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Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 14.11.2023 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 6.11.2023 (28 O 504/223) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Gläubiger.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde des Gläubigers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat seinen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO zu Recht zurückgewiesen, da der Schuldner mit den Beiträgen „D. H.? R. T.“ vom 00.00.2023 (vgl. Bl. 191-201 Ordnungsmittelheft) bzw. „F. L. H.: R. T. und S. J.“ vom 00.00.2023 (vgl. Bl. 185-190 Ordnungsmittelheft) nicht gegen die im Beschluss des Landgerichts vom 13.9.2023 titulierte Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat.
31. Das Landgericht hat dem Schuldner mit der vorgenannten einstweiligen Verfügung vom 13.9.2023 verboten, identifizierend unter Nennung des Namens „S. J.“ und/oder der Initialen „R.“ in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsrat der R. T. AG über den Verdacht zu berichten, dass sich der Gläubiger wegen mehrfachen Betrugs nach Art. 146 StGB (Y.) strafbar gemacht habe. Im Tenor der einstweiligen Verfügung sind insofern die Berichte „D. H.? R. T. – C. gg. S. J.“ vom 00.00.2023 (im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegt als Anlagenkonvolut AS 3, vgl. Bl. 28-39 d.A.) sowie „F. L. H.: R. T. und S. J.“ vom 00.00.2023 (im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegt als Anlagenkonvolut AS 4, vgl. Bl. 40-47 d.A.) als konkrete Verletzungsform in Bezug genommen worden. Diese URL stimmen zwar mit den im Ordnungsgeldantrag genannten URL überein. Der Schuldner hat jedoch die unter diesen URL auf seinem Blog veröffentlichten Beiträge inhaltlich derart abgeändert, dass er mit ihrer weiteren Veröffentlichung nicht gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung verstößt.
4a. Ob ein beanstandetes Verhalten von einem gerichtlichem Unterlassungsgebot erfasst wird, hat das nach § 890 ZPO zuständige Prozessgericht durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu beurteilen, wobei die Auslegung vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen hat und erforderlichenfalls ergänzend die
5Entscheidungsgründe und die Antrags- oder Klagebegründung heranzuziehen sind. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind dagegen bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2023 – VI ZB 79/21, juris; BGH, Beschl. v. 13.10.2022 – I ZR 98/21, GRUR 2023, 839; BVerfG, Beschl. v. 13.4.2022 – 1 BvR 1021/17, GRUR 2022, 1089). Dabei umfasst das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot bestimmter Äußerungen nicht nur wortgleiche Wiederholungen. Es greift vielmehr auch dann, wenn die verbotenen Äußerungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung sind, sofern etwaige Abweichungen den Aussagegehalt im Kern unberührt lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2023 – VI ZB 79/21, juris; BGH, Urt. v. 24.7.2018 – VI ZR 330/17, VersR 2019, 243; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 232/08, AfP 2009, 406; BVerfG, Beschl. v. 9.7.1997- 1 BvR 730/97, juris). Würden nur identische Äußerungen die Rechtsfolge des § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO auslösen, wäre die effektive Durchsetzung von auf Unterlassung von Äußerungen gerichteten Ansprüchen wesentlich erschwert und ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit nicht gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.7.1997 – 1 BvR 730/97, juris).
6b. Nach diesen Grundsätzen fallen die inhaltlich abgeänderten Veröffentlichungen des Schuldners vom 00.00.2023 und 00.00.2023 nicht unter den Verbotstenor des Landgerichts.
7Durch die Beschlussverfügung vom 13.9.2023 ist es dem Schuldner untersagt worden, identifizierend über einen gegen den Gläubiger bestehenden Verdacht zu berichten, er habe sich wegen mehrfachen Betrugs nach Art. 146 StGB (Y.) strafbar gemacht. Hiermit ist dem Schuldner jedoch nicht generell untersagt worden, über die Geschehnisse im Zusammenhang mit der R. T. AG sowie darauf bezogene Untersuchungen der N. Behörden zu berichten oder den Namen des Gläubigers in seinen Beiträgen zu nennen. Ihm ist auch kein abstraktes Themenverbot auferlegt, sondern – wie sich aus den Gründen der Beschlussverfügung ergibt – im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte des Gläubigers lediglich verboten worden, über ein gegen diesen gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen mehrfachen Betruges nach N. Recht im konkreten Kontext zu berichten. Die abgeänderten Berichte vom 00.00.2023 und 00.00.2023, wie sie der Gläubiger mit dem Ordnungsmittelantrag vorgelegt hat, enthalten jedoch keine solche Verdachtsäußerung zu Lasten des Gläubigers hinsichtlich einer Strafbarkeit wegen mehrfachen Betruges.
