Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. Juli 2022 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 9/22 - im Kostenpunkt, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und insoweit abgeändert, als die Klage in Höhe von 1.461,32 € sowie in Höhe von 492,54 € als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2021 zu zahlen. Im Übrigen werden die erstinstanzlichen Klageanträge zu 5 und 6 als endgültig unbegründet abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 25 OH 11/19 Landgericht Köln trägt die Beklagte. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Köln sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Nach einer Behandlung der minderjährigen Klägerin im Krankenhaus der Beklagten wurde den Eltern der Klägerin eine auf Röntgenaufnahmen erkennbare und auch im Röntgenbefundbericht dokumentierte mehrfache Fraktur des rechten Fußes nicht mitgeteilt. Aus diesem Grund erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in deren Namen mit Schreiben vom 16. Juli 2019 Haftungsvorwürfe gegen die Beklagte und bat um Überlassung einer vollständigen Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO einschließlich einer Kopie der Behandlungsdokumentation. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Oktober 2019 leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Februar 2020 die vollständige Behandlungsdokumentation vorlegte.
4Mit ihrer vorliegenden Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer Datenauskunft, zur Zahlung angemessener Schmerzensgelder wegen der angeblichen Fehlbehandlung einerseits und der Nichterteilung einer Datenauskunft andererseits und zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt; ferner hat sie wegen der angeblichen Fehlbehandlung die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich weiterer Schäden begehrt. Das Landgericht hat den Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen der Nichterteilung einer Datenauskunft als unbegründet und die Anträge auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten als derzeit unbegründet abgewiesen. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen Anträge im Umfang der Klageabweisung weiterverfolgt. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung den Antrag auf Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Datenauskunft weiter.
5II.
6Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit die Klägerin den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen weiterverfolgt. Im Übrigen haben die Berufung der Klägerin und die in eine Anschlussberufung umzudeutende Berufung der Beklagten keinen Erfolg.
71. Den erstinstanzlichen Klageantrag zu 11, den die Klägerin mit ihrem Berufungsantrag zu 1 weiterverfolgt, hat das Landgericht zu Recht abgewiesen. Es hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht zusteht. Zwar hat der Senat entschieden, dass Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 15 DSGVO Grundlage für einen Ersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO sein können (Urteil vom 14. Juli 2022 - 15 U 137/21, NJW-RR 2023, 564 Rn. 14). Das Landgericht hat aber zutreffend ausgeführt, dass im Streitfall - anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 14. Juli 2022 zugrunde lag (vgl. NJW-RR 2023, 564 Rn. 15) - jeglicher nachvollziehbare Vortrag dazu fehlt, dass der Klägerin ein immaterieller Schaden entstanden ist. Ein solcher Vortrag ist auch nicht entbehrlich. Denn der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 - entschieden, dass der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Vielmehr muss die von einem Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung betroffene Person nachweisen, dass der Verstoß für sie negative Folgen gehabt hat und diese Folgen einen immateriellen Schaden darstellen, wobei es dann nicht auf einen bestimmten Grad an Erheblichkeit ankommt (NJW 2023, 1930 Rn. 50 f.). Im Streitfall hat die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis eines immateriellen Schadens auch im Berufungsverfahren nicht erbracht. Die Berufungsbegründung enthält zwar abstrakte Ausführungen zur Funktion des Anspruchs aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO und zu einem ohnmächtigen Kontrollverlust der betroffenen Person im Falle der Nichterfüllung einer verlangten Auskunft. Diese Ausführungen haben aber keinen konkreten Bezug zum Streitfall. Im Übrigen verweist die Berufung lediglich auf den Zeitablauf seit dem vorgerichtlichen Auskunftsverlangen und eine fortgesetzte Erfüllungsverweigerung der Beklagten, ohne irgendwelche negativen Folgen des geltend gemachten Verstoßes gegen Art. 15 DSGVO für die Klägerin aufzuzeigen.
