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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25.08.2022 – 14 O 327/21 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor zu Ziff. 1 anstelle von „ohne Einwilligung der
Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“ heißt: „ohne Einwilligung der Klägerin öffentlich wiederzugeben“.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 12.000,00 € und im Übrigen für die Beklagte 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages und für die Klägerin 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.600,00 € festgesetzt.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen der Anzeige zweier von der Klägerin angefertigter Fotografien in einem von der Beklagten eingestellten Angebot auf amazon.de, wobei die Beklagte sich an ein bestehendes Angebot „angehängt“ hatte.
4Die Klägerin ist Designerin sowie Herausgeberin im Bereich der Kunst. Daneben ist sie als Fotografin tätig und hat zusammen mit ihrem Lebenspartner, dem Künstler Herrn S., unter anderem den Bildband „Kunstmaschinen: S.“ herausgegeben. Die Beklagte ist eine Online-Händlerin mit An- und Verkaufsservice im Bereich gebrauchter Medien, insbesondere Büchern. Sie nutzt hierfür ihre eigene Webseite n.de und das Verkaufsportal amazon.de unter dem Account „n.“. Die Beklagte vertreibt auf letzterem Wege etwa 7,6 Millionen Artikel jährlich. Pro Tag verkauft sie daher in der Regel um die 20.000-22.000 Artikel. Dabei hält sie etwa 4,65 Millionen (+/-100.000) verschiedene Artikel als ständiges Angebot bei amazon.de bereit. Üblicherweise verkauft die Beklagte nur Einzelstücke, d.h. gebrauchte Artikel, die nur einmal im Lagerbestand vorhanden sind.
5Um doppelte Produktseiten zu vermeiden hat Amazon die Amazon Standard Identification Number (Amazon-Standard-Identifikationsnummer, im Folgenden ASIN), eingeführt. Über die ASIN, die von den Betreibern von Amazon vergeben wird, werden die Produkte auf dem Online-Marktplatz von amazon.de verwaltet. Mit der ASIN werden Produktinformationen verbunden, unter anderem auch die Produktbilder. Diese werden bei der Ersteinstellung, d.h. bei dem erstmaligen Verkauf des Produkts auf amazon.de, von dem jeweiligen ersten Verkäufer/Händler des Produkts eingepflegt. Die Anlegung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits mittels ASIN erfasst wurde, ist nach den einschlägigen Richtlinien von amazon.de (Anlagenkonvolut B1, Bl. 74 ff. GA) grundsätzlich nicht gestattet (Bl. 78 GA). Dies hat den Zweck, dass auf Amazon nicht die gleichen Produkte mit unterschiedlichen Bezeichnungen, Beschreibungen, Bildern und Merkmalen angeboten werden sollen. Durch Angabe einer bestehenden ASIN für ein zu veräußerndes Produkt werden die Informationen zu diesem Produkt automatisch für die Verkaufsseite generiert, insbesondere werden die unter derselben ASIN bei amazon.de hinterlegten Fotos mit jedem Angebot verknüpft, das diese ASIN verwendet. Dies hat zur Folge, dass es stets nur eine Produktseite gibt, auf der unterschiedliche Händler das Produkt in unterschiedlichen Zuständen (neu/gebraucht) zu unterschiedlichen Preisen anbieten können. Die zur ASIN generierte Produktbeschreibung oder die hinterlegten Bilder können nicht ohne Weiteres geändert werden. Grundsätzlich ist nur derjenige Anbieter berechtigt, die Produktbeschreibung (einschließlich der hinzugefügten Bilder) zu ändern, der die ASIN angelegt hat. Über vorgenommene Änderungen werden diejenigen, die ein Produkt über Nutzung einer vorbestehenden ASIN zum Verkauf eingestellt haben, nicht informiert.
6Durch Angabe einer solchen vorbestehenden ASIN „hängte sich“ die Beklagte an ein bereits vorhandenes Angebot bzw. an die entsprechenden Produktinformationen bei amazon.de für das o.g. Buch an und verkaufte dort ein Exemplar desselben am 30.06.2021. Das Werkstück hatte die Beklagte zuvor am 04.06.2021 angekauft, hielt es bis zum Verkauf auf Lager und bot es wie oben beschrieben über amazon.de, auf der eigenen Webseite sowie auf ebay an. Auf der eigenen Webseite und auf ebay verwendete die Beklagte dabei nur das Coverbild des Buchs als Produktbild. Das Werk wurde bei amazon.de darüber hinausgehend mit den nachfolgend eingeblendeten Lichtbildern dargestellt, wobei streitgegenständlich allein die Ablichtungen des Buchs selbst, nicht aber die darin abgedruckten Fotografien sind. Nutzungsrechte hieran hatte die Klägerin weder amazon.de bzw. der Betreiberin der Plattform Amazon Marketplace noch der Beklagten gewährt.
7 8 9Die Klägerin ließ die Beklagte am 02.07.2021 abmahnen. Die Beklagte wies Ansprüche der Klägerin vorgerichtlich zurück.
10Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, sie sei Urheberin der und Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Lichtbildern und hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte diese durch Schaltung des Angebots auf amazon.de in unzulässiger Weise öffentlich zugänglich gemacht habe.
11Die Beklagte hat behauptet, sie verwende die von Amazon bereitgestellte Funktion der Massenauflistung zur Angebotseinstellung auf dieser Plattform, wodurch alle ihre Informationen und Produktangebote automatisch generiert würden; die in Rede stehenden Lichtbilder habe sie nicht selbst hochgeladen. Der Verkäufer müsse lediglich den Preis und den verfügbaren Bestand in seiner Webschnittstelle eingeben. Die Verkaufsseite werde dann automatisch erstellt (unter Verweis auf Anlage B8, Bl. 102 ff. GA). Es sei ihr vor diesem Hintergrund nicht zumutbar, die Geschäftstätigkeit auf dem Marktplatz Amazon aufgrund der mit der ASIN-Nutzung einhergehenden Risiken einzustellen. Eine allgemeine Kontrollpflicht sei unangemessen, zumal sie keine Möglichkeit zur Behebung der Rechtsverletzung auf amazon.de habe.
12Das Landgericht hat mit am 25.08.2022 verkündeten Urteil (Bl. 328 ff. GA, veröffentlicht in GRUR-RR 2022, 478, besprochen von Sakowski in GRUR-Prax 2022, 582), auf das wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, die oben wiedergegebenen Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Weiter hat es die Erledigung des von der Klägerin zunächst geltend gemachten Auskunftsanspruchs festgestellt und der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen.
13Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Vorlage von hochauflösenden Dateien der in Rede stehenden Fotografien sowie der sogenannten RAW-Dateien sei die Aktivlegitimation der Klägerin hinreichend nachgewiesen. Diese Bilder seien über das Angebot bei amazon.de auch öffentlich zugänglich gemacht worden, wofür die Beklagte als Täterin hafte. Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Markenrecht und zum UWG ergebe sich diese Passivlegitimation daraus, dass die Beklagte auf einer Internethandelsplattform in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlichen lasse, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrsche, weil dem Plattformbetreiber die Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten sei. Die Gefahr einer Rechtsverletzung sei demnach adäquat kausale Folge der Angebotserstellung unter den Bedingungen des Amazon-Marktplatzes und daher der Beklagten zuzurechnen. Auch habe die Beklagte eigene Herrschaft über diese Urheberrechtsverletzung. Der Tatbeitrag liege insoweit in der Einstellung des Verkaufsangebots unter der bereits vorhandenen ASIN, wodurch die Beklagte eine eigene Entscheidungsbefugnis und Herrschaft über die Rechtsverletzung gehabt habe. Insoweit sei der Einwand der Beklagten, wonach ihr Geschäftsmodell auf einer vollautomatisierten Angebotserstellung beruhe, die eine Einzelüberprüfung nicht ermögliche bzw. erlaube, nicht durchgreifend. Auf Haftungsprivilegien vergleichbar mit den Betreibern von Suchmaschinen und Host-Providern könne sich die Beklagte nicht berufen. Die von der Beklagten vorgetragenen Versuche, eine Löschung der Lichtbilder über Amazon zu erreichen, seien nicht entscheidungserheblich, weil durch die Einstellung des Angebots bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten erfüllt gewesen seien. Das Vorgehen der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Das für den Schadensersatzanspruch notwendige Verschulden sei gegeben, weil insoweit strenge Sorgfaltsanforderungen zu stellen seien. Die Beklagte habe mindestens fahrlässig gehandelt, indem sie sich ohne jegliche Kontrolle an das Angebot auf Amazon „angehängt“ habe.
14Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird: Das Landgericht habe zu Unrecht die Einschlägigkeit von § 19a UrhG bejaht, da die Vorschrift voraussetze, dass sich die zur Zugänglichmachung benutzte Vervielfältigung des Werkes in der Zugriffssphäre des Bereithaltenden befinde. Das sei nicht der Fall gewesen, weil die Beklagte - insoweit unstreitig - die Lichtbilder weder auf einem eigenen Server oder Rechner gespeichert habe und sie auch nicht selbst auf dem Amazon Marketplace hochgeladen habe. Die vom Landgericht für die Begründung einer Täterschaft der Beklagten herangezogenen Entscheidungen auf dem Gebiet des Marken- und Wettbewerbsrechts seien nicht übertragbar, weil die Voraussetzungen der bei diesen Fällen in Rede stehenden Tathandlungen („geschäftliche Handlung“ bzw. „Anbieten“) - anders als diejenigen der Verwertungshandlungen des Urheberrechts - denkbar weit seien. Die Verletzung eines unbenannten Rechts zur öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) scheide ebenfalls aus, weil die Beklagte keine eigene Wiedergabehandlung vorgenommen habe und vielmehr die streitgegenständlichen Bilder völlig ohne Zutun der Beklagten bereits auf dem Amazon Marketplace zugänglich gewesen seien. Angesichts des Umstandes, dass amazon.de sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB, Anlage B13, Bl. 141 ff. eA) umfassende (nicht ausschließliche) Rechte an von Kunden generierten Inhalten, insbesondere Bildern, einräumen lasse, sei die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Lichtbilder für die Beklagte auch nicht erkennbar gewesen. Zudem sei an den Bildern kein Rechtevermerk angebracht gewesen, der die Beklagte zu einer näheren Recherche habe veranlassen müssen. Insofern fehle es auch an einem für den Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden der Beklagten. Auch eine Störerhaftung der Beklagten sei nicht gegeben, weil die Beklagte selbst bei vorhergehender Prüfung der Produktbilder weitere Rechtsverletzungen in Zukunft nicht habe unterbinden und die bereits erfolgte öffentliche Zugänglichmachung von dritter Seite auch nicht habe beseitigen können. Mangels möglicher Einflussnahme auf die Veröffentlichung der Bilder sei eine Kontrollpflicht nicht zumutbar, weil sie keinerlei positive Auswirkungen haben könne. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei weiterhin davon auszugehen, dass das Vorgehen der Klägerin rechtsmissbräuchlich sei, weil diese sich nicht an Amazon gewandt und den Rechtsverstoß gemeldet habe, obwohl ihr dies ohne weiteres möglich gewesen sei. Dem von der Klägerin gestellten Feststellungsanspruch hinsichtlich der Schadensersatzpflicht fehle es nunmehr am Feststellungsinteresse, nachdem die Beklagte Auskunft über die Dauer des Verkaufsangebots mit den streitgegenständlichen Lichtbildern erteilt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen (Bl. 89 ff. eA).
15Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
16die Klage abzuweisen.
17Die Klägerin beantragt,
18die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Unterlassungsantrag (Antrag zu 1) anstelle: „der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“ heißt „öffentlich wiederzugeben“.
19Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
20II.
21Die Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Klägerin sowohl ein Unterlassungsanspruch wegen der Nutzung der streitgegenständlichen Bilder (dazu 1.) als auch ein hierauf beruhender Schadensersatzanspruch (dazu 2.) zustehen.
221. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung zu, § 97 Abs. 1 UrhG, wobei offenbleiben kann, ob es sich bei den in Rede stehenden Fotografien um Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder - was jedenfalls anzunehmen ist - nach § 72 Abs. 1 UrhG geschützte Lichtbilder handelt.
23a) Mit der Berufung greift die Beklagte die vom Landgericht bejahte Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht nicht weiter an. Denn das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vorgelegten hochauflösenden Versionen der streitgegenständlichen Fotografien (Bl. 267 f. GA) nebst zugehöriger RAW-Dateien (also „digitale Negative“ in Gestalt von durch die Kamera bzw. deren Software „unbearbeiteter“ Rohdaten), die hiermit visuell übereinstimmen, für die Beweisführung hinsichtlich der Urheberschaft ausreichende Indizien darstellen (vgl. auch LG München MMR 2008, 622, 623 m. Anm. Knopp), nachdem insbesondere über die RAW-Dateien regelmäßig nur der Fotograf selbst verfügt.
24b) Das Werk der Klägerin wurde zwar durch die Anzeige im Zusammenhang mit dem Angebot des Buches „Kunstmaschinen“ nicht öffentlich zugänglich gemacht, § 19a UrhG, wie das Landgericht angenommen hat (dazu aa.). Allerdings liegt die Verletzung eines unbenannten Rechts der Klägerin zur öffentlichen Wiedergabe aus § 15 Abs. 2 UrhG vor (dazu bb.).
25aa) Der Tatbestand des „öffentlichen Zugänglichmachens“ im Sinne von § 19a UrhG ist weder in Täterschaft noch in Teilnahme dadurch erfüllt, dass die Beklagte das Angebot geschaltet hat und hierdurch die von der Klägerin gefertigten Lichtbilder angezeigt wurden.
