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Die Beschwerde des Beteiligten vom 03.04.2023 gegen den am
7.03.2023 erlassenen Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts
Registergerichts – Bonn, 20 VR 4257, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Im Vereinsregister des im Rubrum bezeichneten Vereins ist am 28.12.2004
4eingetragen worden, dass der Beteiligte als Vorstandsvorsitzender aus dem Vorstand
5ausgeschieden ist. Aus dem chronologischen Auszug des Vereinsregisters, der auch
6die gelöschten Daten enthält, ist die ehemalige Vorstandstätigkeit des - unter Nennung
7seines vollständigen Namens und Geburtsdatums eingetragenen - Beteiligten
8ersichtlich.
9Mit an das Ministerium für Justiz des Landes NRW gerichteten Schreiben vom
1011.01.2023 hat der Beteiligte u.a. beantragt, dafür Sorge zu tragen, dass die Angabe
11seines Geburtsdatums und die Dauer seiner Vorstandstätigkeit nicht mehr
12voraussetzungslos über das Internet verfügbar gemacht werden (Bl. 389 d.A.). Dieses
13Schreiben des Beteiligten ist am 18.01.2023 an das Amtsgericht Bonn zur weiteren
14Veranlassung weitergeleitet worden.
15Mit Schreiben vom 31.01.2023 hat die Rechtspflegerin des Registergerichts Bonn den
16Beteiligten darauf hingewiesen, dass ein Widerspruchsrecht gegen die Eintragungen
17im Vereinsregister nicht bestünde. Die vorhandenen Eintragungen würden den
18gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Eine eindeutige Identifizierung der
19Vorstandsmitglieder im Vereinsregister sei erforderlich. Dem ist der Beteiligte mit
20Schreiben vom 06.03.2023, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 400 ff. d.A.),
21entgegengetreten; er hat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung gebeten.
22Durch am 27.03.2023 erlassenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des
23Registergerichts den Antrag des Beteiligten auf Löschung persönlicher Daten
24(Geburtsdatum) aus dem Vereinsregister zurückgewiesen (Bl. 406 f. d.A.). Zur
25Begründung hat es ausgeführt, dass das Vereinsregister öffentlichen Glauben gemäß
26§ 15 HGB genieße, wodurch sowohl der Rechtsverkehr als auch der Eingetragene
27geschützt werde. Der Vorstand vertrete den Verein im Rechtsverkehr. Eine eindeutige
28und zweifelsfreie Identifizierung der Vorstandsmitglieder sei daher erforderlich. Nach
29§§ 67 BGB, 3 Nr. 3 VRV gehöre zu den einzutragenden Daten auch das Geburtsdatum
eines Mitglieds des Vorstands. Durch die Anmeldung zum Vereinsregister sei
31wissentlich in Kauf genommen worden, dass die personenbezogenen Daten im
32Register für jeden zugänglich seien. Nach § 79a Abs. 3 BGB sei Art. 21 DSGVO auf
33personenbezogene Daten im Vereinsregister nicht anwendbar. Bezüglich der weiteren
34Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 27.03.2023
35Bezug genommen.
36Gegen diesen dem Beteiligten am 28.03.2023 zugestellten Beschluss hat dieser mit
37am 04.04.2023 und 11.04.2023 beim Amtsgericht Bonn eingegangenen Schreiben
38vom 03.04.2023, auf dessen Inhalt bezüglich der weiteren Einzelheiten seines
39Vortrags Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt und beantragt, seine direkt
40abrufbaren Daten im Vereinsregister zu löschen, hilfsweise die Verarbeitung seiner
41Daten dahingehend einzuschränken, dass hierüber nur noch nach Glaubhaftmachung
42eines berechtigten Interesses im Einzelfall Auskunft erteilt wird (Bl. 409 ff. d.A.). Er hat
43vorgetragen, dass nationales Recht, auf das sich das Registergericht berufe, nicht
44anwendbar sei, soweit es gegen höherrangiges europäisches Recht verstoße. Die
45DSGVO verdränge die widersprechenden nationalen Regelungen. Ihm stehe ein
46Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung seiner Daten gem. Art. 18 DSGVO zu.
47Dem werde mit einer Löschung durch „Rötung“ gemäß § 11 VRV nicht Genüge getan.
