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Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 31.01.2023 der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V., Az. DIS-SV-JR-533/15 durch das Schiedsgericht bestehend aus Rechtsanwalt Dr. B. H., Rechtsanwalt I. D. und Prof. Dr. Y. T. wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Gegenstandswert wird auf 27.744.823,28 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
31.
4Die Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft nach schweizerischem Recht und hat ihren eingetragenen Sitz in Q. in der Schweiz. Ihr Kerngeschäft ist der weltweite Direktvertrieb von selbst hergestellten Produkten im Bereich Haushalt und Wohnen (S. 7 des Schiedsspruchs, Bl. 1605 d. A.).
5Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft nach italienischem Recht mit eingetragenem Sitz K. in Italien. Sie bietet IT-Leistungen an (S. 7 des Schiedsspruchs, Bl. 1605 d. A.).
62010 beschloss die Antragstellerin, SAP als zentrales neues, maßgeschneidertes IT-System für zwei ihrer italienischen Tochtergesellschaften zu implementieren. Als verbindliche Vorgabe sollte das neue IT-System mit der vorhandenen Technologie und Software kompatibel sein sowie die besonderen Geschäftsanforderungen der Antragstellerin („VIA-Architektur") erfüllen (vgl. Ausschreibung, Rn. 341 ff. des Schiedsspruchs, Bl. 1674 f. d. A.). Danach ging es um zwei Kernsysteme
7- den maßgeschneiderten „Sales Solution Core" (auch „SaSo"), eine webbasierte Java-Script-Anwendung, die für alle Aktivitäten zur Unterstützung der Z.-Vertriebsabteilung zuständig ist und deren Erstellung und Gestaltung an einen Softwareentwicklungs- und - verwaltungsexperten ausgelagert werden sollte,
8- und „SAP Kernel", eine Standard-SAP-Implementierung die auf den Unternehmensanforderungen basiert und nur mit länderspezifischen steuerlichen und rechtlichen Anforderungen angepasst wird.
9Das Konzept für das SAP-System wurde von Z. IT (der globalen IT-Organisation der Antragstellerin) entwickelt. Am 15.10.2010 startete die Antragstellerin ein Ausschreibungsverfahren (Request for Proposal, RFP) für die Entwicklung und Implementierung des neuen maßgeschneiderten IT-Systems für ihre beiden Tochtergesellschaften („VIA-Projekt"). Hiernach sollte für die Entwicklung und Implementierung die Methode „Agile (SCRUM)" angewandt werden. In Anwendung der SCRUM-Methode sollte in einem ersten Schritt ein Product Backlog als allgemeine Grundlage für die Entwicklungsarbeiten mit einer Liste von priorisierten Produktmerkmalen erstellt werden. Die Softwareentwicklung sollte dann in einer Reihe von Arbeitsschritten durchgeführt werden, die als „Sprints“ bezeichnet wurden, die jeweils einen Zeitrahmen von einer Woche bis zu einem Monat umfassen konnten. Es waren Analyse-Sprints und Entwicklungs-Sprints vorgesehen. Zu Beginn jedes Analyse-Sprints sollten die Projektbeteiligten zusammenkommen, um die Anforderungen der Antragstellerin und den Fortschritt des Projekts zu bewerten und die nächsten Schritte (d. h. den nächsten Entwicklungs-Sprint) zu planen. Hierin wurde ein „agiler Ansatz“ gesehen, der eine jederzeitige Anpassung und Neuausrichtung des Projekts auf Grundlage der abgeschlossenen tatsächlichen Arbeiten ermöglichen sollte. Die spezifischen Arbeiten, die der Auftragnehmer in dem jeweiligen Entwicklungs-Sprint erbringen sollte, sollten in Sprint-Backlogs definiert werden, die die funktionalen Anforderungsspezifikationen („FRS") für jeden Entwicklungs-Sprint enthalten sollten. Unter „FRS“ wurden hiernach Dokumente verstanden, welche die Arbeitspakete definieren sollten, die später zum Gegenstand eines oder mehrerer Entwicklungs-Sprints werden könnten und die aus Berechnungen, technischen Details und Beschreibungen spezifischer Funktionen bestehen konnten, die definieren sollten, was das IT-System nach Abschluss jedes Entwicklungs-Sprints leisten und erreichen sollte.
10Die Arbeitsmethode sah in jeder Phase des VIA-Projekts die folgenden aufeinanderfolgenden Arbeitsschritte vor (Rn. 349 des Schiedsspruchs, Bl. 1675 f. d. A.):
11- (Geschäfts-) Analyse-Sprints, d.h. eine Planungssitzung zur Einrichtung der FRS;
12- Entwicklungs-Sprints;
13- Test des Entwicklungs-Sprint-Arbeitsergebnisses; und
14- Migration, d.h. die Umsetzung des Entwicklungs-Sprint-Arbeitsergebnisses zur tatsächlichen Nutzung durch die Antragstellerin.
15Die Antragsgegnerin reichte am 15.11.2010 ein 33-seitiges Angebot mit dem Titel „Z. & Co. KG über Sales Solution Development Italien - Prot. N01 - TN/ss - Off. 403" ein. Auf Seiten der Antragstellerin wurde sodann am 01.12.2010 beschlossen, die Antragsgegnerin zu beauftragen.
16Der Rahmenvertrag zwischen den Parteien (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 202-220 d. A.) wurde von einem Vertreter der Antragstellerin am 03.03.2011 und von einem Vertreter der Antragsgegnerin am 31.03.2011 unterzeichnet und sah ein Inkrafttreten rückwirkend zum 01.12.2010 vor. Der Vertrag sah eine Verpflichtung der Antragsgegnerin vor, für die Antragstellerin und die Z.-Gruppe Softwareentwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsarbeiten sowie damit zusammenhängende Leistungen gegen ein Entgelt durchzuführen.
17Die vorerwähnten Vorgaben der Ausschreibung (RFP) wurden in den Vertrag übernommen. Zudem enthielt der Text folgende Definitionen (Rn. 357 des Schiedsspruchs, Bl. 1677 d. A.):
18- „Unter „Liefergegenstand" ist alles zu verstehen, was von der L. Group im Rahmen eines Work Orders zu liefern ist, einschließlich aller von der L. Group zu erbringenden Arbeiten und/oder Leistungen. Bezieht sich ein Work Order auf die Entwicklung, Anpassung oder Implementierung von Software, so gehören zu den Liefergegenständen im Rahmen eines solchen Work Orders unter anderem der Objektcode und der dokumentierte Quellcode der zu entwickelnden, angepassten oder implementierten Software sowie die Dokumentation.“
19- „Projektunterlagen sind alle Unterlagen, in denen die Einzelheiten der von der L. Group im Rahmen eines Work Orders zu erbringenden Arbeiten oder Leistungen festgelegt sind, wenn und soweit sich der Work Order auf die Entwicklung und Anpassung von Software bezieht. Sofern zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart wurde, umfassen die Projektunterlagen detaillierte Spezifikationen der zu entwickelnden, angepassten oder zu implementierenden Software, einen Projektplan, einen Zeitplan für die Meilensteine, einen Plan für die Abnahmetests und einen detaillierten Übergabeplan.“
20- „Work Orders sind die zwischen den Parteien gemäß Ziffer 2.2 dieses Vertrages abgeschlossenen Einzelvereinbarungen über die von der L. Group für Z. und/oder andere Mitglieder der Z.-Gruppe zu erbringenden Werk-und/oder Leistungen einschließlich der von Z. zur Verfügung gestellten oder abgenommenen Projektunterlagen.“
21- „Work Orders. Die spezifischen Entwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsarbeiten und sonstigen Leistungen, wie z. B. Softwarepflege, Anwendungsmanagement und Support, die von der L. Group zu erbringen sind sind zwischen den Parteien in einzelnen Work Orders vereinbart, die von autorisierten Vertretern beider Parteien zu unterzeichnen sind. Mit der Unterzeichnung eines solchen Work Orders gelten alle Bestimmungen und Bedingungen dieser Vereinbarung auch für den Work Order.“
22- „Um Zweifel auszuschließen: Es liegt im alleinigen Ermessen von Z., ob die L. Group mit Entwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsarbeiten oder anderen Leistungen betraut wird. Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen, dass er Z. verpflichtet, der L. Group Aufträge zu erteilen und/oder mit ihr abzuschließen."
23Der Vertrag enthielt auch Regelungen zu Lieferung und Abnahme (Rn. 361 des Schiedsspruchs, Bl. 1679 d. A.).
24Unter dem Titel „Klassifizierung von Mängeln", sah Ziffer 5.4 des Vertrages vor, dass Mängel, die bei der Abnahmeprüfung festgestellt werden, von der Antragstellerin dokumentiert und mit vier verschiedenen Schweregraden klassifiziert werden (Bl. 362 des Schiedsspruchs, Bl. 1679 d. A.).
25Zum Verfahren bei Auftreten von Mängeln und zur Gewährleistung/Garantie sowie zur Vertragsbeendigung enthielt der Vertrag folgende Regelungen (Rn. 364 ff. des Schiedsspruchs, Bl. 1679 f. d. A.):
26- „5.6 Abhilfemaßnahmen. Wenn (a) der Liefergegenstand zweimal die Voraussetzungen für eine Abnahme (Mängel der Schweregrade 1, 2 und 3 und/oder Nichterfüllung sonstiger Abnahmekriterien) durch Z. nicht erfüllt, (b) die L. Group die vorgenannten Abnahmevoraussetzungen bis zum Fertigstellungstermin nicht erfüllt oder (c) sich während der Entwicklungsarbeiten herausstellt, dass die L. Group nicht in der Lage sein wird, die Leistungen bis zum Fertigstellungstermin in einer Weise zu liefern, die den vorgenannten Abnahmevoraussetzungen entspricht, Z. kann nach ihrer Wahl (i) den jeweiligen Auftrag kündigen und die aus dem Auftrag zu zahlende Vergütung auf einen Betrag herabsetzen, der dem Wert des von der L. Group bereits fertig gestellten und gelieferten Teils der Leistungen entspricht, oder (ii) die festgestellten Mängel auf Kosten der L. Group selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen."
27- „7.1 Gewährleistung. Die L. Group sichert zu und gewährleistet durch ein unabhängiges Gewährleistungsversprechen im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB (selbständiges Garantieversprechen im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB) (i) dass die im Rahmen eines Auftrages gelieferten Liefergegenstände den Projektunterlagen, den sonstigen Bedingungen des Auftrages und diesem Vertrag entsprechen und (ii) dass sie nicht mit Mängeln behaftet sind, die ihren gewöhnlichen Wert oder Gebrauch beeinträchtigen. Die Gewährleistungsfrist beträgt zwölf (12) Monate ab der Abnahme des Liefergegenstandes gemäß Abschnitt 5."
28- „7.2 Nachbesserung von Mängeln. Die L. Group wird ohne zusätzliche Kosten für Z. die Ergänzungen, Änderungen oder Anpassungen an den Liefergegenständen vornehmen, die zur Beseitigung von Mängeln erforderlich sind, die während der Gewährleistungsfrist entdeckt und von Z. gemeldet werden, und Z. die erforderlichen Korrekturen in einer mit Z. abgestimmten Zeitspanne liefern. Beeinträchtigt ein festgestellter Mangel die Nutzung eines Liefergegenstandes, so wird die L. Group sich nach besten Kräften bemühen, Z. vor der vollständigen Beseitigung des Mangels unverzüglich eine Umgehungslösung zur Verfügung zu stellen."
29- „7.3 Abhilfemaßnahmen. Kommt die L. Group den vorstehenden Gewährleistungsverpflichtungen nicht innerhalb einer von Z. gesetzten angemessenen Frist nach, ist Z. berechtigt, nach eigenem Ermessen (i) die für den mangelhaften Liefergegenstand geschuldete Vergütung in einem Umfang herabzusetzen, der dem Minderwert des mangelhaften Liefergegenstandes entspricht, (ii) den Liefergegenstand auf Kosten der L. Group selbst oder durch einen Dritten nachbessern zu lassen und/oder (iii) Schadensersatz für alle unmittelbaren und mittelbaren Schäden zu verlangen, die einem Mitglied der Z.-Gruppe entstehen."
30- „7.4 Ausschlüsse. Die vorstehenden Gewährleistungsverpflichtungen gelten nicht, soweit Mängel durch eine unbefugte Fehlanwendung eines Liefergegenstandes durch Z. verursacht worden sind oder soweit Z. ohne vorherige Zustimmung der L. Group Änderungen an einem Liefergegenstand vorgenommen hat.“
31- „7.5 Kein Ausschluss gesetzlicher oder anderer Rechte. Die vorstehende Gewährleistung schließt in keiner Weise andere Rechte aus, die Z. aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag, dem jeweiligen Work Order oder dem gesetzlichen Recht zustehen, und schränkt diese auch nicht ein."
32- „9.1 Laufzeit der Vereinbarung. Diese Vereinbarung beginnt am Tag des Inkrafttretens und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.“
33- „9.2 Beendigung der Vereinbarung. Jede Vertragspartei ist berechtigt, diese Vereinbarung ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei zu kündigen.“
34- „9.3 Beendigung der Vereinbarung aus wichtigem Grund. Jede Vertragspartei ist berechtigt, diese Vereinbarung aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
35- „9.4 Wirkung der Beendigung des Vertrages. Sofern in diesem Vertrag nichts anderes vorgesehen ist, erlöschen alle Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung mit dem Datum des Inkrafttretens der Beendigung dieser Vereinbarung. Alle Work Orders, die im Rahmen dieses Vertrages vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beendigung dieses Vertrages abgeschlossen wurden, bleiben von einer solchen Beendigung unberührt und dieser Vertrag gilt weiterhin für diese Aufträge. Wird dieser Vertrag jedoch aus wichtigem Grund gekündigt, gelten auch alle Work Orders als gekündigt, sofern in der Beendigung von Z. nichts anderes bestimmt ist; Ziffer 9.7 und 9.8 finden Anwendung.“
37- „9.5 Laufzeit von Work Orders. Die Laufzeit eines Work Orders kann im Work Order angegeben werden. Ist im Work Order keine Laufzeit angegeben, so verlängert sich die Laufzeit des Work Orders für die Dauer des Projekts, wenn der Work Order die Entwicklung, Anpassung oder Implementierung einer bestimmten Software betrifft.“
38- „9.6 Beendigung von Work Orders. Soweit in dem jeweiligen Work Order nichts anderes geregelt ist, können alle Work Orders von Z. jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Im Falle einer solchen Beendigung ohne Grund wird der Vergütungsanspruch der L. Group wie folgt angepasst:…“
39Der Rahmenvertrag enthielt nachfolgend wiedergegebene Schiedsklausel (Rn. 13 des Schiedsspruchs, Bl. 1606 d. A.):
40„Rechtsstreitigkeiten.
41Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und/oder einem Work Order und/oder der Gültigkeit dieses Vertrags oder eines Work Orders ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (im Folgenden „DIS") unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden. Das Schiedsverfahren findet vor 3 (drei) Schiedsrichtern statt, wobei die Entscheidung von zwei Schiedsrichtern bindend ist. Beträgt der Streitwert nicht mehr als einhunderttausend Euro (EUR 100.000), wird das Schiedsverfahren nicht vor drei (3) Schiedsrichtern, sondern vor einem Einzelschiedsrichter durchgeführt und sollte entsprechend der Ergänzenden Schiedsgerichtsordnung der DIS für beschleunigte Verfahren entschieden werden. Sofern keine einvernehmliche Regelung getroffen wird, erfolgt die Auswahl und Ernennung des/der Schiedsrichter(s) nach der Schiedsgerichtsordnung oder, falls nach dieser anwendbar, nach der Ergänzenden Schiedsgerichtsordnung der DIS. Das Schiedsverfahren soll in U., Deutschland, stattfinden und in englischer Sprache geführt werden.
42Vor der Einleitung eines Schiedsverfahrens gemäß den vorstehenden Bestimmungen unterrichtet der Geschäftsführer der Partei, die die Einleitung eines solchen Verfahrens in Erwägung zieht, den Geschäftsführer der anderen Partei schriftlich über die Streitfrage und ersucht um eine Sitzung des Lenkungsausschusses am Standort von Z. (oder an einem anderen Ort, auf den sich die Parteien zu diesem Zeitpunkt einigen), um die Angelegenheit im Hinblick auf eine gütliche Beilegung der Streitfrage zu erörtern. Tritt der Lenkungsausschuss nicht innerhalb von 30 Tagen nach dieser Mitteilung zusammen, um die Streitigkeit beizulegen, so steht es jeder Partei frei, ein Schiedsverfahren in Bezug auf die strittige Angelegenheit einzuleiten. Zur Vermeidung von Zweifeln sei darauf hingewiesen, dass ein Versäumnis oder eine Verzögerung seitens des Geschäftsführers von Z., den Geschäftsführer der L. Group zu benachrichtigen oder sich mit ihm zu treffen, für sich genommen keine Haftung der L. Group im Rahmen dieses Vertrags oder eines Work Orders auslöst.“
43(S. 8, Rn. 13 des Schiedsspruchs, Bl. 1606 d. A.)
44Unter Zif. 13.11 enthielt der Rahmenvertrag eine Klausel, wonach der Vertrag unter Ausschluss des UN-Übereinkommens über den internationalen Warenkauf deutschem Recht unterliegen soll (Rn. 22 des Schiedsspruchs, Bl. 1607 d. A.).
452010 begann die Antragsgegnerin die Softwareentwicklung mit einem Team von 13 Vollzeitbeschäftigten (Full Time Employees = FTE); im Laufe des Projekts wurde das Team umstrukturiert und bis 2013 auf 76 FTE aufgestockt. Der Entwicklungsprozess wurde 2010-2012 in verschiedenen Sprints durchgeführt, wobei „User Stories“ herangezogen wurden als Grundlage für die Definition der Funktionen, die ein Geschäftssystem bereitstellen muss und zur Erleichterung des Anforderungsmanagements.
46Die Antragsgegnerin stellte Rechnungen über einen Gesamtnettobetrag von 8.291.259,64 € aus, die von der Antragstellerin bzw. der Z.-Gruppe beglichen wurden. Insgesamt zahlten die Antragstellerin und ihre Tochtergesellschaften an die Antragsgegnerin 9.342.823,28 €.
47Mit Schreiben vom 07.08.2014 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, bis zum 19.09.2014 alle Mängel zu beseitigen und die gemäß der Vereinbarung erforderlichen Softwarearbeiten (d. h. alle Work Orders und die FRS) abzuschließen. Mit Schreiben vom 05.11.2014 erklärte die Antragstellerin den Rücktritt vom Rahmenvertrag und forderte Rückzahlung der bereits an die Antragsgegnerin im Rahmen der Vereinbarung gezahlten Beträge.
48In diesem Schreiben erklärte die Antragstellerin unter anderem, die getroffene Vereinbarung sei von Anfang an nichtig und beide Parteien müssten alles, was sie von der jeweils anderen Partei erhalten hätten, herausgeben. Die Antragstellerin forderte die Rückzahlung von 9.594.821,37 € bis zum 20.11.2014.
49Eine Sitzung des Lenkungsausschusses fand am 15.12.2014 statt und blieb ergebnislos (S. 9 des Schiedsspruchs, Bl. 1607 d. A.).
50Die Antragstellerin hat im Schiedsverfahren behauptet, im Zuge der Vertragsdurchführung hätten die als „Work Orders" erstellten Dokumente in erster Linie Angaben zur Anzahl der benötigten Manntage und der Ressourcen pro Qualifikationsstufe und dem jeweiligen Budget enthalten. Sie seien zu Abrechnungszwecken erteilt worden und hätten sich auf die Manntage bezogen, welche die Antragsgegnerin auf der Grundlage der von ihr erstellten Sprint-Backlogs für die Durchführung der Sprints benötigt habe; sie hätten auf diese Weise die an die Antragsgegnerin zu zahlende Vergütung bestimmt, hätten aber keine ausdrücklichen Aussagen über den Umfang der von der Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen enthalten.
51Was im Vertrag als „Work Orders“ bezeichnet worden sei, sei in der Praxis durch die funktionalen Anforderungsspezifikationen („FRS") in Kombination mit den „Work Orders" (für Abrechnungszwecke) ersetzt worden. Die FRS und die als Work Orders bezeichneten Dokumente seien als direkte Ergänzungen zueinander zu bewerten und müssten zusammen als die eigentlichen Work Orders betrachtet werden. In den FRS seien die in einem Sprint zu erreichenden Arbeitsergebnisse, nämlich die verschiedenen Funktionen des neuen IT-Systems und seiner Komponenten, klar definiert worden. Auch der Umfang der im Rahmen der einzelnen Work Orders zu liefernden Arbeiten sei in den FRS festgelegt worden.
52Die FRS-Dokumentation für die von der Antragsgegnerin zu erbringenden Arbeitsergebnisse habe 5.000 Dokumente umfasst. Der FRS auf der ersten Ebene habe die Grundlage für die nachfolgende Ebene der Sprints geschaffen. Die Softwareentwicklung sei von E. W., dem Software-Lösungsarchitekten und Hauptprojektleiter der Antragsgegnerin, geleitet und überwacht worden, der aktiv den Inhalt aller Entwicklungssprints festgelegt und die zu erledigende Arbeit in „Sprint-Backlogs" umrissen habe. Die Teammitglieder der Antragsgegnerin hätten den Inhalt aller Entwicklungs-Sprints festgelegt und die für die Ausführung eines Sprints zu erledigende Arbeit festgelegt.
53Die agile Scrum-Methode habe weder zu Problemen, noch zu dem Zusammenbruch des Projekts geführt.
54Die Antragsgegnerin sei für das Projektmanagement des Entwicklungsprozesses verantwortlich gewesen. Sie habe es versäumt, geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Projekt zu einem akzeptablen Nutzungsgrad zu bringen. Sie habe den Erfolg behindernde Methoden angewandt; die entwickelte Software sei nicht einsatzfähig gewesen. Mitte 2013 habe es mehrere tausend ungelöste „Tickets" gegeben, d. h. Fehler und Mängel in der entwickelten Software. Es seien zahlreiche Mängel der Stufen 1, 2 oder 3 gemäß der Definition im Vertrag festgestellt worden. Die Probleme seien auf schlechtes Projektmanagement seitens der Antragsgegnerin zurückzuführen, was von einem externen IT-Berater bestätigt worden sei. Der im Juni 2013 von der Antragstellerin beauftragte IT-Berater S. habe mit Abschlussbericht vom 05.09.2013 die Feststellungen der Antragstellerin zu den festgestellten Fehlern und Mängeln des Arbeitsergebnisses bestätigt.
55Auch nach den beiden Sitzungen des Lenkungsausschusses im Jahr 2013 habe die Antragsgegnerin keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Die 2014 von der Antragstellerin mit der Durchführung eines vollständigen Audits der Arbeitsergebnisse der Antragsgegnerin und einer Bewertung der Mängel beauftragte R. habe das Vorhandensein von Mängeln der Stufen 1, 2 oder 3 und die schlechte Gesamtqualität der von der Antragsgegnerin gelieferten Arbeitsergebnisse bestätigt.
56Die Antragsgegnerin habe innerhalb der ihr mit Schreiben vom 07.08.2014 gesetzten Frist nicht geantwortet und die geforderten Abhilfemaßnahmen nicht durchgeführt.
57Die Antragstellerin habe das Projekt wegen der mangelnden Eignung der von der Antragsgegnerin erstellten Arbeitsergebnisse neu starten und Dritte mit der Durchführung der Softwareentwicklungsarbeiten beauftragen müssen. Für den Neustart habe sie 455.810,00 € für professionelle Leistungen und Projektmanagement aufwenden müssen; die Gesamtkosten für die Wiederaufnahme des Programms beliefen sich auf weitere 8.352.531,00 €.
58Die Antragstellerin hat den Standpunkt vertreten, die Gewährleistungsregelung im Vertrag schließe andere Rechte in Bezug auf Mängel und sonstige mangelhafte Leistungen weder aus noch schränke sie diese ein.
59Sie habe zusätzlichen Schaden und entgangenen Gewinn sowie zusätzliche Kosten für die Untersuchung der Mängel am Arbeitsresultat der Antragsgegnerin erlitten, die sich auf insgesamt 18.402.000,00 € beliefen.
60Die Antragstellerin hat im Schiedsverfahren beantragt (S. 74 f. des Schiedsspruchs, Bl. 1672 f. d. A.):
611. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin einen Betrag in Höhe von mindestens 9.342.823,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. September 2014 gegen Herausgabe („Zug-um-Zug gegen Herausgabe") der mangelhaften Software zu zahlen.
622. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin einen weiteren Schadensersatzbetrag in Höhe von 18.402.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. September 2014 zu zahlen.
633. Es wird festgestellt, dass sich die Schiedsbeklagte in Annahmeverzug mit der Rücknahme der mangelhaften Software befindet.
64Antrag auf Entscheidung über die Kosten
65Aus den in der Einleitung des schiedsrichterlichen Verfahrens dargelegten Gründen beantragt die Schiedsklägerin beim Schiedsgericht, der Schiedsbeklagten die Kosten dieses Schiedsverfahrens aufzuerlegen und der Schiedsklägerin alle Kosten und Auslagen zu erstatten, die der Schiedsklägerin im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung dieses Schiedsverfahrens entstanden sind.
66Die Antragsgegnerin hat beantragt:
67Die Anträge der Schiedsklägerin in Bezug auf ihre Zahlungsklage (Anträge 1. und 2.) und ihre Feststellungsklage in Antrag 3. sind abzulehnen.
68Die Schiedsbeklagte behält sich das Recht vor, alle anderen Ansprüche geltend zu machen, die in dem Schiedsverfahren ordnungsgemäß geltend gemacht werden können. Sie behält sich außerdem das Recht vor, die Klagegründe und Anträge zu ergänzen, abzuändern oder zu modifizieren und die erforderlichen Unterlagen oder Zeugenaussagen einzureichen.
69Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Antragstellerin berufe sich oberflächlich auf Mängel, um unter Missachtung der Tatsachen eine Verantwortung der Antragsgegnerin zu konstruieren. Die Antragstellerin sei für den Abbruch des Projekts verantwortlich. Die Kosten der Antragstellerin seien durch folgende Umstände verursacht worden:
70- die Wahl einer ungeeigneten Softwarebasis und Systemarchitektur durch die Antragstellerin,
71- die unzureichende Zusammenarbeit und Beteiligung der Interessengruppen der Antragstellerin,
72- einen ungeeigneten Datenmigrationsansatz und ein übermäßiges Volumen der migrierten Daten und
73- das Versäumnis der Antragstellerin, das Projekt ordnungsgemäß zu verwalten.
74Die Antragstellerin habe eine webbasierte Softwarelösung für ihre Direktvertriebsaktivitäten in mehreren Ländern (Polen, Portugal, Italien und Spanien) benötigt, habe sich jedoch zur Vermeidung nutzerbezogener Lizenzkosten gegen die Beschaffung einer maßgeschneiderten SAP-Standardsoftware und für eine maßgeschneiderte Softwarelösung (die „Sales Solution") entschieden, die zunächst von einem Dritten für das Geschäft der Antragstellerin in Polen entwickelt worden sei, um sie sodann an die Geschäftsprozesse der Antragstellerin in anderen Ländern anzupassen. Hierfür habe die Antragstellerin IT-Partner in den verschiedenen Ländern gesucht, wobei es klare Vorgabe der Antragstellerin gewesen sei, dass die Vertriebslösung auf der bereits für Polen eingeführten Vertriebslösung habe basieren müssen. Hierbei habe die Antragstellerin nicht berücksichtigt, dass die für Polen entwickelte Software nicht stabil und ausgereift gewesen sei und die weitaus höhere Komplexität des Geschäfts der Antragstellerin in Italien nicht habe bewältigen können, was sowohl von S. als auch von R. bestätigt worden sei. Auf dieser Fehleinschätzung habe die Schätzung eines Personalaufwandes von nur 13 Vollzeitkräften (FTE) für 6 Monate beruht.
75Das Angebot der Antragsgegnerin habe in Übereinstimmung mit der Ausschreibung gestanden, wonach das Projektmanagement, alle Projektleiteraufgaben (einschließlich Budgetverantwortung, Infrastrukturverantwortung, Planung lokaler Ressourcen, Koordination lokaler Ressourcen und Aktualisierung lokaler Prozesse) Vertretern der Antragstellerin habe vorbehalten bleiben sollen. Die Antragsgegnerin habe Dienste ihrer Berater angeboten, nicht aber die Vorlage der Vertriebslösung als Ergebnis.