26(1) Insoweit entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich das urheberrechtlich geschützte Werk in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befinden muss, um eine Handlung nach § 19a UrhG anzunehmen (vgl. nur BGH GRUR 2013, 818, 819 Rn. 8 - Die Realität I m.w.N.). Wenn, so der BGH, allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheide, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibe, fehle es an einem öffentlichen Zugänglichmachen, ohne dass es darauf ankomme, ob sich der Nutzende das Werk zu eigen mache (BGH, a.a.O., Rn. 9).
27Ausgehend hiervon ist der Senat (insoweit in Übereinstimmung mit dem OLG München GRUR-RR 2016, 316 Rn. 15 f.) der Auffassung, dass in der vorliegenden Fallgestaltung der Tatbestand des § 19a UrhG nicht einschlägig ist.
28Denn es ist unstreitig, dass der Verkäufer selbst, also die Beklagte, keinen Einfluss darauf hat, welche Bilder mit der von ihr zur Identifizierung des Produktes verwendeten ASIN verknüpft sind. Vielmehr wird diese Entscheidung durch Amazon selbst getroffen. Weiter ist davon auszugehen, wie die Beklagte (u.a. Bl. 51 GA) unwidersprochen vorträgt, dass unabhängig von einem durch die Beklagte geschalteten Angebot die Möglichkeit für jeden Nutzer von Amazon besteht, durch Eingabe einer URL, die die ASIN des Produkts enthält, die hinterlegten Produktinformationen auch dann einzusehen, wenn das Produkt gar nicht aktiv zum Verkauf auf dem Marktplatz angeboten wird. Dies alles spricht - wie das OLG München (a.a.O.) mit Recht ausgeführt hat - gegen eine eigene Zugriffssphäre der Beklagten, die das Werk auch nicht auf einem eigenen Server o.ä. vorhält.
29Vielmehr ist der Streitfall mit denjenigen Fällen vergleichbar, in denen auf ein „fremdes“ Angebot verlinkt wird. Insofern hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass der den Link Setzende weder das geschützte Werk selbst öffentlich zum Abruf bereithalte noch dieses selbst auf Abruf an Dritte übermittele und hierzu ausgeführt: „Nicht er, sondern derjenige, der das Werk in das Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt.“ (BGH GRUR 2003, 958, 962 - Paperboy; BGH GRUR 2018, 178, 181 Rn. 19 – Vorschaubilder III). Ähnlich verhielt es sich im Fall „Die Realität II“, bei dem der Berechtigte einen Film online verfügbar gemacht hatte und die Beklagten dieses auf einer fremden Internetseite bereitgehaltene Werk mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ verknüpft hatten, so dass hierauf verlinkt war, solange der Berechtigte den Film verfügbar hielt. Auch insoweit hat der Bundesgerichtshof den Tatbestand des § 19a UrhG nicht als verwirklicht angesehen, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheide, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt (BGH GRUR 2016, 171, 172 Rn. 14 - Die Realität II).
30Eine Heranziehung der Entscheidungen „Herstellerpreisempfehlung bei Amazon“ (BGH GRUR 2016, 961) und „Angebotsmanipulation bei Amazon“ (BGH GRUR 2016, 936) führt in diesem Kontext, nämlich bezogen auf die Verwirklichung der Verletzungshandlung und damit die spezifischen Voraussetzungen des § 19a UrhG durch die Beklagte, nicht weiter: Denn diese Entscheidungen betreffen das Wettbewerbs- bzw. das Markenrecht und befassen sich mit der jeweiligen Verletzungshandlung (die dort zudem anders gelagert ist) nur am Rande. Im Zentrum stehen dort jeweils die Frage der Verantwortlichkeit hierfür und damit Fragen von Täterschaft und Teilnahme bzw. der Störereigenschaft (BGH GRUR 2016, 961, 963 Rn. 31 ff.; GRUR 2016, 936, 937 Rn. 14 ff.). Diese Zurechnungsfragen, insbesondere die Frage eines adäquat-kausalen Beitrags der Beklagten, stellen sich im Streitfall indes erst dann, wenn das Einstellen des Angebots durch die Beklagte und die damit einhergehende Anzeige des Werks der Klägerin sich in einem ersten Schritt einer urheberrechtlich relevanten Nutzungsart zuordnen lässt. Denn während im Lauterkeitsrecht das in Rede stehende Verhalten – die Eröffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr für die geschützten Interessen anderer Marktteilnehmer – ohne Weiteres als eine unlautere geschäftliche Handlung eingeordnet werden kann, müssen für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (BGH GRUR 2010, 633, 634 Rn. 13 - Sommer unseres Lebens).
31Insofern liegt der hier zu beurteilende Fall auch anders als in der „Al Di Meola“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2016, 493), in der eine täterschaftliche Verletzungshandlung einer Betreiberplattform trotz Einstellen des konkreten Angebots durch dritte Händler angenommen worden ist: Denn in dem dort zu entscheidenden Fall stellte das angebotene Produkt bzw. dessen Verbreiten selbst (eine „Schwarzpressung“ von Tonaufnahmen) die Urheberrechtsverletzung dar (BGH, a.a.O., 494 Rn. 17), während vorliegend nicht das angebotene Produkt, sondern allein dessen Bebilderung streitgegenständlich ist.
32Auch die in der Entscheidung „Softair-Munition“ für die Bejahung einer öffentlichen Zugänglichmachung im Falle von Anhängen an ein Amazon-Angebot gegebene Begründung des Landgerichts Köln (GRUR-RR 2014, 443, nachgehend Senat MMR 2015, 830 - Softair-Munition mit Offenlassung dieser Frage) trägt in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht: Denn darin wurde eine mittäterschaftliche Haftung des sich „anhängenden“ Händlers damit begründet, dass der dortige Beklagte (ebenfalls ein Amazon-Händler) sich die Lichtbilder zu eigen gemacht habe, indem er „in Kenntnis und unter Ausnutzung des von [Amazon] vorgehaltenen Systems Angebote erstellt hat, in der Erwartung, dass diese mit bereits auf dem Server von [Amazon] vorhandenen Lichtbildern verbunden werden würden.“ (LG Köln GRUR-RR 2014, 443, 445). Ein „Zu-eigen-Machen“ reicht nach der bereits erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH GRUR 2013, 818, 819 Rn. 8 - Die Realität I) jedoch gerade nicht, um eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG zu bejahen. Aus demselben Grund ist auch die Auffassung des Landgerichts Stuttgart (Urteil vom 25.02.2014, 17 S 4/13 Rn. 45, juris), § 19a UrhG sei verwirklicht, weil die dortigen Beklagten „die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildes wissentlich und willentlich veranlasst [hätten], auch wenn sie das Lichtbild nicht selbst eingestellt haben“, nicht überzeugend.