82. Die erstinstanzlichen Klageanträge zu 5 und 6, die das Landgericht als derzeit unbegründet abgewiesen hat und die die Klägerin mit ihren Berufungsanträgen zu 2 und 3 weiterverfolgt, sind teilweise begründet. Im Übrigen sind diese Anträge endgültig unbegründet und müssen deshalb, obwohl insoweit nur die Klägerin Berufung eingelegt hat, endgültig abgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1988 - VII ZR 372/86, NJW 1988, 1982, 1983). Die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Gestalt von Geschäftsgebühren (Nr. 2300 VV RVG) nebst Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer stehen der Klägerin nämlich nur in Höhe eines Betrags von 334,75 € nebst Zinsen zu. Auf die Erwägungen des Landgerichts zu der Frage, ob es sich bei dem arzthaftungsrechtlichen Mandat einerseits und dem datenschutzrechtlichen Mandat andererseits um verschiedene Angelegenheiten handelt, kommt es dabei nicht an.
9Der Anspruch in Höhe von 334,75 € folgt aus § 280 Abs. 1 BGB. Die für die Beklagte handelnden Ärzte haben nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts dadurch Pflichten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrag verletzt, dass sie einen tatsächlich vorhandenen Fußknochenbruch nicht als solchen erkannt und mitgeteilt haben. Zur Geltendmachung der aus dieser Pflichtverletzung resultierenden Ersatzansprüche erwies es sich als zweckmäßig und erforderlich, mit dem Anwaltsschreiben vom 16. Juli 2019 eine elektronische Abschrift der Patientenakte zu verlangen (§ 630g Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Wert dieses Anspruchs beträgt allerdings nur höchstens 20 % des Wertes einer beabsichtigten Haftungsklage (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 26. Februar 2018 - 4 U 1570/17, juris Rn. 6; MüKo-BGB/Wagner, 9. Aufl., § 630g Rn. 56). Im Streitfall ist deshalb die von der Beklagten zu ersetzende Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ausgehend von der Streitwertfestsetzung des Landgerichts bezüglich der Ansprüche wegen ärztlicher Fehlbehandlung nur nach einem Wert von bis zu 3.000 € zu bemessen ([10.000 € Schmerzensgeld + 5.000 € Feststellungsantrag] x 20 %). Da eine Gebühr von mehr als 1,3 nur bei einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit gefordert werden kann (Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG), was die Beklagte bestritten und die Klägerin nicht substanziiert dargelegt hat, ist nur eine Gebühr von 1,3 ersatzfähig. Zuzüglich 20 € Auslagenpauschale und 19 % Umsatzsteuer errechnet sich ein ersatzfähiger Betrag von 334,75 € ([201 € x 1,3 + 20 €] + 19 %).
10Die der Klägerin auf Grund der ärztlichen Fehlbehandlung zustehenden Schadensersatzansprüche sind bei der Bemessung des Wertes der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit nicht zu berücksichtigen. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klägerin auch insoweit vorgerichtlich vertreten hat. Die Schadensersatzansprüche waren nicht - auch nicht dem Grunde nach - Gegenstand des Schreibens vom 16. Juli 2019, sondern wurden in diesem Schreiben nur vage angedeutet. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Bezug auf die Schadensersatzansprüche eine andere vorgerichtliche Vertretungstätigkeit entfaltet hat, durch die er eine höhere Geschäftsgebühr verdient haben könnte, ist nicht dargelegt.
11Soweit bei der Bemessung der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zustehenden Geschäftsgebühr ein sich aus der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO ergebender Mehrbetrag zu berücksichtigen sein sollte oder dem Prozessbevollmächtigten wegen der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs eine gesonderte Geschäftsgebühr zustehen sollte, wäre ein solcher Mehrbetrag oder eine solche zusätzliche Gebühr jedenfalls nicht von der Beklagten zu ersetzen. Denn es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das Verlangen nach Erteilung einer - über die Einsicht in die Patientenakte hinausgehenden - Datenauskunft zweckmäßig und erforderlich war, um die Schadensersatzansprüche wegen der ärztlichen Fehlbehandlung durchzusetzen. Vor der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs im Schreiben vom 16. Juli 2019 hatte die Beklagte auch noch keine Pflichten aus der Datenschutz-Grundverordnung verletzt und war die Beklagte mit der Erteilung einer Datenauskunft auch noch nicht in Verzug. Ein Anspruch auf Ersatz eines möglichen Mehrbetrags folgt deshalb auch nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO oder aus § 280 Absätze 1 und 2, § 286 BGB.
12Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klageerweiterung bezüglich des Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist am 22. Dezember 2021 zugestellt worden.
133. Die in eine Anschlussberufung umzudeutende Berufung der Beklagten ist unbegründet.
14a) Die Berufung der Beklagten ist, worauf der Senat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, als solche unzulässig. Denn weder hat das Landgericht die Berufung zugelassen noch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € (§ 511 Abs. 2 ZPO).
15Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich die Beschwer eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten oder einer zur Auskunft verurteilten Partei nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Grundsätzlich ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 471/16, FamRZ 2017, 982 Rn. 5 mwN). Dabei hat der Rechtsmittelführer die den Wert bestimmenden Tatsachen darzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - XII ZB 614/14, FamRZ 2016, 452 Rn. 20). Im Streitfall fehlt es an solchen Darlegungen der Beklagten.
16Sie sind nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte geltend macht, die angefochtene Entscheidung habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. In einem solchen Fall erhöht sich die Beschwer zwar um die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - XII ZB 12/16, NJW-RR 2016, 1287 Rn. 16). Diese Kosten sind im Streitfall aber selbst dann offensichtlich niedriger als 600 €, wenn man den auf Erteilung einer Datenauskunft gerichteten erstinstanzlichen Klageantrag mit dem Landgericht mit 5.000 € bewertet (0,6 Gebühren gemäß Nr. 3309 und Nr. 3310 VV RVG zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - XII ZB 12/16, NJW-RR 2016, 1287 Rn. 19).
17b) Die unzulässige Berufung ist in eine Anschlussberufung umzudeuten (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 41/08, NJW 2009, 442 Rn. 10 f.). Denn eine Anschlussberufung ist zulässig (§ 524 ZPO). Die Beklagte hat einer Umdeutung in der mündlichen Verhandlung auch nicht widersprochen.
18c) Die Anschlussberufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zu Erteilung einer Datenauskunft durch Überlassung einer Kopie verurteilt.
19aa) Der diesbezügliche erstinstanzliche Klageantrag zu 1 ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig und insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
20(1) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt jedoch auch von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094 Rn. 19 mwN).
21Gemessen an diesen Grundsätzen genügt es in den Fällen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO grundsätzlich, wenn der Klageantrag dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die vom Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtet ist; eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich (zutreffend König, CR 2019, 295 Rn. 9-11; offenlassend BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 32; BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 27). Denn aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes muss es einen Weg geben, den aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO folgenden Anspruch auch prozessual durchzusetzen. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Anspruchsteller durch sein Auskunftsbegehren erst die Informationen erlangen will, die ihm eine genaue Bezeichnung seiner vom Anspruchsgegner verarbeiteten personenbezogenen Daten ermöglichen (vgl. BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 26). Die Angabe solcher Informationen kann deshalb nicht Voraussetzung für die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs sein.
22(2) Ausgehend von diesen Maßstäben ist im Streitfall der vom Landgericht ausgeurteilte erstinstanzliche Klageantrag zu 1, mit dem die Klägerin eine vollständige Datenauskunft zu sämtlichen ihrer bei der Beklagten vorhandenen personenbezogenen Daten begehrt, soweit die Daten nicht aus den Akten des selbständigen Beweisverfahrens hervorgehen, zulässig. Dass die Klägerin aus Sicht der Beklagten nicht hinreichend erläutert hat, welche Daten von der Auskunft erfasst sein sollen, ist unerheblich, weil die Klägerin durch die Auskunft einen vollständigen Überblick über die über sie gespeicherten Daten erst gewinnen will.
