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Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.09.2022 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Köln zum Az. 5 O 66/20 abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 181.661,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21.150,99 € seit dem 09.12.2021 sowie aus weiteren 160.510,55 € seit dem 21.06.2022 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Klägervor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 181.661,54 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beklagte ist eine Online-Glücksspielanbieterin mit Unternehmenssitz in T.. Der Kläger nahm in der Zeit vom 12.03.2018 bis zum 06.02.2019 über die deutschsprachige Internetdomain E-Mail-Adresse01 von seiner Wohnung in S. aus an Sportwetten teil und zahlte in dieser Zeit über verschiedene Zahlungsdienstleister 224.161,54 € als Spieleinsätze ein, wobei er Auszahlungen in Höhe von 42.500,00 € erhielt.
4Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages, des Hergangs des erstinstanzlichen Verfahrens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
6Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung der verlorenen Wetteinsätze zu; insbesondere bestehe kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wirksam gewesen sei.
7Zwar habe die Beklagte nicht über eine Konzession für das Angebot von Sportwetten verfügt, weshalb an sich gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 verstoßen worden sei. Da jedoch andererseits die Ordnungsbehörden in dem in Rede stehenden Zeitraum das Angebot von Sportwetten nicht hätten untersagen können, könne im Umkehrschluss auch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB angenommen werden.
8Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 15.06.2016 (Az. 8 C 5/15) entschieden, dass auf der Grundlage des GlüStV 2012 die Untersagung der Sportwettenvermittlung nicht allein mit einer fehlenden Erlaubnis begründet werden könne, wenn das für eine Übergangszeit eröffnete Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet sei. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel habe mit Beschluss vom 29.05.2017 (8 B 2744/16) entschieden, das vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport durchgeführte Konzessionsvergabeverfahren stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar und verletze das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot, weshalb eine weitere Anwendbarkeit des Erlaubnisvorbehalts des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 nicht zu rechtfertigen sei. In seiner Entscheidung vom 26.10.2017 (Az. 8 C 18/16) habe das Bundesverwaltungsgericht ferner entschieden, ein Wettanbieter könne sich auf die Rechtswidrigkeit des Konzessionsverfahrens nicht berufen, wenn er keinen Antrag auf Erteilung einer Sportwettenkonzession gestellt habe. Indes habe die Beklagte nachgewiesen, dass sie eine Sportwettenkonzession beim Hessischen Ministerium des Innern und Sport beantragt habe, da sich aus dem als Anlage B 3 vorgelegten Schreiben (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.06.2022, Band III der LG-Akte) ergebe, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt werde, wobei ihr dort auch bescheinigt worden sei, dass sie die Mindestanforderungen vollständig erfüllt habe. Die dargestellte Rechtsprechung sei nicht nur für in einem Ladenlokal angebotene Sportwetten, sondern auch auf Angebote im Internet anzuwenden.
9Da der Beklagten in dem in Rede stehenden Zeitraum ihr Sportwettenangebot nicht habe untersagt werden können, sei es als rechtmäßig zu bewerten, ohne dass es einer aktiven Duldung seitens der Behörden bedurft habe. Auch sei unerheblich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss der einzelnen Wetten gegen sog. materielles Glücksspielrecht verstoßen habe. Es spiele für die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses keine Rolle, ob die Beklagte sogenannte Live-Wetten angeboten habe, die finanziellen Verhältnisse des Klägers hinreichend geprüft, zugleich Online-Casino-Spiele auf ihrer Webseite angeboten und den Kläger mehr als 1.000,00 € monatlich auf sein Wettkonto habe einzahlen lassen, da dies die Zulässigkeit des Angebots von Sportwetten an sich nicht berühre. Die Beklagte habe sich auch nicht nach § 284 StGB strafbar gemacht, da auch hierfür erforderlich sei, dass das Erlaubnisverfahren dem Transparenzgebot genüge.
10Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
11Er behauptet, er habe die Angebote der Beklagten für erlaubt gehalten und habe erst 2019 von der Rechtswidrigkeit der Sportwetten erfahren. Er trägt vor, vom Grundsatz her habe der GlüStV 2012 ein staatliches Sportwetten-Monopol vorgesehen. Lediglich für eine Experimentierphase vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2019 habe man eine Vergabe von 20 Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet durch private und staatliche Anbieter und die Vermittlung von Sportwetten an diese Anbieter in §§ 4a ff. GlüStV 2012 vorgesehen (S. 5 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 50 d. A.). Der Kläger nimmt Bezug auf das Urteil des Senats vom 31.10.2022 (Az. 19 U 51/22, juris) sowie auf land- und amtsgerichtliche Rechtsprechung (S. 3-8, 27 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 50-55, 74 d. A.). Der Kläger erläutert seinen Sachvortrag zu den von ihm getätigten Einsätzen (S. 12 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 59 d. A.) und ergänzt und erläutert seine Rechtsauffassung, das Angebot der Beklagten habe hinsichtlich des in Rede stehenden Zeitraums im Sinne des § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (S. 8-12, 13-15 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 55-59, 60-62 d. A.).
12Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte auch verbotene Live- und Ereigniswetten angeboten habe, die von Konzessionsinhabern nicht hätten angeboten werden dürfen (S. 16-22 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 63-69 d. A.). Er erläutert seine Ansicht, jedenfalls in den Jahren 2018 und 2019 sei das staatliche Sportwettenmonopol nicht mehr als unionsrechtswidrig zu bewerten gewesen (S. 22-27 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 69-74 d. A.). Das Landgericht habe fehlerhaft den Ablehnungsbescheid des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport aus September 2014 (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.06.2022, Band III der LG-Akte) als Beweis dafür verwertet, dass die Beklagte im dort geführten Verfahren Antragstellerin gewesen sei (S. 29 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 76 d. A.). Fehlerhaft habe das Landgericht den Vortrag der Beklagten zu dem Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17.09.2019 (Anlage B 10 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2022, Band IV der LG-Akte) berücksichtigt, den es nach § 296a ZPO habe behandeln müssen (S. 31 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 78 d. A.).
13Der Kläger beantragt:
14I. Das am 08.09.2022 (richtig 09.09.2022) verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 5 O 66/20 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 181.661,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21.150,99 € seit Rechtshängigkeit der Klage sowie aus weiteren 160.510,55 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 21.06.2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung gegenüber den Angriffen der Berufung. Sie erläutert ihre Rechtsansicht, wonach eine aktive Duldung anzunehmen sei, welche zu einer genehmigungsähnlichen Situation im Sinne eines rechtskonformen Zustandes geführt habe und verweist hierzu auf vornehmlich verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, auf Rechtsprechung des EuGH sowie auf die Entstehungsgeschichte des 2. und 3. Glücksspielstaatsvertrages (S. 4-14 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 197-207 d. A.). Zutreffend habe es das Landgericht als irrelevant bewertet, ob die Beklagte sogenannte Live-Wetten anbot, die finanziellen Verhältnisse des Klägers hinreichend prüfte, zugleich Online-Casino-Spiele anbot und den Kläger mehr als 1.000,00 € monatlich auf sein Wettkonto einzahlen ließ, da diese Modalitäten keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Angebots der Sportwetten an sich hätten. § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 enthalte ein Verbotsverdikt nur bei Fehlen einer Erlaubnis, wogegen Abweichungen in Zusammenhang mit dem konkreten Angebot nur ein behördliches Einschreiten rechtfertigten (S. 16-18 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 211 d. A.).
20Der Senat hat den Kläger im Termin vom 15.09.2023 informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 664-667 d. A.) Bezug genommen.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
231.
24Die Klage ist zulässig.
25Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte beruht auf Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handelt. Als Verbraucher ist jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Der Kläger war zwar als Gesellschafter einer OHG, deren Geschäftszweig in dem Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit RC-Modellbauartikeln, Spielwaren und Unterhaltungselektronik bestand, selbständig tätig – entscheidend ist aber, dass die Sportwetten keinen Bezug zu dieser selbständigen Tätigkeit aufweisen und dieser demgemäß nicht i. S. d. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO zugerechnet werden können.
