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Unter Klageabweisung im Übrigen wird die Beklagte zu 1) verurteilt, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu erteilen, insbesondere zu den an die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) übermittelten personenbezogenen Daten der Klägerin.
G r ü n d e:
2I.
3Der Streithelfer der Klägerin - zugleich deren Prozessbevollmächtigter - macht im Berufungsrechtszug für die Klägerin nur noch datenschutzrechtliche Auskunfts- und Ersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) geltend, während in erster Instanz primär gegen die beiden Beklagten verfolgte arzthaftungsrechtliche Ansprüche nicht weiterverfolgt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Schlussanträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 29.08.2022 verwiesen (Bl. 693 ff. d.A.).
4Das Landgericht hat mit diesem - in juris veröffentlichten - Urteil die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – dabei den datenschutzrechtlichen Auskunftsantrag als von Anfang an für eine Handlungsvollstreckung zu unbestimmt bewertet, u.a. weil nicht auf einen der nach der Aufbewahrungsverordnung der früheren Löschung unterliegenden Aktenbestandteil (hier: „Anl. 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019“) verwiesen werden dürfe. Auch die Erledigungserklärungen der Klägerin vom 21.04.2022, 28.07.2022, 05.08.2022 und 12.08.2022 hätten nicht zur Bestimmtheit des Antrages verholfen; die Erklärungen vom 21.04.2022 und 05.08.2022 seien selbst zu unbestimmt, u.a. weil nicht zu erkennen sei, welche konkreten Ausführungen in den Schriftsätzen der Beklagten zu 1) vom 14.04.2022 und vom 01.08.2022 nebst Anlagen als (Teil-)Erfüllung angesehen würden. Der in der einseitigen Erledigungserklärung vom 28.07.2022 liegende Feststellungsantrag mit Bezug auf das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12.07.2022 sei unbegründet, weil der Klageantrag mangels Bestimmtheit - wie gezeigt - bereits ursprünglich unzulässig gewesen sei. Der damit zur Entscheidung gestellte Hilfsantrag sei zulässig - weil sich der Umfang der Auskunft aus dem Gesetz ergebe -, aber unbegründet, wobei ein Recht auf Kopie aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO - das nicht von dem Auskunftsbegehren miterfasst und in Art. 15 Abs. 4 DSGVO als eigenständiges Recht benannt sei - nicht streitgegenständlich sei. Auch über „personenbezogene Daten“ der Klägerin hinausgehende „Informationen“ i.S.d. Art. 15 Abs. 1 DSGVO wie diejenigen i.S.d. Art. 15 Abs. 1 lit c) DSGVO seien nicht begehrt; der Informationsanspruch sei vom Anspruch auf Auskunft über verarbeitete „personenbezogene Daten“ zu unterscheiden. Der so verstandene Auskunftsanspruch sei durch die - abschließend gemeinte - Erklärung der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2022 (S. 2 f. des Protokolls = Bl. 666 f. d.A.) erfüllt. Zur Korrespondenz und zu Vermerken habe man als sog. Negativauskunft erklärt, dass diese über die erteilten Auskünfte hinaus keine personenbezogenen Daten enthalten würden. Rechtliche Analysen könnten zwar personenbezogene Daten enthalten, die auf Grundlage dieser Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage sei aber keine Information über den Betroffenen (EuGH v. 17.07.2014 - Rs. C-141/12 und C-372/12, juris). Damit habe man nicht in einem bestimmten Bereich nur eine lückenhafte Auskunft erteilt, sondern eine vollständige Negativauskunft. Zudem mache die Klägerin „keine – hinreichend bestimmte – Ergänzung der bereits zuvor erteilten Auskunft geltend, sondern eine umfassende Auskunft, die die Beklagte zu 1) bereits zuvor – wenn auch zunächst rechtsirrig – als vollständig erfüllt angesehen“ habe. Ansprüche aus Art. 82 DSGVO schieden aus; die Klägerin habe einen immateriellen Schaden nicht dargetan. Zunächst sei zu berücksichtigen, dass die meisten Informationen durch die Übersendung der Behandlungsunterlagen und die Teilnahme am Gutachterverfahren usw. bekannt gewesen seien. Dass die seitens der Beklagten ergänzten Auskünfte für die Klägerin relevant und die Verzögerung sie habe beeinträchtigen können, sei nicht vorgetragen. Da der Auskunftsantrag bereits ursprünglich mangels ausreichender Bestimmtheit unzulässig gewesen sei, seien schließlich die auf die §91a-ZPO-Teile entfallenden Kosten ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf S. 8 ff./16 ff. der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 700 ff./708 ff. d.A.).
