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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 23. Dezember 2021 – 27 O 189/20 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind hinsichtlich des Räumungsanspruchs ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung insoweit durch Sicherheitsleistung in Höhe von 174.000,00 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Bezüglich des Auskunftsanspruchs sind dieses und das angefochtene Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
31. Die Parteien streiten in erster Linie über die Frage, ob die zwischen ihnen abgeschlossenen Mietverträge durch eine der beklagtenseits ausgesprochenen Kündigungen beendet worden sind. Gegenstand der Mietverträge sind in C. befindliche, als Bahnbögen bezeichnete Gewölbe unterhalb der Eisenbahntrasse am G.-straße zwischen dem Hauptbahnhof und der T.-straße sowie in Z. im Bereich zwischen der H.-straße und der Q.-straße. Die Parteien schlossen am 12./13. September 2001 einen Mietvertrag betreffend die Bahnbögen im Bereich G.-straße (Anlage B 1, Bl. 120 ff. der erstinstanzlichen Akte). Unter dem 20. Dezember 2002 kam ein weiterer Mietvertrag zustande, der die Bahnbögen X. im Bereich des Bahnhofs Z. zum Gegenstand hatte (Anlage B 2, Bl. 154 ff. der erstinstanzlichen Akte). Ein weiterer Mietvertrag, der auf den 15. Februar/11. März 2008 datiert, betraf das Gebäude W.-straße N02-N03. Der Vertrag war zunächst bis zum 31. Dezember 2009 befristet, nach Ablauf dieser Zeit sollte er sich auf unbestimmte Zeit verlängern, § 2.1 des Mietvertrages (Anlage K 4, Bl. 62 ff. der erstinstanzlichen Akte).
4Am 30. Juni/20. Juli 2009 schlossen die Parteien einen als „Pachtvertrag“ bezeichneten Vertrag über die im Klageantrag zu 1. a) – d) bezeichneten Flächen, wobei zur Bestimmung der Mietflächen auf Anlagen zum Vertrag verwiesen wurde (Anlage K 1, Bl. 11 ff. der erstinstanzlichen Akte). Der Vertrag sah in § 2 eine Laufzeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2044 vor. Es folgte unter dem 21. Januar 2011 ein Nachtrag Nr. 1 zu dem vorgenannten Pachtvertrag, der im Wesentlichen Regelungen zu „Pacht“kürzungen sowie geplanten Umbaumaßnahmen enthielt (Anlage K 2, Bl. 34 ff. der erstinstanzlichen Akte).
5Am 22./25. November 2009 einigten sich die Parteien über den „Nachtrag Nr. 2 zum Pachtvertrag vom 30. Juni/20. Juli 2009“ (Anlage K 3, Bl. 37 ff. der erstinstanzlichen Akte), dem keine Lagepläne beigefügt waren. Gemäß § 20.27 a) dieses Nachtrags sollte eine „Miete/Pacht“ erst zu zahlen sein, wenn Planung und Ausbau abgeschlossen sind und nach einer 3-monatigen Anlaufzeit nachhaltige Mieteinkünfte erzielt werden, was nicht vor Ende 2017 zu erwarten sei. Unter § 20.27 c) Abs. 3 des Nachtrags Nr. 2 wurde vereinbart, dass Nebenkosten für alle vom Pächter dauerhaft vermieteten Pachtflächen ab dem 1. Januar 2012 zu zahlen sind. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Nachtrags traf den „Pächter“ im Falle der Untervermietung die Pflicht, den Mietvertrag nach Abschluss unverzüglich in Kopie dem Verpächter zuzuleiten. Zudem hieß es – wie es auch bereits im Ausgangsvertrag geregelt war – unter § 20.11, dass der Verpächter im Falle der Untermiete berechtigt ist, Kopien der Mietverträge zu verlangen und § 11 Abs. 2 Satz 2 wie folgt ersetzt wird:
6"Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter auf dessen Verlagen Kopien der Mietverträge zur Verfügung zu stellen. Die schriftliche Zustimmung des Verpächters zur Vermietung gemäß § 11 gilt mit dem Abschluss des Pachtvertrages als erteilt."
7Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die vorgenannten Verträge nebst Nachträgen Bezug genommen.
8Die Bahnbögen im Bereich der G.-straße wurden zwischenzeitlich weitestgehend saniert. Der Zustand in Z. stellt sich demgegenüber – insbesondere aufgrund erheblicher Feuchtigkeits-/Wasserprobleme – als nach wie vor schwierig dar. Der seitens der Klägerin in der Vergangenheit zur Eindämmung dieser Probleme zunächst gefasste Plan, ab Mitte 2016 Betoninnenschalen in die einzelnen Bahnbögen einzuziehen, wurde vor Beginn der Arbeiten verworfen (vgl. dazu Bl. 110 der erstinstanzlichen Akte sowie Anlagen B 3, B 5, B 6 und B 8, Bl. 159 ff. der erstinstanzlichen Akte). Mit der im Anschluss stattdessen geplanten Sanierung aller Bahnbögen in Z. durch sog. Vergelen, d.h. durch unter Hochdruck injezierten Flüssigbeton, wurde offenbar nie begonnen (Bl. 111 der erstinstanzlichen Akte).
9Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Januar 2020 (Bl. 86 ff. der erstinstanzlichen Akte) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31. Januar 2020 auf, die Mietsache in einen ordnungsgemäßen, sauberen und verkehrssicheren Zustand zu versetzen, offene Nebenkostenforderungen für 2017 in Höhe von 114.008,34 Euro und für 2018 in Höhe von 80.321,85 Euro sowie Mietrückstände aus dem Mietverhältnis betreffend das Gebäude W.-straße N02-N03 in Höhe von 32.248,- Euro zu begleichen und für dieses Objekt ein Brandschutzkonzept vorzulegen. Darüber hinaus wurde die Klägerin unter Hinweis auf § 11.2 Satz 2 sowie § 20.11 des Mietvertrages sowie § 20.27 c) der 2. Nachtragsvereinbarung aufgefordert, der Beklagten bis zum 31. Januar 2020 unter Vorlage sämtlicher abgeschlossener Mietverträge eine Aufstellung über die Verträge unter Angabe der Mieter, des Vertragsbeginns, der Laufzeit, der Miethöhe etc. zukommen zu lassen.
10Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 (Bl. 91 f. der erstinstanzlichen Akte) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 8. Januar 2020 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Beklagte nahm ungeachtet dessen mit Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 16. April 2020 zu dem Schreiben vom 8. Januar 2020 Stellung und widersprach den klägerischen Vorwürfen (Anlage B 9, Bl. 189 ff. der erstinstanzlichen Akte). Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2020 wies die Beklagte die Kündigung vom 19. Februar 2020 zurück (Anlage B 10, Bl. 198 ff. der erstinstanzlichen Akte).
11Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
121. die Beklagte zu verurteilen,
13a) die Flächen nebst Bahnbögen im G.-straße C. (Bahnbögen Nr. X.), so wie aus der Anlage K5A (dort rot umrandete Flächen) ersichtlich,
14b) die Flächen nebst Bahnbögen in der M.-straße in Z. C. (Bahnbögen Nr. X.), so wie aus der Anlage K5B (dort rot umrandete Flächen) ersichtlich,
15c) die Flächen nebst Bahnbögen in der A.-straße in Z. C. (Bahnbögen Nr. X.), so wie aus der Anlage K5C (dort rot umrandete Flächen) ersichtlich,
16d) die Flächen nebst Bahnbögen in der Q.-straße in Z. C. (Bahnbögen Nr. X.), so wie aus der Anlage K5D (dort rot umrandete Flächen) ersichtlich,
17e) die Fläche in der W.-straße N01 in N05 C., Gemarkung C., Flur N06, Flurstück N07, so wie aus der Anlage K5E (dort rot umrandete Flächen) ersichtlich nebst aufstehender Gebäude
18vollständig zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;
192. die Beklagte ferner zu verurteilen, gegenüber der Klägerin Auskunft zu erteilen, mit welchen natürlichen und/oder juristischen Personen ein Untermietverhältnis hinsichtlich der unter Ziffer 1.a) – 1.e) genannten Flächen und Räumlichkeiten besteht, welchen natürlichen und/oder juristischen Personen der Besitz an den zuvor genannten Flächen und Räumlichkeiten ganz oder teilweise überlassen wurde und wird unter Angabe, auf welche Flächen und/oder Teilflächen sowie Räumlichkeiten sich die Untermietverhältnisse und/oder Nutzungsüberlassungen an natürliche und/oder juristische Personen beziehen;
203. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bestehenden Untermietverträge mit natürlichen und/oder juristischen Personen sowie sonstige vertraglichen Vereinbarungen mit natürlichen und/oder juristischen Personen zur Nutzungsüberlassung in Kopie vorzulegen.
21Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Widerklagend hat sie beantragt,
241. festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigungen der Klägerin vom 19.02.2020 und 31.03.2020 nicht beendet ist, sondern ungekündigt fortbesteht;
252. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag von 287.774,49 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.
26Die Klägerin hat beantragt,
27die Widerklage abzuweisen.
28Die Beklagte hat behauptet, den Auskunftsanspruch erfüllt zu haben. Sie habe der Klägerin sämtliche Untermietverhältnisse bekanntgegeben. Am 4. April 2019 sei auf eine entsprechende Anfrage der Klägerin hin eine komplette Auflistung aller Mietverhältnisse mit Namen und Bezeichnung der Mietobjekte per E-Mail übersandt worden. Zudem seien am 28. April 2021 (nochmals) sämtliche Mietverträge übersandt worden.
292. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte – unter Abweisung der Klage im Übrigen – zur Räumung und Herausgabe der unter Ziff. 1. des Klageantrags bezeichneten Flächen sowie zur Auskunftserteilung über die bestehenden Untermietverhältnisse verurteilt. Die Widerklage wurde abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer – soweit für das Berufungsverfahren relevant – ausgeführt, dass die Kündigung bezüglich der im Tenor unter Ziff. 1. a) bis d) bezeichneten Flächen wirksam sei, weil die Befristung bis 2044 (im 2. Nachtrag) nicht dem Schriftformerfordernis genüge (§ 550 Abs. 1 BGB). Die Kündigung bezüglich der unter Ziff. 1. e) des Urteilstenors genannten Fläche sei ebenfalls wirksam, weil dieses Mietverhältnis unbefristet gewesen sei. Der Klägerin stehe zudem ein Anspruch auf Auskunftserteilung hinsichtlich der bestehenden Untermietverhältnisse sowie sonstigen Nutzungsüberlassungen gemäß dem Nachtrag Nr. 2 in Verbindung mit § 242 BGB zu. Die weitergehende, auf Vorlage der Untermietverträge gerichtete Klage sei mangels hinreichender Bestimmtheit des Antrags bereits unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
303. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. In der Berufungsbegründung führt sie – soweit für das Verfahren nach der Rücknahme der Widerklage noch von Bedeutung – insbesondere aus, dass (auch) der 2. Nachtrag zum Mietvertrag dem Schriftformerfordernis des § 550 Abs. 1 BGB genüge. Der Mietgegenstand sei hinreichend konkret bezeichnet. Zudem ergebe sich aus dem 2. Nachtrag in Verbindung mit den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine ausreichende Bestimmtheit des Mietgegenstandes. Die Schriftform sei jedenfalls dadurch gewahrt, dass auch im 2. Nachtrag auf die Lagepläne verwiesen worden sei. Im Übrigen sei im 2. Nachtrag auf den ursprünglichen Vertrag vom 30. Juni/20. Juli 2009 Bezug genommen worden, der seinerzeit wiederum fest mit den Lageplänen als Anlage verbunden gewesen sei. Insoweit sei ferner in den Blick zu nehmen, dass die Formulierung im 2. Nachtrag – dieser ersetze alle vorhergehenden Regelungen – nicht den bestehenden Zusammenhang zu der ursprünglichen Vereinbarung aufhebe, sondern ersichtlich weiter der gleiche Vertragsgegenstand gemeint gewesen sei. Überdies sei die Grundstücksfläche, auf der sich die Gebäude in der W.-straße befinde (vgl. insofern Ziff. 1. e) des Urteilstenors), stets Gegenstand des Vertrages vom 30. Juni/20. Juli 2009 sowie dementsprechend des 2. Nachtrags gewesen sei. Der vom Landgericht herangezogene Vertrag vom 15. Februar/11. März 2008 betreffe lediglich die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude, vorliegend begehre die Klägerin jedoch die Herausgabe der Flächen. Mangels wirksamer Kündigung bestehe im Übrigen kein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Untermietverhältnisse.
31Nachdem die Beklagte die Widerklage mit Schriftsatz vom 23. August 2023 (Bl. 417 der Akte) – mit Zustimmung der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 12. September 2023 (Bl. 435 der Akte) – zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
32das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
33Die Klägerin beantragt,
34die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
35Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.
36Sie verweist ferner darauf, dass sie zwischenzeitlich mit Schreiben vom 25. Juli 2022 (Anlage BB 2, Bl. 158 ff. der Akte) eine weitere fristlose Kündigung ausgesprochen habe, die in der Berufungserwiderung vom 18. April 2022 wiederholt wurde (Bl. 150 der Akte). Sie begründete die Kündigung zum einen damit, dass die Beklagte trotz der entsprechenden erstinstanzlichen Verurteilung bislang die begehrte Auskunft nicht erteilt habe, obwohl durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 17. Juni 2022 (Anlage BB 1, Bl. 163 der Akte) bereits ein Zwangsgeld festgesetzt worden sei. Zum anderen habe die Beklagte am Bahnbögen Nr. X. in C.-Z. ohne Abstimmung mit der Klägerin Betonarbeiten durchgeführt und diese trotz Aufforderung (Anlage BB 3, Bl. 161 f. der Akte) nicht beseitigt.
37Mit Schriftsatz vom 4. November 2022 kündigte die Klägerin erneut außerordentlich, wobei die Kündigung ebenfalls auf die Nichterteilung der Auskunft gestützt wurde, nachdem auch die eingeleitete Zwangsvollstreckung zum Beitreiben des festgesetzten Zwangsgeldes von 15.000,- Euro die Beklagte nicht veranlasst habe, die Auskunft zu erteilen (Bl. 224 der Akte). Darüber hinaus führte die Klägerin zur Begründung der Kündigung rückständige Mieten in Höhe von 889.140,- Euro an (Bl. 226 der Akte).
38Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 18. Oktober 2023 hat die Beklagte ergänzend zu den erteilten Auskünften hinsichtlich der bestehenden Untermietverhältnisse vorgetragen. Es sei unzutreffend, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt keine vollständige Kenntnis davon gehabt habe, welche Untermietverhältnis tatsächlich von der Beklagten abgeschlossen worden seien. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass es sich überwiegend um Altverträge handele, welche die Klägerin vor Beginn des Mietverhältnisses abgeschlossen habe. Nach Abschluss des Mietvertrages mit der Klägerin seien – neben der Untervermietung von kleineren Flächen für eine untergeordnete Nutzung, wie PKW-Abstellplätze oder Lager – nur folgende Verträge für eine höherwertige Nutzung abgeschlossen worden:
39Geschäft 1: 3 Bahnbögen in Z., abgeschlossen im Jahr 2010;
Geschäft 2: 1 Bahnbogen in der M.-straße, abgeschlossen im Jahr 2018;
Geschäft 3.: 6 Bahnbögen am G.-straße, wobei es sich um einen von der Klägerin übernommenen „Altvertrag“ handele, der im Jahr 2015 verlängert worden sei.