76Die Antragstellerin habe außerdem den Eindruck erweckt, dass sie bereits über eine polnische Version des Systems verfüge, welche nur noch in Italien eingeführt werden müsse. Erst nach Beginn des Projekts habe die Antragsgegnerin erfahren, dass das polnische System nicht für die Anpassung und Einführung in Italien geeignet gewesen sei.
77Abgesehen von der Tarifkarte in Anlage 1, der Zusammensetzung des Basisteams in Anlage 2 und einer sehr begrenzten Anzahl kommerzieller und organisatorischer Themen (z. B. optionales Anwendungsmanagement, Personalersatz, Reisekosten und Zahlungsbedingungen) sei der Rahmenvertrag nie Gegenstand von Diskussionen oder Verhandlungen zwischen den Parteien gewesen. Durch den Rahmenvertrag habe sich die Antragsgegnerin zur Erbringung von Softwareentwicklungsleistungen gemäß den von den Parteien als „Work Orders" definierten Einzelvereinbarungen verpflichtet. Bis zur Unterzeichnung des Rahmenvertrages habe die Antragsgegnerin bereits einen erheblichen Teil der Arbeiten unter der Aufsicht der Antragstellerin ausgeführt. Die Antragstellerin habe den von ihr im Schiedsverfahren vorgetragenen Entwicklungsprozess nie angewandt. Der in dem Rahmenvertrag beschriebene Entwicklungsprozess stehe in Widerspruch zu den anerkannten Grundsätzen der agilen Softwareentwicklung und insbesondere der SCRUM-Arbeitsmethode.
78Die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin mit 13 Entwicklern unterstützen sollen, von denen die meisten von dem als Contracting Consultant mit der Leitung des Projekts beauftragten Mitarbeiter der Antragstellerin H. G. koordiniert worden seien.
79In der Ausschreibung habe die Antragstellerin ausdrücklich ein Angebot auf der Grundlage von Zeit und Material für angemessene Ressourcen verlangt. Die Antragsgegnerin sei nicht dafür verantwortlich gewesen, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die Antragstellerin habe ein Projektmanagement durch die Antragsgegnerin nicht zugelassen, da die Antragsgegnerin vollständig von den Entscheidungen der Antragstellerin abhängig gewesen sei, zumal die Verantwortung für den Erfolg des (Teil-) Projekts bei der Projektleitung der Antragstellerin gelegen habe. Diese habe das Projekt so eingerichtet, dass ihr eigenes Personal die alleinige Kontrolle über das Gesamtprojekt und über das Teilprojekt der Vertriebslösung ausgeübt habe. Sowohl der „Sales Solution Core“ als auch die Projektleitung der „lokalen Projektorganisation VIA Italien" hätten ausschließlich aus Mitarbeitern der Antragstellerin bestanden, wogegen das Team der Antragsgegnerin erst im Nachhinein über Entscheidungen des Lenkungsausschusses informiert worden sei; erstmalig sei die Antragsgegnerin zu der Sitzung des Lenkungsausschusses am 20.11.2014 eingeladen worden.
80Während des Projekts habe die Antragsgegnerin keinen Überblick über das VIA-IT-System einschließlich der Middleware Mule ESB und des SAP-Kernels gehabt und habe ihn auch nicht haben sollen. Die Antragsgegnerin habe lediglich ad hoc auf die Anfragen des Koordinators G. reagiert. Es sei die Entscheidung der Antragstellerin gewesen, diese Arbeitsstruktur einzurichten, die sich als ineffizient erwiesen habe, insbesondere weil die der Organisation der Antragstellerin weder bereit noch motiviert gewesen sei, das Projekt zum Erfolg zu führen.
81Die Antragsgegnerin habe lediglich geeignete Ressourcen für die im Teilprojekt „Sales Solution Core“ unter der Leitung der Antragstellerin durchzuführenden Arbeiten bereitstellen sollen. Ihre Aufgaben hätten sich auf die Ausführung einzelner, von der Projektleitung der Antragstellerin zugewiesener Aufgaben beschränkt. Dementsprechend habe die Antragstellerin in den Work Orders nur die Anzahl der von der Antragsgegnerin zu leistenden Manntage angefordert. Die Antragsgegnerin habe diese Work Orders durch Bereitstellung des Personals erfüllt und jeweils am Monatsende die geleisteten Manntage auf der Grundlage von Zeit und Material abgerechnet, wobei ihr unklar geblieben sei, und es außerhalb ihrer Verantwortung gelegen habe, ob und wie die Leistungen mit den anderen Teilen des VIA-Systems zusammenhingen. Das Team der Antragsgegnerin habe unter strenger Aufsicht und Leitung des Cl-Koordinators der Antragstellerin für Italien H. G. gestanden; die von den Mitarbeitern der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen, insbesondere im Rahmen der Sprint-Programme, seien jeweils von dem Projektleiter G. genehmigt worden.
82Der Mitarbeiter der Antragsgegnerin E. W. habe nicht die Position des Hauptprojektleiters, sondern nur die Rolle des „Solution Architect" innegehabt, wobei es sich um eine technische Rolle und nicht um eine Managementrolle gehandelt habe. Die Antragstellerin habe selbst angegeben, der Projektleiter G. habe den Überblick über das Projekt und die Antragsgegnerin arbeite unter der Aufsicht der Antragstellerin.
83Die Work Orders hätten keine Arbeitsergebnisse definiert; keiner der erteilten Work Orders habe einen Zeitrahmen für konkrete von der Antragsgegnerin auszuführende Arbeiten definiert, die zu erbringenden Arbeiten seien in den Work Orders nicht erwähnt worden. Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf die Formulierung im Prüfbericht der R.: „Der Rahmenvertrag und die Work Orders legen den Umfang der Tätigkeiten, die L. unter der Aufsicht von Z. durchführen wird, nicht fest."
84Bereits in der zweiten Januarwoche 2011 habe der Projektleiter G. bei der Antragsgegnerin zusätzlich zu den 13 Vollzeitkräften neue Ressourcen angefordert, insbesondere einen Business Analysten zur Unterstützung der Analyse der Geschäftsanforderungen der Antragstellerin, der unter der direkten Aufsicht des Herrn G. habe arbeiten sollen. Auf Anforderung des Herrn G. sei es zu weiteren Aufstockungen gekommen, so dass im Dezember 2011 35, im Dezember 2012 68 und im April 2013 76 Vollzeitkräfte tätig gewesen seien. Es sei jedoch versäumt worden, eine an die Größe des Teams angepasste Managementstruktur einzuführen, was auch durch den R.-Bericht und den S.-Bericht bestätigt worden sei. Die Aufstockung der Ressourcen beruhe auch darauf, dass die Projektplanung des Herrn G. sowohl in Bezug auf die Ressourcen als auch auf den Zeitplan unrealistisch gewesen sei, dies unter anderem, weil das polnische System nicht habe in Italien angepasst und ausgerollt werden können und der Antragsgegnerin keine klaren Richtlinien vorgegeben worden seien, zumal auch Treffen mit den wichtigsten Anwendern der Antragstellerin von dieser boykottiert worden seien. Dies habe im November 2013 zur Abberufung des Projektleiters G. und zur Projektaufgabe geführt.
85Die im S.-Bericht und im R.-Bericht festgestellten Managementfehler seien der Antragstellerin zuzurechnen, da die Antragsgegnerin keine Projektmanagementaufgaben gehabt habe.
862.
87Das Schiedsgericht hat die Schiedsklage vollumfänglich abgewiesen (Rn. 714 ff. des Schiedsspruchs, Bl. 1739 d. A.).
88Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien würden durch den „Rahmenvertrag über die Entwicklung und Implementierung von Software" vom 01.12.2010 geregelt.
89Inwieweit der Vertrag einem gesetzlichen Vertragstyp (insbesondere dem Werk- oder Dienstvertrag) zuzuordnen sei, lässt das Schiedsgericht im Ergebnis offen, indem es hierfür verschiedene Hypothesen (Hypothese 1 - "einziger Werkvertrag"; Hypothese 2: „Reihe von Einzelverträgen zur Erstellung eines Werks"; Hypothese 3 - „Dienstvertrag"). aufstellt und sodann begründet, warum diese als nicht zutreffend bewertet werden oder/und bei unterstellter Richtigkeit nach der Bewertung des Schiedsgerichts nicht zur Annahme des Bestehens der geltend gemachten Ansprüche führen.
90Soweit man einen auf die Annahme von Mangelhaftigkeit der Werkleistung gestützten Rücktritt von einem Werkvertrag annehme, der vor Abnahme erklärt worden sei, trage der Schuldner der Werkleistung die Beweislast dafür, dass der tatsächliche Stand seiner Leistung dem nach dem Vertrag geschuldeten Standard entsprochen habe. Nach Abnahme verlagere sich die Beweislast auf den Gläubiger. Der Schuldner müsse jedoch nicht darlegen und beweisen, dass der vereinbarte Erfolg, zu dessen Erreichung er sich verpflichtet habe (Sollbeschaffenheit), auch tatsächlich eingetreten sei, da es sich um einen eigenständigen Aspekt handle, der von der Frage nach dem tatsächlichen Zustand zu unterscheiden sei. Diese Darlegungs- und Beweislast trage der Gläubiger, da sein Anspruch auf seinen Rechten als Gläubiger aus dem Vertrag beruhe.
91Soweit man mit Hypothese 1 einen einheitlichen Werkvertrag annehme, komme ein Anspruch aus den §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB in Betracht. Das Schreiben der Antragstellerin vom 05.11.2013 genüge den Anforderungen an eine Rücktrittserklärung nach § 349 BGB. Die Antragstellerin habe jedoch nicht dargelegt und bewiesen, dass ihr das geltend gemachte Rücktrittsrecht zusteht, da sie nicht nachgewiesen habe, dass der Rahmenvertrag als Werkvertrag im Sinne von § 631 BGB zu qualifizieren sei. Die wesentliche Verpflichtung des Auftragnehmers bestehe in der Pflicht zur Herstellung des Werks. Soweit es Vertragsgegenstand sei, eine Software entweder von Grund auf oder auch durch die Verwendung bereits vorhandener Software zu entwickeln, könne dies als Werkvertrag gestaltet werden, wenn man vereinbare, dass eine Partei die Erreichung des vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für die andere Partei schulde. Dagegen spezifiziere der Rahmenvertrag jedoch nicht die Ergebnisse, zu deren Erzielung sich die Antragsgegnerin verpflichtet haben könnte. Gemäß seines Abschnitts 2.1 enthalte der Rahmenvertrag lediglich „die allgemeinen Bedingungen", unter denen sich die Antragsgegnerin bereit erklärt habe, „Softwareentwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsarbeiten und damit zusammenhängende Leistungen" für die Antragstellerin und ihre Gruppe durchzuführen. Die unmittelbar folgende Bestimmung in Abschnitt 2.2 Absatz 1 besage, dass „Spezifische Entwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsarbeiten sowie sonstige Leistungen [...], die von der L. Group zu erbringen sind“, „zwischen den Parteien in individuellen Work Orders vereinbart [würden], die von autorisierten Vertretern beider Parteien zu unterzeichnen“ seien.
92Der Begriff „Work Orders" wiederum werde im Definitionskatalog in Abschnitt 1 des Rahmenvertrags wie folgt definiert:
93„bezeichnet die zwischen den Parteien gemäß Ziffer 2.2 dieses Vertrages geschlossenen Einzelverträge über die von der L. Group für Z. und für andere Mitglieder der Z.-Gruppe zu erbringenden Werk-und/oder Leistungen einschließlich der von Z. zur Verfügung gestellten oder abgenommenen Projektunterlagen".
94Die Bezugnahme auf „Werk- und/oder Leistungen" deute darauf hin, dass man sowohl von Werkleistungen i. S. v. § 631 BGB als auch von Dienstleistungen i. S. v. § 611 BGB ausgegangen sei, was auch dem entspreche, was ein ordentlicher Verhandlungspartner nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte gemäß §§ 133, 157 BGB unter der Klausel habe verstehen müssen. Ein anderes Verständnis hätte von der Antragstellerin darlegt und gegebenenfalls bewiesen werden müssen, was nicht geschehen sei. Die Rechtsnatur des gesamten Rahmenvertrages ergebe sich nicht bereits aus dessen Präambel, da diese in ihren Absätzen 3 bis 5 das Konzept der Zusammenarbeit der Parteien beschreibe, beginnend mit der Erwägung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin für zwei ausdrücklich genannte Zwecke zu beauftragen, nämlich für die Entwicklung usw. von Programmen, die bestimmten Anforderungen entsprechen, und für die Erbringung bestimmter damit verbundener Leistungen, bevor sie auf den Wunsch der Parteien verweise, „allgemeine Geschäftsbedingungen" für beide Zwecke zu vereinbaren (Absatz 4), die in „individuellen Work Orders" zu spezifizieren seien. Die gleiche Unbestimmtheit ergebe sich aus der Auslegung von § 3 des Rahmenvertrags. Der zentrale dort verwendete Begriff „Liefergegenstand" beziehe sich auf „alles, was von der L. Group im Rahmen eines Work Orders zu liefern ist, einschließlich aller von der L. Group zu erbringenden Arbeiten und/oder Leistungen". In § 5 des Rahmenvertrages sei unter der Überschrift „Lieferung und Abnahme" von „Liefergegenständen" die Rede - diese Formulierung bleibe für beide Vertragsarten offen.
95Damit gehe die rechtliche Logik des Rahmenvertrags dahin, dass lediglich der vertragliche Rahmen für die Zusammenarbeit der Parteien festgelegt werde und jedes spezifische zu erzielende Ergebnis sich aus später vereinbarten „Work Orders“ oder entsprechenden gegenseitigen Absprachen ergeben könne, aber im Hauptteil des Rahmenvertrags oder seinen beiden Anhängen nicht direkt definiert werde.
96Diese Frage habe auch nicht durch die Aussage des Zeugen J., dem Abteilungsleiter für den industriellen Dienstleistungsmarkt der Antragsgegnerin, während seiner Vernehmung am 14.12.2017 geklärt werden können. Einerseits habe er bekundet, es habe intern Bedenken über den Ergebnischarakter des Rahmenvertrages und vergebliche Überarbeitungsversuche gegeben, andererseits habe er bekundet, er habe ihn unterzeichnet, obwohl „etwas" nicht „durch" gewesen sei: Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, Herr N., habe ihm gesagt, er solle sich keine Sorgen machen, denn „das Projekt und der Auftrag werden ein Zeitmaterial-Auftrag sein". Die Beschreibung der Beweggründe für seine Entscheidung stehe im Einklang mit dem vereinbarten Vorrang, da Work Orders Vorrang vor dem Hauptteil des Rahmenvertrages hätten. Die Aussage des Zeugen J. beweise daher nicht, dass sich die Parteien darauf geeinigt hätten, dass alle ihre gegenseitigen Vereinbarungen als Werkvertrag zu qualifizieren seien.