5Der Streithelfer hat am 30.09.2022 gegen das der Klägerin am 30.08.2022 zugestellte Urteil zeitgleich mit der Erklärung seines Beitritts auf Klägerseite und mit dem Zusatz „in meiner Stellung als Streithelfer“ Berufung eingelegt und verfolgt damit die erstinstanzlichen Schlussanträge der Klägerin (nur) zu Ziff. 4 und Ziff. 5 weiter, dies mit dem Ziel auch der Korrektur der Kostengrundentscheidung und unter Angabe eines Mindestbetrages für das Ersatzbegehren nur noch in Höhe von 500 EUR (S. 4 der Berufungsschrift = Bl. 8 d.A.). Der Streithelfer rügt, dass der ursprüngliche Klageantrag zur Auskunftserteilung – mit deren Erfüllung die Beklagte zu 1) auch nach Auffassung des Landgerichts bei Klageerhebung in Schuldnerverzug gewesen sei – ebenso zulässig gewesen sei wie die spätere, nur an die geänderte Prozesssituation angepasste Fassung der Anträge, zumal man die in Bezug genommenen Behandlungsunterlagen im OH-Verfahren (Anlage 31) zu den Akten gereicht habe und das Landgericht seinen Bedenken durch Verbindung der Unterlagen mit dem Titel hätte ausräumen können. Insofern sei auch mit Blick auf § 91a ZPO keine Kostenhaftung der Klägerin zu begründen. Das Landgericht habe verkannt, dass einer Partei, die – wie hier – die zu beauskunfteten Daten nicht kenne, nichts Unmögliches bei der Antragstellung abverlangt werden dürfe, etwaige „Restunsicherheiten“ hinzunehmen und im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu klären seien. Entgegen der Rechtsprechung des BAG seien die Betroffenen hier nicht auf Stufenklagen (§ 254 ZPO) zu verweisen, sondern Auskunftsbegehren seien entsprechend dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu tenorieren. Auch die Teilerledigungserklärungen unter Bezug auf konkrete Schriftsätze der Beklagten zu 1) seien - entgegen dem Landgericht - ausreichend klar. Es sei nicht der Klägerseite anzulasten, dass die Beklagte zu 1) im „Stakkato-Stil“ vorgetragen habe und ihr die Datenauskunft „förmlich (habe) „aus der Nase gezogen“ werden“ müssen. Es könne nicht angehen, dass die Beklagtenseite „durch das fortgesetzte Einfüttern von „Auskunftshäppchen“ in den laufenden Rechtsstreit“ in den Stand gesetzt werde, die Klägerseite „quasi vor sich her(zu)treiben.“ Sehe man das anders, habe das Landgericht durch Nichterteilung von rechtzeitigen Hinweisen vor der mündlichen Verhandlung, die Nichtgewährung des Schriftsatznachlasses, die Ablehnung der beantragten Vertagung und die fehlende Wiedereröffnung rechtliches Gehör verletzt, weil man in dem nach § 128a ZPO stattfindenden Termin nicht in „kleinteiliger „Buchhaltungsarbeit““ einen „seitenlangen überarbeiteten Klageantrag“ habe stellen können. Auch einen „positiven Antrag“ zu offenen Auskunftspositionen mit einer „Art numerus clausus an Daten“ habe man nicht stellen können, da die Beklagte zu 1) ihren (verbliebenen) Datenbestand nicht offengelegt habe. Dass noch etwas „offen“ gewesen sei, sei gewiss, zumal die Parteien im Verlauf des Rechtsstreits u.a. darüber gestritten hätten, dass die Beklagte zu 1) Daten zu beauskunften habe, die sie mit der Haftpflichtversicherung ausgetauscht habe. Tatsächlich habe die Beklagte zu 1) erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2022 auf die „Y.“ und die D. L. C. verwiesen und weder klargestellt, welche Daten zur „Y.“ übermittelt worden seien noch um wen es sich dabei konkret handelte, da „Y.“ eine Konzernmutter sei. Zumindest sei der - auch vom Landgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls (S. 2 = Bl. 666 d.A.) als bedenkenfrei erkannte - Hilfsantrag begründet. Zum einen sei mit dem Antrag auf „vollständige Datenauskunft gemäß Art. 15 DS-GVO“ richtigerweise hier auch das Recht auf Kopie geltend gemacht worden. Schon allein deswegen sei keine Erfüllung durch die Einlassung der Beklagten zu 1) im Termin vom 12.08.2022 eingetreten, zumal man sich nur ohne prüfbaren Vortrag auf „geschützte Daten“ und Art. 15 Abs. 4 DSGVO berufen , das Vorhandensein weiterer Korrespondenz mit dem Versicherer eingeräumt habe und daher keine „Vollständigkeitserklärung“ vorliege i.S.v. BGH v. 15.6..2021 – VI ZR 576/19, juris Rn. 19. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte zu 1) zu Protokoll gegeben habe, dass ein Anspruch auf Beauskunftung interner (Telefon-)Vermerke oder Schriftverkehr mit Dritten grundsätzlich nicht bestehe. Wenn das Landgericht festgestellt habe, die Beklagte zu 1) habe „erklärt, dass solche Korrespondenz und Vermerke nicht über die bereits erteilten Auskünfte hinaus personenbezogene Daten“ enthalte, sie dies reine Spekulation und man hätte zumindest dem zur Unvollständigkeit der Beauskunftung von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweis durch den Datenschutzbeauftragten nachkommen müssen.