26Auch richtet die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So waren und sind ihre Sportwettenangebote in verschiedenen Sprachen und auch in deutscher Sprache verfügbar. Wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EuGH, Urteil vom 07.12.2010 - C-585/08 und C-144/09, Nr. 84, juris). Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, in Deutschland ansässige Personen anzusprechen. Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 3, 6. Auflage 2022, Art. 17 Brüssel Ia-VO, Rn. 5). In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen.
272.
28Die Klage ist auch begründet.
29a)
30Deutsches Sachrecht ist anwendbar. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Voraussetzungen sind bei Spielerklagen gegen ausländische Online-Glücksspielanbieter - entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu Art. 18 Abs. 1 EuGVVO - erfüllt (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris, Rn. 48).
31b)
32Es besteht ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 181.661,54 € aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.
33aa)
34Soweit sich der Senat mit Hinweisbeschluss vom 11.05.2023 im Wesentlichen mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 817 BGB befasst hat, wird klargestellt, dass es deren Vorliegen für die Bejahung eines Anspruchs aus § 812 BGB nicht bedarf, da es sich um jeweils eigene Anspruchsgrundlagen handelt (vgl. nur BGH, Urteil vom 28.01.1953 – II ZR 265/51, juris, Rn. 58; OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 45; Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, 8. Auflage 2020, § 817 BGB, Rn. 4).
35bb)
36Die Beklagte hat die Wetteinsätze des Klägers durch Leistung(en) des Klägers erlangt. Dies geschah ohne Rechtsgrund, weil die jeweiligen wetteinsatzbezogenen Verträge zwischen den Parteien wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB als nichtig zu bewerten sind.
37Die zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge sind gemäß § 134 BGB nichtig, da sie gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Nach dieser Vorschrift war in dem Zeitraum, in welchem die vorliegend geltend gemachten Einzahlungen zum Zweck der Teilnahme an Glücksspielen erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet verboten.
38Die Bestimmungen des GlüStV 2012 zum Verbot des Internet-Glücksspiels waren in demjenigen Zeitraum, in dem der Kläger seine Wetteinsätze bei der Beklagten tätigte, wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellten sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 92/09, juris, Rn. 33 ff.; BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris, Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, juris, Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris, Rn. 48; OLG Köln, Urteile vom 10.05.2019 – I-6 U 196/18, juris, Rn. 70, 82 und vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris, Rn. 53; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, juris, 60-71; OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023, 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 30ff.).
39Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (BGH, Urteile vom 22.05.1978 – III ZR 153/76, juris, Rn. 17; und vom 12.05.2011 − III ZR 107/10, juris, Rn. 12 m.w.N.). Sinn und Zweck der Verbote des GlüStV 2012 und insbesondere auch des § 4 Abs. 3 GlüStV 2012 war insbesondere auch die Verhinderung der Entstehung von Spielsucht sowie der Jugend- und Spielerschutz (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, juris, 59). Diesen Zielen liefe es zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (vgl. auch Vossler in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.09.2023, § 134 BGB, Rn. 219; Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 9. Auflage 2021, § 134 BGB, Rn. 175).
40Nichts anderes ergibt sich daraus, dass hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Sportwetten gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 ein Erlaubnisvorbehalt geregelt ist, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Erlaubnis für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erteilt werden kann. Denn die Beklagte verfügte über eine solche Erlaubnis in Nordrhein-Westfalen im hier streitgegenständlichen Zeitraum gerade nicht.
