvaters mit dem verfahrensbetroffenen Kind hat das Amtsgericht bis zum 31.03.2025 ausgeschlossen. Das Amtsgericht hat detailliert begründet festgehalten, warum es sich nicht feststellen lasse, dass die Kindesmutter, wie es vom Kindesvater immer wieder behauptet werde, dauerhaft und beharrlich gegen ihre oben beschriebene, § 1684 Abs. 2 BGB entspringende Wohlverhaltenspflicht verstoßen würde. Maßgeblich sei, dass Y. jeglichen unmittelbaren Umgang mit ihrem leiblichen Vater aus ernsthaften, subjektiv beachtlichen und verständlichen Gründen ablehne. Der seit 2018 konstant geäußerte Wille der mittlerweile 13 Jahre alten Y. sei nachvollziehbar und den Umständen geschuldet. Y. lebe seit ihrer frühesten Kindheit mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater zusammen, die das Kind im Alltag gemeinsam pflegen und erziehen. Sie habe ausdrücklich erklärt, den Stiefvater viel lieber zu haben als ihren leiblichen Vater. Da sie in den ersten drei Lebensjahren durchgehend bei ihrer Mutter gelebt und im Alltag ganz überwiegend den Stiefvater in der Vaterrolle erlebt habe, sei davon auszugehen, dass Y. zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater deutlich engere Bindungen eingegangen sei als zu ihrem leiblichen Vater, den sie nach dem ersten Gerichtsverfahren nur noch alle zwei Wochenenden gleichsam als "Besuchspapa" erlebt habe. Dabei dürfte Y. im Laufe der Kindheit zunehmend bewusster geworden sein, dass das Verhältnis zwischen ihrer Mutter und ihrem leiblichen Vater sehr belastet sei, woran sich bis heute nichts geändert habe. Die zahlreichen Gerichtsverfahren mit zahlreichen Befragungen Y. würden eine mehr als deutliche Sprache sprechen. Hinzu komme, dass Y. leiblicher Vater den Stiefvater als Konkurrenten sehe und mit dessen Vaterrolle im Alltag nicht zurechtkomme, was sich u.a. darin äußere, dass sie ihren Stiefvater mit S. ansprechen müsse und es zu einem Streit auf einem Elternabend gekommen sei, auf den sie später von Mitschülern angesprochen worden sei. Das Gericht sei nach umfassender Prüfung davon überzeugt, dass ein erzwungenes Umgangsrecht das Kindeswohl beeinträchtigen würde. Im Falle der ernsthaft geäußerten Ablehnungshaltung eines älteren Kindes führe ein erzwungener Umgang regelmäßig zu einem größeren Schaden als Nutzen für die Entwicklung des Kindes, zumal dadurch der Wille des Kindes gebrochen würde. Einem älteren Kind könne in einer so ernsten und privaten Angelegenheit wie der Frage eines Umgangs mit seinem Elternteil nicht das Recht auf freien Willen abgesprochen werden. Hierfür spreche im vorliegenden Fall umso mehr, dass Y. unter der Umgangsverweigerung nicht "leide". Für einen Leidensdruck Y. gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
34Hiergegen richtet sich die am 29.04.2024 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Kindesvaters vom gleichen Tag, mit der er unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Bestellung eines Umgangspflegers und die Einrichtung von begleiteten Umgängen begehrt. Er erkenne an, dass aufgrund der verfahrenen Situation und der langen Zeit ohne Umgänge zum jetzigen Zeitpunkt die Umsetzung einer unmittelbaren Umgangsregelung nicht möglich sei. Allerdings seien nicht alle Mittel ausgeschöpft, um eine Umgangsanbahnung zu erreichen, da nicht versucht worden sei, die Abwehrhaltung von Y. aufzulösen. Dadurch, dass Y. ein verfestigtes und veraltetes Bild von ihm als ihrem Vater habe und ihn ablehne, lehne sie auch einen Teil von sich ab. Diese Ablehnung müsse zum Wohle von Y. aufgelöst werden. Es bestehe die Annahme, dass Y. derzeit nicht den Raum hätte, sich um zu entscheiden, selbst wenn sie dies wolle. Wenn man Y. eine neutrale dritte Person in Form eines Umgangspflegers an die Seite stellen würde, hätte Y. zumindest die Möglichkeit, ihre aktuelle Haltung zu überdenken. Mit Schriftsatz vom 22.08.2024 hat der Kindesvater geltend gemacht, es seien wirkungsvolle Maßnahmen gegen die fortschreitende und kindeswohlgefährdende Eltern-Kind-Entfremdung zu beschließen.
35Der Verfahrensbeistand hat seine erstinstanzlich geäußerte Ansicht wiederholt und erklärt, die Umsetzung von Umgängen zwischen Y. und ihrem Vater sei derzeit wegen der langjährig verfestigten ablehnenden Haltung Y. nicht möglich. Das Jugendamt hat sich dem angeschlossen und die Ansicht vertreten, das Umgangsrecht des Kindesvaters könne hier zu diesem Zeitpunkt nicht erzwungen werden und sei nicht mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes vereinbar.