Diese Verträge seien der Klägerin, wie auch alle übrigen Untermietverträge, wiederholt bereits seit Jahren zur Verfügung gestellt. So seien am 30. September 2010 um 10:00 Uhr im Hause der Klägerin alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Untermietverträge an die seinerzeit zuständigen Mitarbeiter der Klägerin, Frau D. und Herr R., in Kopie übergeben worden. Am 21. Juni 2016 seien erneut sämtliche seinerzeit bestehenden Untermietverträge an die Klägerin, und zwar an deren Mitarbeiterin Frau J., per Post übersandt worden.
44Am 1. April 2019 habe ein persönliches Gespräch im Hause der Klägerin stattgefunden, an dem für die Klägerin unter anderem Herr L. und Frau D. anwesend gewesen seien. Auch bei diesem Gespräch seien erneut Kopien aller bestehenden Untermietverträge ausgehändigt worden. Die am 4. April 2019 (unstreitig) übermittelte Excel-Liste sei vollständig gewesen. Drei Monate später sei eine Nachfrage von Seiten der Klägerin an die Beklagte herangetragen worden, und zwar zu einem Punkt in einer Mieterliste, die von Herrn B. umgehend beantwortet worden sei. Eine weitere Rückmeldung habe es von Seiten der Klägerin nicht mehr gegeben. Zudem habe im Jahr 2019 eine über mehrere Tage andauernde Besichtigung der untervermieteten Flächen und Gespräche der Vertreter der Klägerin mit den Untermietern stattgefunden. Darüber hinaus habe die Beklagte auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 8. Januar 2020 hin am 17. Januar 2020 erneut Kopien der bestehenden Untermietverträge übersandt.
45Seit dem Jahr 2016 sei es überdies nur zu den folgenden – der Klägerin vollständig bekannten – Änderungen der Untermietverträge gekommen:
462016 – 2019: ein Mieterwechsel im Bogen Nr. X am G.-straße (kleine Werkstatt mit Lager);
2019 – 2020: eine Neuvermietung im Bogen Nr. X am G.-straße (Lagerfläche);
2020 – 2022: zwei Mieterwechsel im Bogen Nr. X am G.-straße (Lagerfläche) und im Bogen Nr. X in der U.-straße (Werkstatt).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
51II.
52Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis mit Recht zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Flächen sowie zur Auskunftserteilung verurteilt.
531. Der Klägerin steht ein Anspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der unter a) – e) des Tenors bezeichneten Flächen zu.
54a) Dem steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte erstinstanzlich darauf berufen hat, der geltend gemachte Räumungsanspruch bestehe aufgrund eines vertraglichen Ausschlusses von vornherein nicht. Dies folge aus § 20.25 b) Abs. 3 des 2. Nachtrags, in dem es heißt, dass der Verpächter im Falle der Auflösung oder des Wegfalls des Pachtvertrags verpflichtet ist, den Mieter des Pächters in dem Objekt zu belassen, soweit dieser seinen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachkommt. Diese Klausel führt im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien nicht zu einem Ausschluss des Räumungs- und Herausgabeanspruchs, sondern nur dazu, dass die Klägerin bezüglich untervermieteter Bahnbögen gegenüber Untermietern, die ihren vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen, nicht die Herausgabe verlangen kann. Dies hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt (S. 15 des Urteils). Gleiches gilt, soweit erstinstanzlich die Anwendbarkeit mietvertraglicher Regelungen in Abrede gestellt wurde. Das Landgericht ist aus zutreffenden Erwägungen (S. 9 f. des Urteils), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zu dem Schluss gelangt, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis als Mietvertrag zu qualifizieren ist.
55b) Das Mietverhältnis wurde jedenfalls durch die Kündigung vom 19. Februar 2020 (Anlage K 7, Bl. 91 f. der erstinstanzlichen Akte), die sich auf alle im Tenor des angefochtenen Urteils bezeichneten Mietflächen bezieht, beendet. Das Schreiben enthält eine außerordentliche Kündigung, die unter Bezugnahme auf das anwaltliche Aufforderungsschreiben der Klägerin an die Beklagte vom 8. Januar 2020 u.a. auf die Missachtung der Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft über sämtliche Untermietverhältnisse gestützt wird. Die Klägerin war berechtigt, das Mietverhältnis mit der gegebenen Begründung gemäß § 543 Abs. 1 BGB außerordentlich zu kündigen. Nach der genannten Norm kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für eine Mietvertragspartei kann hiernach ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 – XII ZR 5/00, NJW-RR 2002, 946, zitiert juris Rn. 12; vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08, NJW-RR 2011, 89, zitiert juris Rn. 11; jeweils mwN). Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist daher auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden; hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten (BGH, Urteil vom 15. September 2010, aaO; Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 168; jeweils mwN). Eine Zerrüttung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, die die Beendigung eines befristeten Gewerberaummietverhältnisses durch außerordentliche Kündigung rechtfertigt, kann regelmäßig nicht allein daraus gefolgert werden, dass es während der Mietzeit zu zahlreichen – sachlich und geschäftsmäßig geführten – Rechtsstreitigkeiten über verschiedene Themenbereiche nachvollziehbarer Art mit unterschiedlichem Ausgang gekommen war (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 5. Juni 1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16; Blank in: Schmidt-Futterer, aaO Rn. 197). Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen ist im Streitfall bezüglich der Kündigung vom 19. Februar 2020 mit Blick auf die unterbliebene Auskunftserteilung hinsichtlich der beklagtenseits abgeschlossenen Untermietverträge ein wichtiger Grund zu bejahen.