48Es handele sich nicht um eine Löschung im Sinne von Art. 17 DSGVO. Denn dies
49würde voraussetzen, dass die zuvor verkörperten Informationen faktisch nicht mehr
50wahrnehmbar seien. Die in Art. 23 Abs. 1 DSGVO vorgesehenen Ausnahmen würden
51hier nicht eingreifen. Es bestehe kein allgemeines öffentliches Interesse an der
52Verfügbarkeit seiner Daten. Die Daten seien aus Publizitätsgründen nicht mehr
53erforderlich, da er seit 2004 nicht mehr geschäftsführender Vorstand des betroffenen
54Vereins sei. Die weltweit anlasslose und zweckfreie Verfügbarkeit seiner Daten greife
55unverhältnismäßig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein. Bei einer globalen
56Verfügbarmachung obliege es auch dem Registergericht dafür zu sorgen, dass den
57Grundrechten volle Wirksamkeit zukomme. Demgemäß fordere Art. 6 Abs. 2 DSGVO
58eine präzisere Bestimmung von Maßnahmen, um eine rechtmäßige und nach Treu
59und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten. Derartige internetspezifische
60Normen bestünden aber weder im Gesetzes- noch im Verordnungsrecht zu
61Vereinsregister in Deutschland. Art. 25 DSGVO verpflichte die Registergerichte zu
62einer risikoangemessenen Gestaltung durch geeignete technische und
63organisatorische Maßnahmen unter Berücksichtigung des Stands der Technik sowie
64der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere der Risiken der Verarbeitung.
65Entsprechendes werde in Art. 32 DSGVO gefordert. Es solle Identitätsdiebstahl und
66informationelle Belästigung mit den bereit gestellten Daten verhindert werden. Es
67komme immer wieder zu Massenabrufen von Daten aus dem Handelsregister. Es sei
68davon auszugehen, dass von diesen Massenabrufen auch seine Daten betroffen
69seien. Solche Massenabrufe seien durch den legitimen Zweck der Publizität des
70Vereinsregisters nicht gerechtfertigt. Es sei davon auszugehen, dass diese
71Massenabrufe nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch völlig zweckfrei und
72auch kriminell genutzt werden. Vorkehrungen zum Schutz der betroffenen Personen
73gebe es nicht. Mit dem Hilfsantrag verfolge er das Ziel, zumindest den zweckfreien
74Abruf seiner Daten zu verhindern. Hilfsweise regt der Beteiligte an, die Sache dem
75Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
76Durch Verfügung vom 13.04.2023 hat das Registergericht die Sache dem
77Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 413 R d.A.).
78II.
79Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig,
80insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
81In der Sache hat die Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Registergericht hat die
82beantragte Löschung der persönlichen Daten des Beteiligten im Vereinsregister,
83insbesondere seines Geburtsdatums, zu Recht abgelehnt. Auch der mit der
84Beschwerde gestellte Antrag auf Löschung seiner direkt abrufbaren Daten im
85Vereinsregister und sein Hilfsantrag, die Verarbeitung seiner persönlichen Daten
86dahingehend einzuschränken, dass hierüber nur noch nach Glaubhaftmachung eines
87berechtigten Interesses im Einzelfall Auskunft erteilt werde, haben keinen Erfolg.
88Für das Begehren des Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Ein
89Löschungsanspruch zugunsten des Beteiligten ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1,
90Abs. 2 DSGVO. Denn diese Bestimmungen gelten gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. b)
91DSGVO nicht, soweit die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen
92Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der
93Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, notwendig ist. Hier
94ergibt sich eine solche Verpflichtung aus § 387 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit
95§§ 3, 11 VRV. Soweit sich der Beteiligte auf Art. 18, 21 DSGVO stützt, dringt er
96damit nicht durch. Ein Widerspruchsrecht gem. Art 21 Abs. 1 DSGVO steht dem
97Beteiligten gem. § 79a Abs. 3 BGB nicht zu. Dementsprechend ist auch Art. 18
98Abs. 1 lit. b) DSGVO nicht einschlägig, weil diese Bestimmung das Bestehen eines
99Widerspruchsrechts gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO voraussetzt, das hier aber aus
100vorgenannten Gründen nicht besteht (für den Fall eines im Handelsregister
101eingetragenen Geschäftsführers einer GmbH ebenso: OLG Celle, Beschluss vom
10224.02.2023 – 9 W 16/23). Auch § 395 FamFG ist hier nicht einschlägig. Denn die
103Aufnahme des Geburtsdatums und Wohnorts des Beteiligten in das
104Vereinsregister war im Hinblick auf § 387 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 3 S.
1053 Nr. 3 VRV nicht unzulässig im Sinne von § 395 FamFG. Die Löschung durch
106bloße „Rötung“ entspricht § 11 VRV.