41Es kann – entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht von einem Erlaubnisäquivalent etwa in Form einer aktiven Duldung ausgegangen werden. Soweit sich die Beklagte insoweit auf die Entscheidung des VGH Hessen vom 29.5.2017 (8 B 2744/16) beruft, kann daraus für das Angebot der Beklagten in Nordrhein-Westfalen schon deshalb nichts abgeleitet werden, da sich der VGH nur mit Sportwetten in Hessen befasst. Zudem ging es in dem dortigen Verfahren gerade nicht um die Erteilung oder Nichterteilung einer solchen Genehmigung. Soweit sich die Beklagte weiter auf eine gegen die Beklagte gerichtete Unterlassungsverfügung betreffend die Online-Casino Angebote der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17.9.2019 bezieht, kann daraus schon deshalb nichts abgeleitet werden, weil diese erst nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum erlassen wurde. Soweit die Beklagte schließlich auf den veröffentlichten Entwurf des 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrags bezieht, ist dieser nie in Kraft getreten.
42cc)
43Das Nichtigkeitsverdikt wird durch eine etwaige passive oder aktive Duldung des Internet-Sportwettenangebotes der Beklagten durch die für eine etwaige Ahndung zuständigen Behörden ebenso wenig in Frage gestellt wie durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, kraft derer eine Einschätzung der Beklagten, es sei mit behördlichen Maßnahmen gegen ihr Internet-Sportwettenangebot nicht zu rechnen, gerechtfertigt gewesen sein mag. Der Senat lässt deshalb dahinstehen, inwieweit das Internet-Sportwettenangebot der Beklagten bei hypothetischer Annahme des Vorliegens einer Konzession im Zeitraum 12.03.2018 bis zum 06.02.2019 in seinen konkreten Ausprägungen (Live-Wetten, Spielerschutzmaßnahmen, Einsatzüberwachung o. ä.) den Anforderungen an ein lizenziertes Angebot entsprach oder nicht.
44Die Frage der Duldung durch Verwaltungsbehörden kann deshalb dahinstehen, weil der durch zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gewährte Schutz privater (natürlicher oder juristischer) Personen einerseits und die Frage der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits grundsätzlich unabhängig voneinander zu beantworten sind. Der Bestand und die Durchsetzbarkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs (hier aus § 812 Abs. 1 BGB) hängt nicht davon ab, ob mit einer Durchsetzung öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten seitens der zuständigen Behörden zu rechnen ist, weshalb eine Berufung darauf, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen einen Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, zivilrechtlich nicht verfängt und insbesondere der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, Rn. 53, juris; KG Berlin Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19, Rn. 53, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 49; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, Rn. 48 - 51, juris). Selbst wenn in Zusammenhang mit einer Duldung öffentlich-rechtliche Sanktionen nicht hätten erfolgen können oder/und die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlagen oder/und ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession bestanden hätte, so führte dies demgemäß nicht dazu, dass ohne tatsächliche Konzessionserteilung oder in der Zeit vor Erteilung in dem allein zivilrechtlich zu bewertenden Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil der Schutz des GlüStV 2012 entfiele und aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde (LG Köln, Urteil vom 30.03.2023 – 36 O 290/20, juris, Rn. 46, juris).
45Abweichendes lässt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung herleiten, da dieser einer unterschiedlichen Erfassung eines Lebenssachverhaltes im öffentlich-rechtlichen Regelungskontext gegenüber der Behandlung in Zusammenhang mit der Frage des Eingreifens einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht entgegensteht. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet die rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Inhalte von Rechtssätzen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichen (BVerfG, Urteil vom 07.05.1998 – 2 BvR 1991/95, juris, Rn. 58; vgl. hierzu auch Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Auflage 2007, § 100 Rn. 85 ff.). Dieser Grundsatz ist jedoch nicht verletzt, wenn der Normgeber mit abweichenden Regelungen der Eigenart der verschiedenen Regelungsbereiche Rechnung trägt, was insbesondere unterschiedliche Wertungen im Zivilrecht gegenüber dem öffentlichen Recht rechtfertigen kann (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1969 – 1 BvR 457/66, juris, Rn. 21 zu unterschiedlichen Wertungen im Steuer- und Handelsrecht).
