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In dem Rechtsstreit
beabsichtigt der Senat, die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 29. März 2023 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln durch Beschluss zurückzuweisen. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen und die Berufung insbesondere offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit durchweg zutreffender und überzeugender Begründung zu Recht zurückgewiesen. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Das Landgericht hat unterstellt, dass die angegriffenen Veröffentlichungen von Spekulationen über eine Liebesbeziehung der Verfügungsklägerin in deren Recht auf Achtung der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) eingreifen. Zutreffend hat es dieses Recht gegen das Recht der Verfügungsbeklagten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK) abgewogen und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin die schutzwürdigen Belange der anderen Seite nicht überwiegt, weil sich die angegriffenen Äußerungen durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen.
2Dabei hat das Landgericht zu Recht in erster Linie darauf abgestellt, dass die Verfügungsklägerin - ebenso wie der Kläger des vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 2. August 2022 (VI ZR 26/21; vgl. AfP 2022, 419 Rn. 19 f.) entschiedenen Verfahrens und anders als der Kläger des mit Urteil vom 2. Mai 2017 (VI ZR 262/16; vgl. AfP 2017, 310) entschiedenen Verfahrens - durch eine Vielzahl eigener öffentlicher Äußerungen, auf die in der Berichterstattung auf www.E..de auch Bezug genommen wird („Erst im November vergangenen Jahres machte U. L. deutlich, dass sie ein absoluter Beziehungsmensch sei …“), ein Informationsinteresse an einer neuen Liebesbeziehung selbst begründet hat. Dabei standen die Äußerungen der Verfügungsklägerin - anders als die Äußerungen in dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Dezember 2022 (VI ZR 237/21; vgl. AfP 2023, 54 Rn. 36 f.) entschiedenen Fall - in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang mit den angegriffenen Berichterstattungen. Des Weiteren hat die Verfügungsklägerin zwar zu keinem Zeitpunkt Namen aktueller oder früherer Partner bekannt gegeben und hat auch keine konkreten Einzelheiten aus ihrem Beziehungsleben offenbart. Gleichwohl gingen ihre Äußerungen über allgemeine, kein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit begründende Aussagen deutlich hinaus.
3So hat die Verfügungsklägerin sich im Jahr 2014 öffentlich zur Trennung von ihrem früheren langjährigen Lebensgefährten und zu den Gründen für die Trennung („Wir haben uns leider auseinandergelebt. Es lag nicht an meiner Karriere …“) geäußert. Im Jahr 2018 ist sie öffentlich auf dieses Thema zurückgekommen, indem sie sich zum Zustandekommen und der Dauer der beendeten Beziehung geäußert (… war ich 18. Und gesehen und war sofort verliebt - und hat ja auch sieben Jahre gehalten …“) und zugleich offenbart hat, dass es ihr in der Zeit nach dem Ende der Beziehung „nicht nochmal passiert [ist], dass ich jemanden gesehen habe und sofort verliebt war.“ Im selben Jahr hat sie öffentlich über eigene Erfahrungen mit dem Thema „Fremdgehen“ und dem „Gefühl des Betrogenwerdens“ gesprochen und hat zudem auf verschiedenen Kanälen öffentlich über eine gescheiterte Verlobung berichtet („Also das war sehr liebevoll gemacht, aber dann auch am nächsten Morgen merkt man so: ‚Oh, wir kennen uns erst drei Monate - ich glaube, ich brauche noch ein bisschen Zeit‘“). Darüber hinaus hat sie in den Jahren 2014 bis 2021 wiederholt ihr „Single-Dasein“ öffentlich thematisiert („… ich bin Single“, „Ich bin doch nicht in einer Beziehung. Also führe ich jetzt eine offene Beziehung, wenn ich mich date mit mehreren Männern?“) und hat sich wiederholt öffentlich zu ihren Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich einer Liebesbeziehung erklärt. Im Jahr 2020 hat sie in Aussicht gestellt, die Öffentlichkeit an einer zukünftigen Beziehung teilhaben zu lassen („Und wenn es dann mal was Neues gibt, Neuigkeiten, dann wird es bestimmt auch die große Welt erfahren.“). Ausweislich des angegriffenen Berichts auf www.E..de hat sie schließlich im November 2022 öffentlich geäußert, sie „würde gerne alles mit einem Menschen teilen, den ich liebe.“ Dass sich die Verfügungsklägerin, die als Person des öffentlichen Lebens eine Leitbild- und Kontrastfunktion erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - VI ZR 237/21, AfP 2023, 54 Rn. 26, 35), in der beschriebenen Weise präsentiert und dadurch ein Interesse an möglichen künftigen Beziehungen selbst geweckt hat, fällt im Rahmen der Abwägung erheblich ins Gewicht - mag der konkrete Fall möglicherweise auch nicht ganz so eindeutig ausfallen wie derjenige einer bekannten sogenannten Sexbloggerin im Urteil des Senats vom 27. August 2020 - 15 U 12/20 - (n.v.) mit einer noch stärkeren Aufmerksamkeitserweckung.
4Zwar unterscheidet sich der Streitfall vor allem dadurch von dem Fall, den der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 2. August 2022 - VI ZR 26/21 - entschieden hat, dass im Streitfall die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten kein öffentliches Interesse an einer konkreten Liebesbeziehung gerade zu dem in der Berichterstattung genannten Partner erweckt hat (vgl. AfP 2022, 419 Rn. 21 f.).
5Stattdessen ist im Streitfall aber zu Lasten der Verfügungsklägerin zu berücksichtigen, dass auch in Bezug auf ihren angeblichen Partner ein - wenn auch nicht allzu großes - öffentliches Informationsinteresse besteht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - VI ZR 237/21, AfP 2023, 54 Rn. 30). Denn der angebliche Partner ist, was in den angegriffenen Berichten auch thematisiert wird, als ehemaliger xxx. Landtagsabgeordneter ein - wenn auch bundesweit nicht sehr bekannter - Politiker, der als heutiger Berater des s. Außenministers weiterhin eine Aufgabe im politischen Raum wahrnimmt und dies nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Verfügungsbeklagten auch öffentlich kommuniziert (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, AfP 2012, 53 Rn. 18). Dass der angebliche Partner heute in der S. tätig ist, während die angegriffenen Berichterstattungen auf den deutschsprachigen Raum ausgerichtet sind, ist dabei schon mit Blick auf die engen Verbindungen zwischen O. und der S. und die große Zahl in O. lebender wahlberechtigter s. Staatsbürger unerheblich.
6Angesichts des nach alledem vorliegenden öffentlichen Informationsinteresses überwiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin die schutzwürdigen Belange der anderen Seite nicht. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts stellt die Mitteilung, dass und mit wem die Verfügungsklägerin neuerdings liiert sein könnte, für sich genommen jedenfalls keinen schwerwiegenden Eingriff in ihre Privatsphäre dar (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2022 - VI ZR 26/21, AfP 2022, 419 Rn. 23). Die angegriffenen Berichte enthalten weder ehrenrührige Äußerungen noch werden dem Leser irgendwelche Einzelheiten über die angebliche Beziehung mitgeteilt.