56aa) Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin gemäß § 242 BGB i.V.m. dem als Anlage K 1 zur Akte gereichten Mietvertrag sowie dem Nachtrag Nr. 2 (Anlage K 3) verpflichtet, Auskunft über die bestehenden Untermietverhältnisse zu erteilen, wobei neben Angaben zu den jeweiligen Mietern u.a. auch die Mietdauer sowie die Höhe der vereinbarten Miete mitzuteilen sind.
57(1) Mangels eines allgemeinen Informationsanspruchs sind Informationspflichten einer Vertragspartei unter Heranziehung von § 242 BGB aufzuerlegen, wenn eine Sonderverbindung zwischen den Parteien besteht, die einen Grund zur Information beinhaltet, zu dessen Erreichen die Information geeignet, erforderlich sowie angemessen ist und kein Anlass für den Ausschluss der Information besteht (Kähler in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online-Großkommentar, Stand: 1. Juli 2023, § 242 BGB Rn. 625 mwN). Eine Auskunftserteilung wird im Einzelfall dort geschuldet, wo sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses ergibt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder über den Umfang seines Rechtes im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen, die zur Beseitigung jener Ungewissheit geeignet sind (Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 260 Rn. 12). Gemessen daran hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Auskunftsanspruch. Die begehrten Auskünfte, welche die Beklagte ohne Weiteres beschaffen und offenlegen kann, sind für die Vertragsabwicklung von wesentlicher Bedeutung. Dies folgt zunächst aus § 20.27 des 2. Nachtrags zum „Pachtvertrag“, wo festgehalten ist, dass die Beklagte erst dann die vereinbarte Pacht in Höhe von 14.819,- Euro monatlich zu zahlen hat, wenn sie selbst „nachhaltige Mieteinkünfte erzielt“ (Bl. 58 der erstinstanzlichen Akte). Die Parteien sind bei Vertragsunterzeichnung davon ausgegangen, dass dies ab dem 1. Januar 2018 zu erwarten steht. Die Beklagte leistet jedoch – aufgrund der Probleme im Rahmen der Sanierungen – bis heute keine Mietzahlungen an die Klägerin. Um nachprüfen zu können, ob die Beklagte „nachhaltige Mieteinkünfte“ erzielt, ist jedoch zwingend erforderlich, dass die Klägerin Kenntnis darüber hat, welche Mieteinkünfte die Beklagte konkret erlangt. Die fortwährende Information über bestehende Untermietverhältnisse ist zudem für die Zahlung von Nebenkosten von maßgeblicher Bedeutung. Denn nach § 20.27 Abs. 6 des Nachtrags Nr. 2 sind Nebenkosten für alle vom „Pächter“ dauerhaft vermieteten Pachtflächen ab dem 01. Januar 2012 zu zahlen. Die Klägerin benötigt die Auskünfte somit nicht nur für eine mögliche Vollstreckung des Räumungsanspruchs oder eigenständiger Räumungsverlangen gegenüber den Untermietern. Vielmehr benötigt die Klägerin diese Auskünfte, um ihre vertraglich vorgesehenen Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten konkret beziffern zu können.
58(2) Unabhängig davon ergibt sich aus § § 11.3 des Nachtrags Nr. 2, dass die Beklagte auf Verlangen der Klägerin verpflichtet ist, die aus einem jeweiligen Untermietverhältnis bestehenden Ansprüche gegen die Untermieter an die Klägerin abzutreten. Hierzu ist ebenfalls unabdingbar, dass die Klägerin überhaupt weiß, welche Untermietverhältnisse bestehen.
59bb) Soweit die Beklagte erstinstanzlich den Standpunkt vertreten hat, sie sei nicht verpflichtet, der Klägerin von sich aus, laufend über den Bestand der Mietverhältnisse Auskunft zu erteilen, sondern nur auf ihr ausdrückliches Verlangen hin, verfängt dies nicht. Während es in § 11.2 des „Pachtvertrages“ heißt, dass ein durch die Beklagte abgeschlossener Mietvertrag nach Abschluss unverzüglich in Kopie dem Verpächter zuzuleiten ist, wurde diese Regelung durch § 20.11 des Nachtrags Nr. 2 zu dem „Pachtvertrag“ dahingehend geändert, dass die Beklagte auf Verlangen der Klägerin zur Vorlage von Kopien der Verträge verpflichtet ist. Dass die Beklagte nur auf ein entsprechendes Verlangen der Klägerin hin zur Übersendung der Vertragskopien verpflichtet ist, führt indes nicht dazu, dass auch eine Mitteilung über bestehende Vertragsverhältnisse nur auf ein Verlangen hin zu erfolgen hat. Da die Vermieterin ein Interesse daran hat, zu erfahren, ob neue Untermietverträge abgeschlossen wurden, um sodann ggf. weitergehende Rechte (wie bspw. die Aufforderung, den Vertrag zu übersenden) geltend zu machen, entsteht die Auskunftspflicht an sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht erst auf Verlangen der Klägerin hin, sondern losgelöst davon durch den Abschluss des jeweiligen Untermietvertrages. Ungeachtet dessen hatte die Klägerin die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung u.a. mit Schreiben vom 8. Januar 2020 zur Auskunftserteilung aufgefordert.