46Mit diesem Gehalt ist der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung von der fachgerichtlichen Rechtsprechung aufgegriffen worden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.12.1999 – 11 C 9/99, juris, Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 24.10.2019 – B 9 SB 1/18 R, juris, Rn. 27). Im zivilrechtlichen Kontext ist er insbesondere dafür herangezogen worden, um im Rahmen einer systematischen Auslegung zur Bestimmung des objektiven Willens des Gesetzgebers auf Normen anderer Gesetze zurückzugreifen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12.06.2006 - II ZB 21/05, juris, Rn. 10; Urteil vom 06.12.2017 - XII ZR 95/16, juris, Rn. 22, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, juris, Rn. 73), wobei abweichende Wertungen im öffentlichen Recht gegenüber dem Zivilrecht insbesondere mit den Aspekten der schon im Grundsatz nach Sachbereichen differenzierten Rechtsordnung sowie der unterschiedlichen Zielsetzungen in den jeweiligen Regelungszusammenhängen als gerechtfertigt bewertet worden sind (BGH, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, Rn. 73 zu unterschiedlichen Wertungen im Sozialrecht und Mietrecht).
47Vorliegend stellte sich demgegenüber kein Auslegungsproblem – das Rechtswidrigkeitsverdikt des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist eindeutig und wird auch von den verwaltungsbehördlichen und –gerichtlichen Wertungen, auf welche sich die Beklagte beruft (vgl. insbesondere: Ablehnungsbescheid des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport aus September 2014, Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.06.2022, Band III der LG-Akte; Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17.09.2019, Anlage B 10 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2022, Band IV der LG-Akte; BVerwG, Urteile vom 15.06.2016 – 8 C 5/15, juris und vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, juris; VGH Kassel, Beschluss vom 29.05.2017 – 8 B 2744/16, juris, Rn. 16; VG Wiesbaden, Beschluss vom 09.11.2016 – 5 L 1609/16.WI, juris; VG Darmstadt, Beschluss vom 01.04.2020 – 3 L 446/20.DA, juris) nicht in Frage gestellt. Ferner ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch, da sich nicht nur die Wirkung der Duldung, sondern auch der Aussagegehalt der sie tragenden Erwägungen auf den öffentlich-rechtlichen Bereich und die Frage des Drohens einer öffentlich-rechtlichen Sanktionierung beschränkt.
48dd)
49Die Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Regelung nur dann anzuwenden ist, wenn der Spiel- oder Wettvertrag wirksam ist (Haertlein in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.07.2023, § 762 BGB, Rn. 116). Verstößt der Spiel- oder Wettvertrag dagegen - wie vorliegend - gegen ein gesetzliches Verbot, ist der Rückforderungsausschluss nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12.07.1962 – VII ZR 28/61, juris, Rn. 15; Laukemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand: 14.07.2023, § 762 BGB, Rn. 42).
50ee)
51Der Rückforderung steht auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Der Ausschluss der Rückforderung nach dieser Vorschrift greift nur ein, wenn der Leistende vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbots- oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH, Urteile vom 26.01.2006 - IX ZR 225/04, juris, Rn. 28; vom 14.12.2016 - IV ZR 7/15, juris, Rn. 43 und vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, juris, Rn. 33).
52Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
53Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da es sich bei § 817 S. 2 BGB um eine rechtshindernde Einwendung handelt (Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, 8. Auflage 2020, § 817 BGB, Rn. 89). Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte indes nicht nachgekommen. Insbesondere kann von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden. Dieser erfordert zumindest bedingten Vorsatz (Schönke/Schröder/Heine/Hecker, 30. Auflage 2019, StGB § 285 Rn. 4). Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan. Demgegenüber ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen hat, von der Tatsache, dass die Beklagte über keine für Nordrhein-Westfalen gültige Lizenz für ihr Glücksspielangebot verfügte sowie der darauf beruhenden Bewertung ihres Angebotes als rechtswidrig erst nach seinen bei der Beklagten getätigten Wetteinsätzen im Jahr 2019 erfahren zu haben, was er überdies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 15.09.2023 (S. 1 f. des Protokolls, Bl. 664 f. d. A.) auch in überzeugender Weise bestätigt hat.