33Zudem setzt Mittäterschaft, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mit einem Dritten bei einer Urheberrechtsverletzung, eine Kenntnis von konkret drohenden Rechtsverletzungen voraus (vgl. BGH GRUR 2018, 178, 181 Rn. 21 - Vorschaubilder III). Der Bundesgerichtshof hat in der vorzitierten Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass die dort in Rede stehenden Vorschaubilder in einem automatisierten Verfahren angezeigt würden, ohne dass sie der Beklagten vorher zur Kenntnis gelangten. Auch wenn die Beklagte vorliegend zumindest theoretisch unter Berücksichtigung einer bestimmten Syntax über die Eingabe der um die ASIN ergänzten URL in die Suchleiste eines Browsers vorab hätte ersehen können, welche Bilder bei Einstellung des Angebots mit der ASIN verbunden waren, reicht dies für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands dennoch nicht aus. Insofern hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt: „Der Umstand, dass die Beklagte mit gelegentlichen Urheberrechtsverletzungen bei der Präsentation von Vorschaubildern gerechnet haben mag, begründet keine Kenntnis von einer urheberrechtswidrigen Anzeige gerade der in Rede stehenden Fotografien“ (a.a.O.). So verhält es sich auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Produktfotos zum Zeitpunkt des Einstellens des Angebots, nachdem die Beklagte vorgetragen hat, dass sie angesichts der Fülle der von ihr auf amazon.de angebotenen Artikel eine Überprüfung der jeweils unter der ASIN hinterlegten Produktfotografien nicht vornehme. Dabei legt der Senat in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass die Beklagte auf amazon.de etwa 7,6 Millionen Artikel jährlich vertreibt, pro Tag daher in der Regel um die 20.000-22.000 Artikel verkauft und etwa 4,65 Millionen (+/-100.000) verschiedene Artikel als ständiges Angebot bei amazon.de bereithält. Angesichts dieser vom Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig festgehaltenen Stückzahlen erschließt es sich ohne weiteres, dass dies ohne eine Automatisierung mittels der von amazon.de hierzu bereitgestellten Tools, u.a. der Massenauflistung, nicht möglich ist und die Beklagte daher aus wirtschaftlichen Erwägungen von einer Vorab-Prüfung der jeweils unter der ASIN bestehenden Bilder absieht. Vor diesem Hintergrund hält der Senat das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen nicht für ausreichend.
34(2) Soweit es in Betracht kommt, dass die Betreiberin der Plattform amazon.de bzw. die Betreiberin des Amazon Marketplace durch die Veröffentlichung des von der Klägerin geschaffenen Werks selbst gegen § 19a UrhG verstoßen hätte (vgl. hierzu KG GRUR 2020, 280, 285 Rn. 78 ff. unter Hinweis darauf, dass Amazon die Letztverantwortung dafür trage, welches Foto für die jeweilige Produktdetailseite verwendet werde), wäre zwar im Grundsatz eine Beihilfe zu dieser Verletzungshandlung durch die Beklagte in Betracht zu ziehen. Dem stünde, anders als die Berufung meint (S. 27 der Berufungsbegründung, Bl. 115 GA), auch nicht entgegen, dass die Rechtsverletzung vor Erstellung des Angebots der Beklagten bereits vollendet gewesen sein könnte. Denn die öffentliche Zugänglichmachung dauerte fort, weshalb - vergleichbar der Rechtslage bei einem Dauerdelikt (vgl. dazu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 27 Rn. 21) - eine Beihilfe zumindest möglich erschiene. Indes scheitert auch eine hieraus hergeleitete Haftung der Beklagten daran, dass der Gehilfe den Vorsatz haben muss, eine zumindest bedingt vorsätzlich begangene Haupttat zu fördern. Dies muss das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen (BGH GRUR 2011, 1018, 1020 Rn. 24 - Automobil-Onlinebörse). Für den einzelnen Teilnehmer muss demnach ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGH NJW-RR 2011, 1193, 1195 Rn. 26), woran es, wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, angesichts der Automatisierung der Angebotseinstellung durch die Beklagte fehlt.
35bb) Jedoch liegt - anders als die Berufung der Beklagten mit dem Oberlandesgericht München (GRUR-RR 2016, 316) meint - eine Verletzung eines unbenannten Rechts der Klägerin zur öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG, sog. Innominatfall) durch das Einstellen des Angebots seitens der Beklagten vor. Der Senat hat insofern - auf den entsprechenden Antrag der Klägerin hin - den Tenor zum Unterlassungsanspruch in diesem Sinne klargestellt, was die Beklagte nicht beschwert und dementsprechend nicht dem Verschlechterungsverbot des § 528 S. 2 ZPO unterfällt (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 528 Rn. 31).
36Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe), wozu insbesondere die ausdrücklich benannten Rechte zählen. Die Vorschrift enthält jedoch keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt deshalb die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (BGH GRUR 2018, 178, 181 Rn. 23 - Vorschaubilder III).
37Dabei richtet sich die Auslegung von § 15 Abs. 2 UrhG, soweit es um die öffentliche Wiedergabe geht, maßgeblich nach der Richtlinie 2001/29/EG (im Folgenden: InfoSoc-RL), da es sich um harmonisiertes Recht handelt (vgl. BGH GRUR 2018, 178, 181 Rn. 24 - Vorschaubilder III). Ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe ist in richtlinienkonformer Auslegung von § 15 Abs. 2 UrhG anzunehmen, soweit Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 S. 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe gewährt. Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten. Danach fällt die hier in Rede stehende Wiedergabe von Lichtbildern auf der Internetseite Dritter in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1, weil bei ihr kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit stattfindet. Es handelt sich mithin um eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend gewesen ist (vgl. zu diesem Kriterium u.a. BGH MMR 2021, 965 967 Rn. 27 f. m.w.N. - Deutsche Digitale Bibliothek II).
38Eine solche öffentliche Wiedergabe liegt im Streitfall darin, dass die Beklagte durch das Einstellen des Angebots des Buchs „Kunstmaschinen“ auf amazon.de unter der bereits bestehenden ASIN eine Verknüpfung der Produktfotos, darunter diejenigen der Klägerin, mit den von ihr feilgebotenen Produkten bewirkt hat.
39(1) Der Begriff der Wiedergabe ist im Blick auf das Hauptziel der RL 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber, weit zu verstehen. Er erfasst jede Übertragung eines geschützten Werkes unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren. Eine Wiedergabe setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens – also absichtlich und gezielt – Dritten einen Zugang zum geschützten Werk verschafft, ohne dass es darauf ankommt, ob die Dritten den Zugang nutzen. Ein solcher Zugang wird geschaffen, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen frei zugänglichen Internetseite veröffentlicht sind (BGH GRUR 2018, 178, 182 Rn. 30 m.w.N. - Vorschaubilder III).