60cc) Die Beklagte kann sich – wie das Landgericht auch in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat – nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Anspruch bereits erfüllt sei. Insoweit ist unerheblich, in welcher Form die Auskunftserteilung zu erfolgen hat, d.h. ob die Übersendung von Vertragskopien ausreicht oder die Klägerin darüber hinaus eine Auflistung der bestehenden Untermietverhältnisse unter Angabe der für die Klägerin relevanten Daten, wie Dauer des Mietvertrages, Höhe der vereinbarten Miete etc., verlangen kann. Die Beklagte hat bereits nicht in geeigneter Weise dargelegt, dass die bestehenden Verträge übermittelt worden sind. Es ist weder dargetan, welche Untermietverträge im Einzelnen abgeschlossen worden sind, noch ist vorgetragen, wann konkret welche Verträge übermittelt wurden.
61(1) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang erstinstanzlich vorgetragen hat, dass Herr B. einem ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin, Herrn Y., „schon vor Jahren die Kopien der Mietverträge übergeben habe“ (Bl. 118 der erstinstanzlichen Akte), entbehrt dieser Vortrag jeglicher Substanz und ist daher unbeachtlich. Um welche Verträge es sich handelt und wann jeweils die Übergabe erfolgt sein soll, ist nicht ersichtlich.
62(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem bereits erstinstanzlich gehaltenen Vortrag, dass der zuständige Mitarbeiter der Beklagten, Herr B., auf eine entsprechende Anfrage der Klägerin aus März 2019 hin, mit E-Mail vom 4. April 2019 eine Liste aller Mietverhältnisse übersandt habe. Die E-Mail wurde trotz entsprechender Inbezugnahme als Anlage B 10 nicht zur Akte gereicht. Bei der Anlage B 10 handelt es sich um ein Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12. Mai 2020, das in der Klageerwiderung ebenfalls als Anlage B 10 bezeichnet ist (Bl. 114 und 198 ff. der erstinstanzlichen Akte). Darauf kommt es indes im Ergebnis auch nicht, an, da die Klägerin insoweit eingewandt hat, dass die im Jahre 2019 übersandte Excel-Tabelle unvollständig sei. Es fehlten Informationen über die Anschrift des jeweiligen Mieters, die Dauer der Mietverhältnisse, die Höhe der Miete etc. (Bl. 246 der erstinstanzlichen Akte). Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass davon auszugehen ist, dass diese Angaben tatsächlich nicht vorhanden waren. Vor diesem Hintergrund ist die erteilte Auskunft ohnehin unzureichend.
63Es fehlt auch in Ansehung der Ausführungen in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 18. Oktober 2023, in dem die Beklagte ergänzend zu den erteilten Auskünften hinsichtlich der bestehenden Untermietverhältnisse vorgetragen hat, an hinreichend substantiiertem Vortrag zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs. Die Beklagte hat – unter Konkretisierung der erstinstanzlichen Ausführungen – zwar vorgetragen, dass es sich überwiegend um Altverträge handele, welche die Klägerin vor Beginn des Mietverhältnisses abgeschlossen habe. Nach Abschluss des Mietvertrages seien – neben der Untervermietung von kleineren Flächen für eine untergeordnete Nutzung, wie PKW-Abstellplätze oder Lager – nur folgende Verträge für eine „höherwertige Nutzung“ abgeschlossen worden:
64Geschäft 1: 3 Bahnbögen in Z., abgeschlossen im Jahr 2010;
Geschäft 2: 1 Bahnbogen in der M.-straße, abgeschlossen im Jahr 2018;
Geschäft 3: Bahnbögen am G.-straße, wobei es sich um einen von der Klägerin übernommener „Altvertrag“ handele, der im Jahr 2015 verlängert worden sei.
Seit 2016 sei es nur zu wenigen Änderungen der Untermietverträge gekommen:
692016 – 2019: ein Mieterwechsel im Bogen Nr. X am G.-straße (kleine Werkstatt mit Lager);
2019 – 2020: eine Neuvermietung im Bogen Nr. X am G.-straße (Lagerfläche);
2020 – 2022: zwei Mieterwechsel im Bogen Nr. X am G.-straße (Lagerfläche) und im Bogen Nr. X in der U.-straße (Werkstatt).
Die Untermietverträge seien der Klägerin wiederholt bereits seit Jahren zur Verfügung gestellt. So seien am 30. September 2010 um 10:00 Uhr im Hause der Klägerin alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Untermietverträge an die seinerzeit zuständigen Mitarbeiter der Klägerin, Frau D. und Herr R., übergeben worden. Am 21. Juni 2016 seien erneut sämtliche seinerzeit bestehenden Untermietverträge an die Klägerin, und zwar an deren Mitarbeiterin Frau J., per Post übersandt worden. Am 1. April 2019 habe ein persönliches Gespräch im Hause der Klägerin stattgefunden, an dem für die Klägerin unter anderem Herr L. und Frau D. anwesend gewesen seien. Auch bei diesem Gespräch seien erneut Kopien aller bestehenden Untermietverträge ausgehändigt worden. Die am 4. April 2019 per Mail an die Klägerin übermittelte Excel-Liste sei vollständig gewesen und habe weitere detaillierte Informationen enthalten. Drei Monate später sei eine Nachfrage von Seiten der Klägerin an die Beklagte gestellt worden, und zwar zu einem Punkt in einer Mieterliste, die von Herrn B. umgehend beantwortet worden sei. Zudem habe im Jahr 2019 eine über mehrere Tage andauernde Besichtigung der untervermieteten Flächen und Gespräche der Vertreter der Klägerin mit den Untermietern stattgefunden, wobei es nicht zu Rückfragen gekommen sei.