6Zu Art. 82 Abs. 1 DSGVO liege mit dem erstinstanzlichen Vortrag ein Schaden vor in Form der vorsätzlichen und langanhaltenden Missachtung der Betroffenenrechte aus Art. 15 DSGVO. Man müsse erkennen, dass mit zunehmendem Zeitablauf und einer „renitenten Verweigerung“ der verantwortlichen Stelle (Rechtsungehorsam) sich der Schadensmoment sukzessive herausbilde.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrages im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsschrift mit der Beitrittserklärung (Bl. 4 ff. des Senatshefts), die Berufungsbegründung (Bl. 181 ff. des Senatshefts), die Schriftsätze vom 07.10.2022 (Bl. 46 ff. des Senatshefts), 31.10.2022 (Bl. 156 ff. des Senatshefts), 01.12.2022 (Bl. 229 ff. des Senatshefts), 09.12.2022 (Bl. 238 ff. des Senatshefts), 20.12.2022 (Bl. 261 ff. des Senatshefts), vom 06.03.2023 (Bl. 314 ff. des Senatshefts), vom 12.07.2023 (Bl. 325 ff. des Senatshefts) und vom 17.07.2023 (Bl. 341 ff. des Senatshefts) sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.07.2023 (Bl. 376 ff. des Senatshefts) Bezug genommen.
8Der Streithelfer der Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß,
9unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 29.08.2022 - 9 O 158/21 -
101) die Beklagte zu 1) zu verurteilen, der Klägerin gemäß Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DSGVO eine vollständige Datenauskunft – über die Behandlungsdokumentation in Anlage 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019 in dem Verfahren LG Bonn 9 OH 13/19 hinaus – zu erteilen, mit der Maßgabe, dass sich dieser Anspruch durch die teilweisen Erledigungserklärungen vom 21.04.2022 (Bl. 386 d. A.), vom 28.07.2022 (Bl. 602 d. A.), vom 05.08.2022 (Bl. 651 d. A.) sowie vom 12.08.2022 (Bl. 667 d.A.) teilweise erledigt hat;
11hilfsweise hierzu
12die Beklagte zu 1) zu verurteilen, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu erteilen, insbesondere zu den an die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) übermittelten personenbezogenen Daten der Klägerin;
132. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin für die verzögerliche Erteilung der Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO auf Basis von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2022.
14Die Beklagte zu 1) beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Die Beklagte zu 1) verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Auch durch Bezugnahme auf eine Anlage hätte man die Bestimmtheitserfordernisse nicht erfüllen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrages in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 286 ff. des Senatshefts) und den Schriftsatz vom 17.07.2023 (Bl. 334 ff. des Senatshefts) Bezug genommen.
17Die Akte LG Bonn - 9 OH 13/19 - lag in gescannter Form vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18II.
19Die Berufung hat nur in tenoriertem Umfang Erfolg.
201. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht von dem gemäß § 66 Abs. 2 ZPO zeitgleich wirksam seinen Beitritt (§ 70 ZPO) erklärenden Nebenintervenienten eingelegt. Mangels Rüge i.S.d. § 71 ZPO sind die Voraussetzungen der Nebenintervention selbst in einer Konstellation wie vorliegend, in der der in erster Instanz für seine rechtschutzversicherte Mandantin tätige Rechtsanwalt auf im konkreten Fall nur äußerst abstrakt-hypothetische Regressgefahren durch Mandantschaft oder Rechtsschutzversicherer (BGH v. 16.09.2021 – IX ZR 144/19, juris) hingewiesen hat (vgl. S. 2 f. des Beitrittsschriftsatzes = Bl. 7 f. des Senatshefts), jedenfalls nicht von Amts wegen zu überprüfen (st. Rspr., vgl. BGH v. 21.11.2018 – I ZR 10/18, NJW 2019, 1803 Rn. 11). Ungeachtet dessen werden aber jedenfalls halbwegs greifbare Regressansprüche gegen einen Anwalt als Anwendungsfall eines rechtlichen Interesses i.S.d. § 66 ZPO angesehen (Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 5. Aufl., § 66 Rn. 63d). Andere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. In Fällen sog. gemischter Kostenentscheidungen nach Teilerledigung i.S.d. § 91a ZPO - wie hier - kann anerkanntermaßen auch die Kostenentscheidung einheitlich mit einer Berufung in der Hauptsache zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt werden (statt aller Zöller/Althammer. ZPO, 34. Aufl. 2022, § 91a Rn. 56 m.w.N.).
21Soweit das Landgericht den Anspruch auf Kopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 DSGVO als einen eigenständigen Anspruch und daher als nicht vom streitgegenständlichen Auskunftsbegehren miterfasst angesehen hat (S. 16 f. des Urteils) – was mit dem sogleich noch zu Erörternden nicht überzeugt -, ist prozessual unschädlich, dass klägerseits dagegen nicht fristgerecht mit Anträgen i.S.d. § 321 ZPO vorgegangen worden ist. Denn wenn – wie hier – ein Urteil ohnehin auch aus anderen Gründen angefochten wird, kann eine Partei auch nach Ablauf der Fristen aus § 321 Abs. 2 ZPO und der dadurch bewirkten Beendigung der Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruches einen solchen Anspruch in der Berufungsinstanz durch Klageänderung oder Erweiterung des Klageantrages (§§ 263, 264 Nr. 2, 533 ZPO) wieder geltend machen (statt aller Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 321 Rn. 10 m.w.N.). Insbesondere an der Sachdienlichkeit bestehen hier keine Zweifel.