8aa. Während sich die Unterlassungsverfügung auf den Beitrag vom 00.00.2023 in einer Fassung bezieht, in welcher bereits in der Überschrift von „C. gegen S. J.“ die Rede ist, fehlt dieser auf die Person des Gläubigers bezogene Passus in der geänderten Berichterstattung. Hier ist als Titelzeile lediglich die Formulierung „D. H.? R. T.“ verblieben. Auch ist im weiteren Verlauf des Textes nicht mehr von einer für den Gläubiger eingreifenden Unschuldsvermutung, einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, dem zugehörigen Aktenzeichen sowie dem Vorwurf „wegen mehrfachen Betrugs Art 146 StGB (Y.)“ nebst Wiedergabe dieser Strafvorschrift die Rede. Vielmehr wird lediglich dargestellt, dass es „offenbar neue Entwicklungen (gebe), welche das Gesamtkonstrukt in Frage stellen“ und es wird vom Autor die Forderung gestellt, dass „die R. T. AG hier unverzüglich für Aufklärung sorgen“ sollte. Aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten geht es in diesem (geänderten) Bericht nicht um den Verdacht, dass der Gläubiger sich wegen mehrfachen Betruges strafbar gemacht hat, sondern vielmehr um ein – in tatsächlicher Hinsicht nicht näher beschriebenes und daher weitgehend im Unklaren bleibendes – Geschehen, welches sich im Umfeld der R. T. AG abspielt, die hinsichtlich der „Dokumente mit erheblicher Sprengkraft“ für Aufklärung sorgen solle. Es werden weder betrügerische Handlungen im Bereich des Kapitalmarktes beschrieben noch ein Bezug zwischen diesen und dem Gläubiger hergestellt. Ein solcher persönlicher Bezug des Gläubigers zu „Vorwürfen“, denen ausweislich der geänderten Berichterstattung schon kein betrügerischer Inhalt entnommen werden kann, ergibt sich auch nicht aus der abschließenden Formulierung: „Update 11. September 2023: S. J. teilt uns schriftlich mit, dass die Vorwürfe nicht zutreffend seien.“ Denn auch insofern ist für den durchschnittlichen Rezipienten nicht erkennbar, worin genau diese Vorwürfe bestehen sollen und gegen wen sie erhoben werden.
9bb. Auch hinsichtlich des Berichtes vom 00.00.2023 führt die vom Schuldner vorgenommene inhaltliche Abänderung dazu, dass ein Verstoß gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht festgestellt werden kann. Während sich die Unterlassungsverfügung auf eine Fassung bezieht, in welcher es heißt: „Die Ermittlungen werden den uns vorliegenden Unterlagen zufolge von der Staatsanwaltschaft Ü./Y. geführt“, im Anschluss daran ein Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft (STA-Nr. A2N 22 22060101) genannt wird und dann die Formulierung „der Tatvorwurf gegen S. J.: wegen mehrfachen Betrugs Art 146 StGB (Y.)“ sowie der Wortlaut der betreffenden Strafvorschrift wiedergegeben werden, ist in der geänderten Fassung des Beitrages (Bl. 188 ff. Ordnungsmittelheft), wie sie Grundlage des Ordnungsgeldantrags geworden ist, zwar von einem „mutmaßlichen H.“, von „Ermittlungen“ und von „gravierenden Vorwürfen die Rede“. Aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten wird in diesem Beitrag aber nicht darüber berichtet, dass gegen den Gläubiger wegen des Verdachts des mehrfachen Betruges nach Art. 146 StGB (Y.) ermittelt wird. Vielmehr wird auch hier kein konkretes Geschehen geschildert, was letztlich auch in dem ausdrücklichen Hinweis des Autors zum Ausdruck kommt, dass man sich zu der Frage „worum es denn genau gehen würde … separat äußern“ werde. Dem Leser wird damit deutlich, dass gerade kein konkreter Strafvorwurf gegen eine konkrete Person berichtet werden soll, sondern lediglich allgemein über – nicht näher konkretisierte – Vorwürfe berichtet wird, die das Unternehmen treffen.
10An dieser Auslegung der Äußerung aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil der Schuldner den Begriff „H.“ benutzt. Zwar stellt der Senat nicht in Abrede, dass durch die in der Überschrift des Beitrags erfolgte Verknüpfung des Begriffes „H.“ mit dem Namen des Gläubigers beim Rezipienten durchaus der Eindruck entstehen könnte, der Gläubiger habe – ohne dass man tatsächliche Einzelheiten erfährt – etwas mit diesem „H.“ zu tun. Weder im Hinblick auf die Wortbedeutung noch durch den Gesamtkontext wird dem Gläubiger damit allerdings ein strafbares Verhalten im Sinne eines mehrfachen Betruges vorgeworfen. Bei dem Begriff „Skandal“ handelt es sich laut Duden um ein „Geschehnis, das Anstoß und Aufsehen erregt“; synonym werden die Begriffe „Affäre, Ärgernis, Aufregung oder Aufsehen“ vorgeschlagen (www.duden.de/rechtschreibung/Skandal). Auch in Verbindung mit den im weiteren Beitrag genannten Begriffen „Vorwürfen“ und „Ermittlungen“ – in diesem Zusammenhang wird weder die Staatsanwaltschaft noch das dortige Aktenzeichen erwähnt – wird damit kein Verdacht eines strafbaren Verhaltens des Gläubigers erhoben.
112. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
123. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Vorliegend geht es allein um Fragen der Auslegung von Äußerungen bzw. des Titels im Einzelfall.
134. Der Festsetzung eines Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es im Hinblick auf die für das Gericht anfallenden Festgebühren (KV-GKG Nr. 2111, 2121) nicht.