40Gemessen hieran stellt das Einstellen des Angebots durch die Beklagte, das infolge der Nutzung einer ASIN mit einer automatischen Verlinkung auf die Bilder der Klägerin einherging, eine Wiedergabe in diesem Sinne dar. Denn hierdurch wurde ein neues Produkt eingestellt, das wiederum Nutzer von amazon.de dazu animieren sollte, sich die Produktseite und damit zugleich die zugehörigen Fotografien, darunter die Werke der Klägerin, anzusehen. Genau mit einer solchen Bebilderung rechnete die Beklagte (im obigen Sinne einer vollen Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens) auch ersichtlich, weil dies gerade die allgemein bekannte Funktionsweise bei Nutzung der Webseite amazon.de ist. Auf die konkrete Kenntnis von den einzelnen zugänglich gemachten Werken kommt es - insoweit anders als im Rahmen von § 19a UrhG und den dort maßgeblichen Begriffen von Täterschaft und Teilnahme - nicht an. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genügt es für eine Handlung der Wiedergabe, dass der Nutzer Dritten wissentlich und willentlich ermöglicht, auf urheberrechtlich geschützte Werke zuzugreifen (vgl. EuGH GRUR 2012, 597, 598 Rn. 31 – Phonografic Performance; GRUR 2017, 610, 612 Rn. 41 – Stichting Brein/Wullems; GRUR 2017, 790, 792 Rn. 36 – Stichting Brein/XS 4ALL und dazu BGH, a.a.O. Rn. 33 - Vorschaubilder III). Soweit die Beklagte (S. 29 der Berufungsbegründung, Bl. 117 eA) unter Berufung auf die Entscheidung „Die Realität II“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2016, 171, 173 Rn. 23) geltend macht, es fehle an der Voraussetzung, dass sie den Nutzern einen neuen Zugang zu den Lichtbildern geschaffen habe, den diese ohne das Angebot so nicht gehabt hätten, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn an dieser einschränkenden Formulierung hat der Bundesgerichtshof zum einen in der späteren Entscheidung „Vorschaubilder III“ zumindest beim Begriff der Wiedergabe nicht festgehalten. Zum anderen begründet die Einstellung eines weiteren Produkts, das mit den Lichtbildern verknüpft ist, ohne weiteres eine Erweiterung des Adressatenkreises (im Falle der Beklagten um die Interessenten an gebrauchten Büchern) und damit einen Zugang, den die Interessenten ohne das Einstellen des Angebots bei amazon.de so nicht gehabt hätten. Nach Auffassung des Senats kann diese Frage eines „neuen Zugangs“ letztlich nicht anders beantwortet werden als diejenige, ob sich die öffentliche Wiedergabe an ein „neues Publikum“ richtete, was hier zu bejahen ist (dazu sogleich).
41(2) Diese Wiedergabe erfolgte auch öffentlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL. Dieses Kriterium hat zwei Aspekte, einen quantitativen und einen qualitativen.
42Dabei ist der quantitative Aspekt, wonach sich die Wiedergabe an eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und „recht viele“ Personen richten muss (BGH GRUR 2018, 178, 182 Rn. 35 - Vorschaubilder III) angesichts der Attraktivität des Marktplatzes amazon.de und der hohen Nutzerzahlen ohne weiteres gegeben. Denn die Lichtbilder können durch alle Nutzer von amazon.de, die die passenden Suchbegriffe in die Suchmaske dieser Webseite eingeben und auf das Angebot des Buches „Kunstmaschinen“ geführt werden, wahrgenommen werden.
43Hinsichtlich des qualitativen Aspekts ist es für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich, dass die Wiedergabe des geschützten Werkes unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum“ erfolgt, d.h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (vgl. EuGH GRUR 2021, 706, 708 Rn. 32 - VG Bild-Kunst/SPK).
44Zwar fehlt es an Vortrag der Parteien zu der Frage, wo die Lichtbilder der Klägerin zuvor veröffentlicht waren, so dass nicht geprüft werden kann, ob nach diesen Kriterien ein neues technisches Verfahren anzunehmen wäre. Dies kann indes für die hier in Rede stehende Fallgestaltung, in der weder amazon.de noch die Beklagte über von der Klägerin hergeleitete Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Lichtbildern verfügten, dahingestellt bleiben: Denn für die Frage, ob ein „neues Publikum“ angesprochen wird, differenziert der EuGH nach Art der verlinkten Inhalte (vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 19a Rn. 6b). Werden anklickbare Links zu Werken bereitgestellt, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum, wenn die Werke auf der anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind (so zusammenfassend BGH GRUR 2016, 171, 174 Rn. 34 - Die Realität II, Hervorhebung durch den Senat). Fehlt es indes an einer solchen Erlaubnis, sei es, weil der Urheber die Werke nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich gemacht hatte oder - wie im Streitfall - von vornherein jedenfalls amazon.de und der Beklagten keine Nutzungsrechte eingeräumt hatte, liegt eine öffentliche Wiedergabe vor. Denn hierfür spricht der Gesichtspunkt, dass es sich bei dem „neuen Publikum“ nach der vom EuGH gegebenen Begriffsbestimmung um ein Publikum handelt, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Hat der Urheberrechtsinhaber die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe nicht erlaubt, konnte er dabei zwangsläufig nicht an ein Publikum denken, an das sich diese Wiedergabe richtet. In einem solchen Fall richtet sich daher jede Wiedergabe des Werkes durch einen Dritten an ein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (BGH GRUR 2016, 171, 174 Rn. 34 - Die Realität II) und liegt eine täterschaftliche öffentliche Wiedergabe vor. In diesem Sinne hat auch der EuGH klargestellt, dass weder aus dem Urteil „Svensson ua“ (EuGH, Rs. C-76/2014 Rn. 16 = GRUR 2014, 360) noch aus dem Beschluss „BestWater International“ (EuGH, Rs. C-2315/2014 = GRUR 2014, 1196) abgeleitet werden könne, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich gemacht wurden, aber ohne dass hierfür die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorlag, grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ iSv Art. 3 Abs. 1 InfoSoC-RL falle. Diese Entscheidungen bestätigten vielmehr die Bedeutung einer solchen Erlaubnis in Anbetracht dieser Bestimmung, die gerade vorsehe, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden müsse (EuGH GRUR 2016, 1152, 1154 Rn. 43 - GS Media). Positiv formuliert ist damit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Verlinkung auf ohne Erlaubnis ins Internet gestellte urheberrechtlich geschützte Werke grundsätzlich eine Art. 3 Abs. 1 unterfallende öffentliche Wiedergabe.