74Der vorstehende Sachvortrag der Beklagten ist indes nicht hinreichend substantiiert. Insoweit ist zu verlangen, dass der Sachvortrag Tatsachen enthält, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte (Gegen-) Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (stRspr, BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 – III ZR 7/20, BGHZ 224, 302, zitiert juris Rn. 18 m.w.N.). Gemessen daran ist die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Auskunftserteilung bezüglich der bestehenden Untermietverträge nicht in geeigneter Weise nachgekommen. Es ist abgesehen von wenigen Ausnahmen nicht ersichtlich, welche Untermietverhältnisse überhaupt bestehen. Konkrete Angaben zu den Vertragsparteien, den Vertragslaufzeiten sowie den vereinnahmten Mieten fehlen ebenfalls. Dies gilt auch hinsichtlich der im April 2019 übersandten Excel-Liste. Insoweit hat die Klägerin – wie oben ausgeführt – bereits erstinstanzlich das Fehlen relevanter Daten gerügt; dies hat die Beklagte indes nicht veranlasst, ihr Vorbringen zu konkretisieren. Soweit die Beklagte wiederholt behauptet hat, der Klägerin sämtliche Mietverträge in Kopie zur Verfügung gestellt zu haben, fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, wann der Klägerin welche Untermietverträge überreicht wurden.
75(3) Eine abweichende Beurteilung ist auch in Ansehung des beklagtenseits vorgelegten Schreibens vom 17. Januar 2020 nicht gerechtfertigt. Diesem ist zu entnehmen, dass Auszüge bestehender Untermietverträge in Kopie übersandt worden sind. Weder dem als Anlage HWD 4 (Bl. 512 der Akte) zur Akte gereichten Schreiben noch dem Beklagtenvortrag ist indes zu entnehmen, welche Verträge konkret beigefügt waren. Zudem heißt es in dem Schreiben, dass nur die wichtigsten Seiten eines jeden Mietvertrages kopiert wurden, was zur Erfüllung der Auskunftspflicht, die eine Übersendung der vollständigen Verträge in Kopie vorsieht, ohnehin unzureichend ist. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, welche Seiten als wichtig eingestuft wurden und somit Gegenstand der Übersendung waren. Auf den Umstand, dass die Klägerin bestritten hat, ein Schreiben vom 17. Januar 2020 erhalten zu haben, kommt es vor diesem Hintergrund im Ergebnis nicht an.
76dd) Die vorstehend beschriebene Verletzung der Pflicht zur Auskunftserteilung ist im Streitfall derart erheblich, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Vertrages auch unter Berücksichtigung des aufgezeigten strengen Maßstabes (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 - XII ZR 5/00 - NJW-RR 2002, 946, zitiert juris Rn. 12; vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08, NJW-RR 2011, 89, zitiert juris Rn. 11; jeweils mwN) nicht mehr zugemutet werden kann. Auch wenn diese Pflichtverletzung „nur“ eine Auskunft betrifft, ist diese angesichts der – auch für die Beklagte offensichtlich erkennbaren – potentiellen Wirkung der Auskunftserteilung auf das gesamte Vertragsverhältnis von elementarer Bedeutung. Ohne die entsprechenden Auskünfte war die Klägerin insbesondere nicht in der Lage, die vertraglich vorgesehenen Anpassungen hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen der Beklagten vorzunehmen. Dies betrifft sowohl die Grundmiete als auch die Nebenkosten. Ein Festhalten am Vertrag war der Klägerin hiernach nicht länger zumutbar.
77(1) Die Beantwortung der Frage, ob eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung (BGH, Urteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 394/03, NJW 2005, 2552, zitiert juris Rn. 12). Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln, ob dem Kündigenden die ordentliche Beendigung des Mietverhältnisses nicht (mehr) zuzumuten ist (vgl. dazu: Alberts in: Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Auflage 2019, § 543 Rn. 13 mwN). In diesem Zusammenhang sind neben der Zeitspanne, innerhalb derer der Mietvertrag ordentlich beendet werden könnte bzw. nach der vertraglichen Regelung endet, die Interessen der Vertragsparteien an der Beendigung bzw. Fortdauer des Mietvertrages zu ermitteln und zu gewichten, wobei auch der bisherige Verlauf des Mietverhältnisses, zurückliegende Pflichtverletzungen und das Verschulden der Vertragsparteien zu beachten sind.
