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I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Juni 2022 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 304/21 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Klageabweisung im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen (soweit Unterstreichungen enthalten sind, sind diese maßgeblich),
1. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen:
„Der D. Y. K. hat einen Priester befördert – obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat!“,
„Nach Z. -Informationen wurde Y. K. im September 2015 von angeblichen neuen Kontakten seines Priesters zu einem minderjährigen „Strichjungen“ diesmal in O. informiert.“,
„(...) befördert K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O..“,
so wie in dem online seit dem (…) unter der URL
(...)
abrufbaren Artikel unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen wie nachstehend eingeblendet:
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2. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen
„(...) Kindesmissbrauch in seiner Kirche. Ein Priester in K. A. ist weiter im Dienst, obwohl er sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden hat!“,
„Nach Z.-Informationen wurde Y. K. im September 2015 von angeblichen neuen Kontakten seines Priesters zu einem minderjährigen „Strichjungen“ diesmal in O. informiert.
Dennoch befördert K. diesen Sexualstraftäter!“,
so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift “Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen;
3. das nachfolgend wiedergegebene Bildnis des Klägers, der auf dem Foto auf der linken Seite zu sehen ist, im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen
[Bilddarstellung wurde entfernt]
so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen;
4. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen
a) „Es geht um den Vertuschungsfall des am Dienstag beurlaubten O. V. C..
Z. hatte enthüllt, dass K. schon seit September 2015 von den massiven Vorwürfen gegen C. gewusst hatte,(...)“,
b) „(...) Daraus geht hervor: Ein Gemeindemitglied von C. hatte K. schon im Jahr 2010 persönlich informiert, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte“.
Es habe „immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern“ gegeben. (...)“,
so wie in dem online seit dem (…) unter der URL
(...)
abrufbaren Artikel unter der Überschrift „Y. K. noch tiefer verstrickt!“ geschehen wie nachstehend eingeblendet:
[Bilddarstellung wurde entfernt]
5. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen:
a) „Es geht um den Vertuschungsfall des am Dienstag beurlaubten O. V. C..
Z. hatte enthüllt, dass K. schon seit September 2015 von den massiven Vorwürfen gegen C. gewusst hatte, (...)“
b) „(...) Daraus geht hervor: Ein Gemeindemitglied von C. hatte K. schon im Jahr 2010 persönlich informiert, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte“.
Es habe „immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern“ gegeben. (...)“
so wie in der Printausgabe vom (…) unter der Überschrift „Vertuschungs-Affäre Kinderschützer fordert in Z. „K. soll zurücktreten““ geschehen;
6. das nachfolgend wiedergegebene Bildnis des Klägers im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen
[Bilddarstellung wurde entfernt]
so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift „Vertuschungsaffäre Kinderschützer fordert in Z. „K. soll zurück treten““ geschehen;
7. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. den nachstehend als Anlage K 4 eingeblendeten Bericht des A. D. vom (…) zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, soweit darin folgende Passagen enthalten sind:
„Hintergrund des damaligen Verfahrens war ein anonymes Schreiben welches bei mehreren Zeitungen einging und den Titel hatte „Vertuschter Missbrauch durch Pfarrer oder D. Sexklüngel in O. . (...) In diesem Schreiben wurden die Vorwürfe gegen Pfarrer (...) sehr detailliert beschrieben. (...)“,
„1995 Ein 19-jähriger Mann berichtet, dass Pfr C. ihm heterosexuelle Pornos gezeigt hätte und ihn an Hals und Hand geküsst hätte. C. gibt an, sich an diese Nacht nicht erinnern zu können., ist sich aber sicher, keine Pornos gezeigt zu haben. (...)“,
„Im Mai 2010 gehen Hinweise aufgrund einer Meldung eines 20-jährigen Mannes ein, der behauptet, von C. sexuell berührt, masturbiert etc. in die Sauna geführt sowie Pornofilme vorgespielt zu bekommen haben.“,
„Mai 2010 Es gibt ein anonymes Schreiben an K. , (Blatt 34 der Akten) durch ein Gemeindemitglied, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte, immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern, Herumtreiben in homosexuellen Kreisen. (...)“,
so wie auf (…) erstmals veröffentlicht am (…) unter der Überschrift „Y. K. noch tiefer verstrickt“ geschehen wie nachstehend eingeblendet:
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II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/10 und die Beklagte zu 7/10.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtungen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR und im Übrigen (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Im Anschluss an ein einstweiliges Verfügungsverfahren (LG Köln - 28 O 175/21) mit abweichender Antragstellung bei dem in der ursprünglichen Fassung erfolglos gebliebenen Klageantrag zu 7) streiten die Parteien vorliegend um Unterlassungsansprüche wegen Wort- und Bildberichterstattungen in der von der Beklagten verlegten Zeitung „Z.“ bzw. in dem von dieser betriebenen Online-Portal H. aus dem Zeitraum vom (…). Kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung ist der Geschäftsbetrieb u.a. der Z. als Teil des Vermögens der Beklagten durch Ausgliederungsvertrag zur Aufnahme im Wege der Ausgliederung auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert worden.
4Der Kläger ist seit 1992 katholischer Priester. Er wurde im Jahr (…) vom D. G. zum Q. von O. bestellt. Das Stadtdekanat ist das zweitgrößte im A. D.. Es besteht aus 15 Seelsorgebereichen und 32 Pfarrgemeinden mit circa 170.000 Katholiken. Der Kläger begann seine seelsorgerische Tätigkeit ursprünglich als Kaplan in F.. Im Jahr wurde er von dort aus nach O. versetzt, nachdem u.a. Vorwürfe laut geworden waren, er habe mit Jugendlichen u.a. die Sauna besucht und ihnen Pornofilme gezeigt. In diesem Zusammenhang waren der Zeuge M., vormals Messdiener, und dessen Vater am zu einem Gespräch bei einem Prälaten des A. und schilderten vermeintliche Übergriffe. Es existiert ein Transkript der handschriftlichen Notizen des Prälaten aus diesem Gespräch, wobei wegen der Einzelheiten auf Anlage BK 8 (Bl. 248 f. des Senatshefts) Bezug genommen wird. Ob es die vom Zeugen bzw. seinem Vater beschriebenen Vorfälle tatsächlich gegeben hatte und wie der Prälat das Geschehen in Ansehung der nachfolgenden Versetzungsentscheidung bewertete, ist zwischen den Parteien umstritten.
5Im Jahr kam es nach den nicht gemäß § 320 ZPO angegriffenen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils zu einem sexuellen Kontakt des Klägers mit einem zum damaligen Zeitpunkt 19-jährigen Mann. Aufgrund dieses Vorfalls erstattete das A. wegen Verdachts einer Sexualstraftat eine Anzeige gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft O.. Das Verfahren wurde am eingestellt, weil eine etwaige Tat verjährt sei und keine Anhaltspunkte für eine Verwirklichung des Straftatbestandes des § 174 StGB aF erkennbar seien.
6Im Jahr 2001 kam es unstreitig zu einem Vorfall, bei dem sich der Kläger mit einem damals 16 oder 17 Jahre alten Prostituierten traf und bei dem sich beide zumindest gegenseitig bei der Masturbation bis zum Erguss zusahen. Die weiteren Einzelheiten und Umstände dieses Geschehens sind umstritten. Anschließend versuchte der Prostituierte, den Kläger mit einem bei dem Geschehen gefertigten Bild zu erpressen, woraufhin der Kläger – der Prostituierte entzog sich ihm durch Flucht – am 29. Juni 2001 eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Erpressung bei der Bundesgrenzschutzwache im Hauptbahnhof D. erstattete. Der Kläger, gegen den wegen dieses Vorfalls im Folgenden keine staatlichen Ermittlungen eingeleitet wurden, wurde am 24. Juli 2001 von der Polizei als Zeuge vernommen. Dabei bestätigte er den Erpressungsvorwurf und räumte nach eindringlicher Belehrung den beschriebenen sexuellen Kontakt zwischen ihm und dem angeblichen Erpresser ein. Der Kläger bekundete, er habe entsprechend einer zuvor getroffenen Abrede, die eine finanzielle Vergütung nicht vorgesehen habe, mit dem Erpresser eine Ecke auf den Gleisanlagen an der Rückseite des Hauptbahnhofs aufgesucht, um sich dort gegenüber hinzustellen und sich ohne wechselseitige Berührung gegenseitig beim Masturbieren bis zum Erguss zuzusehen. Im Anschluss daran sei es zu dem Erpressungsversuch gekommen. Die Kriminalpolizei fertigte unter dem 7. September 2001 einen Bericht, in dem diese Zeugenaussage des Klägers wiedergegeben wurde und aus dem sich ergab, dass zwischenzeitlich eine polizeibekannte Person als Täter ermittelt werden konnte. Die Polizei stufte die Behauptung des Klägers, wonach keine finanzielle Vergütung vereinbart worden sei und es keinen Körperkontakt gegeben habe, in dem Bericht als „unglaubwürdig“ ein. Weiter heißt es, es erscheine sinnvoll, dem Kläger ein Aufgabengebiet zuzuweisen, in dem er keinen sexuellen Kontakt zu ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen (z.B. Messdienern etc.) aufnehmen könne. Diesen Bericht, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf S. 3 ff. der Duplik (Bl. 247 ff. d.A.) Bezug genommen wird, übersandte die Polizei dem E. des A., wo er zu den Akten genommen wurde. Laut eines Vermerks in den Akten des A. (S. 10 der Klageerwiderung, Bl. 140 d.A.= S. 5 der Duplik, Bl. 249 d.A.) soll am 13. September 2001 eine telefonische Rückfrage eines Mitarbeiters des E. bei der Polizei ergeben haben, dass der Prosituierte tatsächlich circa 16 Jahre alt gewesen sei, auf jeden Fall aber jünger als 22 Jahre. Ob es tatsächlich ein solches Telefonat mit dem behaupteten Inhalt gab, ist klägerseits mit Nichtwissen bestritten (S. 10 der Replik, Bl. 209 d.A.). Am 12. September 2001 hatte der Kläger das beschriebene Geschehen am Bahnhof selbst gegenüber A. eingeräumt. Am 11. Oktober 2001 suchte er einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf und berichtete diesem u.a. von dem Kontakt „mit einem 16jährigen Jugendlichen“ (Anlage B 1, Bl. 176 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 verwarnte der damalige G. den Kläger wegen des Geschehens unter Androhung der Verhängung einer Strafe gemäß c. 1395 § 1 Codex Iuris Canonici (CIC)/1983 im Wiederholungsfall, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf Anlage BK 2 (Bl. 231 des Senatshefts) Bezug genommen wird.