45Eine für die „bloße“ Linksetzung vom EuGH erwogene Einschränkung dieses sehr weiten Nutzungsverständnisses (deshalb kritisch zur Rechtsprechung des EuGH z.B. Heerma, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Auflage 2022, § 15 Rn. 38 ff.) kommt in der vorliegenden Konstellation - anders als die Berufung meint - nicht in Betracht: Der EuGH stellt die Bejahung eines Rechts der öffentlichen Wiedergabe zwar unter den weiteren Vorbehalt, dass der Verlinkende die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Internetseite kannte oder vernünftigerweise kennen konnte (EuGH GRUR 2016, 1152, 1155 Rn. 49 u. 55 – GS Media; GRUR 2017, 610 Rn. 49 – Stichting Brein/Wullems; Überblick bei Dreier, in: Dreier/Schulze, a.a.O., § 19a Rn. 6b). Jedoch beruht diese Einschränkung auf der wertenden Betrachtung, dass Hyperlinks zum guten Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen, das sich durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichnet, die ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien nicht erschlossen werden könnten (vgl. BGH GRUR 2018, 178, 184 Rn. 55 - Vorschaubilder III). Eine andere Beurteilung ist namentlich im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, in dem die Beklagte mit Gewinnerzielungsabsicht handelte. Denn wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, kann - so der EuGH - von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werkes und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ iSv Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL dar (vgl. EuGH GRUR 2016, 1152, 1155 Rn. 51 - GS Media und ebenso GRUR 2017, 610, 613 Rn. 49 – Stichting Brein/Wullems).
46Gemessen hieran war die Beklagte verpflichtet zu überprüfen, welche Lichtbilder mit der ASIN verlinkt waren, um sich zu vergewissern, ob ihr eine Nutzung derselben erlaubt ist, um einer urheberrechtlichen Haftung zu entgehen. Dies war ihr auch grundsätzlich möglich, da sie zwar einerseits vorträgt, das Einstellen der Produkte geschähe vollautomatisiert, andererseits jedoch darauf hinweist, dass jeder Internetnutzer (also auch Mitarbeiter der Beklagten) in der Lage ist, durch Eingabe einer URL, die die ASIN des Produkts enthält, die hinterlegten Produktinformationen einzusehen (Bl. 51 GA). Eine Widerlegung der Vermutung ihrer Kenntnis ist der Beklagten nicht gelungen, weil sie insoweit lediglich darauf abstellt, dass den Bildern kein ©-Vermerk beigegeben bzw. auf diesen angebracht gewesen sei. Dies entbindet die Beklagte jedoch nicht von einer Prüfung auf vorhandene Nutzungsrechte, die die Beklagte nach ihrer Darstellung aus ökonomischen Erwägungen ohnehin grundsätzlich unterlässt.
47Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Bundesgerichtshof insoweit eine individuelle Beurteilung auch bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht fordert, damit nicht unangemessene allgemeine Kontrollpflichten etabliert werden (vgl. BGH GRUR 2018, 178, 184 Rn. 60 f. - Vorschaubilder III). Diese individuelle Beurteilung rechtfertigt im Streitfall jedoch keine andere Entscheidung. Denn eine solche Kontrollpflicht ist angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht unangemessen, wie eine Abwägung der in Rede stehenden Interessen ergibt. Die für eine Internet-Suchmaschine geltenden Erwägungen können dabei auf die Beklagte als reine Online-Händlerin nicht übertragen werden, weil ihr keine vergleichbare Rolle für die Funktionsfähigkeit des Internets zukommt wie dem Betreiber einer Suchmaschine. Deshalb unterfallen Online-Händler auch nicht den Privilegierungen der §§ 8-10 TMG für Diensteanbieter (vgl. BGH GRUR 2016, 936, 938 Rn. 27 - Angebotsmanipulation bei Amazon). Aus diesem Grund ist es nicht entscheidend, dass die Beklagte meint, dass die Auferlegung von solchen Prüfpflichten ihr Geschäftsmodell gefährde. Denn dieser Einschätzung hat das Landgericht - lediglich in anderem Zusammenhang - zutreffend entgegengehalten, dass es nicht zulasten der Rechteinhaber von Lichtbildern gehen kann, wenn ein „sich anhängender“ Verkäufer mit Verweis auf eine Automatisierung seiner Prozesse die Kontrolle seiner Verkaufsangebote unterlässt. Es besteht auf der Ebene der Passivlegitimation insoweit in der Wertung kein Unterschied zu einem Händler, der händisch Angebote erstellt und dabei eine Prüfung unterlässt (vgl. S. 10 LGU, Bl. 337 GA). Auch der Bundesgerichtshof hat in der vorzitierten Entscheidung hervorgehoben, dass das berechtigte Interesse der Rechtsinhaber, Verletzungen ihrer Rechte zu verhindern oder wirksam zu verfolgen, es nicht zulasse, jede Prüfungspflicht der auf Amazon-Marketplace gewerblich tätigen Händler zu verneinen (BGH, a.a.O. Rn. 26). Auf die AGB des Amazon Marketplace, wonach sich die Plattform für auf der Amazon-Webseite von Dritten eingestellte Inhalte umfangreich nicht-ausschließliche Nutzungsrechte einräumen lässt (Anlage B13, Bl. 141 ff. eA), kann sich die Beklagte in diesem Kontext nicht berufen. Denn diese AGB ersetzen ersichtlich keine eigene Überprüfung durch die Beklagte. Da der Unterlassungsanspruch zudem ein Verschulden nicht voraussetzt, kommt es auf die Frage, inwieweit die Beklagte auf diese AGB vertrauen durfte, hierfür nicht an.
48Zwar hat das Landgericht Hamburg (Urteil vom 13.06.2017, 310 O 117/17, BeckRS 2017, 127832 Rn. 56 ff.) die Zumutbarkeit der Überprüfung in einem Fall verneint, in dem es im Rahmen eines automatisierten Framings von Angeboten einer Verkaufsplattform auf der Webseite des Beklagten, der sich als Affiliate dieser Plattform betätigte, zur Anzeige eines urheberrechtlich geschützten Werks kam. Es hat insoweit darauf abgestellt, dass der dortige Beklagte nicht habe wissen müssen, dass es zu Urheberrechtsverletzungen kommen würde, weil Recherchen zur Ermittlung der Rechte mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wären und möglicherweise nicht einmal zu einer wirklichen Klärung der Lizenzierungsfrage geführt hätten (a.a.O. Rn. 61). Zudem erhalte der Beklagte - trotz grundsätzlich gegebener Gewinnerzielungsabsicht - nur minimalste Vergütungen pro Klick, so dass flächendeckende Rechterecherchen wegen der damit verbundenen Kosten das Geschäftsmodell hätten unrentabel werden lassen (a.a.O. Rn. 62). Auch sei das Geschäftsmodell des Beklagten nicht besonders gefahrgeneigt mit Bezug auf die vermehrte Verlinkung rechtswidriger Inhalte.