97Zu seiner 2. Hypothese (Einzelne Werkverträge) führt das Schiedsgericht aus, es komme in Betracht, jeweils eigene Verträge anzunehmen, deren Gegenstand möglicherweise durch die einzelnen Work Orders, den FRS oder den Sprint-Backlogs in Verbindung mit den darin referenzierten FRS bestimmt worden sei. Alle drei Elemente könnten als „Projektdokumente" im Sinne von Abschnitt 1 des Rahmenvertrags betrachtet werden.
98Zu Work Orders hält das Schiedsgericht fest, dass gemäß Abschnitt 2.2 des Rahmenvertrags mehrere Work Orders hätten erteilt werden sollen. Die von der Antragsgegnerin als Beispiele vorgelegten Anlagen R-5 bis R-20 bezeichneten indes nur die Funktionen der angeforderten Personalressourcen wie z.B. „Solution Architect", „Developer" oder „Business Analyst", dies zusammen mit der jeweiligen Bestellung von Manntagen und den Preisen pro Tag und Position. Damit handle es sich nicht um Verträge über die Erbringung von Leistungen. Die vorgelegten Work Orders spiegelten lediglich die aufgewendete Zeit und das Material wider und seien erst im Nachhinein zu Abrechnungszwecken ausgestellt worden, was auch die Antragstellerin bestätigt habe. Sie legten jedoch kein Ergebnis fest wie z. B. einen Zielzustand des Systems, zu dessen Schaffung sich die Antragsgegnerin verpflichtet hätte – damit seien es keine Werkverträge.
99Auch die FRS könnten nicht als Werkverträge bewertet werden. Sie seien von der Antragsgegnerin im Laufe des Projekts als Teil ihrer Verpflichtungen erstellt worden und beschrieben abstrakt, wie eine bestimmte Funktionalität der Software im Detail habe implementiert werden sollen. Nach der von den Parteien gewählten agilen Entwicklungsmethode sei diese Spezifikation jedoch abstrakt geblieben und nicht automatisch zum Gegenstand einer unmittelbaren vertraglichen Verpflichtung gemacht worden. Wie in der agilen Softwareentwicklung üblich und von den Parteien auch praktiziert, seien die in einem Sprint zu implementierenden FRS im Sprint-Backlog definiert worden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt während des Projektes habe es immer viele FRS gegeben, die bereits für die künftige Verwendung definiert worden seien, die aber (noch) nicht hätten umgesetzt werden sollen, weil sie noch nicht in das Sprint-Backlog aufgenommen worden seien. Um die Implementierung eines FRS zum Gegenstand einer vertraglichen Verpflichtung zu machen, habe es einer Vereinbarung zwischen den Parteien bedurft, wonach die Antragsgegnerin verpflichtet sei, einen oder mehrere bestimmte FRS während eines bestimmten Sprints zu implementieren. Die beweisbelastete Antragstellerin habe indes trotz mehrfacher Aufforderung durch das Schiedsgericht nicht angegeben, welche FRS in welchem Entwicklungssprint hätten implementiert werden sollen.
100Zu der Erwägung, eine Kombination aus einem Sprint-Backlog und den darin genannten FRS für einen bestimmten Sprint könne als Werkvertrag bewertet werden, führt das Schiedsgericht aus, es sei nicht davon überzeugt, dass dies bei dem von den Parteien gewählten Projektaufbau der Fall gewesen sei. Soweit man nämlich hinsichtlich der jeweils im Backlog definierten Sprints Werkverträge angenommen habe, wäre es folgerichtig gewesen, etwaige Mängel in der Umsetzung im nächsten Sprint kostenlos als Nachbesserung eines mangelhaften Werkes zu korrigieren (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB), wogegen die tatsächliche Praxis der Parteien indes dahin gegangen sei, dass Korrekturen von mangelhaften oder unvollständigen Implementierungen, die während des folgenden Sprints vorgenommen worden seien, jeweils mit dem Zeit- und Materialaufwand der Antragsgegnerin verrechnet worden seien.
101Selbst wenn man die Sprint-Backlogs (in Verbindung mit den FRS) als Werkverträge ansähe, gelange man indes nicht zu einem Anspruch, weil dann die Antragstellerin konkret habe darlegen müssen, welcher Sprint (bzw. welcher FRS in welchem Sprint) unzureichend ausgeführt worden sei, um dem Sachverständigen eine Prüfung und Beurteilung dahin zu ermöglichen, inwieweit die Arbeitsergebnisse dem vertraglichen Leistungssoll entsprachen. Obwohl die Antragstellerin 23 Sprint-Backlogs als Exhibit C-29 (nur teilweise auf Englisch) und vier Sprint-Planungsdokumente als Anlage C-58 sowie die vollständigen (ungeordneten) FRS und einige (unerklärte) Excel-Arbeitsmappen zur Sprint-Planung als Anlage C-52 vorgelegt habe, habe sie es doch versäumt, anzugeben, welchen Sprint bzw. welchen FRS innerhalb welchen Sprints die Antragsgegnerin mangelhaft ausgeführt haben solle. In ihrer Klageschrift habe sich die Antragstellerin auf die Bezugnahme auf die Berichte von S. vom 05.09.2013 und von R. vom Juni 2014 beschränkt und habe zu verschiedenen Aspekten des Projekts vorgetragen, mit denen sie unzufrieden gewesen sei, welche jedoch alle das Projekt als Ganzes betroffen hätten und aus denen sich keine Hinweise auf bestimmte Sprints oder FRS sowie zu deren etwaig mangelhafter Umsetzung hätten entnehmen lassen. Trotz zahlreicher ausdrücklicher Anweisungen des Schiedsgerichts habe die Antragstellerin auch in ihrem weiteren Vortrag davon abgesehen, im Einzelnen darzulegen, welche FRS in welchem Sprint hätten umgesetzt werden sollen und welche konkrete Umsetzung welche als Mangel bewerteten Eigenschaften aufgewiesen habe.
102Soweit die Antragstellerin am 15.11.2017 und damit kurz vor dem vom Schiedsgericht gesetzten Stichtag eine sogenannte „Ticketliste" eingereicht habe, die nach ihrem Vortrag „jeden einzelnen Fehler identifiziert, der bei der Konzeption (Fehler im FRS) und der Implementierung (Fehler in der Codierung) der SaSo-Software verursacht wurde“, habe das Schiedsgericht den Inhalt der Anlagen C-29, C-58 und C-53 als gleichwertig mit einer Tatsachenbehauptung der Antragstellerin angesehen, soweit sie Informationen in Englisch (als Verfahrenssprache) und Aufzeichnungen enthalten hätten, die eine Vereinbarung der Parteien über ein bestimmtes Ergebnis belegt hätten. Bei der Ticketliste handle es sich um eine Excel-Tabelle, die aus 11 Tabellenblättern bestehe, von denen das erste („BIT-Mangel") Daten in 28 Spalten und 4.331 Zeilen enthalte. Es gebe Spalten mit Einträgen in italienischer und englischer Sprache für Überschriften wie „Issue ID", „Priority", „Title", „Business Topic Area", „Business Topic" und weitere Angaben zur Bearbeitung der Tickets. Den Bezeichnungen der Spalten zufolge enthalte indes keine von ihnen eine spezifische Vereinbarung der Parteien über die betreffende Ticketzeile und verweise auch nicht auf eine solche. Das Schiedsgericht führt aus, es scheine, als beschrieben die Einträge das aufgeworfene Problem wie z. B. „SYS: genehmigte Berechnungsergebnisse - Dokument anzeigen", das als „dringend" eingestufte Problem in Zeile 198, das zum „Geschäftsfeld Beratervergütung" und zum „Geschäftsfeld Beratervergütung 7 [ITBT01290] Provisionsprozess" gehöre. Es gebe jedoch keinen Eintrag in dieser Zeile, der auf die vereinbarte Spezifikation verweise, mit der die gemeldete Angelegenheit habe abgeglichen werden sollen. Die Antragstellerin habe ihre vage Behauptung weder vor dem in dem Verfahrensbeschluss („procedural order“, PO) Nr. 12 vom 26.10.2017 festgelegten Stichtag 15.11.2017 noch zu einem späteren Zeitpunkt präzisiert.
103Die Ticketliste (Anlage C-53) sei von dem Sachverständigen Dr. M. geprüft worden. In einer zusätzlichen Anfrage vom 25.09.2020 habe das Schiedsgericht wissen wollen, ob die 134 „Issues", die der Sachverständige für „verifizierbar" gehalten habe, Informationen enthalten hätten, die eine Zuordnung zu bestimmten Sprint-Backlogs erlaubten, was der Sachverständige mit E-Mail vom 26.09.2020 verneint habe. Der Sachverständige habe erläutert, dass, obwohl die Sprints nummeriert gewesen seien und die einzelnen Aufgaben in den Sprints spezifische Kennungen aufgewiesen hätten, die Liste der angeblichen Mängel diese ID-Typen nicht enthalten habe. Auf dieser Grundlage kommt das Schiedsgericht zu der Bewertung, Anlage C-53 enthalte keine spezifischen Informationen, die die in der Ticketliste genannten „Issues" mit bestimmten Sprint-Backlogs in Verbindung brächten. Die Antragstellerin habe es versäumt, dem Schiedsgericht zu ermöglichen, zu beurteilen, ob sich die „Issues“ auf Aspekte beziehen, die Gegenstand eines bestimmten Sprints gewesen seien und damit Gegenstand einer Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.
104Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.11.2017 erneut auf den R.-Bericht und insbesondere auf die dort enthaltene Feststellung verweise, dass „keines der wichtigsten SaSo-Module als vollständig angesehen werden“ könne, sei dies unerheblich, da die Antragstellerin trotz der Anweisungen des Schiedsgerichts nicht dargelegt habe, wann und wo sich die Antragsgegnerin verpflichtet habe, welches SaSo-Modul (Sales Solution Modul) fertigzustellen, d. h., die Fertigstellung welchen SaSo-Moduls Gegenstand welchen Sprints gewesen sein solle. Der bloße Umstand, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Element der Software unvollständig gewesen sei, stelle für sich genommen keine rechtlich relevante Nichterfüllung oder einen Mangel dar, solange nicht vorgetragen und ggf. bewiesen werde, dass (und wann) sich die Antragsgegnerin vertraglich verpflichtet habe, dieses spezifische Element bis zu diesem Zeitpunkt fertigzustellen.
105Soweit die Antragstellerin argumentiere, dass das „BIT Test Cases Monitoring Worksheet" (Anlage C-55) „bereits eine detaillierte Auflistung der einzelnen Nichterfüllungen der Spezifikation mit Querverweisen zu den offenen Fragen in der BIT-Anlage“ enthalte, sei festzustellen, dass es sich um ein Excel-Arbeitsblatt handle, bestehend aus 7 Blättern, von denen allein das 6. („TestCases") mindestens 28 Spalten und 108 sichtbare Zeilen umfasse. Es sei nicht ordnungsgemäß in das Schiedsverfahren eingeführt worden. Es sei zusammen mit vielen anderen Dokumenten als Teil eines OneDrive-Ordners anlässlich des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 15.11.2017 eingereicht worden. Die Antragstellerin habe mit Schriftsatz vom 15.11.2017 darauf Bezug genommen und die Antragsgegnerin ihrer Einführung in die mündliche Verhandlung am 14.12.2017 zugestimmt. Mit Schriftsatz vom 15.11.2017 habe es die Antragstellerin jedoch versäumt, die Relevanz für das Schiedsverfahren nachzuweisen. Sie habe behauptet, die „funktionale Testfallnummer (Spalte M)“ zeige an, dass die Mängel mit dem FRS verbunden gewesen seien. Diese Nummern seien eingetragen worden, wenn ein Fehler mit einer bestimmten Testfallnummer verknüpft gewesen sei, die im Arbeitsblatt für die Testfallüberwachung gefunden worden sei. Die Testfallnummern im Arbeitsblatt hätten auch dem jeweiligen Testfalldokument entsprochen, dessen Inhalt sich ebenfalls aus dem entsprechenden FRS abgeleitet habe.
106Das Schiedsgericht führt hierzu aus, dass selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass das Arbeitsblatt für die Testfallüberwachung („Test Case Monitoring Worksheet") identisch mit der Anlage C-55 sei, und darüber hinaus außer Acht lasse, dass der Inhalt größtenteils in italienischer Sprache verfasst sei, die Behauptung der Antragstellerin nicht durch diese Dokumente gestützt werde: Anlage C-53 enthalte eine Spalte N mit der Überschrift „Functional test case number" und eine Auflistung von Zahlen in den Zeilen darunter - aber keinen Hinweis auf einen identifizierbaren FRS oder eine entsprechende Vereinbarung über seine Realisierung. Nehme man eine der Nummern in dieser Spalte N und suche nach einer solchen Nummer im Blatt „Testfälle" in Anlage C-55, könne man einen entsprechenden Treffer in der Spalte M „Ticketnummer" oder in Spalte L auf „Bemerkungen" finden. Allerdings fehle auch in Anlage C-55 jeder eindeutige Hinweis auf eine identifizierbare FRS und die entsprechende Vereinbarung über deren Umsetzung. Die angebliche „Verbindung zum FRS" sei in keinem der beiden Dokumente enthalten.
107Während der Verhandlung vom 14.12.2017 habe der Vertreter der Antragstellerin dem Zeugen F. Fragen zu Anlage C-55 gestellt – auch dieser sei aber nicht in der Lage gewesen, die Relevanz dieses Dokuments nachzuweisen. Erst im Schriftsatz der Antragstellerin nach der Verhandlung vom 09.02.2018 habe die Antragstellerin neue Tatsachenbehauptungen eingeführt, die nicht Gegenstand der Verhandlung vom 14.12.2017 gewesen seien und habe aus der Anlage C-55 Rückschlüsse auf die Anzahl und Schwere der angeblichen Mängel der von der Antragsgegnerin entwickelten Software gezogen. Das Schiedsgericht hat diesen Vortrag als verspätet und unzulässig bewertet, gleichwohl aber dazu ausgeführt, es werde noch immer nicht erklärt, wie das „BIT Test Cases Monitoring Worksheet" (Anlage C-55, Arbeitsblatt für die Testfallüberwachung) verwendet werden könne, um bestimmte angebliche Mängel mit bestimmten FRSs und/oder Sprint-Backlogs zu verknüpfen.