23Der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags steht es nicht entgegen, dass im Antrag die Vorschrift des Art. 15 Abs. 3 DSGVO genannt ist und die Auskunft durch Überlassung einer Kopie der Daten erteilt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, juris Rn. 5 zu einem ähnlichen Antrag). Mit diesen Zusätzen führt die Klägerin keinen über den Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO hinausgehenden Anspruch auf Überlassung einer Datenkopie in das Verfahren ein, für den strengere Bestimmtheitsanforderungen gelten könnten. Die Klägerin stellt mit diesen Zusätzen vielmehr lediglich klar, in welcher Weise der umfassend geltend gemachte einheitliche Auskunftsanspruch nach der dafür maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift zu erfüllen ist. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Mai 2023 - C-487/21 - legt Art. 15 Abs. 3 DSGVO die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folgenden Auskunftspflicht fest. Art. 15 DSGVO kann deshalb nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Absatz 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in Absatz 1 vorgesehene gewährt (vgl. EuZW 2023, 575 Rn. 31 f.).
24Nach dieser Entscheidung ist kein Raum mehr für die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde, und ein Anspruchsteller, der zu einer genaueren Bezeichnung außerstande sei, sei deswegen gehalten, im Wege der Stufenklage zunächst eine Auskunft darüber zu verlangen, welche personenbezogenen Daten der Anspruchsgegner verarbeite, um auf dieser Grundlage sodann einen Antrag auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten stellen zu können (Urteile vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 33; vom 27. April 2021 - 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 20 f.; kritisch dazu bereits Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 519 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 17. November 2022 - 15 U 159/21, n.v.).
25Art. 15 DSGVO enthält vielmehr nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen einheitlichen Auskunftsanspruch. Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten einheitlich geltend gemacht werden können. Da der Anspruch auf eine unvertretbare Handlung gerichtet ist, ist er nach § 888 ZPO zu vollstrecken (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 520). Erteilt ein zur Auskunftserteilung verurteilter Schuldner (weitere) Auskünfte und stellt dem Gläubiger Datenkopien zur Verfügung, muss gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren geprüft werden, ob der titulierte Auskunftsanspruch dadurch erfüllt worden ist. Daraus möglicherweise resultierende Schwierigkeiten sind keine datenschutzrechtliche Besonderheit, sondern können auch bei anderen Auskunftsansprüchen auftreten.
26Der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags steht es des Weiteren auch nicht entgegen, dass er auf Daten beschränkt ist, die im selbständigen Beweisverfahren noch nicht vorgelegt wurden und aus der Akte des selbständigen Beweisverfahrens nicht hervorgehen. Diese Beschränkung trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte im selbständigen Beweisverfahren bereits Auskünfte über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten der Klägerin erteilt und insbesondere die Behandlungsdokumentation vorgelegt hat. Mit der Beschränkung ist klargestellt, dass die Beklagte die im selbständigen Beweisverfahren erteilten Auskünfte nach Auffassung der Klägerin nicht wiederholen und insbesondere die Behandlungsdokumentation nicht erneut vorlegen muss. Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, die bereits erteilten Auskünfte im Einzelnen in den Klageantrag aufzunehmen. Etwas anderes macht die Beklagte auch nicht geltend.
27Dass in Fällen, in denen der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, der Verantwortliche mit Blick auf den letzten Satz des Erwägungsgrundes 63 der Datenschutz-Grundverordnung verlangen kann, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, kann dahinstehen. Denn zum einen sind im Streitfall personenbezogene Daten der Klägerin bei der Beklagten nur im Rahmen einer einmaligen ärztlichen Behandlung angefallen und zum anderen hat die Klägerin ihr Auskunftsverlangen insoweit präzisiert, als sich der Klageantrag insbesondere auf solche Daten bezieht, die die Beklagte an Dritte - zum Beispiel ihre Haftpflichtversicherung und ihre Prozessvertreter - weitergeleitet hat und die sie außerhalb ihrer Behandlungsdokumentation gespeichert hat.
28bb) Der erstinstanzliche Klageantrag zu 1 ist auch begründet. Da die Beklagte unstreitig personenbezogene Daten der Klägerin verarbeitet, hat die Klägerin gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und muss die Beklagte der Klägerin gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung stellen. Dieser Anspruch ist bislang nicht vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
29Erfüllt ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Wesentlich für die Erfüllung ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist. Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irriger Weise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 20 f.).
30Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte den Auskunftsanspruch bislang nicht vollständig erfüllt. Sie hat sich lediglich darauf berufen, den Anspruch durch die Überlassung der Behandlungsdokumentation erfüllt zu haben. Sie hat sich jedoch nicht konkret dazu erklärt, ob sie - was nahe liegt - auch außerhalb der Behandlungsdokumentation personenbezogene Daten der Klägerin verarbeitet, etwa in - im Klageantrag eigens erwähnten - Dateisystemen der Krankenhausverwaltung. Ferner hat sie keinerlei Angaben zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Klägerin im Zusammenhang mit der mit ihrer Haftpflichtversicherung und mit ihren Anwälten geführten Korrespondenz gemacht. Auch die Korrespondenz der Beklagten mit diesen oder anderen Dritten kann auf die Person der Klägerin bezogene Daten enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 26). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die anwaltliche Schweigepflicht der Erteilung einer Auskunft über diese Daten nicht entgegen, denn die Beklagte unterliegt offensichtlich nicht der anwaltlichen Schweigepflicht. Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, aus dem die Korrespondenz der Beklagten mit ihrer Haftpflichtversicherung und ihren Anwälten von der Pflicht zur Auskunftserteilung vollständig ausgenommen ist. Die Form und die Modalitäten der Auskunftserteilung und insbesondere die Frage, ob die Beklagte der Klägerin auch Auszüge aus den fraglichen Dokumenten oder gar ganze Dokumente übermitteln muss (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21 - EuZW 2023, 575 Rn. 18 ff.), bedürfen derzeit keiner Klärung. Denn bislang fehlt es - wie ausgeführt - an jeglichen Angaben zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der fraglichen Korrespondenz.
314. Die Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren allein die von der Klägerin behaupteten Behandlungsfehler. Wegen der daraus resultierenden Ersatzansprüche hat die Klägerin bis auf einem im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Ansprüche geringfügigen Teil der Nebenforderung obsiegt. Datenschutzrechtliche Fragen waren nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens als solchen, sondern nur eines Verfahrensantrags nach § 142 ZPO.
32Bei der aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO folgenden Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ist der Senat von einem fiktiven Streitwert in Höhe von 18.453,86 € ausgegangen (500,00 € für den Anspruch auf Erteilung einer Datenauskunft, 10.000,00 € für den Schmerzensgeldanspruch, 5.000,00 € für den Feststellungsantrag, 1.000,00 € für den Anspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO und 1.953,86 € für die Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten). Dabei hat der Senat den Anspruch auf Erteilung einer Datenauskunft abweichend vom Landgericht nur mit 500,00 € bewertet. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG ist in nichtvermögensrechtlichen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen; der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Auffangtatbestand des § 52 Abs. 2 GKG ist insoweit nicht anwendbar (vgl. Senatsbeschluss vom 16. September 2022 - 15 U 87/22, juris Rn. 2). Im Streitfall erscheint eine über die niedrigste Stufe hinausgehende Wertfestsetzung nicht angemessen. Denn es fehlt an jeglichem Vortrag zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der minderjährigen Klägerin und zu der Bedeutung, die der in ihrem Namen erhobene Auskunftsanspruch, der sich nur auf personenbezogene Daten bezieht, die noch nicht Gegenstand einer Auskunft der Beklagten waren, für sie gehabt hat.
33Bei der aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 97 Abs. 1 ZPO folgenden Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist der Senat von einem fiktiven Streitwert von 3.453,86 € ausgegangen (500,00 € für den Anspruch auf Erteilung einer Datenauskunft, 1.000,00 € für den Anspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO und 1.953,86 € für die Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten).
345. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit das Bundesarbeitsgericht angenommen hat, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde (Urteile vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 33; vom 27. April 2021 - 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 20 f.), ist dies durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Mai 2023 - C-487/21 - überholt (vgl. EuZW 2023, 575 Rn. 31 f.).