49Diese Gesichtspunkte sind im Streitfall indes nicht einschlägig. Denn die Beklagte erzielt durch unmittelbare Verkäufe Umsätze auf amazon.de und nicht über den „Umweg“ der Affiliate-Stellung, was bereits die Rentabilität in einem anderen Licht erscheinen lässt. Außerdem ist es gerade einem größeren Unternehmen wie der Beklagten eher zuzumuten, in eine Rechterecherche einzutreten, wenn sie sich eines solchen Mechanismus, wie ihn amazon.de bereitstellt, bedienen will. Die diesbezügliche Risikotragung ist - insbesondere in Abwägung mit den tangierten Rechten der Urheber - jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Fall gerechtfertigt, wie der Vergleich mit dem Fall zeigt, dass die Beklagte selbst derartige Angebote (etwa in eBay oder in ihrem eigenen Webshop) vorhält: Denn insoweit könnte sie sich - wie oben bereits ausgeführt - keinesfalls darauf berufen, ihr sei ein geschütztes Werk „untergeschoben“ worden. Insofern ist das auf einer weitgehenden Automatisierung ihrer Abläufe beruhende Geschäftsmodell der Beklagten zwar legitim. Gleichsam als Kehrseite muss die Beklagte jedoch bereit sein, auch die hiermit einhergehenden Haftungsrisiken zu tragen, indem sie sie entweder durch eine vorherige Rechteprüfung reduziert oder die mit der Verwirklichung des Risikos einhergehenden finanziellen Folgen einkalkuliert. Diese Auslegung steht zudem im Einklang mit den bereits angesprochenen Entscheidungen „Angebotsmanipulation“ und „Herstellerpreisempfehlung“, bei denen der Bundesgerichtshof durch Anwendung eines reinen Maßstabs der adäquaten Kausalität ebenfalls zu einer weitreichenden Verantwortlichkeit der Händler gelangt, die auf einer Verkaufsplattform tätig werden (BGH GRUR 2016, 961, 963 Rn. 31 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon und BGH GRUR 2016, 936, 937 Rn. 17 - Angebotsmanipulation bei Amazon). In letzterer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Zumutbarkeit von Prüfpflichten selbst in Fällen bejaht, in denen es zu einer nachträglichen Änderung der Produktinformationen kam (a.a.O., Rn. 24), während vorliegend unstreitig ist, dass die Bilder der Klägerin bereits mit der ASIN verbunden waren, als die Beklagte ihr Produkt einstellte, wie sich daraus ergibt, dass die Beklagte selbst vorträgt (S. 27 der Berufungsbegründung, Bl. 115 eA; vgl. auch S. 3 des Schriftsatzes vom 16.12.2022, Bl. 180 eA), dass die streitgegenständlichen Bilder bei Einstellung des Angebots bereits mit der ASIN verknüpft waren. Da sie zudem nach eigenem Vortrag generell keinerlei Überprüfung vornimmt, kommt es im Streitfall auf die Dauer, während derer das Angebot geschaltet war, nicht an und kann zudem offen bleiben, ob ein - und wenn ja, welcher - regelmäßiger Prüfungsrhythmus nach Schaltung eines Angebots angemessen ist.
50Der Einwand der Beklagten, dass derartige Überprüfungspflichten ins Leere liefen, weil ihr keine Möglichkeiten zur Entfernung von beanstandeten Lichtbildern zur Verfügung stünden, verfängt nicht. Insoweit kann zwar zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass ihre Möglichkeiten zur Entfernung urheberrechtswidriger Inhalte auf den von amazon.de bereitgestellten Kommunikationswegen für Nutzer des Marketplace begrenzt sind, wie sich aus der Ablehnung der von der Beklagten angeregten Änderung der Produktinformationen mit der Begründung, dass die Beklagte das Produkt nicht mehr verkaufe (vgl. Anlage B5, Bl. 101 GA), ergeben mag. Allerdings sind darüber hinaus die Einflussmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, die der Beklagten aus dem allgemeinen Vertragsverhältnis mit amazon.de zustehen. Insofern ist es jedenfalls dann, wenn die Beklagte selbst wegen urheberrechtswidriger Nutzung von Lichtbildern außergerichtlich in Anspruch genommen wird, für ein Unternehmen ihrer Größe und ihres Umsatzes durchaus zumutbar, auch andere rechtliche Wege zu nutzen, einschließlich der Möglichkeit, etwaige gerichtliche Schritte einzuleiten. Dass die Beklagte selbst davon ausgeht, dass ihr solche Ansprüche gegen amazon.de bzw. deren Betreiberin zustehen können, zeigt die im Berufungsverfahren ausgebrachte Streitverkündung (Bl. 179 ff. eA), die auf entsprechende Ansprüche aus dem Dienstleistungsvertrag gestützt wird (dort insbes. S. 3, Bl. 181 eA). Bei der gebotenen Interessenabwägung ist es zudem der Beklagten, die mit der Betreiberin von amazon.de vertraglich verbunden ist, deutlich eher zuzumuten, diese außerhalb Deutschlands ansässige Betreiberin in Anspruch zu nehmen als der Klägerin, die weder mit der Beklagten noch mit amazon.de zuvor in Verbindung stand.
51c) Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist mit Bejahung einer „öffentlichen Wiedergabe“ auch von einer täterschaftlichen Begehung der Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte und damit von deren Passivlegitimation auszugehen. Ein Rückgriff auf die Rechtsfigur des Störers ist insoweit nicht mehr erforderlich, weil die diesbezüglichen Kriterien (insbesondere Zumutbarkeit der Prüfpflicht) letztendlich in den Kriterien des EuGH aufgehen (zur diesbezüglichen Konvergenz vgl. BGH NJW 2022, 2980, 2993 Rn. 119 f. - Youtube II und zu dieser Entwicklung Ohly, NJW 2022, 2961, 2962). Für Einschränkungen der Prüfpflichten, wie sie in der vorgenannten Entscheidung für Plattformbetreiber erörtert werden, besteht in der vorliegenden Fallgestaltung aus den oben dargestellten Gründen kein Anlass.
52d) Einen Rechtsmissbrauch durch die Klägerin hat das Landgericht zutreffend verneint. Insbesondere kann dieser nicht allein darauf gestützt werden, dass die Klägerin nicht die Betreiberin von amazon.de bzw. des Marketplace in Anspruch nimmt: Denn da diese in Luxemburg ansässig ist, stellte es eine vernünftige Erwägung dar, zunächst einen Verletzer im Inland in Anspruch zu nehmen. Es entspricht dem regelmäßigen Lauf der Dinge, dass Rechtsinhaber, deren Rechte durch ein Angebot verletzt werden, zuerst den für dieses Angebot verantwortlichen Unternehmer, also denjenigen, der das konkrete Produkt veräußert hat, in Anspruch nehmen, da der Verkehr diesem die Verantwortung für von ihm veröffentlichte Angebote zuweist (BGH GRUR 2016, 936, 938 Rn. 28 - Angebotsmanipulation bei Amazon).