36Die Kindesmutter hat mitgeteilt, Y. fühle sich mittlerweile vom Kindesvater terrorisiert.
37Der Senat hat die Beteiligten - durch wiederholte Terminsverlegungsanträge bedingt - am 31.10.2024 und Y. im Beisein des Verfahrensbeistandes angehört. Im Rahmen der Erörterung haben sich die Kindesmutter, der Verfahrensbeistand und die Vertreterin des Jugendamtes für eine Verlängerung des Umgangsausschlusses bis Ende März 2027 ausgesprochen. Der Kindesvater hat erklärt, man müsse den ablehnenden Willen von Y. durchbrechen und sie ggf. auch zu Umgängen zwingen, damit es dann besser werden könne. Zudem hat er beantragt, ein familienpsychologisches Gutachten einzuholen.
38II.
391. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht und mit zutreffender Begründung den Umgang des Kindesvaters bis auf Briefkontakt bis Ende März 2025 ausgeschlossen. Der Inhalt der Verfahrensakte und der Gang des Beschwerdeverfahrens geben jedoch Anlass, den Umgangsausschluss bis zum 31.03.2027 zu verlängern.
401.a. Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, zugleich ist jeder Elternteil zum Umgang mit seinem Kind berechtigt und auch verpflichtet. Dieses Recht des Kindes und des das Kind nicht betreuenden Elternteils steht nicht zur Disposition des anderen Elternteils. Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschlüsse vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16, FamRZ 2016, 1917 und vom 29.11.2012 - 1 BvR 335/12, FamRZ 2013, 361; vgl. grundlegend BVerfGE 31, 194/206 f.; 64, 180/187 f.). Die Rechtsposition erwächst ebenso wie das Sorgerecht aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und muss von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der obhutsberechtigte Elternteil muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.04.2004 - 1 BvR 487/04, FamRZ 2004, 1166; und vom 17.02.2022 - 1 BvR 743/21, FamRZ 2022, 794; grundlegend: BVerfGE 31, 194/206 f.; 64, 180/187 f). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (BVerfG, Beschlüsse vom 06.04.2004 - 1 BvR 487/04, FamRZ 2004, 1166; und vom 17.02.2022 - 1 BvR 743/21, FamRZ 2022, 794).
41b. Entscheidender Maßstab bei der Entscheidung ist das Kindeswohl. Das Familiengericht hat grundsätzlich die Regelung zu treffen, die – unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Eltern – dem Kindeswohl nach § 1697a BGB am besten entspricht (BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532; BVerfG, Beschluss vom 14.07.2010 - 1 BvR 3189/09, FamRZ 2010, 1622). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass das Kind mit der Kundgabe seines Willens von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch macht und seinem Willen mit zunehmenden Alter vermehrt Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.05.2009 - 1 BvR 142/09, FamRZ 2009, 1389 und vom 26.09.2006, FamRZ 2007, 105 = BVerfGK 15, 509/515). Der Kindeswille ist wie seine Neigungen und Bindungen gewichtiger Gesichtspunkt des Kindeswohls (BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532).
42c. Das Familiengericht kann gemäß § 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, wobei eine Einschränkung des Umgangsrechts für längere Zeit nur ergehen kann, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Gemäß § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB kann das Familiengericht in diesem Falle auch anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist (sog. begleiteter Umgang). Denn das betroffene Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG einen Anspruch auf Schutz durch den Staat, wenn und soweit mit dem Umgang eine Gefährdung seines körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls verbunden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.2017 - 1 BvR 2569/16, FamRZ 2017, 261). Entsprechend ist die Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine konkrete Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (std. Rspr., vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse 20.01.2023 – 1 BvR 2345/22, FamRZ 2023, 525; vom 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14, FamRZ 2015, 1093; und vom 29.11.2012 - 1 BvR 335/12, FamRZ 2013, 361; BVerfGE 31, 194/209 f.). Das Gericht hat bei der Entscheidung über die Einschränkung oder den Ausschluss des Umgangs sowohl die betroffenen Grundrechtspositionen des Elternteils als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Um dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG dabei Rechnung zu tragen, müssen die Fachgerichte jedenfalls bei einem länger andauernden oder einem unbefristeten Umgangsausschluss ‒ insoweit nicht grundlegend anders als bei dem Entzug des Sorgerechts auf der Grundlage von § 1666 BGB ‒ grundsätzlich die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret benennen (vgl. BVerfG, Beschlüsse 20.01.2023 - 1 BvR 2345/22, FamRZ 2023, 525; undvom 25.05.2022 - 1 BvR 326/22, FamRZ 2022, 1286). Je gewichtiger der zu erwartende Schaden für das Kind oder je weitreichender mit einer Beeinträchtigung des Kindeswohls zu rechnen ist, desto geringere Anforderungen müssen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger belastbar muss die Tatsachengrundlage sein, von der auf die Gefährdung des Kindeswohl geschlossen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.01.2023 - 1 BvR 2345/22, FamRZ 2023, 525).
