Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln vom 31.01.2023 (316 F 277/22) abgeändert.
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln vom 17.02.2021 (316 F 118/20) wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder J. LP., geb. am 00.00.0000, und N. LP., geb. am 00.00.0000, im Wege der einstweiligen Anordnung auf den Kindesvater zur alleinigen Ausübung übertragen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Kindesmutter. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung der 1. Instanz.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG statthafte, rechtzeitig innerhalb der Frist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde des Kindesvaters hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Danach ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder J. und N. LP. vorläufig auf den Kindesvater zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
4Gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist einem Elternteil, der gemeinsam mit dem anderen sorgeberechtigt ist, auf seinen Antrag auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teilbereich hiervon zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
5Nach Aufhebung der gemeinsamen Sorge im Hinblick auf den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts entspricht deren Übertragung auf den Kindesvater zur alleinigen Ausübung dem Kindeswohl derzeit am besten, auch wenn die Kinder Kontakte zum Kindesvater zwischenzeitlich ablehnen:
6Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 16.12.2021 im Verfahren 25 UF 42/21 (AG Köln 316 F 118/20) die Befürchtung einer gewünschten bzw. beabsichtigten Entfremdung der Kinder von dem Kindesvater durch die Kindesmutter geäußert und hierzu im Einzelnen ausgeführt. Diese Befürchtung hat sich nunmehr, nachdem der Kindesmutter mit dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts vom 31.01.2023 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder im Ergebnis wieder zurückübertragen worden ist, zu Lasten der Kinder bewahrheitet:
7Die Kindesmutter sieht sich offensichtlich nicht dazu veranlasst, sich an gerichtliche Beschlüsse und Regelungen zu halten, sondern meint, sie könne sich ohne weiteres einseitig hierüber hinwegsetzen. Anders ist nicht zu erklären, dass es bereits in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Ordnungsmittelverfahren gekommen ist, weil die Kindesmutter die Kinder z.B. nicht, wie angeordnet, über die Schule bzw. Kita an den Kindesvater übergeben hat. Dieses Verhalten hat sich fortgesetzt, indem die Kinder auch im/nach dem Herbst 2022 an den Umgangstagen des Kindesvaters nicht die Schule besucht haben oder aber die Kindesmutter dort bereits vor Unterrichtschluss erschienen war oder aber die Kinder bereits abgeholt hatte, obwohl ihr dies an den betreffenden Tagen nicht oblag.
8Diese Verhaltensweise hat sich im Jahr 2023 dahin zugespitzt, dass selbst der mit dem Beschluss des Amtsgerichts vom 31.03.2023 (316 F 4/23, Bl. 1407 ff. d. Akte AG Köln) angeordnete „Minimalumgang“ des Kindesvaters von freitags nach der Schule bis sonntags um 18 Uhr nicht durchgehend und inzwischen auch gar nicht mehr von der Kindesmutter gewährleistet wird:
9Die Kindesmutter hat N. am 00.00.2023, dem Geburtstag des Kindes und zugleich einem Umgangstag des Kindesvaters, ohne ein für diesen Tag vorgeschriebenes ärztliches Attest nicht zur Schule geschickt. Der Kindesvater hatte für N. an diesem Tag bereits eine Geburtstagsfeier mit Hundeshow und vielen Freundinnen organisiert, auf die sich N. nach Mitteilung ihrer Klassenlehrerin (Bl. 489 d. A.) sehr gefreut hatte. Insofern hält es der Senat für ausgeschlossen, dass N. – nach Mitteilung der Kindesmutter - insbesondere an diesem besonderen Tag ihren Vater nicht sehen und besuchen wollte.
10Während ein Ferienumgang des Kindesvaters in den Osterferien nicht stattgefunden hat, hat sich die Kindesmutter mit beiden Kindern in F. von professionellen Fotografen fotografieren lassen und ein Foto - trotz Untersagung des Kindesvaters - auf ihrem Mode-Blog im Internet veröffentlicht.
11Die Kindemutter hat die Kinder sodann erneut am 00.00.2023 nicht zur Schule gehen lassen, so dass der Kindesvater an diesem Wochenende nicht nur keinen Umgang wahrnehmen, sondern auch nicht den Geburtstag von J. im Rahmen einer geplanten Feier mit Freunden in einer Fußballhalle feiern konnte.
12Sofern die Kindesmutter für den 00.00.2023 ein Attest des Kinderarztes Dr. B. vorgelegt hat, wonach die Kinder mit Durchfall und Bauchschmerzen vorgestellt worden seien und glaubhaft geäußert hätten, nicht zum Kindesvater zu wollen, ist dieses nicht relevant. Der Senat hat die Kindesmutter bereits in seinem Beschluss vom 16.12.2021 darauf hingewiesen, dass der Umgang auch dann stattfindet, wenn die Kinder nicht schwerwiegend erkrankt und transportfähig sind. Eine schwerwiegende Erkrankung oder Transportunfähigkeit für den 00.00.2023 ist nicht festgestellt.