108Erst mit dem Schriftsatz vom 28.03.2018, der verspätet eingereicht worden sei, habe die Antragstellerin argumentiert, dass das Arbeitsblatt zur Überwachung der BIT-Testfälle (Anlage C-55) vom Schiedsgericht verwendet werden solle, um die offenen Fragen mit dem BIT-Zeitplan zu vergleichen, und dass jeder BIT-Test auf einer Funktionalität basiere, die aus dem FRS in den Sprint-Prozess übernommen worden sei. Jeder fehlgeschlagene BIT-Test, der in Anlage C-55 enthalten sei, stelle daher ein Indiz für eine vorherige vertragliche Vereinbarung der Parteien dar, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, den jeweiligen FRS in einem bestimmten Sprint zu implementieren. Die Antragsgegnerin habe diese Behauptung bereits in ihrem Schriftsatz vom 01.12.2017 vorsorglich bestritten, mit dem Argument, dass es keine sichtbare Verbindung zwischen den beiden Listen in Anlage C-53 oder Anlage C-55 und einem bestimmten FRS gebe. Das Schiedsgericht hat hierzu ausgeführt, es weise die als verspätet bewertete Behauptung der Antragstellerin zurück, dass jeder fehlgeschlagene BIT-Test, der in der Anlage C-55 aufgeführt ist, einen Hinweis auf eine vorherige vertragliche Vereinbarung der Parteien enthalte. Wie der Zeuge F. bei seiner Vernehmung durch den Anwalt der Antragstellerin erklärt habe, sei das Arbeitsblatt zur Überwachung der BIT-Testfälle hauptsächlich von den Key-Usern der Antragstellerin verwaltet worden. Auf dieser Grundlage gehe das Schiedsgericht davon aus, dass der Inhalt des Arbeitsblatts zur Überwachung von BIT-Testfällen einseitig von Mitarbeitern der Antragstellerin erstellt worden sei. Er könne daher nicht zum Nachweis einer vorherigen vertraglichen Verpflichtung herangezogen werden. Die bloße Tatsache, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin eine bestimmte Funktionalität zu einem bestimmten Zeitpunkt erwartet haben mögen, bedeute und beweise nicht, dass sich die Antragsgegnerin vertraglich verpflichtet hätte, diese Funktionalität bis zu diesem Zeitpunkt zu implementieren - sie spiegle lediglich die Erwartung der Mitarbeiter der Antragstellerin wider, die aus verschiedenen Gründen habe unbegründet gewesen sein können.
109Der Zeuge F. habe weiterhin bekundet, wie die Antragsgegnerin mit Einträgen in der Ticketliste umgegangen sei: Ein Schritt habe darin bestanden, zu überprüfen, ob die Beschreibung eines Tickets einer Anforderung entsprochen habe, die tatsächlich im FRS enthalten gewesen sei. Das Schiedsgericht führt aus, es gebe keine Beweise in den Akten, die dem widersprächen. Dieser Überprüfungsschritt wäre aber nicht notwendig gewesen, wenn er durch eine vorherige Vereinbarung zwischen den Parteien durchgeführt worden wäre. Damit sei die Behauptung der Antragstellerin widerlegt (Rn. 452 des Schiedsspruchs): Die Einträge in den Anlagen C-53 und C-55 hätten nicht notwendigerweise auf den in den FRS festgelegten und zwischen den Parteien vereinbarten Spezifikationen beruht - unabhängig davon, dass die Antragstellerin es versäumt habe, die konkrete Verbindung zwischen einem Eintrag und einer bestimmten FRS und die wesentlichen Punkte der Vereinbarung über die Umsetzung genau dieses Teils des Projekts zu spezifizieren.
110Auch der Sachverständige Dr. M. habe die Anlage C-55 geprüft (Rn. 453 des Schiedsspruchs) und keine Möglichkeit gefunden, die angeblichen Mängel mit bestimmten Sprints zu verbinden. Daher weise das Schiedsgericht das Argument der Antragstellerin zurück, dass das Arbeitsblatt zur Überwachung der BIT-Testfälle (Anlage C-55) „eine detaillierte Auflistung der einzelnen Abweichungen von der Spezifikation mit Querverweisen auf die offenen Punkte im BIT-Zeitplan" enthalte. Dieses Argument sei nachträglich eingereicht worden und daher unzulässig. Aber selbst, wenn es nicht nachträglich eingereicht worden wäre, sei es zur Überzeugung des Schiedsgerichts faktisch nicht bewiesen (Rn. 453).
111Die Antragstellerin habe sodann erstmals mit Schriftsatz vom 08.10.2019 versucht, den Zusammenhang zwischen den erstellten Sprint-Backlogs und FRS zu erklären. Selbst in diesem Schriftsatz habe die Antragstellerin noch die Position vertreten, es sei nicht notwendig, die Sprint-Dokumentation mit den FRS zu vergleichen, um die Spezifikation zu erstellen. Das Schiedsgericht führt aus, die weiteren Erläuterungen zum Sprint-Prozess in diesem verspätet eingebrachten Vortrag blieben abstrakt und enthielten keine Angaben dazu, welcher Sprint mangelhaft ausgeführt worden sein solle und welcher Teil der Vergütung für diesen konkreten Sprint auf diese mangelhafte Leistung zurückzuführen sei. Vielmehr habe die Antragstellerin selbst ausgeführt, dass sie weder in den 23 Dokumenten im Ordner "Sprint" der SharePoint-Site, der in seiner Gesamtheit als C29 ausgestellt sei, noch an anderer Stelle auf der SharePoint-Site konkrete Beispiele für User Stories gefunden habe.
112Das Schiedsgericht führt sodann aus, selbst unter der zweifelhaften Annahme, dass man die Sprints (in Verbindung mit den FRS) als Verträge zur Herstellung eines Werks bewerte, sei festzustellen, dass die Antragstellerin den konkreten Inhalt der Vereinbarung der Parteien, von dem die Leistung der Antragsgegnerin laut Eintrag abgewichen sein könne, nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe. Sie habe es versäumt, das Schiedsgericht oder den Sachverständigen in die Lage zu versetzen, zu beurteilen, ob Mängel vorlagen.
113Zur Hypothese 3 („Dienstvertrag") führt das Schiedsgericht aus, als Anspruchsgrundlage kämen die §§ 280 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB in Betracht. Auch hiernach sei es aber erforderlich, darzulegen, zu welchen konkreten Handlungen die Antragsgegnerin vertraglich verpflichtet gewesen sei. Dem sei die Antragstellerin nicht nachgekommen, da die zuvor dargestellten Erwägungen hier in gleicher Weise zur Geltung kämen. Trotz der Hinweise des Schiedsgerichts habe die Antragstellerin keine substantiierte Behauptung dargelegt, welche konkreten Handlungen der Antragsgegnerin in welchem Sprint erforderlich gewesen und nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Daher habe die Antragstellerin auch ihre Ansprüche nach §§ 280 Abs. 1 und 611 Abs. 1 BGB nicht hinreichend dargelegt.
114Zu einem etwaigen Anspruch aus §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 3, 276 und 311 Abs. 1 BGB führt das Schiedsgericht aus, auch insoweit werde geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe den Vertrag nicht wie vorgeschrieben erfüllt, weshalb der zuvor dargestellte Begründungsmangel auch hier durchgreife.
115Zu einem etwaigen Anspruch wegen Verletzung von Verpflichtungen aus einer selbständigen Garantie (Ziffer 7.1 des Rahmenvertrags) führt das Schiedsgericht aus, es sei auch diesbezüglich ein Mangel an Substantiierung festzustellen (Rn. 460 f. des Schiedsspruchs).
116Zu einem Anspruch aus §§ 311Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der vorvertraglichen Informations- und Konsultationspflicht durch die Antragsgegnerin führt das Schiedsgericht aus, die Antragstellerin behaupte, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht über ihre mangelnde Kompetenz bei der Anwendung von SCRUM sowie eine Wissenslücke im Bereich der IT-Kompetenz informiert habe. Die Behauptungen der Antragstellerin seien indes auch insoweit nicht hinreichend substantiiert (Rn. 462 f. des Schiedsspruchs). Die Antragstellerin habe keine Tatsachenbehauptungen oder Beweise dafür vorgelegt, die dafür sprächen, dass die Antragsgegnerin von vornherein unfähig gewesen wäre, die Aufgaben zu erfüllen, zu denen sie sich im Rahmenvertrag verpflichtet hatte. Eine solche Unfähigkeit wäre eine notwendige Voraussetzung für die von der Antragstellerin behauptete Warnpflicht. Die (von der Antragstellerin behauptete) bloße Tatsache, dass das Projekt nicht erfolgreich beendet wurde, sei keine ausreichende Behauptung für die inhärente Unfähigkeit der Antragsgegnerin, die geforderte SCRUM-Methode von Anfang an durchzuführen.
117Zu einem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung vertraglicher Warnpflichten führt das Schiedsgericht aus, die Antragstellerin argumentiere, dass die Antragsgegnerin die Pflicht gehabt habe, aufgrund einer Wissenslücke zwischen den beiden Parteien in ihrem Fachgebiet zu informieren und dahin zu warnen, dass die Erfüllung des Vertrages gefährdet gewesen sei, dies spätestens dann, als die Antragsgegnerin festgestellt habe, dass sie die aufgetretenen Fehler auch mit einer erhöhten Anzahl von Mitarbeitern nicht würde beheben können. Das Schiedsgericht führt aus, die Antragstellerin trage nicht vor, wann genau die Antragsgegnerin die Antragstellerin hätte warnen müssen, wie die Antragstellerin auf eine entsprechende Mitteilung reagiert hätte und welcher Schaden dadurch vermieden worden wäre (Rn. 464 f. des Schiedsspruchs). Es liege auf der Hand, dass selbst unter der Annahme, dass die Behauptung der Antragstellerin zutreffend wäre, jede Warnung der Antragsgegnerin während des Projektverlaufs die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten nicht hätte vermeiden können. Darüber hinaus habe die Antragstellerin keinen Beweis für ihre Behauptungen angeboten.
1183.
119Die Antragstellerin führt zur Begründung ihres Aufhebungsantrages aus, mit der prozessualen Anordnung vom 04.12.2017 (PO 14) habe das Schiedsgericht zu Unrecht die von der Antragstellerin vorgelegten Beweisstücke C-52 bis C-56 nicht zur mündlichen Verhandlung zugelassen (S. 19 f., 39 f. der Antragsschrift, Bl. 22 f., 42 f. d. A.). Hierdurch sei die Antragstellerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden (S. 36 der Antragsschrift, Bl. 39 d. A.). Fehlerhaft sei auch dem Zeugen F. eine Bezugnahme auf Annex 1 der Anlage C-52 verwehrt worden (S. 22-25 der Antragsschrift, Bl. 25-28 d. A.). Fehlerhaft habe das Schiedsgericht im Nachgang zu PO 18 den dem Sachverständigen zu erteilenden Auftrag modifiziert und im Ergebnis die Begutachtung ohne, bzw. vor inhaltlicher Überprüfung des Quellcodes durch den Sachverständigen abgebrochen (S. 5 f., 31-34, 41-43 der Antragsschrift, Bl. 8 f., 35-37, 44-46 d. A.).
120Das Schiedsgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es in Abweichung zu den durch PO 11 und 18 erteilten Hinweisen und ohne weiteren Hinweis Ansprüche aus Werkvertrag mit der Begründung verneint habe, die Antragstellerin habe zu dem seitens der Antragsgegnerin geschuldeten Erfolg unzureichend substantiiert vorgetragen bzw. bei hypothetischer Annahme eines Dienstvertrages unzureichend vorgetragen, welche spezifischen Leistungen während welcher Sprints hätten erfolgen sollen (S. 37-39 der Antragsschrift, Bl. 40-42 d. A.). Dies verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör wegen Überspannung der Anforderungen an den Sachvortrag, dies auch mit Rücksicht auf den Sachverhaltsermittlungsauftrag nach § 27.1 der DIS-SchO (S. 43 f. der Antragsschrift, Bl. 46 f. d. A.). Die Entscheidung beruhe auch auf den aufgezeigten Verfahrensfehlern und Gehörsverletzungen (S. 45 der Antragsschrift, Bl. 48 d. A.).
121Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung müsse auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot angenommen werden (S. 46 f. der Antragsschrift, Bl. 49 f. d. A.). Das Schiedsgericht habe elementare Verfahrensregeln verletzt, was den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO erfülle. Das Schiedsgericht habe gegen das Willkürverbot und gegen die Pflicht verstoßen, sich mit dem Streitstoff sachlich und frei von widersinnigen Erwägungen auseinanderzusetzen.
122Die Antragstellerin beantragt,
123der am 31. Januar 2023 in dem von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. administrierten Schiedsverfahren DIS-SV-JR-533/15 durch die Schiedsrichter I. D. als Vorsitzender und die Schiedsrichter Dr. B. H. und Prof. Dr. Y. T. erlassene Schiedsspruch wird aufgehoben.
124Die Antragsgegnerin beantragt,
125den Antrag der Antragstellerin, den am 31. Januar 2023 in dem von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. administrierten Schiedsverfahren DIS-SV-JR-533/15 durch die Schiedsrichter I. D. als Vorsitzenden und die Schiedsrichter Dr. B. H. und Prof. Dr. Y. T. erlassenen Schiedsspruch aufzuheben, zurückzuweisen.
126Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung des Schiedsgerichts gegenüber den Einwendungen der Antragstellerin.
127Sie macht geltend, das Schiedsgericht habe mit PO 6 klargestellt, dass es in Zusammenhang mit der Beweisaufnahme die ZPO anwenden werde, womit die Vertreter der Antragstellerin sich einverstanden erklärt hätten (S. 18 der Antragserwiderung, Bl. 1796 d. A.). Auf das Erfordernis weiteren Sachvortrages zur Frage der Sollbeschaffenheit habe das Schiedsgericht mehrfach hingewiesen; hierzu habe die Antragstellerin auch Stellung genommen und entsprechende Aufforderungen als illegitim bezeichnet (S. 20 der Antragserwiderung, Bl. 1798 d. A.). Die Antragstellerin erläutert ihre Auffassung, die Anlagen C52 - C 56 seien nicht wirksam einbezogen worden (S. 21-25 der Antragserwiderung, Bl. 1799-1803 d. A.). Sie stellt ihre Sichtweise zum Hergang der Beweisaufnahme dar (S. 24-35 der Antragserwiderung, Bl. 1802-1813 d. A.). Die Antragsgegnerin erläutert ihren Rechtsstandpunkt, eine relevante Gehörsverletzung sei nicht vorgetragen worden (S. 37-49 der Antragserwiderung, Bl. 1815-1827 d. A.) und auch im Übrigen fehle es an Aufhebungsgründen (S. 50-60 der Antragserwiderung, Bl. 1828-1838 d. A.).