43d. Bei der Frage, ob eine konkrete Gefährdung der seelischen oder körperlichen Entwicklung des Kindes droht, darf auch der ggf. dem Umgang entgegenstehende Wille des Kindes und die Folgen eines gegen diesen Willen angeordneten Umgangs nicht außer Betracht bleiben; so kommen eine Einschränkung oder der Ausschluss der Umgangsbefugnis insbesondere in Betracht, wenn das Kind dies aus ernsthaften Gründen wünscht und ein erzwungenes Umgangsrecht das Kindeswohl gefährden würde (vgl. BVerfGE 64, 180/191). Soweit das bei einem Elternteil lebende Kind den Umgang mit dem nichtsorgeberechtigten Elternteil verweigert, ist es auch Aufgabe der Gerichte, die Gründe für diese Einstellung zu ermitteln und sie in ihre Entscheidung einzubeziehen (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16, FamRZ 2016, 191).
44e. Wie bei anderen staatlichen Kindesschutzmaßnahmen, die mit einem Eingriff in das Elternrecht verbunden sind, ist bei der Anordnung von Einschränkungen oder dem Ausschluss des Umgangs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.03.2005 - 1 BvR 1986/04, FamRZ 2005, 1057). Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangs ist nur zulässig, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, um eine drohende Kindeswohlgefährdung zu beenden.
452. Daran gemessen ist die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Vielmehr ist der angeordnete Umgangsausschuss bis zum 31.03.2027 zu erweitern.
46a. Mit dem Amtsgericht ist der Senat aufgrund der zahlreichen Vorverfahren, des Inhalts der Verfahrensakte und der durchgeführten Anhörung aller Beteiligten sowie des persönlichen Eindrucks, den er sich bereits zum zweiten Male von Y. machen konnte, der Überzeugung, dass ein Umgang des Kindesvaters – auch in begleiteter Form – eine erhebliche und konkrete Gefährdung des Kindeswohls darstellen würde. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aufgrund der notwendigen Gesamtbetrachtung verschiedener Umstände.
47aa. Y. verweigert seit fast sechs Jahren standhaft und nachhaltig Umgang mit dem Kindesvater. Ob die Gründe für die Umgangsverweigerung aus der Sicht Dritter nachvollziehbar sind, kann dahinstehen. Maßgeblich ist, ob die von dem Kind vorgebrachten Gründe aus seiner Sicht nachvollziehbar sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.01.2022 - 2 UF 77/21, ZKJ 2022, 356; OLG Frankfurt 17.9.2014 - 4 UF 355/13, juris Rn 5; Staudinger/Dürbeck, 2023, § 1684 Rn. 307). Y. führt für ihre ablehnende Haltung - für sie - nachvollziehbare und schlüssige Argumente auf, die an das Verhalten des Kindesvaters nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart anknüpfen. Diese Anknüpfungstatsachen stellen für Y. in der Vergangenheit das Erziehungsverhalten des Kindesvaters dar, was sich nach übereinstimmender Wertung aller Fachbeteiligten und der Sachverständigen in einem strengen Verhalten, sogar - mindestens einmalig - durch ein leichtes Schlagen am Kopf ausgedrückt hat. Selbst der Kindesvater hat nicht bestritten, Y. „Du Schaf“ genannt und einen „Klaps auf die Stirn gegeben zu haben“. Weiter spielt der fehlende Respekt, den der Kindesvater Y. gegenüber seit Jahren zum Ausdruck bringt, eine ganz erhebliche Rolle für die Wertung und Einschätzung von Y.. Y. hat schon vor fünf Jahren dem damaligen Verfahrensbeistand gegenüber davon gesprochen, der Kindesvater breche ihren Stolz und respektiere ihre Wünsche nicht. Nachdem sie probatorische Sitzungen bei einem Psychotherapeuten wahrgenommen hat, hat sie sich wieder ignoriert gefühlt, weil der Kindesvater danach immer noch „keine Ruhe gegeben“ habe, obwohl sie ihn so verstanden habe, dass er dies machen würde. Weiter hat Y. erstinstanzlich den Vorfall mit dem Martinszug angesprochen, als der Kindesvater sich uneingeladen angemeldet habe und davon auch nicht Abstand genommen habe, als Y. ihn darum gebeten habe, so dass schließlich sie an ihrem eigenen Martinszug nicht teilgenommen hat. Dieses Gefühl von Y., dass der Kindesvater sie bis in die Gegenwart nicht respektiert, ist auch in der Anhörung durch den Senat ganz deutlich zu Tage getreten. Würde der Kindesvater sie respektieren, so Y., müsste sie ja jetzt nicht wieder mit dem Senat reden. Erstaunlich war dabei, dass Y. auf die Frage des Senats, warum nach ihrer Meinung der Kindesvater an den Verfahren festhalte, klar erklären konnte, dass dies ihrer Meinung daran liege, weil er sie sehen wolle, weil sie sein Kind sei, was sie auch verstehen könne. Y. war, das hat sich gezeigt, in der Lage, die Bedürfnisse ihres Vaters zu erkennen und auch bereit, diese zu benennen. Gleichzeitig sah sie ihre „Hoffnung“, dass es irgendwann einmal „vorbei“ wäre, als zerstört an. Y. erzählte weiter, dass das Verfahren bei ihr Bauch- und Kopfschmerzen auslöse, wann immer es akut werde, und sie schlecht schlafe. Sie wolle einfach nur, dass der Kindesvater sie in Ruhe lasse. Im Ergebnis liegen damit aus der hier maßgeblichen Sicht von Y. zahlreiche Gründe vor, die es für sie rechtfertigen, den Umgang mit ihrem Vater abzulehnen.