222. Die Berufung ist (nur) begründet mit Blick auf das Auskunftsbegehren - wobei der Senat den Klageantrag ausgelegt und nach dem ohnehin wirtschaftlich und sachlich absolut identischen Hilfsbegehren tenoriert hat, weil es auf eine Erledigungsfeststellung im Übrigen nicht ankommt. Dies beruft auf nachstehenden Erwägungen:
23a) Der Auskunftsantrag ist zulässig. Entgegen dem Landgericht bestehen keine Bestimmtheitsbedenken (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) an der ursprünglichen, offen gefassten Antragstellung aus der Klageschrift (Bl. 3 d.A.), die Beklagte zu verurteilen, „der Klägerin gem. Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DS-GVO eine vollständige Datenauskunft – über die Behandlungsdokumentation Anl. 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019 hinaus - zu erteilen“, an den daran dann anschließenden verschiedenen Teilerledigungserklärungen und/oder an dem wiederum auch eher offen gefassten Hilfsantrag.
24aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt jedoch auch von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. BGH v. 13.10.2015 - VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094 Rn. 19 m.w.N.).
25bb) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt es in den Fällen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO aber - insofern mit den Erwägungen des Landgerichts beim Hilfsantrag - grundsätzlich, wenn der Klageantrag dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die vom Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtet ist; eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich (zutreffend König, CR 2019, 295, 296 [= juris Rn. 9-11]; offenlassend noch BGH v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19, juris Rn. 32; BAG v. 16.12.2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 27). Denn aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes muss es einen Weg geben, den aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO folgenden Anspruch auch prozessual durchzusetzen. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Anspruchsteller durch sein Auskunftsbegehren erst die Informationen erlangen will, die ihm eine genaue Bezeichnung seiner vom Anspruchsgegner verarbeiteten personenbezogenen Daten ermöglichen (vgl. BAG v. 16.12.2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 26). Die Angabe solcher Informationen kann deshalb nicht Voraussetzung für die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs sein. Dass in Fällen, in denen der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, der Verantwortliche mit Blick auf den letzten Satz des Erwägungsgrundes 63 der DSGVO verlangen kann, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, kann hier dahinstehen. Dies betrifft ohnehin eher nicht die prozessuale Frage der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags. Die Klägerseite hat zudem schon auf S. 12 der Klageschrift (Bl. 13 d.A.) unter Bezug auf die vorgerichtlichen Auskunftsbegehren und auch im weiteren gerichtlichen Verfahren (etwa S. 4 des Schriftsatzes vom 26.11.2021, Bl. 123 d.A., S. 2 des Schriftsatzes vom 24.01.2022, Bl. 218 d.A., S. 1 ff. des Schriftsatzes vom 21.04.2022, Bl. 386 ff. d.A.; S. 5 des Schriftsatzes vom 12.05.2022, Bl. 423 d.A., S. 1 ff. des Schriftsatzes vom 14.06.2022, Bl. 467 ff. d.A.) durchaus hinreichend deutlich gemacht, worum es hier im Übrigen noch gehen soll.
26cc) Der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags stand und steht es schließlich nicht entgegen, dass die Klägerin ihn zunächst auf eine Datenauskunft „über die Behandlungsdokumentation Anl. 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019 hinaus“ beschränkt hat (vgl. auch BGH v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, a.a.O. Rn. 31, 32 zu ähnlichem Verweis auf Anlagen im dortigen Antrag) bzw. später Teilerledigungserklärungen unter Verweis auf bestimmte Schriftsätze abgegeben hat. Zum einen könnte man solche – zu den Akten gereichte – Anlagen und/oder Schriftsätze mit einem gerichtlichen Titel verbinden und somit etwaige Bestimmtheitsbedenken bei einer Auslegung des Titels im Ansatz vermeiden. Letztlich ist das aber – weswegen der Senat hier in Auslegung des Klagebegehrens auch ganz offen tenoriert hat – nicht erforderlich, weil - wie auch sonst bei noch teilweise „unerledigten“ im Sinne von noch nicht vollständig erfüllten - Auskunftsansprüchen einfach offen zur geschuldeten Auskunft (quasi als geschuldetem „Enderfolg“) verurteilt werden kann. Die Beschränkung im ursprünglichen Antrag bzw. der Verweis auf Teilerledigungen trägt nämlich ohnehin ersichtlich nur dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte bereits gewisse Auskünfte erteilt hat; mit der Beschränkung ist nur klargestellt, dass die Beklagte die bereits erteilten Auskünfte nach Auffassung der Klägerin nicht mehr wiederholen muss, diese die Auskunft ansonsten aber (zu Recht) als unvollständig ansieht und deswegen eine „vollständige“ Auskunft im Übrigen auch weiterhin einklagt. Wie der Senat auch im Urteil vom heutigen Tage zu 15 U 78/22 (zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt hat, ist eine Beschränkung durch Verweis auf bereits erteilte Teilauskünfte vor bzw. während des Verfahrens und/oder sonstige Klarstellungen prozessual nicht zwingend in Antrag und Tenor aufzunehmen, weil man mit dem oben Gesagten einfach einen weit