13Bereits im Januar 2023 hat sich die Kindesmutter im Übrigen eigenmächtig über die Regelung des Amtsgerichts in dem Beschluss vom 15.11.2022, mit welchem dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung übertragen worden war, hinweggesetzt, als sie sich zumindest am 00.00.2023 an die Grundschule von N. begab, um N. abzuholen. Die Situation konnte erst nach mehreren Stunden unter Beteiligung der Schuldirektorin und der Polizei geklärt werden. Soweit die Kindesmutter ihr Erscheinen an der Schule damit zu rechtfertigen versucht, sie sei davon ausgegangen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 15.11.2022 lediglich die Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht aus dem Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 17.02.2021 (316 F 118/20) aufgehoben habe und ihr zumindest weiterhin ein Umgangsrecht auf Grundlage dieses Beschlusses mit den Kindern zu gewähren sei, hält der Senat dies nicht für glaubhaft. Der Beschluss vom 17.02.2021 hat ausschließlich dem Kindesvater ein zweiwöchentliches Umgangsrecht eingeräumt. Die Kindesmutter ist ausgebildete Juristin und damit in der Lage, die insoweit eindeutige Regelung des Beschlusses zu lesen und zu verstehen.
14Zwischenzeitlich hat die Kindesmutter angekündigt, dem Kindesvater auch künftig keinen Kontakt mit den Kindern einzuräumen, da die Kinder keinen Kontakt wünschten. Dies ist nach Ansicht des Senats kindeswohlschädlich:
15Beide Kinder hatten in den vergangenen Jahren guten und unbeschwerten Kontakt zu dem Kindesvater, auch wenn sie im Rahmen der Anhörung vor dem Senat vom 16.11.2021 im Verfahren 25 UF 42/21 geäußert haben, sie möchten „mehr“ Zeit mit ihrer Mutter verbringen. Auch in ihrer gerichtlichen Anhörung vom 23.01.2023 (Bl. 881 d. Akte des Amtsgerichts) haben sich beide Kinder nicht gegen Kontakte mit dem Kindesvater ausgesprochen. N. hat angegeben, sie möchte „bei Mama wohnen und Papa besuchen“. J. hat angegeben, er wünsche sich, bei seiner Mutter zu wohnen und seinen Vater frei und jederzeit ohne feste Regelung zu sehen.
16Für die nun geäußerte eklatante Ablehnung des Kindesvaters durch die Kinder finden sich in der Anhörung vom 21.01.2023 keine Anhaltspunkte. Da diese Anhörung mehrere Wochen nach der Herausgabevollstreckung am 15.12. bzw. 22.12.2022 erfolgt ist, hält es der Senat auch für fernliegend, dass die Vollstreckung an sich ein originärer Grund für die Ablehnung durch die Kinder sein könnte, wie die Kindesmutter meint.
17Angesichts des aufgezeigten fortdauernden Verhaltens der Kindesmutter zu Lasten beider Kinder hat der Senat im Übrigen inzwischen erhebliche Zweifel an ihrer Erziehungsfähigkeit. Diese soll nunmehr im Verfahren AG Köln 316 F 38/23 durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen H. D. geklärt werden. Die Kindesmutter hat indes bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.03.2023 angekündigt, sie sei für den Fall der Einholung eines Gutachtens nicht bereit, an der Begutachtung teilzunehmen; zudem sei sie auch nicht damit einverstanden, dass ihre Kinder begutachtet werden, und werde keine Schweigepflichtentbindungserklärungen unterzeichnen. Nach Auffassung des Senats täte die Kindesmutter indes gut daran, selbst an der Begutachtung mitzuwirken und dies auch den Kindern ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen, um ihre Erziehungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
18Um einer weiteren bzw. vollständigen Entfremdung der Kinder von dem Kindesvater entgegenzuwirken, ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen jedenfalls vorläufig auf den Kindesvater zu übertragen, bis in der Hauptsache die endgültige Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts geklärt ist. Der Senat geht dabei aus, dass der Kindesvater der Kindesmutter dabei grundsätzlich Umgangskontakte – ggf. in begleiteter Form - ermöglichen wird.
192.
20Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil von deren Durchführung im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens, das lediglich die einstweilige Anordnung betrifft, keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
21Auch eine erneute persönliche Anhörung der Kinder ist nicht veranlasst, die von dem Senat am 16.11.2021 und zuletzt von dem Amtsgericht Ende Januar 2023 angehört worden sind. Bei seiner Entscheidung und Bewertung unterstellt der Senat, dass beide Kinder Kontakte zu dem Kindesvater ablehnen, wie dies auch der Verfahrensbeistand in seinem Bericht vom 25.04.2023 (Bl. 512 ff. d. A.) nach seinem Gespräch mit den Kindern dargestellt hat. Der Senat entscheidet aus Kindeswohlgesichtspunkten in Kenntnis dieser ablehnenden Haltung jedoch abweichend.
22II.
23Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FamGKG.