48bb. Ob die ablehnende Haltung von Y. auch auf dem Verhalten der Kindesmutter beruht, kann letztlich dahinstehen. Die Sachverständige im Parallelverfahren hat eine zumindest unbewusste Beeinflussung von Y. durch die Kindesmutter zwar bejaht. Dies ist vorliegend jedoch deshalb nicht ausschlaggebend, weil der seit Jahren geäußerte Wille von Y. ihren tatsächlichen inneren Bindungen entspricht (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom 16.05.2024 – 14 UF 22/24, FamRZ 2024, 1284 und vom 30.06.2022 – 14 UF 30/22, BeckRS 2022, 17409; VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.2024 – 110/23.VB.3, juris; Staudinger/Dürbeck, 2023, § 1684 BGB Rn. 307 f; BeckOK BGB/Veit, 69. Ed. 1.1.2023, BGB § 1684 Rn. 187-190). Dafür, dass der von Y. geäußerte Wille nicht ihren wirklichen Bindungsverhältnissen entspricht, liegen keinerlei Tatsachen vor. Y. lebt ihr ganzes Leben bei der Kindesmutter, sie nennt deren Ehemann zwar nicht „Papa“, ersichtlich verkörpert dieser jedoch die Vaterrolle. Beide Personen stellen ihre primären Bindungs- und Betreuungspersonen dar. Die Sachverständige Prof. Dr. K. hat schon am 23.04.2019 erklärt, dass Y. ihre Mutter idealisiere und den Vater vollkommen ablehne. Auch der Psychotherapeut, dem Y. vorgestellt wurde, hat erklärt, die Reaktionen Y. auf die Erlebnisse mit dem Kindesvater gäben aus psychotherapeutischer Sicht Aufschluss über die geringere Tragfähigkeit der positiven Repräsentation vom Vater und weniger Aufschluss über etwaige fremd- oder autosuggestive Einflüsse.
49Unabhängig davon geht der Senat in Übereinstimmung mit den Fachbeteiligten nicht davon aus, dass, selbst wenn man eine Beeinflussung von Y. durch ihre Mutter annehmen wollte, diese alleine Ursache der ablehnenden Haltung von Y. war und ist. Der erhebliche Konflikt zwischen den Kindeseltern und die ablehnende Haltung beider gegenüber einander ist unstreitig. Auf dieser Grundlage erscheint es dem Senat überzeugend, wenn die Sachverständige die Schlussfolgerung zieht, Y. polarisiere die Eltern. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass Y. denjenigen Elternteil, der die Hauptbezugs- und maßgebliche Betreuungsperson darstellt, also die Kindesmutter, idealisiert, während sie beim Vater nur wenige positivere Aspekte zulassen kann. Es ist auch nachvollziehbar, dass Y. das gröbere und fordernde Erziehungsverhalten des Kindesvaters als ihre Person übergehend ansieht, da der Kindesvater seit 5,5 Jahren den Willen von Y., ihn nicht sehen zu wollen, nicht respektiert und trotz aller gegenteiliger Meinungen der Fachbeteiligten darauf beharrt, dass ihre Entwicklung hierdurch gefährdet werde. Die Ablehnung des Umgangs durch Y. erfolgt - unabhängig von einer möglichen Beeinflussung - aufgrund einer sich in den letzten Jahren gebildeten und verfestigten inneren Einstellung heraus; sie ist nach der Ansicht aller Fachbeteiligten nicht in der Lage, Konfliktsituationen, die sich durch einen Umgang mit dem Kindesvater ergeben könnten, zu bewältigen. Vielmehr stellt es ihre Konfliktlösungsstrategie dar, den Kindesvater gänzlich abzulehnen, um für sich die Situation zu beruhigen und zu befrieden.