7Im wurden von einem - zwischenzeitlich verstorbenen - Diakon im Ruhestand, dem Patenonkel des Zeugen M., Vorwürfe wegen angeblich grenzüberschreitenden Verhaltens des Klägers während dessen Zeit als Kaplan in F. (Saunabesuche, Konsum von „reichlich“ Alkohol, Anschauen von Pornofilmen mit Jugendlichen) gegenüber der damaligen Ansprechperson für Opfer sexuellen Missbrauchs im A. wiederholt, wobei wegen der Einzelheiten auf die dazu gefertigte „Vertrauliche Aktennotiz“ vom Bezug genommen wird (Anlage BK 10, Bl. 253 f. des Senatshefts).
8Am teilte der Zeuge I., der sich im April 2010 erstmals per E-Mail beim A. gemeldet hatte, bei einer Anhörung dort u.a. mit, dass der Kläger ihn als damals ca. 20jährigen angeblich nach einer intensiveren Begegnung auf einer Karnevalsparty im Jahr bedrängt und ihm u.a. später auch einmal unter die Unterwäsche gegriffen haben soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Akten des A. befindliche Gesprächsnotiz vom, Anlage BK 9 (Bl. 250 ff. des Senatshefts) Bezug genommen. Der Wahrheitsgehalt der damals vom Zeugen I. gemachten Angaben ist unter den Parteien umstritten.
9Im Zuge seiner Tätigkeit als Pfarrer in O-(…) bzw. im Zuge seiner Ernennung zum Q. im Jahr (…) durch den amtierenden G. von D. war der Kläger vereinzelt Gegenstand öffentlicher Berichterstattung über seine berufliche Tätigkeit wie auf S. 4 f. der Klageerwiderung (Bl. 134 f. d.A.) und S. 6 der Duplik (Bl. 250 d.A.) eingeblendet.
10Der G. von D. hatte bei seinem Amtsantritt im Jahr 2014 eine umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche angekündigt und trat im Folgenden jedenfalls zunächst u.a. für eine Identifizierbarmachung etwaiger Täter ein. Ein zu Aufklärungszwecken im Jahr 2018 beauftragtes Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei RA1. ließ das A. nach der Fertigstellung des Gutachtens im Jahr 2020 nicht veröffentlichen und beauftragte unter Berufung auf vermeintliche methodische Mängel ein zweites Gutachten bei der Kanzlei RA2. Das Vorgehen und Kommunikationsverhalten vor allem des G. war im Folgenden Gegenstand kritischer öffentlicher Berichterstattung und führte später u.a. auch zur Einsetzung eines Interims-Leiters für das A. durch den Papst.
11In einem Brief vom an die Stabsstelle Intervention des A. (Anlage BK 3, Bl. 232 f. des Senathefts) schilderte der Zeuge M. einen vermeintlichen – vom Kläger bestrittenen – sexuellen Übergriff während der Tätigkeit als Kaplan in F.. Das vom Zeugen Geschilderte wurde seitens des A. an die Staatsanwaltschaft O. gemeldet, welche ausweislich der Verfügung vom (Anlage BK 4, Bl. 234 des Senatshefts) einen Anfangsverdacht eines Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 StGB aF bejahte, von weiteren Ermittlungen wegen eingetretener Verjährung aber absah. Zuvor war der Zeuge M. durch das A. persönlich angehört worden und hatte in diesem Kontext eine – im hiesigen Verfahren ebenso wie das Protokoll der Anhörung nicht zu den Akten gelangte – Stellungnahme seines Vaters übersandt. Auf eine E-Mail der Interventionsbeauftragten vom 23.Februar 2021 (Anlage MK 4, Bl. 400 des Senatshefts) mit Nachfragen zum mutmaßlichen Vorhandensein pornografischen Materials bei dem Kläger und zu vermeintlichen Unklarheiten reagierte der Zeuge im Folgenden nicht mehr. Die inhaltliche Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen in dem Schreiben und bei seiner Anhörung ist unter den Parteien umstritten.
12Am (…) übersandte der Chefreporter der Beklagten per E-Mail eine Anfrage an den Kläger, wie dieser „die Vorwürfe […], wie sie die Gutachter RA1. und RA2. (…) in den Berichten darstellen“, bewerte, dies mit einer Frist zur Stellungnahme bis 18 Uhr am selben Tage. Wegen der in Bezug genommenen Passagen der beiden Gutachten wird auf Anlage AG 7, Bl. 613 ff. der Beiakte (Landgericht Köln - 28 O 175/21) Bezug genommen. Der Kläger reagierte auf die Anfrage nicht.
13Auf H. veröffentlichte die Gesamtrechtsvorgängerin der Beklagten am (…) unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ einen Artikel, der sich inhaltlich u.a. mit Vorwürfen gegen den Kläger wegen sexuellen Verhaltens zu Lasten Minderjähriger beschäftigt und der dessen Ernennung zum Q. durch den D. G. kritisiert. Hinsichtlich des Inhalts dieses Artikels wird auf Anlage K 2 (Bl. 50 ff. d.A.) verwiesen. Am (---)erschien der Artikel in der Printausgabe der Z.-Zeitung mit leicht abgeänderten Formulierungen unter der gleichen Überschrift. Bezüglich der Inhalte dieses Artikels wird Bezug genommen auf Anlage K 3 (Bl. 54 d.A.). In diesem Artikel wurde ein Foto des Klägers abgedruckt, welches Gegenstand des Klageantrags zu 3) ist.
14Am (…) erschien auf H. ein weiterer Artikel unter der Überschrift „Y. K. noch tiefer verstrickt“, der sich ebenfalls mit dem Kläger befasst. Wegen des Inhalts dieses Artikels wird auf Anlage K 5 (Bl. 57 ff. d.A.) Bezug genommen. Zum Beleg wurde in diesem Artikel - wie aus Anlage K 8a (Bl. 71 d.A.) bzw. Anlage ASt 12 Bl. 172 ff. der Beiakte ersichtlich - auf die Einblendung einer als „Persönlich/Vertraulich“ gekennzeichneten „Zusammenfassung“ von den Kläger betreffenden Aktenbestandteilen aus der Hand des Interventionsbeauftragten des A. vom (…) weiterverlinkt. Diese Zusammenfassung, wegen deren Einzelheiten auf Anlage K 4 (Bl. 55 f. d.A.) Bezug genommen wird, war auf diesem Weg dem Artikel vollständig digital abrufbar und durch Anklicken umblätterbar beigefügt. Teile dieser Zusammenfassung sind Gegenstand des Klageantrages zu 7).
15Der fragliche Artikel erschien zudem noch am (…) unter der Überschrift „Vertuschungs-Affäre / Kinderschützer fordert in Z. „K. soll zurücktreten“ mit verändertem Text und einigen bildlichen Auszügen aus der dort als „Geheimvermerk“ bezeichneten Zusammenfassung auch in der Printausgabe der Z.-Zeitung. Bezüglich des Inhalts dieser Berichterstattung wird auf Anlage K 6 (Bl. 63 d.A.) verwiesen. Auch dieser Artikel enthielt ein Bild des Klägers, welches Gegenstand des Klageantrags zu 6) ist.
16Mit Schreiben vom (…) mahnten die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers in dessen Namen und Auftrag die Beklagte ab und forderten sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom (…) wies die Beklagte die Abmahnung zurück.
17Der Kläger wurde durch A. vorläufig beurlaubt. Nach der medialen Berichterstattung u.a. der Beklagten meldete sich im (…) der Zeuge J. beim E. des A. mit einer E-Mail und erhob gegenüber dem Kläger den Vorwurf angeblich grenzverletzenden Verhaltens (körperliches Verhalten, Saunabesuche und Alkoholexzesse) (Anlage BK 5, Bl. 236 des Senatshefts). Der Zeuge beschrieb bei einer persönlichen Anhörung am (…), wegen deren Einzelheiten auf das Gesprächsprotokoll in Anlage BK 6 (Bl. 237 ff. des Senatshefts) Bezug genommen wird, u.a. einen angeblichen Griff des Klägers an den Penis des damals 15jährigen Zeugen im. Nach Weitergabe dieser Informationen an die Staatsanwaltschaft O. hat diese mit Verfügung vom (…) einen Anfangsverdacht bejaht, wegen Verjährung von weiteren Ermittlungen aber abgesehen. Der Wahrheitsgehalt der Bekundungen des Zeugen J. ist zwischen den Parteien umstritten.
18Ein weiterer Zeuge, der Zeuge N., bekundete bei einem Gespräch am (…), wegen dessen Einzelheiten auf das Protokoll in Anlage BK 8 (Bl. 244 ff. des Senatshefts) Bezug genommen wird, A. gegenüber u.a. als unangemessen empfundene „Kitzeleinheiten“ durch den Kläger auf einer Pilgerfahrt mit einem Streifen des Glieds des damals 15jährigen Zeugen im Jahr 1998. Die Staatsanwaltschaft O. hat in der vorstehend bereits angeführten Verfügung auch insofern wegen jedenfalls eingetretener Verjährung von Ermittlungen abgesehen. Auch der Wahrheitsgehalt der Bekundungen dieses Zeugen ist unter den Parteien umstritten.
19Das A. D. erließ am ein Abschlussdekret und leitete einen Voruntersuchungsbericht am an die Glaubenskongregation in Rom weiter, in dem mutmaßliche Verstöße des Klägers gegen kanonisches Recht wegen sexueller Übergriffe dokumentiert waren. Der Inhalt dieses Berichts ist umstritten. Ein gegen den Kläger eingeleitetes kirchenrechtliches Strafverfahren – bei dem der genaue Gegenstand des Verfahrens und dessen Inhalt wiederum umstritten sind – wurde im Folgenden als sog. Verwaltungsstrafverfahren ohne Befragung von Zeugen durchgeführt. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des Klägers, wobei die genauen Inhalte des verfahrensabschließenden Dekrets erneut umstritten sind. Unstreitig ist, dass das Geschehen am (…) Hauptbahnhof aus dem Jahr 2001 wegen der seinerzeit erfolgten Verwarnung nach dem auch im Kirchenrecht geltenden Grundsatz „ne bis in idem“ keine (erneute) Berücksichtigung fand.
20A. gab zu dem Verfahrensausgang am (…) eine Presseerklärung ab (Anlage MK 1, Bl. 174 f. des Senatshefts). Ein gegen den Kläger verhängtes Verbot der öffentlichen Ausübung des priesterlichen Dienstes war schon zuvor mit Schreiben des G. vom (…) aufgehoben worden. Der Kläger wurde bis auf Weiteres vom Einsatz als Priester im A. für andere Aufgaben freigestellt und es wurden Auflagen für seinen zukünftigen Einsatz erlassen (u.a. Ausschluss vom Einsatz in der Kinder- und Jugendarbeit). Der Kläger zieht die Rechtmäßigkeit dieser Auflagen in Zweifel.
21Erstinstanzlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er offenbar als „Bauernopfer“ herhalten solle, um eine gegenüber dem G. inszenierte Kampagne wegen angeblicher Vertuschung von sexueller Gewalt in der Kirche mit haltlosen Vorwürfen zu befeuern. Bei den angegriffenen Äußerungen handele es sich um falsche und den Kläger stigmatisierende Tatsachenbehauptungen bzw. unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattungen. Der Kläger habe nie einen sexuellen Kontakt zu einem Kind gesucht oder gehabt. Derartige Delikte seien dem Kläger weder von staatlichen Strafverfolgungsbehörden oder der Kirche jemals vorgeworfen worden und er habe keinen Anlass gehabt, einen „Kindesmissbrauch“ zu gestehen – was die Beklagte insgesamt mit Nichtwissen bestritten hat. Der Kläger sei nicht – wie berichtet – ein geständiger „Sexualstraftäter“ eines Kindesmissbrauchs oder sonstigen Missbrauchstatbestandes. Eine Strafbarkeit nach § 182 StGB wegen des Geschehens im Jahr 2001 scheitere schon an einer nach den Behauptungen des Klägers fehlenden Entgeltvereinbarung und daran, dass man erst am 4. November 2018 die Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre angehoben habe. Ein „Kindesmissbrauch“ – per Definition an einer Person unter 14 Jahren – sei erst recht nicht erfolgt. Der Kläger hat zudem behauptet, bei dem Vorfall habe er nicht gewusst und selbst bei größter Gewissensanspannung nicht erkennen können, dass der Prostituierte wohlmöglich minderjährig gewesen sei. Tatsächlich sei es damals auch zu keinerlei körperlichen Berührungen gekommen. Die Einschätzung eines Polizeibeamten als eine Art „Hobby-Psychologe" betreffend einer vom Kläger angeblich ausgehenden Gefährdung sei keine geeignete Berechtigungsgrundlage für die in Rede stehende existenzbedrohende Berichterstattung. Das Verhalten des Klägers sei weder straf- noch kirchenrechtlich strafbar, wie sich u.a. aus dem seit März 2021 vorliegenden RA2.-Gutachten ergebe (S. 11 f. der Replik, Bl. 210 f. d.A.).
22Es seien zudem nicht - wie im Verfahren behauptet - an fast allen beruflichen Stationen des Klägers Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen diesen laut geworden, sondern es gehe um substanzlose Unterstellungen. Der Kläger habe nicht mit ungewöhnlicher Häufigkeit Messdiener ins Schwimmbad eingeladen, mit diesen Alkohol konsumiert und/oder Pornofilme geschaut. Seine Versetzung sei nur eine Versetzung aus kirchenadministrativen/planerischen Gründen gewesen. Dem Kläger sei nicht ein ehemaliger T. als Aufpasser zur Seite gestellt worden, wie sich u.a. aus dessen Schreiben vom (Anlage K 15, Bl. 226 f. d.A.) ergebe. Auch habe es im keine „neuen Kontakte des Klägers zu einem minderjährigen Strichjungen“ gegeben. Auch die weiteren von der Beklagten im Verfahren angeführten Vorwürfe seien unzutreffend wie u.a. auf S. 12 ff. der Replik (Bl. 211 ff. d.A.) und S. 6/10 des Schriftsatzes vom 22. April 2022 (Bl. 335/339 d.A.) ausgeführt. In Ansehung dessen stelle die Bezeichnung als „Missbrauchs-Priester“ eine falsche Tatsachenbehauptung dar. Selbst wenn man die Äußerung als Meinungsäußerung einstufe, handele es sich um eine unzulässige Schmähkritik, da es an tragfähigen Anknüpfungstatsachen fehle. Soweit es sich bei den anderen Äußerungen um identifizierende Verdachtsberichtserstattungen handele, fehle es an einem Mindestmaß an Beweistatsachen, zumal die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen seien, je nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigt werde. Daher könne nicht mit einem unklaren sozialwissenschaftlichen Missbrauchsbegriff der existenzvernichtende Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht werden. Die Berichterstattung sei unausgewogen, wahre nicht die Unschuldsvermutung und das öffentliche Interesse überwiege in Ansehung der Stigmatisierung nicht. Obendrein sei der Kläger nicht ausreichend angehört worden. Ungeachtet der zu kurzen Frist habe er nicht das - unstreitig nie veröffentlichte und selbst für Journalisten nur wenige Tage einsehbare – RA1.-Gutachten gekannt und mit der an ihn gerichteten E-Mail daher nichts anfangen können. Bei ausreichender Konfrontation hätte man alle Vorwürfe dementiert wie auf S. 9 f. des Schriftsatzes vom 22. April 2022 (Bl. 338 f. d.A.) ausgeführt. Ungeachtet dessen verletze die Berichterstattung die Intimsphäre des Klägers. In Ansehung des langen Zeitablaufs müsse sich der Kläger auf Resozialisierungsgesichtspunkte und ein „Recht auf Vergessenwerden“ berufen können. Folgerichtig bestehe auch ein Unterlassungsanspruch wegen der Lichtbilder.
23Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen (soweit Unterstreichungen maßgeblich sind, sind diese maßgeblich),
251. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen:
26a) „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“,
27b) „Der D. Y. K. hat einen Priester befördert – obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat!“,
28c) „In den Akten des A., geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“,
29d) „Nach Z.-Informationen wurde Y. K. im September 2015 von angeblichen neuen Kontakten seines Priesters zu einem minderjährigen „Strichjungen“ diesmal in O. informiert.“,
30e) „(...) befördert K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O.“,
31so wie in dem online seit dem (…) unter der URL
32(...)
33abrufbaren Artikel unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen;
342. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen
35a) „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“,
36b) „(...) Kindesmissbrauch in seiner Kirche. Ein Priester in K. s A. ist weiter im Dienst, obwohl er sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden hat!“,
37c) „In den Akten des A., geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen.“,
38d) „Nach Z.-Informationen wurde Y. K. im September 2015 von angeblichen neuen Kontakten seines Priesters zu einem minderjährigen „Strichjungen“ diesmal in O. informiert.
39Dennoch befördert K. diesen Sexualstraftäter!“,
40so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…)unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen;
413. das nachfolgend wiedergegebene Bildnis des Klägers, der auf dem Foto auf der linken Seite zu sehen ist, im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen
42[Bilddarstellung wurde entfernt]
43so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ geschehen;
444. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen
45a) „Es geht um den Vertuschungsfall des am Dienstag beurlaubten O. T. C..
46Z. hatte enthüllt, dass K. schon seit September 2015 von den massiven Vorwürfen gegen C. gewusst hatte,(...)“,
47b) „(...) Daraus geht hervor: Ein Gemeindemitglied von C. hatte K. schon im Jahr 2010 persönlich informiert, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte.
48Es habe „immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern“ gegeben. (...)“,
49so wie unter der URL (…) am (…) unter Überschrift „Y. K. noch tiefer verstrickt!“ geschehen;
505. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen:
51„Es geht um den Vertuschungsfall des am Dienstag beurlaubten O. T. C..
52Z. hatte enthüllt, dass K. schon seit September 2015 von den massiven Vorwürfen gegen C. gewusst hatte, (...)
53(...) Daraus geht hervor: Ein Gemeindemitglied von C. hatte Woelki schon im Jahr 2010 persönlich informiert, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte“.
54Es habe „immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern“ gegeben. (...)“,
55so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift „Vertuschungs-Affäre Kinderschützer fordert in Z. „K. soll zurücktreten““ geschehen;
566. das nachfolgend wiedergegebene Bildnis des Klägers im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A. D. zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen
57[Bilddarstellung wurde entfernt]
58so wie in der Printausgabe der Z.-Zeitung vom (…) unter der Überschrift „Vertuschungsaffäre Kinderschützer fordert in Z. „K. soll zurück treten““ geschehen,
597. in Bezug auf den Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Missbrauchsskandal im A.D. den als Anlage K 4 dieser Klage beigefügten Bericht des A. D. vom (…) zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, soweit darin folgende Passagen enthalten sind:
60„Zusammenfassung aus der Akte im Fall T. C. .....
61Hintergrund des damaligen Verfahrens war ein anonymes Schreiben welches bei mehreren Zeitungen einging und den Titel hatte „Vertuschter Missbrauch durch Pfarrer oder D. Sexklünger in O.. (...) In diesem Schreiben wurden die Vorwürfe gegen Pfarrer (...) sehr detailliert beschrieben. (...)
62Aus der Akte sind im Zusammenhang mit Pfarrer C. folgende Sachverhalte zu entnehmen: (...)
631995 Ein 19-jähriger Mann berichtet, dass Pfr C. ihm heterosexuelle Pornos gezeigt hätte und ihn an Hals und Hand geküsst hätte. C. gibt an, sich an diese Nacht nicht erinnern zu können., ist sich aber sicher, keine Pornos gezeigt zu haben.
64(...)
65September 2001 (….) Pfr C. hatte mit einem 18-jährigen Stricher (wohl unentgeltlich auf dem Bahnhofsgelände) masturbiert.
66(...)
67Im Mai 2010 gehen Hinweise aufgrund einer Meldung eines 20-jährigen Mannes ein, der behauptet, von C. sexuell berührt, masturbiert etc. in die Sauna geführt sowie Pornofilme vorgespielt zu bekommen haben.
68(…)
69Im Mai 2010 gehen über Frau S. weitere Hinweise ein, das Pfr. C. in den Jahren 1992/1993 oft mit einem 16-jährigen und weiteren Jungen in die Sauna gegangen sei. Weiterhin wurde der Vorwurf erhoben, dass einmal reichlich Alkohol konsumiert wurde und dabei Pornofilme geguckt wurden. (...)
70Mai 2010 Es gibt ein anonymes Schreiben an K. , (Blatt 34 der Akten) durch ein Gemeindemitglied, dass C. „in den letzten Jahren kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte, immer anzügliche Sprüche, Saunabesuche mit Messdienern, Herumtreiben in homosexuellen Kreisen. (...)
71Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Pfr. C. einige Vorwürfe aus der Vergangenheit eingeräumt hat (...)
72Im Fall Pfr. C. hat es mehrere Fälle von unangemessenem Verhalten gegeben. Darunter auch mehrere Hinweise auf übergriffiges Verhalten auf Minderjährige. (…)
73Es gibt eingeräumte Kontakte zu einem 18-jährigen Stricher.
74(...)
75Im Jahr 2010 gehen weitere Hinweise auf mögliches Fehlverhalten ein, die sich sowohl auf Erwachsene als auch auf Minderjährige beziehen. (...)“,
76so wie auf H. erstmals veröffentlicht am (…) unter der Überschrift „Y. K. noch tiefer verstrickt“ geschehen.
77Die Beklagte hat beantragt,
78die Klage abzuweisen.
79Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Bezeichnung „Missbrauchs-Priester" um eine zulässige Meinungsäußerung handele. Einen Pfarrer, der sich in der Straßenstrich-Szene bewege und Kontakt zu einem offensichtlich minderjährigen und obdachlosen Jungen suche, um sich mit/an diesem angeblich ohne finanzielle Gegenleistung sexuell zu befriedigen, dürfe die Presse entsprechend bezeichnen. Denn neben der strafrechtlichen Definition von sexuellem Missbrauch gebe es eine sozialwissenschaftliche Definition in Anlehnung an Anlage B 4 (Bl. 186 ff. d.A.), unter die sich der Vorfall - ebenso wie zahlreiche andere Vorfälle aus der beruflichen Laufbahn des Klägers - subsumieren ließe. Zu dem Geschehen am Bahnhof hat die Beklagte behauptet, dass der Kläger tatsächlich gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass es sich um einen erst 16-jährigen Prostituierten gehandelt habe, wie er es später dem konsultierten Arzt ohne Berufen auf einen angeblichen Irrtum geschildert habe. Der Kläger habe den Prostituierten für die sexuellen Dienstleistungen entlohnt bzw. jedenfalls eine Entgeltvereinbarung getroffen.
80Auch bei den Bezeichnungen „Kindesmissbrauch“ und „Sexualstraftäter“ gehe es in Ansehung des unstreitigen Kerngeschehens nur um – zugegeben überspitzte – Bewertungen als Rechtsmeinungen im strafrechtlichen Bereich. Selbst A. habe im Jahr 2001 festgestellt, dass der Kläger gegen c. 1395 § 1 CIC/1983 verstoßen, also eine „Sexualstraftat“ nach kanonischem Recht begangen habe. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass A. bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Sexualstraftat gemäß c. 1395 § 2 CIC vorgelegen habe, weil das Delikt in der Öffentlichkeit (Rückseite des Hauptbahnhofs) sowie an einem Minderjährigen vollzogen worden sei. Denn schon ab dem 30. April 2001 sei durch die sog. normae sacramentorum sanctitatis tutela das Schutzalter auf 18 Jahre angehoben worden. Außerdem habe der Kläger sich u.a. nach § 182 StGB strafbar gemacht, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf S. 32 ff. der Klageerwiderung (Bl. 162 ff. d.A.) verwiesen wird.
81Im Übrigen müssten ohnehin etwaige Anknüpfungstatsachen für eine kritische Meinungsäußerung nicht zwingend bereits in einer Berichterstattung mitgeteilt werden, wenn sie – wie hier – im Prozess zu substantiieren seien. Insofern hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe während seiner Zeit als Kaplan häufig Saunabesuche mit jugendlichen Messdienern getätigt, diesen unter Alkoholeinfluss Pornofilme vorgespielt, mit ihnen über Masturbation gesprochen und mindestens an einem Opfer gegen dessen Willen Masturbationshandlungen vorgenommen wie auf S. 3 f/13 f./42 f. der Klageerwiderung (Bl. 133 f./143 f./172 f. d.A.) geschildert. Dies habe seinerzeit zu seiner Versetzung geführt als „Standardprozedere“, wie innerhalb der Kirche mit Missbrauchsfällen umgegangen worden sei. Zudem habe der Kläger versucht, intimen Kontakt zu dem minderjährigen Zeugen J. zu suchen wie u.a. auf S. 15 f. der Klageerwiderung (Bl. 145 f. d.A.) und S. 17 ff. der Duplik (Bl. 261 ff. d.A.) vorgetragen. Es seien ferner weitere Vorfälle von übergriffigem Verhalten des Klägers aktenkundig bzw. von der Beklagten recherchiert worden wie auf S. 13 ff. der Klageerwiderung (Bl. 143 ff. d.A.) behauptet. Auf die rechtlichen Voraussetzungen einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung komme es in Ansehung des insofern problemlos zu führenden Wahrheitsbeweises nicht an. Die Voraussetzungen einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung seien aber ohnehin auch hier gewahrt, weil der Kläger die ihn betreffenden Stellen in den Gutachten gekannt habe. An der Person des Klägers bestehe ein überragendes Berichterstattungsinteresse, weil die Bestellung des nach Aktenlage mehrfach auffällig gewordenen Klägers zum Q. eine unrühmliche Personalentscheidung des G. gewesen sei, der wegen Diskussionen im A. wegen der Personalie Kenntnis von dem Geschehen im Jahr 2001, von dem Bericht der Polizei und den damals aktenkundigen Vorwürfen gegen den Kläger gehabt habe wie auf S. 2/18 ff. der Klageerwiderung (Bl. 132/ 148 ff. d.A.) ausgeführt – was der Kläger mit Nichtwissen bestritten hat (S. 3/15 der Replik, Bl. 202/214 d.A.). Die Berichterstattung sei von überwiegendem Berichterstattungsinteresse getragen und wichtig, um die in der katholischen Kirche vorherrschende „omertà“ aufzubrechen und künftige Missbrauchstaten kirchlicher Würdenträger zu verhindern. Der Kläger habe offenbar u.a. wegen einer - in einer auf S. 21 der Klageerwiderung (Bl. 151 d.A.) eingeblendeten Gratulation des G. zum Priesterjubiläum des Klägers zum Ausdruck kommenden - Freundschaft zu diesem sowie zu dem ehemaligen T. von O. sowie wegen einer Nähe zum X. offenbar eine Art Sonderbehandlung im A. genossen, die ihn vor Konsequenzen geschützt habe. Man habe dem Kläger wegen seiner Neigungen nur einen früheren T. als Aufpasser an die Seite gestellt, wie der G. in einer als Anlage B 5 (Bl. 272 ff. d.A.) zu den Akten gereichten „Information zu den Ereignissen seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in unserer Gemeinde (…) …“ angedeutet habe und im Einzelnen auf S. 24 f. der Duplik (Bl. 268 f. d.A.) ausgeführt.
82Die Bildberichterstattung mittels eines kontextneutralen Fotos sei wegen des überwiegenden Berichterstattungsinteresses auch an der Person des Klägers zulässig.
83Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 8. Juni 2022 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung (Bl. 379 ff. d.A.) Bezug genommen.
84Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um zulässige Meinungsäußerungen bzw. wahre Tatsachenbehauptungen handele. Es gehe um eine im öffentlichen Interesse liegende Berichterstattung über die unrühmliche Personalentscheidung des G., den Kläger zu befördern, obwohl der G. – so weiterhin die Behauptung der Beklagten – sowohl von dem Vorfall am Bahnhof gewusst habe als auch davon, dass an fast allen beruflichen Stationen des Klägers Vorwürfe gegen diesen laut geworden und aktenkundig gemacht worden seien. Insofern sei der Fall ein Beispiel für das Versagen der Kirche bei der Aufarbeitung von Missbrauchstaten. Gerade bei Altfällen erfolge aus Gründen der strafrechtlichen Verjährung nach jahrelanger systematischer Vertuschung regelmäßig keine mit einer Befragung der Betroffenen verbundene Aufarbeitung durch die Staatsanwaltschaft, weswegen eine Berichterstattung bei noch im aktiven Dienst befindlichen Geistlichen zugleich präventive Gründe verfolge. Das zeige sich im konkreten Fall daran, dass sich im Nachgang weitere Betroffene gemeldet hätten und ein kirchenrechtliches Strafverfahren gegen den Kläger – wenn auch mit unverständlichem Ausgang – geführt worden sei.
85Das Landgericht habe das Verständnis des Durchschnittslesers nicht nachvollziehbar ermittelt, Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen nicht sauber abgegrenzt und der Beklagten „falsche Meinungen“ als nicht mit angeblichen Vorstellungen der Rezipienten zum Geschehen übereinstimmende Bewertung vorgeworfen, obwohl man nur – von Art 5 Abs. 1 GG geschützt - unstreitige Fakten bewertet habe und es eine derartige äußerungsrechtliche Kategorie nicht gebe. Zu dem im Kern der Auseinandersetzung stehenden Geschehen am Hauptbahnhof sei nur streitig, ob es zu einem direkten Körperkontakt zwischen dem Kläger und dem Prostituierten gekommen, eine Vergütung vereinbart/gezahlt worden sei und der Kläger bedingten Vorsatz bzgl. der Minderjährigkeit gehabt habe. Ungeachtet dessen sei unstreitig, dass der Kläger als Pfarrer – also als Vorbild an Moral und Anstand – in Kontakt mit einem jungen Mann getreten sei, den der Kläger in einer anwaltlichen Einlassung als „sehr ungepflegt“ und „offenbar obdachlos“ bezeichnet habe und der mithin offensichtlich Unterstützung benötigte. Anstatt diesem Mann zu helfen, habe es der Kläger vorgezogen, unentgeltlich seinen Sexualtrieb an dem jungen Obdachlosen zu befriedigen. Bereits auf Basis dieses Sachverhalts dürfe er als „Missbrauchs-Priester“ bezeichnet werden. Insofern gelte nichts anderes als bei einer Bezeichnung als „Masturbations-Priester“, wie sie Gegenstand der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M., Beschluss vom 12. Dezember 2022 – 2-34 O 320/22, Anlage BK 11 (Bl. 255 ff. des Senatshefts) gewesen sei. Sehe man das anders, habe das Landgericht jedenfalls verfahrensfehlerhaft den unter Beweis gestellten Vortrag zu den weiteren Vorwürfen gegen den Kläger mit einem „Füllhorn an entsprechenden Anknüpfungstatsachen“ übergangen. Denn der Durchschnittsleser stufe die behaupteten weiteren Übergriffe (Saunagänge mit Messdienern, Gefügigmachen von Schutzbefohlenen, körperliches Kitzeln von Schutzbefohlenen, Griffe in Unterhosen von Messdienern, sexuell motivierte Berührung der Geschlechtsteile von Schutzbefohlenen etc.) ebenfalls als „Missbrauch“ ein, so dass der Kläger zumindest deswegen hier auch wertend als „Missbrauchs-Priester“ bezeichnet werden dürfte. Insofern fehle es sogar an einem ausreichend substantiierten Bestreiten des Klägers. Zu den Geschehnissen in F. habe der Zeuge M. in seinem Brief vom wahrheitsgemäß grenzverletzendes Verhalten des Klägers geschildert und u.a. sexuelle Übergriffe durch Anfassen und masturbierende Handbewegungen am Penis des Zeugen. Dabei gehe es um das von dem Diakon im Jahr 2010 nur abgeschwächt Berichtete. Im Übrigen sei ergänzend auf die ebenfalls wahrheitsgemäßen Schilderungen der Zeugen J., N. und I. zu verweisen, wie auf S. 6 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 15. Februar 2023 (Bl. 216 ff. des Senatshefts) beschrieben. Insofern sei in der angegriffenen ersten Berichterstattung mit dem dortigen Verweis auf die „Akten des A.“ auch ersichtlich, dass die Einordnung als „Missbrauchs-Priester“ in der Überschrift auch auf alle weiteren aktenkundigen Vorfälle gestützt worden sei. Sei die Presse nicht gehalten, bei einer kritischen Äußerung alle Anknüpfungstatsachen offenzulegen (BGH, Urteil vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73, NJW 1974, 1762, 1763), gelte dies auch hier und es sei jedenfalls über alle weiteren Vorfälle der angebotene Beweis zu erheben.