gefassten Antrag in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut stellen mag und alles andere dann nur - wie auch sonst - eine Frage des Erfüllungseinwands (§ 362 Abs. 1 BGB) im gerichtlichen Verfahren bzw. bei entsprechender Titulierung später im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist. Es ist einem Kläger nach Auffassung des Senats bei Auskunftsbegehren - wie hier - jedenfalls nicht zuzumuten, die bereits erteilten Auskünfte im Einzelnen in den Klageantrag aufzunehmen und einen exakten „Restbestand“ an offenen Positionen konkret zu benennen. Erforderlich ist nur – dazu sogleich – im Rahmen der Begründetheit der Klage, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich noch keine vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB feststellbar ist. Ist das nicht der Fall, kann entsprechend offen verurteilt werden. Der Senat verkennt dabei ausdrücklich nicht, dass es für die gerichtliche Handhabung u.U. einfacher und klarer wäre, wenn der eine Auskunft begehrende Kläger anfangs etwa eine Vielzahl ganz konkreter Punkte in sein Auskunftsbegehren aufnehmen und im Laufe des Rechtsstreits bei Erklärungen des Beklagten nur zu einigen Punkten jeweils Teilerledigungserklärungen abgeben würde und das Gericht über die verbleibenden offenen Punkte dann streitig durchentscheiden und ggf. diese einzeln tenorieren könnte. Es darf aber schon mit Blick auf Art. 79 Abs. 1 DSGVO die Durchsetzung von Auskunftsbegehren nicht ohne Not erschwert werden. Das gilt umso mehr, als man auch bei anderen Auskunftsbegehren bei der Antragstellung oft eher kulant verfährt und Zweifelsfragen im § 888 ZPO-Verfahren klärt. In – praktisch nicht seltenen – Fällen einer nur „scheibchenweisen“ Erfüllung von Auskunftsansprüchen i.S.d. Art. 15 DSGVO muss es daher im Grundsatz möglich sein, die Auskunft - genauer: den noch nicht erfüllten Teil - mehr oder weniger pauschal weiter einzuklagen bzw. zu tenorieren, wobei eine Erledigungserklärung „im Übrigen“ dann oft eher nur mitgedacht oder bei Bedarf ausdrücklich erklärt werden mag, letztlich aber allenfalls auf Kostenebene relevant werden kann bzw. bei einseitig gebliebener Erledigungserklärung allenfalls dann, wenn streitig wäre, ob eine beauskunftete bestimmte Position überhaupt materiell vom Auskunftsanspruch erfasst war. Derartige Fragen stellen sich hier aber nicht und alles Gewollte wird vom - insofern letztlich - identischen Haupt- bzw. Hilfsantrag erfasst. Gegen eine ansonsten zu weitgehende „Präzisierungspflicht“ streitet im Übrigen ein Umkehrschluss aus § 34 Abs. 4 BDSG, welcher nur für öffentliche Stellen eine genauere Konkretisierung vorsieht (für Gegenschluss daher auch BeckOK-DatenschutzR/Schmidt.-Wudy, Art 15 Rn. 47).
27dd) Der streitgegenständliche Antrag erfasst - dies entgegen dem Landgericht – auch ohne eine klarstellende Formulierung in Antrag/Tenor (wie im Fall des BGH v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19, juris: „Datenauskunft durch Überlassen in Kopie - hilfsweise in Textform“) und/oder eine Bezugnahme auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO ausdrücklich auch das Recht auf Kopie. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.2023 - C-487/21, EuZW 2023, 575 - legt Art. 15 Abs. 3 DSGVO nämlich nur die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folgenden Auskunftspflicht fest. Art. 15 DSGVO kann deshalb gerade nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Absatz 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in Absatz 1 vorgesehene gewährt (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 31 f.). Nach dieser Entscheidung ist insbesondere auch kein Raum mehr für die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde, und ein Anspruchsteller, der zu einer genaueren Bezeichnung außerstande sei, sei deswegen gehalten, im Wege der Stufenklage zunächst eine Auskunft darüber zu verlangen, welche personenbezogenen Daten der Anspruchsgegner verarbeite, um auf dieser Grundlage sodann einen Antrag auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten stellen zu können (Urteile v. 16.12.2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 33; v. 27.04.2021 - 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 20 f.; kritisch dazu bereits Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 519 f.; vgl. auch Senat vom 17.11.2022 - 15 U 159/21, n.v.). Art. 15 DSGVO enthält vielmehr nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen einheitlichen Auskunftsanspruch. Die Klägerin hatte sich zudem auch bereits erstinstanzlich auf ihr Recht auf Überlassung einer Kopie berufen (siehe u.a. Schriftsatz vom 29.05.2022, Bl. 450 d.A.). Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten – wie hier - einheitlich geltend gemacht werden können. Da der Anspruch auf eine unvertretbare Handlung gerichtet ist, ist er nach § 888 ZPO zu vollstrecken (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 520). Erteilt ein zur Auskunftserteilung verurteilter Schuldner (weitere) Auskünfte und stellt dem Gläubiger Datenkopien zur Verfügung, muss gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren geprüft werden, ob der titulierte Auskunftsanspruch dadurch dann endgültig erfüllt worden ist. Daraus möglicherweise resultierende Schwierigkeiten sind keine datenschutzrechtliche Besonderheit, sondern können in ähnlicher Form auch bei anderen Auskunftsansprüchen auftreten.