54Der Kläger hat sich auch nicht der Erkenntnis der Unerlaubtheit des Glücksspielangebotes der Beklagten leichtfertig verschlossen. Ein leichtfertiges Verschließen stünde der vorhandenen Kenntnis gleich (BGH, Urteil vom 02.12.2021 – IX ZR 111/20, Rn. 31, juris); soweit der Senat hierzu in seinem Urteil vom 31.10.2022 (19 U 51/22, juris, Rn. 61) vertreten hat, bei einem Gesetzesverstoß reiche ein leichtfertiges Verschließen nicht aus, wird daran nicht festgehalten.
55Von Leichtfertigkeit des Klägers kann indes nicht ausgegangen werden. Insbesondere kann der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden.
56Jedenfalls aber wäre - wollte man Vorsatz oder ein leichtfertiges Sich-Verschließen auf Seiten des Klägers annehmen - eine teleologische Reduktion von § 817 S. 2 BGB vorzunehmen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des in Rede stehenden Verbotsgesetzes kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein (BGH, Urteile vom 31.05.1990 - VII ZR 336/89, juris, Rn. 14 f. und vom 10.11.2005 - III ZR 72/05, juris, Rn. 11-13), da der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm innerhalb der Leistungskondiktion nicht dadurch konterkariert werden darf, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand über § 817 S. 2 BGB perpetuiert wird, wodurch überdies womöglich weiterem sitten- oder verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet würde (BGH, Urteile vom 13.03.2008 - III ZR 282/07, juris, Rn. 10 und vom 18.12.2008 - III ZR 132/08, juris, Rn. 14). Die Regelungen des GlüStV 2012 sind - wie ausgeführt - u. a. dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (so auch OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - 19 U 51/22, juris, Rn. 67; OLG Dresden, Urteile vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, juris, Rn. 56 ff. und vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 51; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22, juris, Rn. 24).
57ff)
58Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.
59Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Hinzukommt, dass die Beklagte es unterließ, einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis dahin zu erteilen, dass ihr Online-Glücksspielangebot in Nordrhein-Westfalen wegen Fehlens einer Lizenz unzulässig war oder sein könnte. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Sportwetten eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis ist die Zurückforderung der Spieleinsätze nicht treuwidrig (so auch: OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris, Rn. 72, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 - 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 17; OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639, Rn. 23; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 – 14 U 256/21, juris, Rn. 107-109; OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023, 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 52).
60gg)
61Ansprüche des Klägers sind schließlich auch nicht verjährt. Denn der Kläger hat schlüssig vorgetragen und im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat am 25.09.2023 überzeugend bestätigt, erst 2019 durch das Internet-Video eines Rechtsanwaltes und der sodann erfolgten anwaltlichen Beratung die maßgeblichen Tatsachen erfahren zu haben. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hat dementsprechend gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB am 31.12.2019 zu laufen begonnen. Demgegenüber sind der Beklagten die Klageschrift bereits am 09.12.2021 und der klageerweiternde Schriftsatz vom 21.06.2022 noch am selben Tag (dem 21.06.2022) zugestellt worden, wodurch die Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden ist.
62Soweit die Beklagte im Ansatz zutreffend (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.12.2008 – III ZR 132/08, juris, Rn. 13) darauf verweist, dass es nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht auf die Erlangung der Kenntnis von der zutreffenden rechtlichen Würdigung ankommt, sondern auf die Kenntnis des maßgeblichen Lebenssachverhaltes (S. 2, 12, 25 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 76, 86, 99 d. A.), ergibt sich hieraus kein früherer Zeitpunkt.