107Die Eintragung des Geburtsdatums (und des ehemaligen Wohnortes) des
108Beteiligten in das Vereinsregister und die Löschung des Beteiligten durch bloße
109„Rötung“ nach seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender verstößt nicht
110gegen europäisches Recht. Der Einwand des Beteiligten, dass europäisches Recht
111vorrangig sei und das nationale Recht verdränge, verhilft seiner Beschwerde nicht
112zum Erfolg, weil das europäische Recht in der DSGVO entsprechende Ausnahmen
113vorsieht und dem nationalen Gesetzgeber Regelungsinhalte belassen hat. Nach
114der Gesetzesbegründung zu § 79a BGB gilt für Eintragungen im Vereinsregister der
115Grundsatz der Erhaltung der Eintragung, welche den Kern des materiell-
116rechtlichen Publizitätsprinzips bildet. Diese wird unter anderem dadurch geschützt,
117dass Eintragungen gem. § 383Abs. 3FamFG nicht mit der Beschwerde anfechtbar
118sind. Es würde dem Kern des Grundsatzes der Publizitätswirkung widersprechen,
119sollten Eintragungen über einen längeren Zeitraum nicht einsehbar sein. Die
120Aufrechterhaltung der Leichtigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch
121uneingeschränkt einsehbare Register ist im allgemeinen öffentlichen Interesse. Ein
122Widerspruch der betroffenen Person gem. Art. 21 DSGVO, der zu einer Einschränkung
123der Verarbeitung von Registerdaten führen könnte, wird deshalb durch § 79a Abs. 3
124BGB auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO ausgeschlossen. Auch
125insoweit bleibt es bei den registerrechtlichen Vorschriften über die Löschung und
126Berichtigung (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl. auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed.,
127Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 5). Ein Recht der betroffenen Person auf Löschung von
128Daten, die im Vereinsregister oder in den Registerakten gespeichert sind, kann nach
129Art. 17 Abs. 1 DSGVO gegenüber dem registerführenden Gericht nicht geltend
130gemacht werden, da die Daten im Register und den Registerakten zur Wahrnehmung
131einer Aufgabe im öffentlichen Interesse gespeichert werden, sodass nach Art. 17 Abs.
1323 lit. b) DSGVO ein Recht auf Löschung nicht besteht (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl.
133auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed., Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 7). Eine
134Beschränkung des Rechts der betroffenen Person auf Einschränkung der
135Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 DSGVO ist nicht erforderlich. Die Verarbeitung
136personenbezogener Daten im Vereinsregister oder den Registerakten ist, auch wenn
137das Recht geltend gemacht wird, nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO weiterhin
138uneingeschränkt möglich. Das Führen des Vereinsregisters ist ein wichtiges
139öffentliches Interesse (vgl. auch Erwägungsgrund 73 der DSGVO), sodass die
140Datenverarbeitung nicht eingeschränkt werden muss (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl.
141auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed., Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 8).
142Soweit der Beteiligte noch vorträgt, dass seine Daten nicht mehr erforderlich seien,
143weil er schon im Jahr 2004 aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden ausgeschieden
144sei, verhilft auch dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Es ist gerade Folge der
145uneingeschränkten Publizitätswirkung des Vereinsregisters, dass auch überholte
146Eintragungen aus dem Register ersichtlich sind, dieser Umstand vielmehr durch
147„Rötung“ gekennzeichnet wird. Hierfür spricht, dass aus dem Register nicht nur die
148jeweils aktuelle Situation, z.B. bezüglich der Vertretungsbefugnisse, ersichtlich sein
149muss, sondern auch die früher bestehenden Vertretungsbefugnisse, weil diese im
150Hinblick auf die Wirksamkeit von Eintragungen, Satzungsänderungen oder
151abgeschlossenen Rechtsgeschäften auch deutlich später noch von erheblicher
152Bedeutung sein können.
153III.
154Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
155Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 FamFG zuzulassen. Die Frage der Wirkungen
156der DSGVO auf die verschiedenen in Deutschland geführten Register hat
157grundsätzliche Bedeutung. Eine vergleichbare Rechtsfrage ist – soweit ersichtlich -
158bislang für einen im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer vom OLG Celle
159(aaO) entschieden worden, das aber ebenfalls die Rechtsbeschwerde zugelassen hat,
160über die noch nicht entschieden worden ist.
161Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 € (§ 36 Abs. 3 GNotKG)
162