50cc. Die Nichtbeachtung dieses seit langem konstant geäußerten ablehnenden Willens von Y. würde nach der Ansicht der Fachbeteiligten, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, zu einer gegenwärtigen und konkreten Kindeswohlgefährdung führen. Diese ist kleinteilig und vielschichtig.
51Zunächst würden erzwungene Kontakte zu einer Gefährdung der seelischen Entwicklung von Y. führen, weil sie über die Jahre mittlerweile erhebliche Ängste gegenüber dem Kindesvater aufgebaut hat, die nur verstärkt werden können, müsste Y. gegen ihren Willen Umgang mit ihrem Vater haben. Ob die Ängste eine für Dritte nachvollziehbare Grundlage haben, ist dabei nicht relevant. Relevant ist die emotionale Verfasstheit von Y. gegenüber ihrem Vater als Ausgangspunkt der Betrachtung. Diese drückt sich, was alle Verfahrensbeteiligten bestätigen und Y. auch immer wieder selber erklärt, durch Angst aus. Diese Angst kann sich nur verstärken, sollte Y. zu Umgang gezwungen werden, wenn sich nicht das Angsterleben vorher verändert hat. Der Senat macht an dieser Stelle ganz deutlich, dass er nicht die Ansicht des Kindesvaters vertritt, dass der Widerstand von Y. nur einmal gebrochen werden müsste, damit sie sehen kann, dass er nicht der schlimme Mensch sei, für den sie ihn halte.
52Weiter droht, auch hier sind sich die Fachbeteiligten einig, eine Vertiefung des bereits aufgebauten Feindbildes „Vater“ bei Y., würde man Umgänge erzwingen. Der Senat teilt diese Ansicht der Fachbeteiligten. Es ist aufgrund der psychologischen Fachliteratur nichts dafür ersichtlich, dass das Erzwingen von Umgänge eine andere Folge als die Vertiefung einer ablehnenden Haltung nach sich zieht. Es gibt vorliegend keine gewachsenen Bindungen von Y. zu ihrem Vater, deren Aufrechterhaltung auch erzwungene Umgänge dienen könnten.
53Weiter ist bei erzwungenen Umgängen, wie die Sachverständige schon am 23.04.2019 erklärt hat, mit einer Beeinträchtigung von Y. Sicherheits- und Kontrollbedürfnis zu rechnen. Vor diesem Hintergrund schließt sich der Senat der Einschätzung des Verfahrensbeistandes an, nach der bei einer Durchsetzung von Umgängen gegen den ausdrücklichen Kindeswillen mit hoher Wahrscheinlichkeit psychische Belastungen zu erwarten seien, die u.a. zu Hilflosigkeit, Resignation und Labilisierung des Selbstwert- bzw. Selbstwirksamkeitsgefühls führen könnten.
54Der Senat teilt weiter die Ansicht des Jugendamtes, nach der eine Belastung von Y. auch dadurch besteht, dass Y. in den letzten Jahren keine Selbstwirksamkeit erlebt hat und sich wiederholt den Entscheidungen der Erwachsenen beugen musste. Ihr Wunsch, „Ruhe“ zu erhalten, ist seit 5,5 Jahren nicht in Erfüllung gegangen, weil selbst bei entsprechenden Elternvereinbarungen immer neue Forderungen an Y. herangetragen wurde, die sie jeweils erfüllt hat, ohne danach dann die erwünschte Ruhe zu erhalten. So hat sie Telefonumgänge mitgemacht, ihre Großmutter besucht und einen Psychotherapeuten aufgesucht - trotz entgegenstehenden Willens. Ihre Bewältigungsstrategie zum Lösen des elterlichen Konflikts - Ablehnung eines Elternteils - zeigt sich nicht als wirksam, was sich schon jetzt, während eines bestehenden Umgangsausschusses, auch in psychosomatischen Belastungsreaktionen in Form von Kopf- und Bauchschmerzen und Konzentrationsproblemen ausdrückt. Aufgrund dieser Umstände ist der sichere Schluss möglich, dass bei der Anordnung von Umgängen nicht nur die Hilflosigkeit von Y. erheblich zunehmen würde, sondern sich auch die psychosomatischen Belastungsreaktionen verstärken würden.
55Die Gefahr, dass sich der Druck auf Y. erhöht, nachdem das Jugendamt bereits 2018 im Rahmen der Begutachtung von einem erheblichen „Druckkessel“ bei Y. gesprochen hat, ist erheblich und naheliegend. Das Selbstwirksamkeitserleben von Y. wäre bei einem erzwungenen Umgang gefährdet, weil die ablehnende Haltung gegenüber dem Kindesvater ihre psychische Realität darstellt. Diese von der Sachverständigen 2019 gezogene Schlussfolgerung ist trotz des erheblichen Zeitablaufs immer noch gültig; die Umstände haben sich genauso wenig verändert wie die Haltung des Kindesvaters.