86Zu der Passage „Der D. Y. K. hat einen Priester befördert – obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat!“ habe das Landgericht zu Unrecht an ein angebliches Verständnis des Durchschnittsrezipienten zum Begriff „Kind“ als Person unter 16 Jahre angeknüpft, was schon wegen §§ 2, 1626 BGB so nicht haltbar sei. Zudem dürfe selbst bei einer solchen Lesart das Kerngeschehen am Bahnhof wertend als „Kindesmissbrauch“ bewertet werden, zumal unter Beweis gestellt sei, dass der Kläger bezüglich der Minderjährigkeit eventualvorsätzlich gehandelt habe. Spräche selbst der in den Akten des A. enthaltende Vermerk in Anlage K 4 von einem durch den Kläger „eingeräumte(n) sexuelle(n) Kontakte(n) zu einem 16-jährigen Stricher““, sei die sprachliche Umformulierung zu einem „Gestehen“ äußerungsrechtlich beanstandungsfrei.
87Die weitere Passage „In den Akten des A. geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ sei keine unzulässige Verdachtsberichterstattung. Die Passage sei - entgegen dem Landgericht – auch nicht nur Ausfluss substanzloser Vermutungen; tatsächlich fehle es im Gegenzug sogar an einem ausreichenden Bestreiten des Klägers. Gehe man von einer Verdachtsberichterstattung aus, könne die Presse Verdachtsäußerungen ohnehin auch damit verteidigen, dass der geäußerte Verdacht erweislich der Wahrheit entspreche und dazu dann den Vollbeweis erbringen. Daher seien neben dem Zeugen M. auch die Zeugen J., N. und I. zu vernehmen, weil sie bezeugen könnten, dass der Kläger mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die Sauna gegangen sei, sie mit Alkohol gefügig gemacht, ihnen Pornofilme vorgespielt habe und Masturbationshandlungen an ihnen vollzogen habe.
88Bei der Passage „(…) befördert K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O..“ handele es sich richtigerweise ebenfalls um eine Bewertung (Meinungsäußerung) und nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Bezeichnung sei auf Basis des berichteten und im Kern unstreitigen Geschehens aus dem Jahr 2001 in als emotionale/pointierte sog. „Rechtsmeinung“ ohne tatsächliche Prägung zulässig, zumal nicht behauptet worden sei, der Kläger sei tatsächlich von einem staatlichen Gericht verurteilt oder habe eine (bestimmte) im StGB enthaltene Tat begangen. Im Übrigen habe selbst A. ein Verfahren wegen Verstoß gegen die kirchenstrafrechtlichen Bestimmungen eingeleitet.
89Zu den Berichterstattungen vom (…) habe das Landgericht zu Unrecht eine unzulässige Verdachtsberichterstattung in Bezug auf die berichtete Beteiligung an einem Vertuschungsfall angenommen. Auch insofern sei ausreichend unter Beweis gestellt, dass der Kläger entsprechende Taten allesamt begangen habe.
90Sofern das Landgericht schließlich die Veröffentlichung von Passagen aus der internen Zusammenfassung vom (…) verboten habe, habe es verkannt, dass man auch diese Äußerungen jeweils mit ihrem Wahrheitsgehalt unter Beweisantritt verteidigt habe, so dass auch hier ein Abstellen nur auf die Voraussetzungen der identifizierenden Verdachtsberichterstattung - die man zudem eingehalten habe, weil eine Anhörung insofern ohnehin entbehrlich gewesen sei - fehlerhaft sei.
91Folgerichtig sei dann auch die begleitende Bildberichterstattung zulässig. Hier habe das Landgericht zu Unrecht deren Schicksal mit der Wortberichterstattung verknüpft, was bei der kontextneutralen Bebilderung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses selbst bei Unzulässigkeit einzelner Passagen der Wortberichterstattung nicht überzeuge (BGH, Urteil vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 15 ff.).
92Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrages in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 97 ff. des Senatshefts) und die Schriftsätze vom 15. Februar 2023 (Bl. 210 ff. des Senatshefts), 2. März 2023 (Bl. 292 ff. des Senatshefts), 17. April 2023 (Bl. 313 ff. des Senatshefts) und vom 22. September 2023 (Bl. 387 ff. des Senatshefts) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2023 (Bl. 285 ff. des Senatshefts) sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 3. November 2023 (Bl. 511 ff. des Senatshefts) Bezug genommen.
93Die Beklagte beantragt,
94das Urteil des Landgerichts Köln vom 8. Juni 2022 - 28 O 304/21 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
95Der Kläger beantragt,
96die Berufung zurückzuweisen, dies mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der sich auf Online-Berichterstattungen beziehenden Klageanträge auf die vorgelegten Anlagen K 2 und K 5 Bezug genommen wird und im Klageantrag zu 1) klarstellend die Passage „Der D. Y. K. hat einen Priester befördert…“ nicht zum Gegenstand des Unterlassungsanspruchs gemacht wird.
97Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er behauptet, es habe im kirchenrechtlichen Verfahren zwischenzeitlich einen „Freispruch erster Klasse“ unter Feststellung seiner Unschuld („constat de non“) gegeben. Dies sei zumindest in der Abwägung bei dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch zu berücksichtigen. Es müsse für den Kläger nunmehr wieder Rechtsfrieden und Anonymitätsschutz herrschen, dies erst recht über 20 Jahre nach dem Geschehen am Bahnhof mit Blick auf Art 17 DSGVO und das sog. Recht auf Vergessenwerden. Im Übrigen sei seine Intimsphäre bzw. der innere Kreis der Privatsphäre betroffen. Durch den Freispruch im kirchenrechtlichen Verfahren sei der Wahrheitsbeweis seiner Unschuld geführt und der Gegenbeweis gemäß § 190 S. 2 StGB unstatthaft. Auch mit Blick auf Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV sei der kirchenrechtliche Freispruch vom Senat zu akzeptieren. Es seien sämtliche Aussagen der vermeintlichen Missbrauchsopfer, auf die sich die Beklagte im Verfahren beziehe, in das kirchenrechtliche Verfahren aufgenommen und gewürdigt worden.
98Zu der Passage „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ und den weiteren angegriffenen Passagen argumentiere die Beklagte zu Unrecht mit einem - vom Landgericht nicht genutzten - Begriff einer falschen Meinungsäußerung. Man verkenne, dass der vom Landgericht zutreffend als Maßstab herangezogene Durchschnittsrezipient den Vorwurf eines (sexuellen) „Missbrauchs“ auf strafbare und gegen den Willen des Opfers vorgenommene Handlungen beziehe, an denen es fehle. Zudem behauptet der Kläger erstmals, der Vorfall im Jahr 2001 habe sich tatsächlich in einem nicht öffentlich einsehbaren Bereich einer Garage abgespielt – was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Kirchenrechtlich habe zum Zeitpunkt des Vorfalls die sexuelle Selbstbestimmung nach c. 1395 § 2 CIC/1983 erst mit 16 Jahren begonnen, weil mit dem motu proprio sacramentorum sanctitatis tutela vom 30. April 2001 erst mit Wirkung zum 31. Juli 2001 das Schutzalter auf 18 Jahre angehoben worden sei, so dass man damals auch zu Recht nur eine Verwarnung nach § 1 CIC/1983 ausgesprochen habe. Ein „Missbrauch“ impliziere bei verständiger Würdigung nach dem Duden (Einblendung Bl. 300 des Senatshefts) zudem insbesondere sexuelle Gewalt gegenüber Kindern. Der Prostituierte sei aber ersichtlich kein Kind gewesen. Jedenfalls sei mit Blick auf den offenen Begriff des „Missbrauchs“ auf die Grundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung zu rekurrieren, zumal im Kontext auch noch der Bezug zu einer Sexualstraftat hergestellt worden sei. Ausgehend vom Leserverständnis habe der Kläger erst recht keinen „Kindesmissbrauch gestanden“, weil es auch dabei auf die landläufige Unterscheidung zwischen Kind, Jugendlichem und Erwachsenen ankomme. Für den Kläger sei die Minderjährigkeit des Prostituierten nicht erkennbar gewesen und er habe diese nicht billigend in Kauf genommen; ein wie auch immer gelagertes Geständnis gebe es ohnehin nicht. Die aus Lesersicht eindeutig auf den beschriebenen Vorgang aus dem Jahr 2001 bezogene Beschreibung könne dann nicht im Wege der nachträglichen Nachbesserung der Berichterstattung auch auf den – ohnehin nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludierten – Vortrag zu den Zeugen M., I. , N. und J. gestützt werden. Etwaige Erkenntnisse aus an die Beklagte durchgestochenen Personalakten unterlägen zivilrechtlich zudem einem Verwertungsverbot, zumal die Informationen datenschutzrechtlich in den Akten des A. längst zu löschen gewesen seien.
99Zu der Passage „In den Akten des A. geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ habe das Landgericht zu Recht auf die fehlende Anhörung zu der darin liegenden Verdachtsberichterstattung abgestellt. Da es sich bei diesem Rechtsinstitut um eine spezielle Ausprägung der Wahrnehmung berechtigter Interessen handele, sei es ausgeschlossen, bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen einfach auf die äußerungsrechtliche Kategorie einer nachweislich wahren Tatsachenbehauptung mit engeren Verbotsgrenzen zurückzufallen. Andersfalls drohe man u.a., die strafrechtliche Unschuldsvermutung zu konterkarieren. Sehe man das anders, sei hier jedenfalls nur unzulässiger Ausforschungsbeweis angetreten. Die aktenkundigen Bekundungen des Zeugen M. seien widersprüchlich und unglaubhaft wie auf S. 7 f. des Schriftsatzes vom 30. März 2023 (Bl. 305 f. des Senatshefts) ausgeführt; das sei im Dekret des kirchenrechtlichen Verfahrens ebenfalls so gewürdigt worden.
100Die Passage „(…) beförderte K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O.“ sei mit dem vom Landgericht zu Recht zu Grunde gelegten Verständnis eines Durchschnittlesers ein falscher Verweis auf eine strafrechtliche Verurteilung bzw. die Begehung einer Straftat.
101Auch bei den Berichterstattungen vom (…) sei das Landgericht zu Recht von einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung ausgegangen. Eine Anhörung des Klägers sei nicht entbehrlich gewesen und der Kläger hätte – wie erstinstanzlich vorgetragen – bei einer Konfrontation auf die entlastenden Umstände hingewiesen. Mit dem Freispruch im kirchenrechtlichen Verfahren stehe ohnehin auch hier der fehlende Mindestbestand fest. Das gelte entsprechend zu den veröffentlichten Auszügen aus der Akte des A.. Mit der Unzulässigkeit der Wortberichterstattung bestehe dann auch für die den Kläger unverpixelt zeigende Bildberichterstattung kein überwiegendes öffentliches Interesse gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.
102Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrages in der Berufungsinstanz wird auf Berufungserwiderung (Bl. 159 ff. des Senatshefts) und die Schriftsätze vom 17. Februar 2023 (Bl. 271 ff. des Senatshefts), 30. März 2023 (Bl. 298 ff. des Senatshefts), vom 8. Mai 2023 (Bl. 339 ff. des Senatshefts) und vom 26. September 2023 (Bl. 397 ff. des Senatshefts) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2023 (Bl. 285 ff. des Senatshefts) Bezug genommen.
103Die Akten LG Köln – 28 O 175/21 – lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung; dies wurde versehentlich nicht in das Sitzungsprotokoll vom 23. Februar 2023 aufgenommen.
104Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. auf Basis des Beweisbeschlusses vom 27. April 2023 (Bl. 323 ff. des Senatshefts). Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2023 (Bl. 406 ff. des Senatshefts) Bezug genommen.
105Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2023 (Bl. 440 ff. des Senatshefts) hat sich u.a. die Beklagte mittels Gehörsrüge und Gegenvorstellung gegen eine Anordnung des Senats nach § 174 Abs. 3 GVG gewendet. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2023 (Bl. 493 ff. des Senatshefts) hat der Senat die Rüge und Gegenvorstellung zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 10. November 2023 – 1 BvR 2056/23 (Bl. 525 ff. des Senatshefts) hat das Bundesverfassungsgericht eine gegen die Anordnung des Senats gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
106II.
107Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
108Dem Kläger stehen in tenoriertem Umfang Unterlassungsansprüche gegen die Wortberichterstattung bzw. die Veröffentlichung von Bestandteilen der (…) Akten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB sowie gegen die öffentliche Zurschaustellung von seinen Lichtbildern aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, §§ 22, 23 KUG zu. In Bezug auf die weiteren hier angegriffenen Äußerungen bzw. die Veröffentlichung der übrigen Aktenbestandteile ist hingegen die Klage unbegründet. Denn insoweit stehen dem Kläger – entgegen dem Landgericht – Unterlassungsansprüche unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.
109Im Einzelnen gilt Folgendes:
1101. Hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 1 a) angegriffenen Überschrift „Y. K. beförderte Missbrauchs-Priester“ besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers, so dass die Berufung der Beklagten insofern zur Abänderung des angegriffenen Urteils führen muss.
111a) Zwar berührt die Bezeichnung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ gerade in Ansehung seines Berufsstandes dessen sozialen Geltungsanspruch und damit den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK). Der Kläger ist trotz der nur eingeschränkten namentlichen Nennung durch die Bezeichnung als „Pfarrer C. aus O.“ mit Blick auf die weiteren Angaben zur Beförderung zum Q. im Jahr (…) auch identifizierbar.
112b) In Bezug auf diese Äußerung liegt jedoch kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Im Rahmen der - nach den vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend herausgearbeiteten und hier nicht zu wiederholenden äußerungsrechtlichen Grundsätzen zwingend gebotenen - Abwägung dieses Rechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegt nicht das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten.
113aa) In der Bezeichnung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ im direkten Zusammenhang mit der Wiedergabe der unstreitig wahren Tatsache der Beförderungsentscheidung des S. Y. K. und vor allem des unstreitigen Kerngeschehens aus dem Jahr 2001 liegt eine auch im Verhältnis zum Kläger (vgl. zur identischen Berichterstattung im Verhältnis zum Y. bereits Senat, Urteil vom 16. März 2023 – 15 U 120/22, juris Rn. 37 ff.) zulässige Meinungsäußerung. Es geht hier insbesondere nicht um einen Bestandteil einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung zu Lasten des Klägers, da mit der bewertenden Bezeichnung und den weiteren Angaben im Gesamtzusammenhang der Berichterstattung nicht offene Tatsachenfragen (wie etwa bei einem laufenden Straf- oder auch Kirchenstrafverfahren zu klärende Punkte) mitgeteilt werden. Es werden die in der Berichterstattung im Kontext beschriebenen und im Kern unstreitigen Anknüpfungstatsachen aus dem Jahr 2001 – die insofern als feststehend und tatsächlich erfolgt mitgeteilt sind, was klägerseits auch nicht in Zweifel gezogen wird – vielmehr mit dem Begriff „Missbrauchs-Priester“ nur aufgegriffen und kritisch gewürdigt. Selbst wenn man darin – dazu sogleich mehr – zugleich die Mitteilung entsprechender tatsächlicher Elemente sehen wollte, trägt dies keine andere Sicht. Denn da der Wahrheitsgehalt der den Kläger betreffenden Tatsachenbehauptungen zum Geschehen im Jahr 2001 im tatsächlichen Kern außer Streit steht, beurteilt sich die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 39). Es handelt sich auch nicht um eine Berichterstattung über laufende Ermittlungen und/oder ein laufendes Strafverfahren, an deren Zulässigkeit mit Blick auf die Unschuldsvermutung ggf. besondere Anforderungen zu stellen wären (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 40 ff.).
114bb) Die in der Äußerung liegende Meinungsäußerung hat der Kläger in der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen. Die Bezeichnung eines Verhaltens als „Missbrauch“ und die Bezeichnung des Klägers, eines Priesters, als „Missbrauchs-Priester“ wird maßgeblich durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und ist deshalb als Meinungsäußerung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21, NJW 2023, 510 Rn. 16 m.w.N.). Ob ein Verhalten als „Missbrauch“ anzusehen ist, ist nämlich eine Frage der rechtlichen oder auch nur moralischen Bewertung. Die Bezeichnung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ enthält dabei im fraglichen Kontext keine unwahren tatsächlichen Bestandteile (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 36). Es ist nämlich prozessual als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger im Jahr 2001 am (…) Hauptbahnhof vor einem minderjährigen und obdachlosen Prostituierten gemäß einer zuvor getroffenen Ansprache sexuelle Handlungen vorgenommen hat. Es steht der Beklagten aber frei, dieses (unstreitige) Verhalten als „Missbrauch“ zu bewerten und den Kläger dementsprechend in einer zugespitzten Wertung als „Missbrauchs-Priester“ zu bezeichnen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte das damals vom Kläger gezeigte und von ihr zum Anlass für die Bewertung seiner Person genommene Verhalten in dem Artikel im Kern zutreffend - wenn auch nicht in allen Einzelheiten - offengelegt hat. Zwar hat die Beklagte in diesem Zusammenhang unzutreffend über Angaben, die der Kläger seinerzeit bei der Polizei gemacht hat, berichtet und dem Leser verschwiegen, dass gegen den Kläger damals kein staatliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist (dazu nachstehend zu Ziffer 2). Diese tatsächlichen Elemente des Artikels nimmt die hier allein fragliche, wertende Bezeichnung des Klägers in der Überschrift des Beitrages als „Missbrauchs-Priester“ aber nicht in sich auf. Denn anders als die nachstehend zu Ziffer 2 behandelte Äußerung bezieht sich diese Passage im Gesamtkontext nur auf die Person des Klägers und auf das von ihm tatsächlich damals gezeigte Verhalten und gerade nicht auch auf seine spätere Schilderung des Verhaltens gegenüber der Polizei und/oder die Frage der späteren Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
115Anders als bei der nachstehend zu Ziffer 2 behandelten Passage wird dem Leser durch die Bezeichnung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ schließlich nicht die Schlussfolgerung nahegelegt, der Kläger habe sich strafbar gemacht. Der Begriff „Missbrauch“ wird vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch auch und gerade für noch nicht strafbare Verhaltensweisen verwandt, die aus Sicht des Äußernden lediglich aus anderen Gründen - etwa zivilrechtlich oder moralisch - zu beanstanden sind. Darüber hinaus ist der Begriff auch nicht auf Verhaltensweisen beschränkt, die ohne das Einverständnis der betroffenen Person erfolgen (vgl. dazu etwa §§ 174 ff. StGB). Nichts anderes gilt hier: Strafrechtliche oder kirchenstrafrechtliche Fragen werden mit dieser Bewertung in der Überschrift gerade noch nicht angesprochen. Sofern beim durchschnittlichen Rezipienten durch die Schilderung des (in tatsächlicher Hinsicht im Kernsachverhalt unstreitigen) Vorfalls möglicherweise - auch im weiteren Kontext der Berichterstattung - entsprechende Konnotationen hervorgerufen werden könnten, ist das vom Kläger im Grundsatz hinzunehmen (siehe auch für vergleichbare Berichterstattung zum Begriff des „Masturbations-Priesters“ auch LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.12.2022 – 2-34 O 320/22, n.v. = Anlage BK 11, Bl. 262 des Senatshefts). Denn ein Presseorgan kann dem Rezipienten durchaus im Kontext Fakten zur eigenen Auseinandersetzung mit diesen anheimgeben und ist nicht dazu gehalten, hierdurch oder auch durch – wie hier – kritische Bewertungen auf dieser Tatsachenbasis ggf. gesetzte Anstöße für ein Weiterdenken in Richtung auf einen Sachverhalt zu unterbinden, der in der Berichterstattung so als solches aber gar nicht behauptet worden ist, etwa weil er sich so nicht zugetragen hat oder auch nur nicht verifiziert werden kann. Eine solcherart weitergehende Reglementierung würde in vielen Fällen Information und Kommunikation unmöglich machen. Die hieraus für den Ruf des Betroffenen erwachsenen Belastungen sind mit der Gewährleistung in Art. 5 Abs. 1 GG zwangsläufig verbunden und vom Grundgesetz bewusst in Kauf genommen (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 – VI ZR 177/78, GRUR 1980, 1090, 1093 – „Medizin-Syndikat I; Senat, Urteil vom 28. Juni 2018 - 15 U 150/17, BeckRS 2018, 16334 Rn. 20). Zwar ist im weiteren Kontext die Bezeichnung des Klägers als „Sexualstraftäter“ mit dem nachstehend zu Ziffer 5. Auszuführenden als solches rechtlich unzulässig, steht - entgegen dem Landgericht – aber andererseits selbst nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der wertenden und noch etwas offeneren Umschreibung als „Missbrauchs-Priester“ in der Überschrift.