128II.
129Der zulässige Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 31.01.2023 hat in der Sache keinen Erfolg.
1301.
131Der gemäß § 1059 ZPO statthafte Antrag ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. Die Antragstellerin hat die Aufhebung des Schiedsspruchs rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO beantragt.
2.
133Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
134a)
135Gegenstand des Antrages ist ein Schiedsspruch aufgrund einer wirksamen Schiedsvereinbarung (§§ 1060 Abs. 1, 1059 Abs. 2 Nr. 1a ZPO). Die Schiedsvereinbarung genügt den Anforderungen der §§ 1029-1031 ZPO. Es wird in einem von den organschaftlichen Vertretern der Parteien unterzeichneten Dokument (§ 1031 Abs. 1, 1. Alt. ZPO) vereinbart, anstelle der staatlichen Gerichte sollten Streitigkeiten durch ein schiedsgerichtliches Verfahren in Anwendung der DIS-Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchGO) entschieden werden. Gegenüber der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestehen keine Bedenken.
136b)
137Die Streitigkeit fällt auch unter die Schiedsklausel. Der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 c ZPO liegt nicht vor, da die Antragstellerin im Schiedsverfahren einen Anspruch aus genau demjenigen Rechtsverhältnis geltend macht, welches in der Schiedsabrede bezeichnet worden ist (§ 1029 Abs. 1 ZPO).
138Zur Bestimmung der Reichweite eines Schiedsvertrages ist auf den in dem Schiedsvertrag und eventuellen späteren Vereinbarungen zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen, wobei eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, grundsätzlich weit auszulegen ist (BGH, Urteile vom 27.02.1970 – VII ZR 68/68, juris, Rn. 38-42; vom 10.12.1970 – II ZR 148/69, juris, Rn. 27; vom 04.10.2001 – III ZR 281/00, juris, Rn. 14; OLG Köln, Beschluss vom 28.02.2020 - 19 Sch 20/19, n. v.; Geimer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 34. Auflage 2022, § 1029 Rn. 78 ff. m.w.N.). Auch wird allgemein eine großzügige Auslegung befürwortet (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.02.2019 – 26 SchH 1/18, juris, Rn. 48; OLG München, Beschluss vom 07.07.2014 – 34 SchH 18/13, juris, Rn. 37; OLG Köln, a.a.O., Geimer a.a.O.).
139Auf dieser Grundlage ist eine Formulierung, das Schiedsgericht solle über Streitigkeiten entscheiden, die sich „aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und/oder einem Work Order und/oder der Gültigkeit dieses Vertrags oder eines Work Orders ergeben“, als Ausdruck des Parteiwillens zu verstehen, eine möglichst umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu begründen, weshalb hiermit auch solche Auseinandersetzungen der Prüfkompetenz des Schiedsgerichts zugewiesen werden, die den eigentlichen Vertragsgegenstand nicht unmittelbar betreffen, sondern dazu nur in mittelbarer Beziehung stehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2016 – X ZR 27/15, juris, Rn. 17). Bei Übertragung der Entscheidung über Ansprüche aus einem Vertrag hat das Schiedsgericht dementsprechend auch über die Gültigkeit des Vertrags und die sich nach etwaiger Vertragsbeendigung durch Kündigung oder Rücktritt ergebenden Ansprüche zu entscheiden (BGH, Urteil vom 27.02.1970 – VII ZR 68/68, juris, Rn. 42; Beschluss vom 09.08.2016 – I ZB 1/15, juris, Rn. 17; Beschluss vom 31.10.2018 – I ZB 17/18, juris, Rn. 9).
140Die vorliegende Streitigkeit fällt unter die Schiedsklausel, da es sich um eine Streitigkeit in Zusammenhang mit Rechten und Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag und/oder einer oder mehrerer „Work-Orders“ handelt.
141c)
142Inwieweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO fällt (so Geimer a.a.O. § 1059 ZPO, Rn. 68), als Verfahrensverstoß unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO oder unter den (verfahrensrechtlichen) ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO, so mehrheitlich die obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2020 – 26 Sch 14/18, juris, Rn. 140 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2017 – 19 Sch 6/17, juris, Rn. 17, 21) kann dahinstehen, da die Antragstellerin jedenfalls in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden ist.
143Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2017 – 19 Sch 6/17, juris, Rn. 25). Er verpflichtet das Gericht zur Erfassung des wesentlichen Kerns des Parteivorbringens sowie dazu, diesen in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss darauf zulässt, dass allenfalls der äußere Wortlaut, nicht aber der Sinn des Parteivortrags erfasst worden ist. Ermangelt es einer inhaltlichen Auseinandersetzung des Parteivortrages, über den stattdessen mit Leerformeln hinweggegangen wird, entspricht dies den Anforderungen des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG ebensowenig wie ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, Beschlüsse vom 07.06.2018 - I ZB 70/17, juris, Rn. 6; vom 18.07.2019 – I ZB 90/18, juris, Rn. 10).
144Eine relevante Gehörsverletzung, welche die Aufhebung eines Schiedsspruchs rechtfertigen könnte, ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn ein Gesichtspunkt betroffen ist, auf dem die Entscheidung beruht (Entscheidungsrelevanz), wofür die rechtliche Beurteilung des Schiedsgerichts maßgeblich ist (st. Rspr., vgl. nur: OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2004 – 8 Sch 9/03, juris, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 20.04.2009 – 34 Sch 17/08, juris, Rn. 56; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.09.2007 – 26 Sch 10/07, juris, Rn. 20).
145Aus der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung (S. 3, Fn. 5 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2633 d. A.) ergibt sich nichts Abweichendes:
146Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2009 (BGH, Beschluss vom 15.01.2009 – III ZB 83/07, juris) befasst sich mit der Relevanz einer Abweichung von dem in der Schiedsordnung vorgesehenen Verfahren bei der Schiedsrichterbestellung und verneint das Beruhen mit dem Argument, es sei nichts dafür ersichtlich, dass bei Beachtung der Schiedsordnung ein anderer Schiedsrichter bestellt worden wäre; ein Gehörsverstoß wird ausdrücklich verneint.
147Mit den zitierten Beschlüssen vom 23.07.2020 und 27.05.2021 bestätigt der Bundesgerichtshof die auch vom Senat angenommene Definition des „Beruhens“ dahin, dass ein Beruhen anzunehmen ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne den Verstoß zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung gekommen wäre (BGH, Beschluss vom 23.07.2020 – I ZB 88/19, juris, Rn. 9 bezugnehmend auf BVerfG, Beschluss vom 06.05.2019 – 2 BvR 1429/16, juris, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 27.05.2021 – I ZR 166/20, juris, Rn. 19).
148Der zuletzt zitierte Beschluss vom 09.12.2021 befasst sich schließlich mit einer der vorliegend zu bewertenden Sachlage nicht vergleichbaren Konstellation, nämlich dem gänzlichen Fehlen einer Begründung für die Ablehnung eines endentscheidungsrelevanten Aspekts (BGH, Beschluss vom 09.12.2021 – I ZB 21/21, juris, Rn. 62).
149aa) Behandlung der Anlagen C-52 - C-55
150Die Rüge, das Schiedsgericht habe fehlerhaft die Anlagen C-52 – C-55 nicht berücksichtigt, bzw. nicht zur mündlichen Verhandlung zugelassen, (S. 19 f., 36, 39 f. der Antragsschrift, Bl. 22 f., 39, 42 f. d. A.; S. 6-8, 11 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2636-2638, 2641 d. A.), greift nicht durch.
151Hierfür kann dahinstehen, inwieweit die im Verlauf des Schiedsverfahrens und im Schiedsspruch geäußerte Auffassung zutrifft, die Anlagen C-52 – C-55 seien verspätet eingereicht worden, weshalb sie nicht berücksichtigt werden müssten, einer rechtlichen Überprüfung standhielte.
152Entscheidend ist, dass das Schiedsgericht seine Bedenken gegenüber der Berücksichtigungsfähigkeit der Anlagen C-52 – C-55 letztlich hat hintanstehen lassen und eine inhaltliche Überprüfung vorgenommen hat. In den Rn. 445-455 des Schiedsspruchs führt das Schiedsgericht im Einzelnen aus, weshalb es auch bei Berücksichtigung der - an sich als verspätet eingereicht bewerteten - Anlagen und der diesbezüglich erfolgten Erläuterungen zu der Wertung gelangt, dass sich ihnen die als erforderlich erachteten Angaben zu Einigungen zwischen den Parteien auf bestimmte innerhalb bestimmter Zeitfenster zu erbringende Leistungen und/oder Arbeitsergebnisse nicht entnehmen lässt.
153Damit hat das Schiedsgericht seine materiellrechtliche Bewertung letztlich nicht, bzw. nicht nur auf die Annahme der verspäteten Einreichung der Anlagen C-52 bis C-53 gestützt.
154Damit fehlt es auch an der Endergebnisrelevanz. Nach allgemeinen Grundsätzen kommt einer etwaigen Gehörsverletzung nämlich nur dann Relevanz zu, wenn die getroffene Sachentscheidung auf ihr beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrages das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts gelangt wäre bzw. in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst worden wäre oder im Ganzen zu einer anderen, der jeweiligen Partei günstigeren Entscheidung geführt hätte (s.o. und vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.03.2020 – 2 BvR 113/20, Rn. 51, juris; BGH, Beschlüsse vom 06.02.2013 – I ZR 22/12, juris, Rn. 20; vom 18.04.2018 – XII ZB 338/17, juris, Rn. 4; Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz Kommentar, 90. Lieferung, 8/2023, 10. Verfassungsbeschwerde, Rn. 801). Daran fehlt es, wenn die Entscheidung auf einer weiteren, selbständigen Erwägung beruht, was vorliegend – wie dargelegt - der Fall ist.
155bb) Verwehrung der Bezugnahme / Behinderungen bei Vernehmung des Zeugen F. (S. 41 der Antragsschrift, Bl. 43 d. A., S. 4, 7 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2634, 2637 d. A.)
156Auch insoweit fehlt es an einer Endergebnisrelevanz einer etwaigen Gehörsverletzung durch eine Behinderung bei der Befragung des Zeugen F. sowie eines etwaigen hierin liegenden Verfahrensverstoßes, der gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO ebenfalls endergebnisrelevant sein müsste. Das Schiedsgericht stützt seine Bewertung der Sach- und Rechtslage nämlich nicht auf die Annahme von Beweisfälligkeit oder ein bestimmtes mit der Vernehmung des Zeugen F. in Zusammenhang stehendes Beweisergebnis, sondern auf die Annahme, die Antragstellerin habe unzureichend vorgetragen. Selbst wenn sie indes bei Vernehmung des Zeugen F. durch Verwehrung einer Bezugnahme auf bestimmte Anlagen unzulässig behindert worden sein sollte, wäre sie hierdurch doch nicht daran gehindert gewesen, ihren Sachvortrag zu ergänzen.
157cc) unzureichender Vortrag zu den geschuldeten Leistungen
158Soweit die Antragstellerin erinnert, das Schiedsgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es zu dem von der Antragsgegnerin geschuldeten Erfolg und/oder zu den während bestimmter Sprints zu erbringenden spezifischen Leistungen unzureichenden Vortrag der Antragstellerin angenommen habe (S. 37-39 der Antragsschrift, Bl. 40-42 d. A.; S. 6 f., 9, 11 f. des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2636 f., 2639, 2641 f. d. A.), ist zu differenzieren:
159Soweit der Einwand darauf gestützt wird, es würden überspannte Anforderungen an die Darlegungsobliegenheit gestellt (S. 11-13 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2641-2643 d. A.), ist dies zurückzuweisen – die Anforderungen sind angemessen (s. u. aaa)). Soweit moniert wird, auf die Anforderungen sei unzureichend hingewiesen worden, ermangelt es jedenfalls der Endergebnisrelevanz (bbb)).
160aaa) keine überspannten Anforderungen
161Im Anwendungsbereich der ZPO ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn das Gericht unter dem Aspekt der Substantiierung die Beweiserheblichkeit von Sachvortrag vom Vortrag von Einzelheiten abhängig macht, zu deren Vortrag die Partei indes nach Maßgabe der Anforderungen des § 138 ZPO nicht verpflichtet ist. Sachvortrag zur Begründung eines Klaganspruchs ist dann schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen, wogegen die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, regelmäßig nicht erforderlich ist, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 27.04.2022 – XII ZR 37/21, juris, Rn. 9). Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf demgemäß nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurteilen. Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 26.03.2019, VI ZR 163/17, juris, Rn. 11, 13; BGH, Urteil vom 20.09.2002, V ZR 170/01, juris, Rn. 8).
162Ausgehend von diesem Maßstab stellt das Schiedsgericht keine überspannten Anforderungen, zumal es im engeren Sinne schon keine unzureichende Substantiierung annimmt, d. h. nicht die unzureichende Anreicherung schlüssigen Vortrages mit Einzelheiten zu Zeit und Ort oder anderen Rahmenumständen beanstandet, sondern seine Entscheidung darauf stützt, dass es an Vortrag von Tatsachen fehlt, die sich unter Tatbestandsmerkmale der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen subsumieren ließen, d. h. an subsumtionsfähigem Sachvortrag.