56Hinzu kommen die Gefühle von Angst, Wut und Stress. Y. beschreibt diese Gefühle schon seit Jahren und hat sie auch in der Anhörung durch den Senat beschrieben und erläutert. Auf diese intensiven Gefühle muss reagiert werden, um weitere Auswirkungen, wie sie die Sachverständige schon in ihrem Gutachten aus dem Frühjahr 2019 aufgeführt hat, zu vermeiden.
57Schließlich besteht bei einer Erzwingung von Umgängen zwischen Y. und dem Kindesvater die naheliegende Gefahr, dass gerade hierdurch ihr die Möglichkeit genommen wird, in der Zukunft eine Beziehung zum dem Kindesvater wieder aufzubauen (vgl. hierzu Wallerstein/Lewis, FamRZ 2001, 65, 69; Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 7. Aufl. 2020, Rn. 587).
58b. Der Ausschluss des Umgangs - bis auf die angeordneten Briefkontakte und das Recht des Kindesvaters, Geschenke zu speziellen Anlässen zu übersenden - ist auch verhältnismäßig.
59aa. Er ist zunächst geeignet, die soeben festgestellte Kindeswohlgefährdung zu beenden.
60Geeignet sind gerichtliche Maßnahmen, die eine effektive Gefahrenabwehr gewährleisten, ohne dabei ihrerseits eine (andere) Kindeswohlgefährdung zu begründen. Der Senat ist sich mit den Fachbeteiligten darüber einig, dass der vom Amtsgericht angeordnete Umgangsausschluss die festgestellten Aspekte einer Kindeswohlgefährdung wirksam beendet. Y. hat in ihrer Anhörung gegenüber dem Senat zum Ausdruck gebracht, dass es ihr immer dann gut gehe, wenn sie keine weiteren Verfahren mit ihrem Vater befürchten muss. Auch der Psychotherapeut, bei dem Y. probatorische Sitzung wahrgenommen hat, hat erklärt, dass bei Y. keine Indikation für eine Psychotherapie bestehe, da bei ihr kein Anhalt für eine psychische Störung mit Krankheitswert vorliege. Gleichzeitig hat er hervorgehoben, dass bei einer erzwungenen Kontaktanbahnung bei Y. eine weitere Verfestigung der negativen Repräsentation und eine psychische Belastung zu erwarten sei.
61Die Anordnung eines Umgangsausschlusses und damit die Anerkennung der Weigerung Y. , ihren Vater nicht sehen wollen, führt auch nicht, wie der Kindesvater mit seinem letzten Schriftsatz vom 22.08.2024 erneut ausführt, ihrerseits zu einer Kindeswohlgefährdung. Das gesetzliche Leitbild geht zwar davon aus, dass Umgang mit beiden Elternteilen regelmäßig dem Wohle des Kindes entspricht, § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB. Weiter hat das Kind ein Recht auf Umgang, § 1684 Abs. 1 BGB. Ein Umkehrschluss dergestalt, dass eine Umgangsverweigerung des Kindes und ein deshalb angeordneter Umgangsausschluss damit eine gegenwärtige und erhebliche Kindeswohlgefährdung darstellt, kann indes nicht gezogen werden. Insbesondere kann nicht geschlussfolgert werden, dass die vom Kindesvater angeführte „Eltern-Kind-Entfremdung“ (EKE) das Wohl des Kindes gefährdet. Hierzu ist schon auszuführen, dass die sog. „Eltern-Kind-Entfremdung“ in der Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 17.11.2023 – 1 BvR 1076/ 23, FamRZ 2024, 278 (m. Anm. Wolfgang Keuter); OLG Köln, Beschluss vom 16.05.2024 – 14 UF 22/24, NZFam 2024, 665; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.04.2024 – 7 UF 46/23, FamRZ 2024, 1289) als auch in der Literatur (MüKo/F., § 1666 BGB Rn. 107 m.w.N.; Altendorfer-Kling/Kliemann/Fegert, FF 2024, 98; Zimmermann/Fichtner/Walper/Lux/Kindler, ZKJ 2023, 43 ff. und 83 ff) ganz überwiegend kritisch betrachtet wird, weil dieses Konzept auf einer erwachsenzentrierten Betrachtungsweise beruht, die die Vielschichtigkeit der Konfliktlagen und der bei Eltern und den Kindern stattfindenden psychologischen Prozesse nicht hinreichend abbildet. Vielmehr ist danach zu differenzieren, ob durch die Umgangsverweigerung die seelische Entwicklung des Kindes durch das anhaltende massive Hervorrufen von Ängsten gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil und dem Aufbau eines Feindbildes bei dem Kind infolge der defizitären Bindungstoleranz des Obhutselternteils sowie durch die damit unmöglich werdende Entwicklung einer unbeschwerten Beziehung zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil erheblich gefährdet wird (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2020 – 1 BvR 836/20, FamRZ 2021, 753), oder ob sie die kindliche Konfliktlösungsstrategie bei einem erheblichen Loyalitätskonflikt und damit ein Mittel darstellt, eine gefühlte „Bedrohung“ durch den umgangsberechtigten Elternteil abzuwenden (EGMR, Urteil vom 28.04.2026 - 20106/13, FamRZ 2017, 891 m. Anm. Hammer; BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16, FamRZ 2016, 1917). Vorliegend ist, wie bereits ausführlich erläutert, die Umgangsverweigerung von Y. als Konfliktlösungsstrategie zu sehen. Entsprechend kann die Anordnung eines Umgangsausschlusses, der diese Konfliktlösungsstrategie billigt, seinerseits nicht zu einer Kindeswohlgefährdung führen.