116Zwar ist ansonsten der Vorwurf, der Kläger sei ein „Missbrauchs-Priester“ eine scharfe und zugespitzte Kritik an dem im Beitrag angesprochenen Verhalten des Klägers im Jahr 2001, welches im Berichterstattungspunkt zudem schon recht lange Zeit zurücklag. Auch ist zwar nicht die sog. Intimsphäre, wegen der mit der Bezeichnung zugleich erfolgenden Bezugnahme auf die Aufdeckung eines (einvernehmlichen) sexuellen Kontakts zu dem minderjährigen Prostituierten aber zumindest die private Lebenssphäre des Klägers betroffen (vgl. zu einer Parallelberichterstattung etwa LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.12.2022 – 2-34 O 320/22, n.v. = Anlage BK 11, Bl. 260 f. des Senatshefts). Indes geht es andererseits nicht um eine detailreiche Beschreibung des sexuellen Kontakts zur Bedienung der Sensationslust der Rezipienten, sondern das Geschehen wird nur nüchtern und detailarm umschrieben. Es hat sich zudem in einem zumindest theoretisch auch öffentlich zugänglichen Bereich in der Nähe des Hauptbahnhofs abgespielt. Das bestrittene und angesichts der eigenen polizeilichen Einlassung überraschende zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers mit einer plötzlichen Verortung des damaligen Geschehens in einer Garage ist jedenfalls berufungsrechtlich gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
117Das Geschehen wird in der Berichterstattung zudem ohnehin nur als Aufhänger herangezogen, um die Amtsführung des Y. am Beispiel der Beförderungsentscheidung im Jahr (…) zu Gunsten des Klägers zu kritisieren. Denn diese Personalentscheidung ist (ungeachtet der Frage des genauen Umfangs der Kenntnis des Y. von einzelnen Vorwürfen gegen den Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt) erfolgt, obwohl die Akten des A. in Bezug auf den Kläger unstreitig schon damals das auch im hiesigen Verfahren erörterte, den Kläger belastende Material enthielten und u.a. der Bericht der Polizei zu dem Vorfall aus dem Jahr 2001 veraktet war. Die kritische Bewertung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ steht insofern dann aber im direkten und untrennbaren Kontext der tagesaktuellen Kritik an der Amtsführung des Y. und einem angeblichen Kontrast zu dessen öffentlicher Selbstdarstellung als jemand, der vermeintlich um die Aufklärung kirchlicher Missbrauchstaten bemüht sein will. Das insoweit bestehende Berichterstattungsinteresse (vgl. Senat a.a.O. Rn. 36 und auch BVerfG, Beschluss vom 10. November 2023 – 1 BvR 2036/23, Rn. 21 (Bl. 531 des Senatshefts) betrifft auch die hier kritisierte Beförderungsentscheidung zu Gunsten des Klägers. Dann hat sich aber auch der Kläger - der zudem als Träger eines gehobenen kirchlichen Amtes zumindest teilweise schon vorher in der Öffentlichkeit stand und sich die kritische Befassung mit seiner Position und seinem Amt daher umso eher gefallen lassen muss – eine identifizierende Berichterstattung über das unstreitige Kerngeschehen aus dem Jahr 2001, die Reaktualisierung dieses zeitlich länger zurückliegenden Geschehens und die mit der konkret angegriffenen Meinungsäußerung verbundene scharfe Kritik an seinem damaligen Verhalten gefallen zu lassen. Denn diese Kritik nicht nur an dem in der Öffentlichkeit stehenden Y., sondern auch am Kläger steht insgesamt in einem untrennbaren Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion um die Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und der kurz vor der Veröffentlichung des angegriffenen Artikels erfolgten Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im A., auf welches in dem Artikel auch verwiesen wird. Der angegriffene Artikel betrifft so insgesamt eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage und leistet - auch mit der identifizierenden Berichterstattung über den Kläger und das unstreitige Kerngeschehen aus dem Jahr 2001, dessen Kenntnis durch den Y. bzw. jedenfalls dessen Aktenkundigkeit in den (…) Akten die Beförderungsentscheidung im Jahr (…) fragwürdig erscheinen lassen mag - einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung.
118cc) Wollte man der Bezeichnung „Missbrauchs-Priester“ im Kontext des Artikels zugleich noch die tatsächliche Aussage entnehmen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Vornahme der sexuellen Handlungen jedenfalls Vorsatz in Bezug auf die Minderjährigkeit seines Sexualpartners hatte, würde dies keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Denn die Behauptung einer inneren Tatsache basiert selbst zwangsläufig auf Schlussfolgerungen aus dem Verhalten der betroffenen Person, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens des Äußernden geprägt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21, NJW 2023, 510 Rn. 24). Vorliegend würde es sich bei der Einschätzung, der Kläger habe es zum Zeitpunkt der Vornahme der sexuellen Handlungen zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass sein Sexualpartner noch minderjährig war, daher nur um eine auf den äußeren Tatsachen fußende Schlussfolgerung handeln und nicht um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21, NJW 2023, 510 Rn. 28). Denn unstreitig hat der Kläger dem konsultierten Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie von einem Kontakt „mit einem 16jährigen Jugendlichen“ berichtet, ohne mitzuteilen, dass er das Alter erst nachträglich erfahren haben will. Zudem hat der Kläger bei seiner Anhörung am 12. September 2001 durch das A. offenbar bereitwillig den sexuellen Kontakt zu dem in den Akten des A. auch nur als „Strichjungen“ bezeichneten Prostituierten eingeräumt (vgl. Aktennotiz vom 24. September 2001, Bl. 587 der Beiakte), bevor ein Mitarbeiter des E. erst am 13. September 2001 das genaue Alter des Sexualpartners bei der Polizei erfragt haben soll.
119dd) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts auf S. 18 f. der angegriffenen Entscheidung wird durch die Bezeichnung als „Missbrauchs-Priester“ im Gesamtkontext der Berichterstattung schließlich nicht eine sonstige Fehlvorstellung der Rezipienten über einen mit dem tatsächlichen Geschehen nicht übereinstimmenden Sachverhalt hervorgerufen. Zwar kann auch eine offene Bewertung bei einem Rezipienten im Einzelfall eine konkrete tatsächliche Vorstellung über ein Geschehen erzeugen und die Äußerung im Gesamtkontext damit so stark von tatsächlichen Bestandteilen geprägt werden, dass ihr (jedenfalls auch) der Charakter einer Tatsachenbehauptung beigemessen werden kann, die einen bestimmten Vorgang im Wesentlichen nur schlagwortartig verkürzt beschreibt (vgl. zu solchen Fällen und zur Abgrenzung allg. etwa BGH, Urteile vom 17. November 1992 - VI ZR 344/91, NJW 1993, 930, 931 – „illegaler Fellhandel“; vom 22. Juni 1982 - VI ZR 255/80, NJW 1982, 2248 – „Betrug“; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, NJW 2009, 1872 (1874) – „Korruption“; OLG Celle, Urteil vom 1. November 2001 – 13 U 70/01, BeckRS 2001, 30216220 – „Prozessbetrug“; OLG Dresden, Urteil vom 1. April 2015 - 4 U 1296/14, BeckRS 2015, 6409 – „Steuerhinterziehung“; siehe zum Problem auch Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn. 62 f. m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht: Zwar ist die weitere Bezeichnung des Klägers als „Sexualstraftäter“ im Kontext der angegriffenen Passage mit dem nachstehend zu Ziffer 5. Auszuführenden unzulässig, diese steht aber - wie schon gesagt - nicht in direktem Zusammenhang mit der wertenden und offenen Umschreibung des Geschehens als „Missbrauch.“ Da die genaue rechtliche Bewertung eines derartigen Geschehens ohnehin eine Wertungsfrage ist, liegt auch mit Blick darauf keine Vermittlung unwahrer tatsächlicher Elemente vor.
120Das vom Kläger gegenüber der Polizei offenbarte, angeblich berührungslose Geschehen an der Rückseite des Hauptbahnhofs im Jahr 2001 durfte man im Kontext zudem auch als „Sex mit dem […] Prostituierten“ umschreiben. Die hier zum Ausdruck kommende Auffassung des Landgerichts, der durchschnittliche Rezipient gehe dann davon aus, dass es in Ansehung dessen damals zu einem anderen tatsächlichen Geschehen, insbesondere zu einem sexuellen Kontakt mit wechselseitigen Berührungen der Beteiligten gekommen sei, teilt der Senat ausdrücklich nicht (siehe schon Urteil vom 16. März 2023 – 15 U 120/22, juris Rn. 24). Auch insofern werden mithin keine falschen tatsächlichen Vorstellungen beim Rezipienten erzeugt. Der allgemeine, nicht scharf umrissene Begriff „Sex“ umfasst vielmehr jede Form sexueller Betätigung (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Sex; zuletzt abgerufen am 4. November 2023) und damit grundsätzlich aber gerade auch die Befriedigung des Sexualtriebs durch Vornahme sexueller Handlungen am eigenen Körper. Von Sex „mit“ einer anderen Person wird man zwar beim Onanieren nur sprechen können, wenn dabei zugleich eine auf die Befriedigung des Sexualtriebs ausgerichtete Interaktion mit der anderen Person stattfindet. Das war bei dem Geschehen im Jahr 2001 aber der Fall. Denn nach den Angaben, die der Kläger bei der Polizei gemacht hat, haben er und der Prostituierte sich gegenübergestellt und sich ohne wechselseitige Berührungen gegenseitig beim Masturbieren bis zum Erguss zugeschaut.
121Die Tatsache, dass der Kläger und der Prostituierte sich nicht wechselseitig berührt haben, ist schließlich dann auch nicht derart wesentlich, dass die Beklagte diese Tatsache im Kontext der hier angefochtenen Äußerung nicht hätte verschweigen dürfen (vgl. Senat a.a.O. Rn. 25 und allgemein BGH, Urteile vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rn. 18 und vom 26. Oktober 1999 – VI ZR 322/98, NJW 2000, 656, 657; vertiefend Retka, AfP 2018, 196 ff.). Insbesondere war diese Tatsache nicht von tragender Bedeutung für eine etwaige strafrechtliche oder auch nur kirchenstrafrechtliche Bewertung des vom Kläger gezeigten Verhaltens. Denn nach dem maßgeblichen im Jahr 2001 geltenden staatlichen Recht wäre das Verhalten - sei es mit oder ohne Entgeltabrede - unzweifelhaft auch dann nicht strafbar gewesen, wenn es zu Berührungen gekommen wäre (zur heutigen Rechtslage vgl. § 182 Abs. 2 StGB). Des Weiteren ist aber auch nicht ersichtlich, dass der Punkt für eine Beurteilung des Geschehens nach dem im Tatzeitpunkt geltenden kirchlichem Strafrecht von Bedeutung war. So sanktioniert insbesondere etwa c. 1395 CIC ganz allgemein eine äußere Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs, wozu das kirchliche Lehramt unter anderem Unkeuschheit, Prostitution und homosexuelle Praktiken zählt. Dass dieser Tatbestand voraussetzt, dass der Täter eine andere Person körperlich berührt, erschließt sich dem Senat nicht.
122Auch sofern im Gesamtzusammenhang im Bericht noch von einem „Kindesmissbrauch“ die Rede ist, führt dies nicht dazu, dass die Wertung als „Missbrauchs-Priester“ dem Rezipienten zugleich deswegen eine konkrete Vorstellung von unwahren Tatsachen vermittelt. Denn im Beitrag wird deutlich gemacht, dass es um einen „damals 17-jährigen „Strichjungen““ als dem genannten „obdachlosen und minderjährigen Prostituierten“ gegangen ist, so dass jedes andere Leserverständnis zum Alter des Minderjährigen ohnehin fernliegend wäre.