53Der Umstand, dass die Klägerin über ein Formular auf amazon.de die Möglichkeit gehabt hätte, auf eine Entfernung des Werks aus amazon.de hinzuwirken und dies zumindest zunächst unterlassen hat, kann beim Unterlassungsanspruch, der ein Verschulden nicht voraussetzt, keine Berücksichtigung finden. Da es zudem für den Fall, dass dem Begehren der Klägerin durch Amazon keine Folge geleistet worden wäre, erforderlich gewesen wäre, eine außerhalb Deutschlands ansässige Gesellschaft zu verklagen und es nach obigen Ausführungen auf vernünftigen Erwägungen beruhte, zunächst gegen die Beklagte als Anspruchsgegner vorzugehen, kann hierauf ebenfalls kein Einwand des Rechtsmissbrauchs gestützt werden.
542. Mit Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Klägerin auch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte dem Grunde nach zusteht, § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG.
55a) Das Feststellungsbegehren ist trotz der erteilten Auskunft zulässig, weil das Feststellungsinteresse der Klägerin fortbesteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Denn diese Auskunft wurde erst im Rechtsstreit erteilt. Ist eine Feststellungsklage einmal zulässig erhoben worden, braucht der Kläger auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar wird (vgl. BGH GRUR 2021, 714, 715 Rn. 15 - Saints Row). So verhält es sich auch hier.
56b) Die Beklagte handelte bei der Verletzung des Urheberrechts der Klägerin durch öffentliche Wiedergabe der Fotografien schuldhaft, nämlich fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB. Im Urheberrecht gelten – wie generell im Immaterialgüterrecht – hohe Sorgfaltsanforderungen. Wer ein fremdes Werk nutzen will, muss sich sorgfältig Gewissheit über seine Befugnis dazu verschaffen (vgl. BGH GRUR 2010, 616, 620 Rn. 40 - marions-kochbuch.de). Da die Beklagte nach eigenem Vortrag keinerlei Überprüfung vorgenommen hat, fehlt es demnach an der Einhaltung dieser verkehrsüblichen Sorgfalt. Zur Erkennbarkeit der Nutzung der von der Klägerin gefertigten Lichtbilder verweist der Senat auf die obigen Ausführungen zur Möglichkeit der Überprüfung mittels der Eingabe der ASIN. Die bereits erwähnten AGB des Amazon Marketplace (Anlage B13, Bl. 141 ff. eA) können eine solche Überprüfung nicht ersetzen. Denn angesichts des Umstandes, dass im Urheberrecht ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ausscheidet, ist eine Überprüfung der Rechtekette bis zu demjenigen erforderlich, von dem der (vermeintliche) Lizenzgeber seine Rechtsposition ableitet. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, sich auf entsprechende Zusicherungen des Lizenzgebers - hier in Gestalt der AGB - zu verlassen (vgl. Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, a.a.O., § 97 Rn. 78 m.w.N.). Der Senat folgt dabei nicht der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart (Urteil vom 25.02.2014, 17 S 4/13 Rn. 49), das ein fahrlässiges Verhalten bei der Nutzung urheberrechtsverletzender Lichtbilder auf Amazon verneint hat. Es hat dafür maßgeblich darauf abgestellt, dass die Teilnahme eines Händlers an diesem System ein rechtmäßiges Verhalten darstelle und Prüfpflichten nicht zumutbar seien, weil es für den Händler nicht möglich sei, die Rechtekette bzgl. der Produktbilder zu überprüfen, mit der Folge, dass er, wenn er sich in jedem Fall rechtmäßig verhalten will, keine Produkte mehr auf der Plattform zum Verkauf anbieten könnte. Diese Erwägungen erweisen sich jedoch, wie der Senat bereits im Kontext des Unterlassungsanspruchs ausgeführt hat, nicht als überzeugend, weil sie die Interessen der Urheber nicht in der gebotenen Weise berücksichtigen.
57Von dem hiernach bestehenden Schadensersatzanspruch sind auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten umfasst.
58c) Ein anspruchsausschließendes oder -kürzendes Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1, Abs. 2 BGB) ist nicht gegeben. Es liegt insbesondere nicht darin, dass die Klägerin sich zunächst an die Beklagte, die nach den obigen Ausführungen als Täterin der Rechtsverletzung haftet, und nicht an die Betreiberin der Plattform amazon.de gewandt hat. Auf die obigen Ausführungen zum Einwand des Rechtsmissbrauchs nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht vorwerfbar, wenn die Klägerin zunächst davon absah, sich über ein entsprechendes Meldeformular auf der Webseite an amazon.de zu wenden.
59III.
60Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
61IV.
62Der Senat lässt die Revision für die Beklagte gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Denn die hier zu entscheidende Rechtsfrage, ob ein auf dem Marketplace von amazon.de tätiger Verkäufer wie die Beklagte eine Nutzungshandlung in Form der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) begeht, wenn infolge der Angabe einer ASIN durch den Verkäufer automatisiert eine Verknüpfung des angebotenen Produktes mit einem urheberrechtlich geschützten Lichtbild hergestellt wird, ohne dass der Verkäufer zuvor auf die Auswahl der Lichtbilder Einfluss nehmen kann, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt. Angesichts der großen Anzahl der auf dieser Plattform tätigen Online-Händler stellt sich die Rechtsfrage auch in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen, bei denen es nicht lediglich um die Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls geht: Die hier vorzunehmende Abwägung im Rahmen der Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ muss zwar solche Umstände des Einzelfalls in den Blick nehmen. Der Sache nach handelt es sich jedoch um eine verallgemeinerungsfähige und damit in vielen anderen Fällen in gleicher Weise vorzunehmende Abwägung der Interessen zwischen kommerziell tätigem Nutzer der Lichtbilder und Urheber. Ein Bedürfnis an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts folgt auch daraus, dass mit dem Urteil des Oberlandesgerichts München (GRUR-RR 2016, 316) eine obergerichtliche Entscheidung existiert, die eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden verneint hat. Auch wenn sich in der Entscheidung keine ausdrücklichen Ausführungen zu § 15 Abs. 2 UrhG finden, ergibt sich doch aus den Urteilsgründen, dass das Oberlandesgericht München sämtliche möglichen Verletzungshandlungen verneint hat (vgl. OLG München GRUR-RR 2016, 316, 317 Rn. 24).
63Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat mit dem Landgericht auf 15.600,00 € festgesetzt, zusammengesetzt aus 12.000,00 € für den Unterlassungsanspruch (6.000,00 € je Lichtbild), 600,00 € für den erledigten Antrag auf Auskunftserteilung und 3.000,00 € für den Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.