62bb. Der Umgangsausschluss ist auch erforderlich. Die Erforderlichkeit einer Maßnahme beinhaltet das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen (für § 1666 BGB: BVerfG, Beschluss vom 22.05.2014, 1 BvR 2882/13, JAmt 2014, 410). Mildere Mittel, insbesondere die Anordnung von begleiteten Umgängen oder die Einrichtung einer Umgangspflegschaft, wie sie der Kindesvater fordert, scheiden vorliegend aus. Y. lehnt seit rund 5,5 Jahren Umgang ab. In dieser Zeit sind verschiedenen Formen des Umgangs (direkter Umgang, telefonischer Umgang) ausprobiert, eine Wiederanbahnung des Umgangs durch einen Besuch bei der Großmutter väterlicherseits probiert, die Klärung der Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Anbindung durchgeführt und eine Elternberatung anheim gestellt worden. Nichts hat dazu geführt, dass sich Y. Haltung geändert hätte. Da sowohl die Anordnung einer Begleitung der Umgänge als auch einer Umgangspflegschaft jedoch bedeuten würden, dass Y. weiter gezwungen werden würde, ihren Vater zu sehen, stellt keine dieser Maßnahmen eine geeignete Maßnahme zur Abwendung der festgestellten Kindeswohlgefährdung dar. Der Senat wiederholt in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich, dass die Sicht des Kindesvaters, man müsse den Widerstand von Y. überwinden, keinen gangbaren Weg darstellt, an der Haltung von Y. etwas zu ändern. Y. ist ein Mensch mit den gleichen Grundrechten wie der Kindesvater. Ihr sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebendes allgemeinsames Persönlichkeitsrecht ist damit genauso zu berücksichtigen - und auch zu schützen - wie das Grundrecht des Kindesvaters auf Umgang mit seiner Tochter. Da letzteres jedoch seine Grenze bei einer Kindeswohlgefährdung durch Umgang erfährt, geht das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Y. vor.
63cc. Der Umgangsausschluss bis zum 31.03.2027 ist auch angemessen, d.h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Angemessenheit der Dauer des Umgangsausschlusses ist zu bejahen, wenn die Dauer des Umgangsauschlusses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Rechte sowohl von Y. als auch des Kindesvaters aus Art. 8 Abs. 1 EMRK, zumutbar ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Vorliegend sind besondere Umstände festzustellen, die einer kürzeren Befristung des Umgangsausschlusses entgegenstehen. Es ist zunächst der eindringlich geäußerte Wunsch Y. , endlich einmal ihre Ruhe zu haben, vor dem Hintergrund ihres sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu berücksichtigen. Y. lehnt den Umgang mit ihrem Vater nicht erst seit kurzer Zeit, sondern seit Jahren - trotz aller gerichtlich unternommenen Versuche - ab. Diesen Wunsch weiter zu ignorieren, würde einen Eingriff in ihre Grundrechtspositionen darstellen, der nicht durch das sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 GG ergebende Grundrecht des Kindesvaters auf Umgang mit seiner Tochter gedeckt ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass das inzwischen dreizehnjährige Mädchen von kurz nach ihrer Geburt bis heute durch das kompromisslose Verhalten insbesondere des Kindesvaters einer Vielzahl von Verfahren ausgesetzt war, ohne dass es ihr möglich gewesen wäre, sich diesen vor Gericht ausgetragenen Streitigkeiten zu entziehen. Auch respektiert der Kindesvater Y. Wünsche bis zur Gegenwart nicht, sondern arbeitet mit durch die Ansichten der Fachbeteiligten, der Sachverständigen und des Psychotherapeuten widerlegten Hypothesen, ohne jede Einsichtsfähigkeit zu zeigen. Selbst nach der Mitteilung des Ergebnisses der Kindesanhörung durch den Senat und nach langer Erörterung der Sach- und Rechtslage blieb der Kindesvater bei seiner Auffassung, der Kontaktabbruch schade Y.. Nicht nur das, er hat zudem die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens gefordert, war also bereit, die für Y. belastende Situation durch das Verfahren weiter erheblich zu verlängern.
64Vor diesem Hintergrund war nicht nur die Entscheidung des Amtsgerichts zu bestätigen, sondern der Umgangsausschluss auf die Anregung der Kindesmutter, des Verfahrensbeistandes und der Mitarbeiterin des Jugendamtes hin bis zum 31.03.2027 zu verlängern.