63Entscheidend für die Richtigkeit des Abstellens auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Internet-Videos ist nicht die dadurch vermittelte Rechtsansicht der Rechtswidrigkeit von Glücksspielangeboten, sondern die darin enthaltene Mitteilung über den Lebenssachverhalt der nicht vorhandenen Lizenz für Deutschland, bzw. das Land Nordrhein-Westfalen. Darlegungs- und beweisbelastet für den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist der die Verjährungseinrede erhebende Schuldner (vgl. nur Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 9. Auflage 2021, § 199 BGB, Rn. 46), hier also die Beklagte. Der Kläger ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen und im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 15.09.2023 bestätigt hat, von der Illegalität und den anspruchsbegründenden Umständen, worunter auch der Aspekt des Fehlens einer Lizenz für Nordrhein-Westfalen fällt, erst im Februar 2019 erfahren zu haben und seither keine Sportwetten mehr getätigt zu haben (S. 1, 2 des Protokolls vom 15.09.2023, Bl. 664 f. d. A.).
64Demgegenüber trägt die Beklagte keine konkreten Tatsachen vor, aus denen auf einen früheren Zeitpunkt der Kenntniserlangung geschlossen werden könnte. Insbesondere reicht der Verweis darauf, sie habe auf ihrer Website bereits 2018 auf das Vorhandensein einer maltesischen Lizenz hingewiesen (S. 16-18 des Schriftsatzes vom 13.10.2023, Bl. 705-707 d. A.), nicht aus, um bereits für 2018 eine Erlangung der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen anzunehmen. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn aus dem Vorhandensein einer maltesischen Lizenz auf das Fehlen einer Lizenz für Nordrhein-Westfalen hätte geschlossen werden müssen. Hierbei würde es sich indes um eine rechtliche Wertung handeln, bzw. um eine Schlussfolgerung, die nur vor dem Hintergrund einer rechtlichen Bewertung der Fragen der Reichweite einer maltesischen Lizenz und der Erforderlichkeit einer für den Wohnort des Klägers gültigen deutschen Lizenz getroffen werden kann. Auf derartige rechtliche Bewertungen kommt es aber – wie die Beklagte im Ansatz zutreffend ausführt – gerade nicht an.
65III.
66Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG.
67IV.
68Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
69Die Annahme der Kondizierbarkeit von Spieleinsätzen wegen der Annahme einer mit Verstößen gegen den GlüStV 2012 begründeten Nichtigkeit der zugrundeliegenden Verträge nach § 134 BGB entspricht gefestigter und einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22, juris; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris; OLG Dresden, Urteile vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, juris und vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231; OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris; OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 - 21 U 116/21, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 – 14 U 256/21, juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.10.2023 – 2 U 36/22, juris, Rn. 42).
70Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 01.10.2019 (Az. 19 U 70/18, Anlage BB 14, Bl. 643-658 d. A., n.v.) beruft (Schriftsatz vom 15.09.2023, Bl. 641 f. d. A.), in welcher ein Gewinnauszahlungsanspruch damit begründet worden ist, der zugrundeliegende Spielvertrag sei als wirksam zu erachten, weil die Vorschriften des GlüStV 2012 wegen eines Anwendungsvorrangs des EU-Rechts nicht zur Begründung einer Nichtigkeit nach § 134 BGB herangezogen werden könnten, sieht der Senat dies im Hinblick auf die vorbezeichnete jüngere obergerichtliche Rechtsprechung u. a. auch des OLG Karlsruhe als überholt an. Aus dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.01.2023 – 8 U 102/22, juris, Rn. 20) ergibt sich schon deshalb keine Divergenz, weil es sich nicht um eine Entscheidung handelt, sondern lediglich um einen Hinweis, nach dessen Erteilung die Berufung zurückgenommen worden ist.
71Die Fragen der Bedeutung einer etwaigen Duldung und des Aspektes der Einheit der Rechtsordnung sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, welcher der Senat folgt (BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, Rn. 53, juris; BGH, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, Rn. 73). In Bezug auf die Anwendbarkeit dieser Grund-sätze auf ein Sportwettenangebot im Internet im Geltungszeitraum des GlüStV 2012 weicht der Senat nicht von der Entscheidung anderer Obergerichte ab, sondern folgt der –soweit ersichtlich - bislang hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, juris, Rn. 49 ff.; KG, Urteil vom 06.10.2020 – 5 U 72/19, juris, Rn. 53 ff., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20, juris).