163Das Schiedsgericht nimmt an, es sei für sämtliche in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen, seien sie werkvertraglicher, dienstvertraglicher oder anderer vertraglicher Natur, erforderlich, dass es zu einer vertraglichen Einigung auf konkrete Leistungen, bzw. zu erbringende Leistungserfolge gekommen sein müsse (Sollbeschaffenheit). Es nimmt an, dass derjenige, der Ansprüche aus einem Vertrag herleiten will, den Vertragsinhalt darlegen muss. Weiterhin nimmt das Schiedsgericht an, dass der Vortrag zum Inhalt der geschuldeten Leistung so konkret sein muss, dass ein Abgleich mit dem tatsächlichen Leistungsstand (Istbeschaffenheit) möglich ist. Dies entspricht dem (für verschiedene Vertragstypen anwendbaren und damit) allgemeinen Prinzip der Erforderlichkeit von Darlegungen zur Sollbeschaffenheit und deren Bezug zur Istbeschaffenheit. Wenn das Schiedsgericht im Ergebnis darauf abstellt, dass selbst bei sachverständiger Feststellung der Unbrauchbarkeit der gesamten erstellten Software sich ein Rücktrittsgrund wegen Mangelhaftigkeit und/oder Schlechterfüllung nicht darstellen ließe, weil es an Vortrag zu einer vertraglichen Einigung dahin fehle, wann welche Komponenten der Software mit welchen Eigenschaften in welches Stadium der Gebrauchsfähigkeit hätten gebracht werden müssen, so lassen sich auch hieraus gemessen an den Maßstäben der ZPO keine überspannten Anforderungen entnehmen.
164Der Verweis der Antragstellerin auf die sog. Symptomrechtsprechung (S. 12 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2642 d. A.) liegt demgegenüber neben der Sache. Die sog. Symptomrechtsprechung betrifft den Umfang der zur Darlegung der Istbeschaffenheit erforderlichen Angaben, indem klargestellt wird, dass zur Geltendmachung werkvertraglicher Mängelansprüche eine hinreichend genaue Bezeichnung der Mangelerscheinungen ausreicht, wogegen es keiner Darlegung der Ursachen für festgestellte Mangelerscheinungen bedarf, sondern die Klärung der Ursächlichkeit Gegenstand des Beweises ist (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – VII ZR 488/00, juris, Rn. 11). Vorliegend geht es indes um unzureichende Angaben zu vertraglichen Einigungen auf bestimmte, in bestimmten Sprints herzustellende Sollbeschaffenheiten, anhand derer ein Abgleich zur Istbeschaffenheit erst ermöglicht würde.
165Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Geltung der ZPO zwischen den Parteien nicht vereinbart war.
166Die Rechtswahlklausel in Zif. 13.11 des Rahmenvertrages (Rn. 22 des Schiedsspruchs, Bl. 1607 d. A.) betrifft („Dieser Vertrag unterliegt…“) lediglich das materielle Recht. Zum Verfahren verweist die Schiedsklausel (Rn. 13 des Schiedsspruchs, Bl. 1606 d. A.) auf die DIS-SchGO (hier maßgeblich die DIS-SchGO 1998, im Folgenden: DIS-SchGO). Diese trifft Verfahrensregelungen etwa zur Anzahl von Schriftsätzen (§ 4), zu Übersendungen (§§ 5, 8), zum notwendigen Inhalt der Klage (§ 6.2), zur Säumnis (§ 30), zur Bindung an die Anträge (§ 33.2) oder zum Vergleich (§ 32), die sich Regelungen der ZPO zuordnen lassen und ihnen weitgehend entsprechen. Auf der anderen Seite trifft sie indes auch Regelungen etwa zur Vertraulichkeit (§ 43), zur Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge von Verfahrensmängeln (§ 41) oder zur Sachverhaltsermittlung (§ 27), die sich deutlich von entsprechenden Regelungen bzw. Prinzipien der ZPO unterscheiden. Es ist auch keine subsidiäre Geltung der ZPO vorgesehen; vielmehr eröffnet § 24.1 der DIS-SchGO insoweit, als sie keine eigenen Regelungen trifft und die Parteien nichts hierzu vereinbart haben, die Möglichkeit der Verfahrensbestimmung nach billigem Ermessen.
167Es kann auch nicht angenommen werden, dass das Schiedsgericht, indem es seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung nach § 27.1 DIS-SchGO nachkommend und von der ihm hierdurch eingeräumten Befugnis, unabhängig von der relationstechnischen Kategorien der Schlüssigkeit und Erheblichkeit und auch abweichend von Beweisanträgen Zeugen zu vernehmen und/oder einen Sachverständigen zu beauftragen, Gebrauch machend in die Beweisaufnahme eingetreten ist, die Möglichkeit verloren hätte, seine Entscheidung auf unzureichenden Sachvortrag zu stützen. Hierin liegt auch kein Verfahrensverstoß i. S. d. § 1059 Abs. 1 Nr. 1 d ZPO ggf. i. V. m. einer Gehörsverletzung.
168Zu berücksichtigen ist nämlich, dass gerade deshalb, weil § 27 DIS-SchGO das Schiedsgericht ermächtigt, nach seinem Ermessen Beweise auch dann zu erheben, wenn dies bei Anwendung der zivilrichterlichen Arbeitsmethode nicht veranlasst wäre, weder die Beweisanordnung noch die Beweisaufnahme selbst einen Aussagegehalt dahin besitzen können, der Sachvortrag werde als ausreichend bewertet.
169Der Ansicht der Antragstellerin, der Beibringungsgrundsatz habe nicht gegolten (S. 44 f. der Antragsschrift, Bl. 47 f. d. A.), bzw. zwischen der Frage hinreichenden Vortrages und seiner Beweisbarkeit durch Zulassung z. B. der Anlage der C-52 zur mündlichen Verhandlung könne oder dürfe nicht differenziert werden (S. 8 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2638 d. A.), ist nicht beizutreten.
170Unabhängig von der DIS-SchGO ist lediglich anzuerkennen, dass im schiedsrichterlichen Verfahren keine strikte Bindung an den Beibringungsgrundsatz gilt, was die Kompetenz des Schiedsgerichts dahin erweitert, dass es im Rahmen der Verfahrensgestaltung nach freiem Ermessen (§ 1042 Abs. 4 ZPO) Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen betreiben kann (OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 25. 03.2021 – 26 Sch 18/20, juris, Rn. 84; vom 14.07.2022 – 26 Sch 19/21, juris, Rn. 191; Geimer a.a.O., § 1059 ZPO, Rn. 40d), ohne dass damit eine Beschränkung dahin einherginge, seine Entscheidung nicht auf unzureichende Darlegungen stützen zu können (vgl. Münch in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2022, § 1042 ZPO, Rn. 151, 155 f.). Es ist insoweit von einem beschränkten Untersuchungsgrundsatz (Saenger, Zivilprozessordnung, 10. Auflage 2023, § 1042 ZPO, Rn. 16) oder auch beschränkten Beibringungsgrundsatz (Schröder/Lerch in: Wachter, Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, § 21 Schiedsgerichtsbarkeit, juris, Rn. 86) die Rede. Auch im Anwendungsbereich der DIS-SchGO (1998) wird ein beschränkter Untersuchungsgrundsatz angenommen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2020 – 26 Sch 7/19, juris, Rn. 122; OLG München, Beschluss vom 09.01.2017 – 34 Sch 20/16, juris, Rn. 49), der indes nicht dazu führt, dass mit oder ohne diesbezüglichen Antrag eine Verpflichtung des Schiedsgerichts zur Durchführung relationstechnisch nicht veranlasster Beweiserhebungen entstünde (OLG München, Beschluss vom 14.11.2011 – 34 Sch 10/11, juris, Rn. 47; Münch a.a.O.).
171Auf dieser Grundlage lässt sich § 27.1 Satz 1 DIS-SchGO nicht dahin auslegen, dass Darlegungsobliegenheiten dispensiert würden, zumal gemäß § 6.2 DIS-SchGO Angaben zu den Tatsachen und Umständen, auf die die Klageansprüche gegründet werden, in der Klage enthalten sein müssen. Das richtige Verständnis von § 27.1 Satz 1 DIS-SchGO erschließt sich aus § 27.1 Sätze 2 und 3 DIS-SchGO. Das Schiedsgericht soll hiernach nach seinem Ermessen frei darin sein, Zeugen zu vernehmen und Unterlagen anzufordern. Es soll ohne Bindung an Parteianträge Beweise erheben dürfen. Damit wird klargestellt, dass es um eine Erweiterung der Befugnisse des Gerichts geht, nicht um eine Beschränkung seiner Befugnis, eine Beweisaufnahme wegen unzureichenden Sachvortrages abzulehnen oder wegen unzureichenden Sachvortrages einen Anspruch zu- bzw.- abzuerkennen.
172Aus den genannten Erwägungen kommt eine Selbstbindung des Schiedsgerichtes dahin, dass es ihm verwehrt gewesen wäre, seine Entscheidung auf den Rechtsstandpunkt unzureichenden Sachvortrages zu stützen, nicht in Betracht. Im Übrigen würde die Annahme einer verfahrensrechtlichen Beschränkung der Schiedsrichter in ihrer Freiheit, bis zu der zu treffenden Endentscheidung ihre Ansichten zur Bewertung der Sach- und Rechtslage zu verändern und auf Grundlage der veränderten Ansichten zu entscheiden, tatsächlich in Widerspruch zu einem Grundprinzip der deutschen Rechtsordnung stehen, nämlich zu dem Prinzip der sachlichen Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG). Wie die §§ 1036, 1037 ZPO zeigen, gilt dieses Prinzip auch für das schiedsgerichtliche Verfahren (vgl. nur Geimer a.a.O., § 1036 ZPO, Rn. 1 f., 10 f.).
173Der Argumentation der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe ihren Vortrag deshalb nicht als unzureichend bewerten dürfen, weil ihr verwehrt worden sei, einen Zeugen zu einem anderen Beweismittel zu befragen (S. 8 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2638 d. A.), folgt der Senat nicht. Hiermit würde das zivilprozessuale Prinzip des Vorrangs des Darlegens von Tatsachen vor deren Beweis schlicht auf den Kopf gestellt.
174Aus dogmatischer Perspektive sei hierzu abschließend klargestellt, dass das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO nicht dazu dient, ein Schutzniveau des rechtlichen Gehörs durchzusetzen, welches dasjenige, welches vor den staatlichen Gerichten (und demgemäß bei Anwendung der ZPO) erwartet werden könnte, überstiege. Eine Veränderung der rechtlichen Bewertung wäre demgemäß nur für die Frage der Erforderlichkeit eines Hinweises relevant (s. hierzu unten unter bbb)).
175bbb) keine Endergebnisrelevanz etwaig fehlerhaft unterbliebener Hinweise
176Ausweislich der Angaben im Schiedsspruch wurden durchaus Hinweise erteilt, denen zu entnehmen war, dass der Vortrag zu Soll- und Istbeschaffenheit als unzureichend bewertet wurde. Inwieweit diese ausreichend waren, lässt der Senat indes dahinstehen, weil jedenfalls die Endentscheidungserheblichkeit nicht dargetan ist.
177Auch im Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren gilt der Beibringungsgrundsatz, so dass eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (BGH, Beschluss vom 09.12.2021 – I ZB 21/21, juris, Rn. 53). Die Entscheidungserheblichkeit eines Gehörsverstoßes durch Verletzung der Hinweispflicht muss demgemäß auch im Aufhebungsverfahren dargelegt werden, wozu ausgeführt werden muss, mit welchen rechtlichen Argumenten die Partei der Rechtsansicht des Gerichts entgegengetreten und weshalb die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung dann möglicherweise anders ausgefallen wäre (BGH, Beschluss vom 21.11.2007 – IV ZR 321/05, juris, Rn. 3). Da die Rüge dahin geht, es sei der Partei ergänzender Sachvortrag abgeschnitten worden, ist darzulegen, was sie im Verfahren noch hätte vortragen wollen - nur hiernach kann beurteilt werden, ob die Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen wäre, mithin die Gehörsverletzung entscheidungserheblich ist (BGH, Beschlüsse vom 22.01.2013 - AnwZ (Brfg) 58/11, juris Rn. 2 f.; vom 17.04.2012 - VI ZB 44/11, juris, Rn. 17, 21; vom 21.11.2007 - IV ZR 321/05, juris, Rn. 3; Urteil vom 16.10.2008 - III ZR 253/07, juris, Rn. 10; Beschluss vom 06.11.2018 – VIII ZR 219/18, juris, Rn. 4).
178Daran fehlt es, wie die Antragstellerin auch einräumt, indem sie den Rechtsstandpunkt einnimmt, es bedürfe einer Darlegung des Vortrages, den sie eingeführt hätte, nicht (S. 45 Antragsschrift, Bl. 48 d. A.), hiermit an ihre Ansicht anknüpfend, der Beibringungsgrundsatz gelte nicht (S. 44 Antragsschrift, Bl. 47 d. A.).
179Es verfängt auch nicht, wenn die Antragstellerin argumentiert, eine „weitergehende Substantiierung“ sei ihr nicht möglich gewesen, da der Prozess der funktionalen Spezifikationen in Arbeitspakete zentraler Bestandteil der Arbeit der Antragsgegnerin gewesen sei, weshalb diese die Sprint-Backlogs erstellt hätte, über die ausschließlich die Antragsgegnerin verfüge, weshalb allenfalls die Antragsgegnerin oder der Zeuge F. eine Verbindung der FRS und der Mängel zu den Sprints hätten herstellen können, bei dessen Vernehmung das Schiedsgericht indes eine Inbezugnahme der maßgeblichen Unterlagen nicht zugelassen habe (S. 45 Antragsschrift, Bl. 48 d. A.).
180Vielmehr unterstreicht dieser Vortrag nur die Richtigkeit der – ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Schiedsgerichts – fehlenden Endergebnisrelevanz. Unterstellt man den Vortrag der Antragstellerin als richtig, so räumt sie auf diese Weise ein, dass es zu einer Einigung auf konkrete während eines Sprints zu erreichende Arbeitsergebnisse nicht gekommen ist (Sollbeschaffenheit), weil es dazu nicht gekommen sein kann, wenn die Festlegung der konkreten Arbeiten allein intern bei der Antragsgegnerin erfolgt ist. Dann aber hätte sich eine solche Vereinbarung auch nicht aus Bekundungen des Zeugen F. ergeben können, da die Antragstellerin in dessen Wissen lediglich stellt, dass er die Unterlagen würde erklären und erläutern können, aber selbst schon nicht vorträgt, dass er bezeugen könnte, er oder ein anderer Vertreter der Antragsgegnerin habe mit einem Vertreter der Antragstellerin hierüber eine Vereinbarung getroffen.