28b) Entgegen dem Landgericht ist der Auskunftsanspruch der Klägerin – hat die Beklagte zu 1) im Verfahrensverlauf immerhin auch erkannt, dass der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO über eine Übergabe von Behandlungsunterlagen hinausreicht (vgl. dazu auch Senat v. 10.08.2023 – 15 U 149/22, zur Veröffentlichung bestimmt) - bis zuletzt noch nicht vollständig erfüllt.
29aa) Soweit das Landgericht bei Art. 15 Abs. 1 DSGVO zwischen einer angeblich nur eingeklagten Auskunft über die „personenbezogenen Daten“ der Klägerin einerseits und Ansprüchen auf sonstige „Informationen“ anderseits differenziert hat, ist dies dem Klagebegehren zwar nicht gerecht geworden. Die eingeklagte „vollständige“ Datenauskunft erfasste richtigerweise die gesamte von Gesetzes wegen geschuldete „Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen“ im Sinne der Norm. Indes hat die Beklagte zu 1) diesen Anspruch in den insofern streitigen Punkten im Verfahrensverlauf jedenfalls erfüllt: Soweit die Klägerin meint, die konkrete Versicherungsgesellschaft aus dem Y.-Konzern sei nicht beauskunftet worden, ist dies unrichtig. Aus Anlage 14 (AH I der Beiakte = Bl. 390 des Scans) = Schreiben der Beklagten zu 1) vom 14.03.2019 ergibt sich, dass eine Haftpflichtversicherung direkt bei der Y. Versicherungs-AG besteht und man hat damals den Klägervertreter daher auch um das Ausfüllen einer Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung ersucht, dem der Klägervertreter mit E-Mail vom 31.03.2019 (Anlage 15, 16f., AH I der Beiakte) nachgekommen ist. Zur D. C. ist beauskunftet worden, dass es sich um eine zentrale Stelle für die Bearbeitung bzw. das Haftpflichtmanagement handelt (Bl. 666 d.A.). Soweit die Klägerin „Kontaktdaten“ der genannten juristischen Personen vermisst, sind solche Angaben von Art. 15 Abs. 1 lit c DSGVO nicht erfasst. Das folgt aus einem Gegenschluss aus Art. 13 Abs. 1 lit a) und b) einerseits und lit e) andererseits; weitere „Kontaktdaten“ sind also hier nicht mitzuteilen.
30bb) Auf weitere Angaben zur Korrespondenz der Beklagten zu 1) mit ihren Anwälten hat die Klägerseite verzichtet (S. 3 des Schriftsatzes vom 14.06.2022, Bl. 469d.A.); auch insofern kann man keine weitergehenden Auskunftsansprüche mehr verfolgen.
31cc) Erfüllt sind – anderes macht die Klägerseite auch nicht geltend - auch der Auskunftsanspruch zu den „Verwaltungsdaten“ im Bereich der Krankenhausverwaltung und der Abrechnung, dies mit Schriftsatz vom 01.08.2022 nebst Anlagen (Bl. 625 ff. d.A.).
32dd) Nicht erfüllt ist hingegen das Auskunftsbegehren – dies entgegen den Ausführungen des Landgerichts –zu der (internen) Korrespondenz der Beklagten zu 1) mit dem Haftpflichtversicherer; dies auch mit Blick auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Hier genügen die in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht abgegebenen Erklärungen - entgegen dem Landgericht - nicht schon für die Annahme einer „Vollständigkeitserklärung“ i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Denn die Beklagte zu 1) ist bis zuletzt erkennbar von der unrichtigen Auffassung ausgegangen, man müsse zu solchen Unterlagen nichts beauskunften, müsse erst recht keine Kopien herausgeben und es greife jedenfalls insgesamt Art. 15 Abs. 4 DSGVO ein (vgl. etwa S. 1 ff, des Schriftsatzes vom 14.04.2022, Bl. 379 ff. d.A..S. 1 f. des Schriftsatzes vom 23.05.2022, Bl. 427 f. d.A., S. 2 des Schriftsatzes vom 08.06.2022, Bl. 463 d.A.). Nach Maßgabe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes v. 04.05.2023 - C-487/21, EuZW 2023, 575 Rn. 41 ff. ist ggfs. auch eine Reproduktion von Auszügen aus (auch internen) Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. personenbezogene Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu überlassen, wenn sich dies als „unerlässlich“ erweist, so wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten. Mit Blick auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO sind im Fall eines etwaigen Konflikts zwischen der Ausübung des Rechts auf vollständige und umfassende Auskunft über die personenbezogenen Daten zum einen und den Rechten oder Freiheiten anderer Personen zum anderen die fraglichen Rechtspositionen klar gegeneinander abzuwägen; nach Möglichkeit sind Modalitäten der Übermittlung der personenbezogenen Daten zu wählen, die die Rechte oder Freiheiten anderer Personen nicht verletzen, wobei diese Erwägungen andererseits nicht dazu führen dürfen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Die Form und die Modalitäten der Auskunftserteilung und insbesondere die Frage, ob die Beklagte der Klägerin auch Auszüge aus den fraglichen Dokumenten oder gar ganze Dokumente übermitteln muss (vgl. dazu EuGH a.a.O.), bedürfen derzeit keiner Klärung. Denn bislang fehlt es - wie ausgeführt - an jeglichen prüfbaren Angaben der Beklagten zu 1) zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der fraglichen Korrespondenz. Soweit nur mitgeteilt wird, dass sich in den internen Unterlagen jedenfalls im Ergebnis keine Verarbeitung anderer personenbezogener Daten finde als in den bereits beauskunfteten Unterlagen selbst, genügt dies nicht. Es wäre insbesondere - in Arzthaftungsprozessen nicht ausgeschlossen - zumindest auch noch deutlich zu machen, dass man hier keinerlei weitere Informationen/Unterlagen mit personenbezogenen Daten der Klägerin bei der internen Aufarbeitung des angeblichen Haftungsfalles bzw. in der Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer verarbeitet hat (z.B. ergänzende Informationen durch weitere Befragung der behandelnden Ärzte oder sonstigen Personals in Detailfragen, andere medizinische Unterlagen aus der Station, medizinische Daten, weitere Röntgenbilder oder Laborbefunden etc), die über die – zur Verfügung gestellte - Behandlungsakte ggf. noch hinausreichen. Dazu fehlen bis zuletzt ausreichend klare Angaben.