78(2) Diese Abwägung fällt im Streitfall zugunsten des Beendigungsinteresses der Klägerin aus. Insoweit ist auf der einen Seite zwar das Interesse der Beklagten an der Vertragsfortführung zu berücksichtigen. In Ansehung des – nach wie vor – geplanten Gesamtprojekts sowie der erheblichen Investitionen, die sie bereits im Zusammenhang mit der Sanierung der Bahnbögen getätigt hat, hat sie ein berechtigtes Interesse an einer Vertragsfortsetzung. Auf der anderen Seite ist indes zu bedenken, dass auch die Klägerin wirtschaftlich mit der Sanierung der Bahnbögen stark belastet ist und ihrerseits etwaige vertraglich angelegte Einnahmequellen durch die unterbliebene Auskunftserteilung fortlaufend untergraben wurden. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände steht außer Zweifel, dass sämtliche oder jedenfalls ein weit überwiegender Teil der Untermietverträge bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung im Februar 2020 bestanden haben. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Auskunftspflicht hätte die Klägerin in die Lage versetzt und veranlasst, vertragliche Mietzahlungsansprüche gegen die Beklagte in nicht unerheblichen Umfang geltend zu machen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der Beklagtenvortrag in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 18. Oktober 2023. Dort hat die Beklagte ausgeführt, dass die als "höherwertig" bezeichneten Untermietverträge sowie weitere Verträge über kleinere Flächen für eine untergeordnete Nutzung als PKW-Abstellplatz oder Lager bereits im Jahr 2019 abgeschlossen waren (Bl. 498 der Akte). Zudem hat die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz zu der Entwicklung der bestehenden Untermietverträge vorgetragen (vgl. S. 6 des Schriftsatzes, Bl. 499 der Akte) und ausgeführt, dass es zu keinen nennenswerten Veränderungen gekommen sei. Die erheblichen Auswirkungen der unterbliebenen Auskunftserteilung zeigen sich darüber hinaus auch in der zwischenzeitlich erfolgten Mitteilung bezüglich der Mieteinnahmen der Beklagten. Erstmals – nämlich mit der im Rahmen der Vergleichsverhandlung gesendeten E-Mail vom 15. September 2022 – hat die Beklagte eingeräumt, dass sie monatliche Einnahmen in Höhe von 125.000,- Euro erzielt (Bl. 214 der Akte). Aus den vorgenannten Erwägungen ist davon auszugehen, dass der nunmehr in Rede stehende Umsatz – jedenfalls ganz überwiegend – bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung erzielt wurde.
79Hinzu kommt, dass in Ansehung der unmissverständlichen vertraglichen Regelungen zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass die Beklagte die Auskunftspflichtverletzung auch schuldhaft begangen hat. Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Beklagte zu entlasten, sind nicht ersichtlich. Sie kann sich nicht auf einen Rechtsirrtum berufen. An die Annahme eines unvermeidbaren Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35, zitiert juris Rn. 13 mwN). Der Rechtsirrtum ist danach nur dann entschuldigt, wenn der Schuldner die Rechtslage zwar sorgfältig geprüft, soweit erforderlich Rechtsrat eingeholt und die höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet hat, gleichwohl aber nicht mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte zu rechnen brauchte. Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handelt bereits derjenige fahrlässig, der sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 – I ZR 79/95, NJW 1998, 2144, zitiert juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 – X ZR 157/05, BB 2006, 1819, zitiert juris Rn. 19 f.). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat sich die Beklagte nicht von einem Verschulden entlastet. Gründe, die eine abweichende rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan.
80(3) Eine Fortführung des Vertrages bis zum Ablauf der vereinbarten Laufzeit, d.h. bis Ende Juni 2044 (§ 2 des „Pachtvertrages“), ist der Klägerin angesichts dieser Umstände nicht zumutbar.
81ee) Die erforderliche Abmahnung liegt vor. In dem anwaltlichen Schreiben vom 8. Januar 2020 (Anlage K 6, Bl. 86 ff. der erstinstanzlichen Akte) hat die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31. Januar 2020 aufgefordert, ihr unter Vorlage der schriftlichen Verträge eine Aufstellung über sämtliche Verträge mit Untermietern/Nutzern zu überreichen (Bl. 88 der erstinstanzlichen Akte).
82c) Soweit das Kündigungsschreiben vom 19. Februar 2020 (Anlage K7, Bl. 91 f. der erstinstanzlichen Akte) überdies eine – hilfsweise erklärte – ordentliche Kündigung zum 30. September 2020 enthält mit der Begründung, dem befristeten Mietvertrag fehle es an der gemäß § 550 BGB erforderlichen Schriftform, kommt es mit Blick auf die aufgezeigte Wirksamkeit der zugleich erklärten außerordentlichen Kündigung hierauf nicht an.
832. Der Auskunftsanspruch gemäß Ziff. 2 des Urteilstenors folgt aus den oben dargelegten Gründen aus § 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag. Dass das Landgericht den tenorierten Anspruch vorrangig mit § 546 Abs. 2 BGB begründet hat, steht dem nicht entgegen. Es ist zutreffend, dass der Vermieter vom Mieter aus einer Nebenpflicht aus dem Mietvertrag Auskunft darüber verlangen kann, welchen Dritten er die Mietsache überlassen hat, damit auch gegen diese Personen der erforderliche Räumungstitel erwirkt werden kann (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 18. August 2010 – 22 U 90/10, ZfIR 2012, 36, 37, zitiert juris mwN). Darüber hinaus ergibt sich der Auskunftsanspruch im Streitfall mit Blick auf die konkrete vertragliche Situation auch aus den vorgenannten Erwägungen.
84III.
85Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 709 S. 1, 711 ZPO.
86Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es handelt sich um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.
87Gegenstandswert des Berufungsverfahrens:
88bis zum 12. September 2023: 549.293,64 Euro;
89ab dem 13. September 2023: 264.519,15 Euro.