181Auch soweit die Antragstellerin vorträgt, bei entsprechendem Hinweis hätte sie das Schiedsgericht darauf hingewiesen, bereits in der Schiedsklage ausgeführt zu haben, der Softwareentwicklungsprozess sei abgeschlossen gewesen, er sei wie vereinbart in verschiedenen Sprints durchgeführt worden, wobei alle 24 Sprints von der Antragsgegnerin im Laufe der Projektdurchführung in den Jahren 2010-2012 definiert und organisiert worden seien, der Entwicklungsprozess habe seinen letzten Schritt (Abnahmetest) erreicht, aber noch zu viele Lücken aufgewiesen (S. 4 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2634 d. A.), greift dies nicht durch.
182Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, handelt es sich um Vortrag, den sie bereits im Rahmen der Schiedsklage dem Schiedsgericht unterbreitet hat und zu dem das Schiedsgericht bereits klargestellt hat, dass und warum es ihn als nicht ausreichend bewertet. Er entspricht nicht den vom Schiedsgericht geforderten Anforderungen, wonach die Antragstellerin zu den während bestimmter Sprints zu erbringenden spezifischen Leistungen vortragen müsste. Das Schiedsgericht fordert Vortrag zum Inhalt der in den einzelnen Sprints geschuldeten Leistungen, der so konkret sein muss, dass ein Abgleich mit dem tatsächlichen Leistungsstand (Istbeschaffenheit) möglich ist. Dem genügt der Vortrag der Antragstellerin nicht.
183Ferner verfängt es nicht, wenn die Antragstellerin darauf verweist, im Falle ordnungsgemäßer Hinweiserteilung hätte sie die Vernehmung der Zeugen A. und F. als Beweis angeboten, welche das Schiedsgericht alsdann ein weiteres Mal habe vernehmen müssen, was dazu geführt hätte, dass der Zeuge F. Angaben zum wesentlichen Inhalt der FRS gemacht hätte und die funktionalen Anforderungen der FRS anhand der Excel-Tabelle in Anlage C-52 erläutert hätte (S. 4, 7 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2634, 2637 d. A.). Die Antragsstellerin verkennt ihre jeglichen Beweisfragen vorrangige Darlegungsobliegenheit. Das Schiedsgericht hat deutlich gemacht, dass es den Vortrag der Antragstellerin als unzureichend bewertet und hat deshalb von weiteren Beweiserhebungen abgesehen. Das Interesse einer Partei daran, erforderlichen Sachvortrag durch Ergebnisse einer Beweisaufnahme ersetzen zu dürfen, ist weder im Verfahren nach der ZPO, noch im Schiedsverfahren schutzwürdig.
184Es verfängt auch nicht, wenn die Antragstellerin vorträgt, im Falle ordnungsgemäßer Hinweiserteilung hätte sie hilfsweise zur Verletzung von „Mitwirkungspflichten“, insbesondere Neben- und Warnpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB vorgetragen und ausgeführt, dass selbst bei Annahme eines Dienstvertrages die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der Vergütung sowie zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sei (S. 4 f. des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2634 f. d. A.). Die Antragstellerin gibt an, sie hätte zu Mitwirkungspflichten vorgetragen, gibt aber nicht an, welchen bislang nicht vorgetragenen Lebenssachverhalt (Sachvortrag) sie dem Schiedsgericht zur Prüfung unterbreitet hätte. So bleibt es ebenso wie bei dem Verweis auf den Dienstvertrag bei der Äußerung von Rechtsansichten, zu denen das Schiedsgericht indes bereits Stellung genommen hat. Das Schiedsgericht hat bereits ausgeführt, dass und warum es nicht von einer Verletzung von etwaigen Warn- und Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB ausgeht (Rn. 462 f. des Schiedsspruchs). Auch hat das Schiedsgericht begründet, warum es auch bei Annahme eines Dienstvertrages unzureichende Darlegungen der Antragstellerin annimmt (Rn. 456 des Schiedsspruchs).
185dd) Modifizierung Beweisthema / Abbruch der Beweisaufnahme
186Soweit die Antragstellerin moniert, fehlerhaft habe das Schiedsgericht im Nachgang zu PO 18 den dem Sachverständigen zu erteilenden Auftrag (also das Beweisthema) modifiziert und im Ergebnis die Begutachtung ohne/vor inhaltlicher Überprüfung des Quellcodes durch den Sachverständigen abgebrochen, worin sie eine Gehörsverletzung sieht (S. 5 f., 31-34, 41-43 der Antragsschrift, Bl. 8 f., 35-37, 44-46 d. A.; S. 8-10 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2638-2640 d. A.), greift auch dies nicht durch.
187aaa)
188Es war nicht i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO in endergebnisrelevanter Weise verfahrensfehlerhaft, dass das Schiedsgericht das Beweisthema modifiziert und die Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten beendet hat. Vielmehr bewegten sich die Anordnungen im Rahmen des dem Schiedsgericht nach § 27.1 DIS-SchGO eingeräumten Ermessens bei der Sachverhaltsaufklärung, zumal die Befugnis zur Einleitung selbst relationstechnisch nicht veranlasster Beweiserhebungen spiegelbildlich die Befugnis zur Beendigung von Beweisaufnahmen aus welchem Grund auch immer umfasst, wogegen die Frage der Nichterhebung angebotener und relationstechnisch veranlasster Beweise nicht die Frage der Verfahrensfehlerhaftigkeit im engeren Sinne, sondern eher die Frage der Behinderung bei Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO) oder/und die Frage der Gehörsverletzung betrifft. Insoweit fehlt aber jedenfalls die Endergebnisrelevanz, weil die Entscheidung nicht bzw. nicht nur auf fehlende Erkenntnisse zur Mangelhaftigkeit, sondern auch und vor allem auf den vorgelagerten Aspekt unzureichender Darlegungen zur Sollbeschaffenheit gestützt wird.
189bbb)
190Eine Gehörsverletzung kann auch nicht mit dem Verweis auf die Möglichkeit begründet werden, dass die Fortsetzung der Beweisaufnahme Tatsachen hätte zutage treten lassen können, die anstelle des unzureichenden Klägervortrages zur Anspruchsbegründung hätten herangezogen werden können.
191Insoweit ist zunächst auszuschließen, dass die sachverständige Begutachtung Erkenntnisse zu der Frage erbracht hätte, inwieweit es hinsichtlich der Festlegung der während eines Sprints zu erzielenden Arbeitsergebnisse zu einer Vereinbarung zwischen Vertretern der Parteien gekommen ist, da es sich hier um einen Aspekt handelt, zu dessen Beantwortung zunächst einmal konkrete Tatsachenbehauptungen hätten aufgestellt werden müssen, zu deren Beweis sodann insbesondere die Vernehmung von Zeugen in Betracht gekommen wäre.
192Zudem kann § 27.1 DIS-SchGO nicht dahin ausgelegt werden, dass das Interesse einer Partei daran, mittels eines Sachverständigengutachtens der Mühe zur schlüssigen Anspruchsbegründung enthoben zu werden, in einer die Annahme einer Gehörsverletzung rechtfertigenden Weise von der Regelung geschützt würde (s. o. unter II. 2. c) cc) aaa)).
193ccc)
194Eine Gehörsverletzung kann auch nicht aus dem Vortrag hergeleitet werden, das Schiedsgericht habe es unterlassen, auf eine veränderte rechtliche Bewertung und/oder die Beendigung der sachverständigen Begutachtung hinzuweisen.
195Insoweit es zuträfe, dass das Schiedsgericht die Parteien über die E-Mail-Korrespondenz mit dem Sachverständigen vom 25./26.09.2020, wonach der Sachverständige die Frage, ob er in der Lage sei, die 134 „verifiable issues“ (nachweisbaren Probleme, Mängelliste) spezifischen Sprint-Backlogs zuzuordnen verneint habe, erst im Rahmen des Schiedsspruchs informiert habe, wäre dies zwar eine Gehörsverletzung.
196Allerdings führt das Schiedsgericht in Rn. 267 f. des Schiedsspruchs (Bl. 1658 d. A.) aus, es habe den Parteien die E-Mail-Korrespondenz mit dem Sachverständigen vom 25./26.09.2020 mit Schreiben vom 29.09.2020 übersandt – dass dies im Schiedsspruch unzutreffend dargestellt worden sein soll, trägt auch die Antragstellerin nicht vor.
197Aufgrunddessen versteht der Senat den Vortrag der Antragstellerin (S. 42 Antragsschrift, 2. Absatz, Bl. 45 d. A.) dahin, dass geltend gemacht werden soll, das Schiedsgericht habe es pflichtwidrig unterlassen, die Parteien noch vor dem Schiedsspruch auf die Bedeutung hinzuweisen, welche es den E-Mails beimesse.
198Auch insoweit kann indes dahinstehen, inwieweit eine Hinweispflicht bestand, da jedenfalls die Endergebnisrelevanz einer etwaigen Gehörsverletzung nicht dargelegt ist, da das Schiedsgericht zumindest neben der Frage der Istbeschaffenheit auch auf unzureichende Darlegung verbindlicher Vereinbarungen zur Sollbeschaffenheit abstellt.
199Soweit die Antragstellerin demgegenüber ausführt, das Schiedsgericht habe sich maßgeblich auf die E-Mail des Sachverständigen vom 26.09.2020 gestützt und hierzu auf Rn. 446 des Schiedsspruchs verweist (S. 41 f. der Antragsschrift, Bl. 44 f. d. A.), greift dies nicht durch. Zwar ist zutreffend, dass das Schiedsgericht in Rn. 446 des Schiedsspruchs (Bl. 1695 d. A.) ausführt, der Sachverständige habe am 26.09.2020 mitgeteilt, ihm sei eine Zuordnung der Ticketliste (134 Issues) zu bestimmten Sprint-Backlogs nicht möglich.
200Tragend ist jedoch die Erwägung in Rn. 444, wonach die Antragstellerin unzureichend vorgetragen habe, welcher FRS in welchem Sprint umgesetzt werden solle. In diesem Zusammenhang wird in Rn. 446 lediglich erläutert, dass eine Zuordnung (hier: zur Mängelliste) auch mit sachverständiger Hilfe nicht hat vorgenommen werden können, was indes die Istbeschaffenheit betrifft und die Frage unzureichender Darlegung der Vereinbarung von Sollbeschaffenheiten gerade nicht berührt. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Schiedsgericht in Rn. 480 des Schiedsspruchs (Bl. 1704 d. A.) ausdrücklich klarstellt, dass es unzureichenden Vortrag annahm und es als nicht ausgeschlossen ansah, dass das Vortragsdefizit mit Ergebnissen der sachverständigen Begutachtung würde gefüllt werden können. Insoweit ist auch an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass dann, wenn das Schiedsgericht im Rahmen seines Ermessens nach § 27 DIS-SchGO relationstechnisch nicht angezeigte Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung durchführt, entgegen der Ansicht der Antragstellerin (S. 9 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2639 d. A.) weder eine Dispensierung der Darlegungsobliegenheiten, noch eine Selbstbindung des Schiedsgerichts eintritt (s. o. unter II. 2. c) cc) aaa)).
201ee)
202Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.11.2023 geltend macht, auch dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein, dass das Schiedsgericht ihren Vortrag zu einem Anspruch aus einer Garantie i. V. m. §§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe (S. 5 des Schriftsatzes vom 17.11.2023, Bl. 2635 d. A.), greift auch dies nicht durch. Das Schiedsgericht hat unter Rn. 461, 462 des Schiedsspruchs ausgeführt, dass und warum es auch insoweit den Vortrag der Antragstellerin als unzureichend ansieht. Ergänzende Angaben macht die Antragstellerin indes auch im Aufhebungsverfahren nicht. Es bestehen weder Anhaltspunkte für einen Gehörsverstoß, noch dafür, dass das Schiedsgericht bei einer wiederholten Unterbreitung der Rechtsansicht der Antragstellerin zur Frage eines Anspruchs aus einer Garantie zu einer anderen Bewertung kommen könnte.
203d) § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO
204aa)
205Der Senat überprüft die inhaltliche Richtigkeit der Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht nicht, sondern nur, ob der Schiedsspruch zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2014 – III ZB 40/13, juris, Rn. 7 f.; OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2017 – 19 Sch 6/17, juris, Rn. 18). Das Verbot der révision au fond, nach der die materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs nicht zu prüfen ist, gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Verfahren nach den §§ 1059, 1060 ZPO. Ein Schiedsspruch kann deshalb nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO nur aufgehoben werden, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
206Ein Verstoß gegen den materiellrechtlichen ordre public setzt voraus, dass das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Danach stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – I ZB 49/19, juris, Rn. 9 m. w. N.; vgl. auch Senat, Beschlüsse vom 04.08.2017 – 19 Sch 6/17, juris, Rn. 18; vom 30.12.2015 – 19 Sch 27/14, juris, Rn. 42). Das ist der Fall, wenn eine Norm verletzt wird, welche die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn der Schiedsspruch in einem untragbaren Widerspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen steht, er also die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt (BGH, Beschluss vom 30.10.2008 – III ZB 17/08, juris, Rn. 5). Daran fehlt es indes.
207bb)
208Die Ausführungen der Antragstellerin (S. 46 f. Antragsschrift, Bl. 49 f. d. A.) erschöpfen sich im Verlangen nach einer révision au fond. Die Antragstellerin unterbreitet im Wesentlichen diejenigen Aspekte, die sie zuvor als Gehörsverletzungen hat bewertet sehen wollen, ein weiteres Mal verbunden mit der Erläuterung ihres Rechtsstandpunktes, es handle sich um eine Verletzung des (materiellrechtlichen) ordre public und die Ausführungen des Schiedsgerichts seien von Willkür und sachfremden sowie widersinnigen Erwägungen geprägt. Für diese Annahme besteht auf Grundlage vorstehender Ausführungen indes keine Veranlassung.
209Soweit die Antragstellerin geltend macht, es sei unstreitig, dass das Projekt abgeschlossen und die Software übergeben worden sei (S. 47 der Antragsschrift, Bl. 50 d. A.), kann dies dahinstehen. Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin behauptet hat, ihr Auftrag habe nur im Bereitstellen (personeller) Ressourcen ohne Übernahme einer Ergebnisverantwortlichkeit bestanden. Es verstößt nicht gegen den ordre public und ist insbesondere weder willkürlich, noch sachfremd oder widersinnig, wenn das Schiedsgericht aufgrund dieses Vortrages der Antragsgegnerin ergänzenden Vortrag zum Zustandekommen einer oder mehrerer verbindlicher Vereinbarungen über das Erzielen bestimmter Ergebnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt für erforderlich erachtet. Ein Verstoß gegen Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung ist nicht festzustellen.
210III.
211Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf den § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.