33ee) Ebenfalls unerfüllt geblieben ist das - von Anfang an deutliche - Begehren zur Beauskunftung einer etwaigen Verarbeitung personenbezogener Daten in etwaigen Telefon-, Besprechungs- und Bearbeitungsnotizen zum Schadensfall. Auch dazu vermag der Senat keine „Vollständigkeitserklärung“ zu erkennen.
34c) Eine Feststellung der Teilerledigung im Übrigen und/oder eine Aufnahme der übereinstimmenden Teilerledigungen in den Tenor bedarf es mit dem eingangs Gesagten hier dann nicht.
35d) Die von der Klägerin mit einer eigenen Berufung nicht angegriffene Abweisung der Arzthaftungsklage macht das vom Streithelfer weiterverfolgte Auskunftsbegehren schließlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung allein noch nicht rechtsmissbräuchlich („exzessiv“) i.S.d. Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b) DSGVO. Ungeachtet der Frage, dass auch die Verfolgung arzthaftungsrechtlicher (und damit „datenschutzfremder“) Zwecke allein ein solches Ersuchen nicht zu Fall gebracht haben dürfte (Generalanwalt, Schlussantrag v. 20.4.2023 – C-307/22, BeckRS 2023, 7659; offen BGH v. 29.03.2022 – VI ZR 1352/20, ZD 2022, 497), dient vorliegend – wie der Streithelfer im Termin auch betont hat – die Beauskunftung auch nach endgültiger Abweisung der Haftungsansprüche zumindest auch noch der Befriedigung etwaiger anderer datenschutzrechtlicher Belange der Klägerin, die jedenfalls nicht gehindert wäre, mit etwaigen Auskünften noch Ansprüche aus Art. 16 ff. DSGVO zu verfolgen oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen anzuregen, sollte nach Auskunftserteilung dazu Anlass bestehen. Unzumutbare Belastungen der Beklagten zu 1) andererseits sind bis zuletzt nicht ausreichend konkret eingewandt und streiten in der Abwägung daher auch nicht zu deren Gunsten.
363. Das Schadensersatzbegehren i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO, welches mit der Berufung unter Anpassung der Mindestbetragsvorstellungen weiterverfolgt wird, hat das Landgericht hier hingegen zu Recht abgewiesen. Die Kammer hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht zusteht.
37Zwar hat der Senat entschieden, dass Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 15 DSGVO durchaus eine Grundlage für einen Ersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO sein können (Senat v. 14.07.2022 - 15 U 137/21, NJW-RR 2023, 564 Rn. 14). Das Landgericht hat indes zutreffend ausgeführt, dass im Streitfall - anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil zugrunde lag (vgl. a.a.O. Rn. 15) - jeglicher nachvollziehbare Vortrag dazu fehlt, dass und warum der Klägerin ein immaterieller Schaden entstanden sein sollte. Ein solcher Vortrag ist auch nicht entbehrlich. Denn der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21, EuZW 2023, 580 - entschieden, dass jedenfalls der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Vielmehr muss die von einem Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung betroffene Person nachweisen, dass der Verstoß für sie negative Folgen gehabt hat und diese Folgen einen immateriellen Schaden darstellen (a.a.O., Rn. 50), wobei es dann nicht auf eine Erheblichkeit ankommt. Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin trotz des Hinweises des Landgerichts v. 12.08.2022 (Bl. 665 d.A.) – auch bis zuletzt im Berufungsverfahren nicht erbracht. Allein eine lange Verzögerung und ein unterstellter „böser Wille“ machen keinen „Schaden“ aus.