65Der Senat war zu der Verlängerung des angeordneten Umgangsausschlusses rechtlich befugt. Im Rahmen der von ihm zu treffenden Beschwerdeentscheidung ist der Senat nicht an den „Beschwerdeantrag“ des Kindesvaters, der rechtlich eine Anregung i.S.d. § 24 FamFG darstellt, gebunden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.12.2011 – 4 UF 158/10, BeckRS 2012, 12855). Das Umgangsverfahren als amtswegig zu führendes Verfahren ist alleine vom Kindeswohlprinzip (§ 1697a BGB) geprägt, eine Schlechterstellung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer entsprechend hinzunehmen (Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 69 Rn. 37).
66Die Verlängerung des angeordneten Umgangsausschlusses war auch angemessen. Denn da der Kindesvater die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens gefordert hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er nach Ablauf der vom Amtsgericht gesetzten Frist erst einmal abwarten würde, bevor er ein neues Umgangsverfahren anregen würde. Dies würde bedeuten, dass Y. bereits in spätestens fünf Monaten einem neuen Verfahren ausgesetzt wäre. Dies kann vor dem Hintergrund der familiären Historie, der zahlreichen Verfahren und der durchgängig gegebenen Belastung von Y. nicht verantwortet werden. Nur durch die Verlängerung des angeordneten Umgangsausschlusses kann Y. die notwendige Ruhe verschafft werden, um sich nicht mehr von ihrem Vater getrieben - oder wie sie es formuliert: „terrorisiert“ - zu fühlen. Um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung zu tragen, hat der Senat davon abgesehen, den Umgangsausschluss bis auf den Zeitpunkt des 18. Geburtstages von Y. auszudehnen, auch wenn ein solcher unbefristeter Umgangsausschluss sowohl unter Art. 8 Abs. 1 EMRK als auch Art. 6 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16, FamRZ 2016, 191).
67Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht dem Kindesvater erlaubt hat, Y. zweimal jährlich einen Brief zu schreiben und ihr zu ihrem Geburtstag und zu hohen Feiertagen ein Geschenk zu schicken. Die Kindesmutter hat insoweit erklärt, alle Briefe aufbewahrt zu haben. Damit besteht für Y. - in einem eigenen Tempo - eine Möglichkeit der Wiederanbahnung eines Kontaktes zunächst durch Lesen der Briefe, wenn sie soweit ist.
68Das Recht, Geschenke zu hohen Feiertagen zu übersenden, war aufgrund der vollstreckungsrechtlich ungenauen Formulierung lediglich dahingehend zu konkretisieren, was unter „hoher Feiertag“ zu verstehen ist. Diese Konkretisierung hat der Senat vorgenommen.
693. Der Anregung des Kindesvaters auf Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens war nicht zu entsprechen.
70Die Fachgerichte haben gemäß § 26 FamFG alle notwendigen Ermittlungen durchzuführen, um über eine zuverlässige, am Kindeswohl orientierte Entscheidungsgrundlage zu verfügen. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Senat und das Amtsgericht haben jeweils Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes und des Jugendamts eingeholt. Die Beteiligten und Y. sind durch das Amtsgericht mehrmals und durch den Senat am 31.10.2024 angehört worden. Weiter lag dem Senat das Gutachten aus dem Vorverfahren aus dem April 2019 schriftlich vor. Daher bedurfte es vorliegend keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil alle maßgeblichen Umstände bereits im vorangegangenen Verfahren gutachterlich festgestellt worden waren und sich die Rahmenbedingungen seit der Begutachtung nicht nur nicht verbessert haben, sondern sich die Ablehnungshaltung von Y. aufgrund der anhaltenden Verfahren sogar verschärft hat. Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass und warum die Feststellungen der Sachverständigen nunmehr unzutreffend sein könnten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die im vorangegangenen Verfahren von der Sachverständigen für den Fall des fortgesetzten Elternkonflikts prognostizierte Verstärkung der Ablehnungshaltung des Kindes tatsächlich eingetreten ist. Bereits in diesem Verfahren hatte die Sachverständige festgestellt, dass Elterngespräche wenig aussichtsreich erschienen. Von der erneuten Begutachtung des Kindes ist alleine vor diesem Hintergrund kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten, worauf der Senat den Kindesvater auch bereits im Rahmen der Erörterung hingewiesen hat. Eine erneute Begutachtung stünde außerdem außer Verhältnis zu den hiermit verbundenen und bereits im vorangegangenen Verfahren gutachterlich festgestellten Belastungen von Y.. Schließlich haben sich auch das Jugendamt und der Verfahrensbeistand dafür ausgesprochen, den Willen des Kindes zu respektieren.
714. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus den §§ 45, 40 FamGKG.
72Rechtsmittelbelehrung:
73Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.