38Entgegen dem Klägervortrag liegt der Sachverhalt auch anders als bei der oben zitierten Senatsentscheidung im Urt. v. 14.07.2022 - 15 U 137/21, NJW-RR 2023, 56: Anders als dort ist hier keine die Klägerin belastende Unsicherheit über den Fortgang von Verhandlungen im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Schadensfalls bzw. eines für sie wichtigen gerichtlichen Verfahrens entstanden. Denn der Arzthaftungsprozess war hier in Ansehung der von Anfang an übergebenen Behandlungsunterlagen nicht messbar berührt und das wird auch nicht konkret behauptet. Der bisweilen angedeutete „Kontrollverlust“ im sensiblen Anwendungsbereich von gesundheitsbezogenen Daten mit einer dadurch ausgelösten Verunsicherung der Klägerin durch die verzögerte Auskunft (S. 4 des Schriftsatzes vom 23.07.2022, Bl. 539 d.A.) ist in Ansehung der Bereitstellung aller Behandlungsunterlagen so nicht nachvollziehbar, zumal die rechtsschutzversicherte Klägerin ihrerseits das datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren selbst auch gar nicht weiterverfolgt hat und von Anfang an durchweg klar war, dass hier nur das Haftungsmanagement und der Haftpflichtversicherer in das Gesamtgeschehen rund um die Arzthaftungsfrage eingeschaltet waren und ansonsten nur das ganz normale Abrechnungswesen seinen Weg nahm; ein wie auch immer gelagerter „Kontrollverlust“ ist auch deswegen schon fernliegend.
394. Hinsichtlich der Kostengrundentscheidung zum erstinstanzlichen Verfahren – dies allerdings unter Einschluss der Kosten des OH-Verfahrens – greifen die §§ 100 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 (analog), 91a ZPO. Zwar wird man mit dem oben Gesagten der ersichtlich in Schuldnerverzug geratenen Beklagten zu 1) anteilig im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO die Kosten der gesamten Auskunftsklage überbürden. Das Auskunftsbegehren hat aber mit Blick auf die unten noch zu erörternden Gesamtstreitwerte auch zu Beginn des Rechtsstreits nur unter 1/10 des Gesamtstreitwerts des erstinstanzlichen Verfahrens mit klarem Schwerpunkt im Arzthaftungsrecht ausgemacht. Der insofern marginal zu weitgehende umfassende Klageabweisungsantrag hat allenfalls geringfügig höhere Kosten verursacht. Daher erscheint dem Senat eine einheitliche Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin über § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO allein tunlich.
40Für die Kosten des Berufungsverfahrens basiert die Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 1 S. 1, 1. Fall ZPO. Auch wenn die Klägerin als Hauptpartei formal selbst Partei des Rechtsmittelverfahrens geworden ist, trägt bei – wie hier - fehlender Rechtsmitteleinlegung auch durch die Hauptpartei anerkanntermaßen bei einem Unterliegen allein und ausschließlich der Streithelfer als Veranlasser (ggf. anteilig) die Kosten (OLG München v. 22.11.2018 – 11 W 1501/18, NJW-RR 2019, 512 Rn. 9; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 67 Rn. 6; Zöller/Herget, § 101 Rn. 4 m.w.N.). In Ansehung der ungefähr gleichen Unterliegensanteile erscheint dann hier eine Kostenaufhebung tunlich; die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens fallen damit jeweils zu ½ dem Streithelfer und zu ½ der Beklagten zu 1) zur Last und im Übrigen tragen alle ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
415. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
426. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Streithelfers vom 20.07.2023 trägt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung; die angesprochenen Rechtsfragen hat der Senat vorstehend ohnehin beantwortet.
437. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Soweit das Bundesarbeitsgericht angenommen hat, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde (BAG v. 16.12.2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 33; v. 27.04.2021 - 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 20 f.), ist dies durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.2023 - C-487/21, a.a.O. überholt.
448. Nach der – im hiesigen Verfahren anders als in den beiden ebenfalls am 20.07.2023 verhandelten Parallelverfahren versehentlich nicht protokollierten – Erörterung in der mündlichen Verhandlung war nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG die erstinstanzliche Streitwertbemessung zu korrigieren und zwar mit Blick auf den Auskunftsanspruch. Denn die vom Landgericht vorgenommene „pauschale“ Bewertung mit 5.000 EUR erscheint dem Senat jedenfalls hier überhöht. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG in nicht-vermögensrechtlichen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen ist; der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Auffangtatbestand des § 52 Abs. 2 GKG ist insoweit gerade ausdrücklich nicht anwendbar (vgl. Senat v. 16.09.2022 - 15 U 87/22, juris Rn. 2). Im Streitfall bedarf es dann keiner genauen Festlegung, weil jedenfalls selbst zu Beginn des Verfahrens im Hinblick auf die bereits der Klägerin überlassenen Unterlagen vor der weiteren Auskunftserteilung eine Festsetzung zumindest über einen Betrag von 3.000 EUR hinaus fraglos nicht angemessen war, vielmehr deutlich darunter. Es fehlt konkreter Vortrag zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen und vor allem zu der Bedeutung des offenen Auskunftsanspruchs für die Klägerin, die immerhin hier unstreitig über alle zur Führung des Arzthaftungsprozesses benötigten Behandlungsunterlagen lange hat verfügen konnte und auch ein Fehlen weiterer wichtiger Informationen insofern nicht rügt.
45Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.000 EUR (500 EUR Zahlungsantrag + 500 EUR für „Restauskunft“; anteilige Kosten für § 91a ZPO nach sog. Differenzmethode [Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 91a Rn. 55] sind hier vernachlässigenswert)