123Auch in Ansehung dessen kann der Kläger sich daher hier insgesamt nicht auf die sog. „Stolpe“-Rechtsprechung (dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 11. November 2021 – 1 BvR 11/20, BeckRS 2021, 39670 Rn. 17,20 – Antisemit m.w.N.), die zwar auch für Werturteile gilt (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 BvR 49/00 u.a., NJW 2006, 3769, 3773 – Babycaust), berufen. Damit kommt es auch nicht mehr auf die - wohl zu verneinende - Frage an, ob man diese Grundsätze auf sog. Tatsachenkerne hinter einer primär wertenden Beschreibung überhaupt anwenden könnte (dazu kritisch bereits Senat, Urteil vom 14. Juni 2018 - 15 U 153/17, BeckRS 2018, 12710 Rn. 48 ff.).
124ee) Die Bewertung als „Missbrauchs-Priester“ ist - was ansonsten schon die Abwägung entbehrlich gemacht hätte – keine sog. Schmähkritik und/oder Formalbeleidigung. Vielmehr geht es um die kritische Würdigung des beschriebenen (unstreitigen) sexuellen Kontakts des Klägers als Priester mit dem obdachlosen Minderjährigen. Das dient nicht etwa nur der Herabsetzung der Person des Klägers, sondern erfolgt im Zuge einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Umgang der katholischen Kirche und speziell des im Beitrag auch primär kritisierten Y. mit Missbrauchssachverhalten. In Ansehung der kritisierten Besetzungsentscheidung geht es um das frühere Verhalten des Klägers als einem infolge der Bestellung zum Q. nunmehr herausgehobenem kirchlichen Würdenträger und die persönliche Eignung für das Amt. Allein die abschreckende Wirkung einer solchen Passage für Außenstehende und allein eine ggf. auch inhaltlich überzogene Bewertung machen eine solche Äußerung nicht zur unzulässigen Schmähung, wenn – wie hier - nicht zugleich der Boden jeder sachlichen Auseinandersetzung verlassen wird und jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht ausschließlich die Diffamierung der Person in den Vordergrund rückt. Hier berührt die - zugegeben scharfe - Bewertung des tatsächlichen Verhaltens des Klägers im Jahr 2001 direkt die auf überwiegendes öffentliches Interesse treffende Frage nach kritikwürdigen Handlungen bei der Amtsführung des Y., beschreibt in diesem Kontext im tatsächlichen Kern zutreffend das Geschehen und bewertet es dann nur eindringlich.
125ff) In der Abwägung ist zwar zu Gunsten des Klägers einzustellen, dass der mit der angegriffenen Bezeichnung seiner Person als „Missbrauchs-Priester“ verbundene Eingriff in den sozialen Geltungsanspruch aufgrund seiner Profession nicht unerheblich ist und dies durch den hohen Verbreitungsgrades der Berichterstattung vertieft wird.
126Indes ist es andererseits gerade auch diese Profession des Klägers, die wegen der greifbaren Divergenzen zum offiziellen Amtsverständnis eines katholischen Priesters und dessen herausgehobener Position zugleich das besondere öffentliche Interesse an dem Sachverhalt im Zusammenhang mit der deswegen als kritikwürdig eingestuften Personalentscheidung des Y. begründet. In der Abwägung streitet nicht für den Kläger, dass die Bewertung auf die Mitteilung der tatsächlichen Anknüpfungstatsachen in der Berichterstattung aufsetzt. Denn deren Offenlegung hat der Kläger wegen des hohen Berichterstattungsinteresses trotz des langen Zeitablaufs zu dulden: Zwar kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann selbst bei Tatsachen aus der sog. Sozialsphäre insbesondere der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 31. Mai 2022 – VI ZR 95/21, GRUR-RS 2022, 16222 Rn. 19, Senat, Urteil vom 09. November 2023 – 15 U 211/22, n.v.); im Übrigen geht es – wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 10. November 2023 – 1 BvR 2056/93, Rn 18 (Bl. 530 des Senatshefts) ausgeführt hat, auch bei Betroffenheit der Privatsphäre im Kern um eine Abwägungsfrage. Dass die Aufdeckung des damaligen Tuns und die darauf aufsetzende kritische Bewertung für den Kläger und seine berufliche Stellung Beeinträchtigungen mit sich gebracht haben mag, steht zwar außer Frage. Nichtsdestotrotz muss in der Abwägung aber auch hier das hohe Berichterstattungsinteresse ebenso Berücksichtigung finden wie die Tatsache, dass die Angaben zu dem Geschehen aus dem Jahr 2001 nicht etwa sensationsheischend oder anprangernd erfolgt sind. Schwerpunkt der Berichterstattung ist vielmehr die Kritik an der Amtsführung des Y., bei der der Blick auf das Geschehen aus dem Jahr 2001 nur wegen der Umstände der Personalentscheidung im Jahr (…) „reaktualisiert“ wird. Insofern kann der Kläger sich in der Abwägung auch nicht auf ein „Recht auf Vergessenwerden“ mit Blick auf Art. 17 DSGVO bzw. im hiesigen Bereich journalistischer Tätigkeit i.S.d. Art. 85 DSGVO mit Blick auf die Grundsätze der sog. Lebach-Entscheidung (BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72, NJW 1973, 1226) berufen. Zwar steht außer Frage, dass selbst rechtskräftig verurteilte Straftäter ein Recht haben, mit ihrer Tat alleine gelassen zu werden und man dies u.U. auch auf andere Fälle in ähnlicher Form übertragen mag (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 28. Juni 2019 – 2-03 O 315/17, juris Rn. 60 f.). Indes geht es vorliegend zwar einerseits um ein lange zurückliegendes Geschehen am Bahnhof, welches jedoch wegen der jüngeren Personalentscheidung des Y. zu Gunsten des Klägers aus dem Jahr (…) - trotz der damals zumindest in den Akten befindlichen belastenden Unterlagen über das Geschehen aus dem Jahr 2001 – mit dem bereits Gesagten zwangsläufig reaktualisiert worden ist und wegen des überragenden öffentlichen Interesses an der Amtsführung des Y. in Sachen Missbrauchsaufklärung insgesamt erneut gleichermaßen mit in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Ob und wie die Unterlagen ggf. in den Akten des A. datenschutzrechtlich zu löschen gewesen wären, spielt für die Würdigung des Senats dabei dann keine entscheidende Rolle.
127gg) Trägt schon das Vorgenannte die entsprechende kritische Bewertung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob – was das Landgericht auf S. 18 f. des angefochtenen Urteils verneint hat – die in der Berichterstattung am Rande angedeuteten, damals schon in den Akten des A. ersichtlichen weiteren Vorwürfe gegen den Kläger und/oder die erst im Verfahrensverlauf behaupteten weiteren Geschehnisse (im Fall eines Wahrheitsbeweises) alternativ sonst allein oder im Zusammenspiel eine geeignete tatsächliche Anknüpfungsgrundlage für eine entsprechende kritische Bezeichnung des Klägers als „Missbrauchs-Priester“ geboten hätten, diese Bewertung selbst hätten tragen und in der Abwägung rechtfertigen können und ob (mit dem Landgericht) dabei ggf. die Fokussierung des streitgegenständliches Beitrages auf das Geschehen im Jahr 2001 von Relevanz gewesen wäre.
1282. Keinen Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit – nach der bloßen Klarstellung der genauen Angriffsrichtung im Termin, die nicht als Teilrücknahme zu werten war – mit dem Antrag zu 1 b) die Passage „Der D. Y. K. hat einen Priester befördert – obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat!“ angegriffen ist.
129Auch insofern ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, der hier als geständiger Täter beschrieben wird, betroffen. In Bezug auf diese Äußerung liegt ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor. Im Rahmen der gebotenen Abwägung dieses Rechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegt das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der anderen Seite.
130a) Denn bei der Äußerung handelt es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die der Kläger nicht hinnehmen muss. Ob man mit den Ausführungen des Landgerichts auf S. 19 der angefochtenen Entscheidung dabei schon an den Terminus „Kind“ anknüpfen kann/sollte, bedarf keiner Entscheidung, ist mit dem oben zum „Kindesmissbrauch“ Gesagten in Ansehung der eindeutigen Benennung des Alters des Prostituierten im Bericht („17- jährigen „Strichjungen““) allerdings zweifelhaft.
131Es kommt darauf aber auch nicht an: Denn ein unbefangener und verständiger Leser kann - wie der Senat schon im Urteil vom 16. März 2023 -15 U 120/22, juris Rn. 33 zur identischen Berichterstattung mit Blick auf den Y. ausgeführt hat - die Äußerung gerade nur so verstehen, dass der Kläger damals gegenüber der Polizei entsprechende geständige Einlassungen auch zur Minderjährigkeit seines Sexualpartners gemacht haben soll, was tatsächlich aber unstreitig nicht der Fall war (siehe auch schon die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 31. Mai 2021 – 28 O 175/21, Bl. 389 der Beiakte). Ein unbefangener Leser des Artikels wird aufgrund dieser Formulierung nicht davon ausgehen, dass der Kläger gegenüber der Polizei nur das von ihm und dem minderjährigen Prostituierten gezeigte tatsächliche Verhalten als solches beschrieben hat, ohne zu erwähnen, dass der Prostituierte tatsächlich noch minderjährig war. Zwar wäre ein solches Verständnis mit dem Wortlaut der angegriffenen Äußerungen möglicherweise vereinbar. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger „der Polizei“ beziehungsweise „bei polizeilicher Vernehmung“ sexuelle Handlungen beziehungsweise „Sex“ mit einem minderjährigen Prostituierten „gestanden“ haben soll. Auf Grund dieser Bezeichnung der bei der Polizei gemachten Angaben als ein Geständnis wird der Leser zwingend davon ausgehen, dass das vom Kläger geschilderte Geschehen für die Polizei auch über die Aufklärung des vom Kläger selbst angezeigten Erpressungsvorwurfs hinaus noch in irgendeiner anderen Weise von Interesse gewesen ist, sei es im Hinblick auf mögliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder Maßnahmen der Strafverfolgung. Ein solches polizeiliches Interesse kann sich aus Sicht des Lesers in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte aber denklogisch nur aus der im Bericht auch erwähnten Minderjährigkeit des Prostituierten ergeben haben. Deswegen muss der verständige Leser davon ausgehen, dass (auch) die Minderjährigkeit bei der Polizei zur Sprache gekommen ist. Dies war tatsächlich aber unstreitig nicht der Fall. Der Kläger hat am 24. Juli 2001 nur deshalb Angaben gegenüber der Polizei gemacht, weil er seinen Sexualpartner wegen Erpressung angezeigt hatte und er deshalb als Zeuge - nicht als Beschuldigter - vernommen worden ist. Dass bei dieser Zeugenvernehmung die Minderjährigkeit des Sexualpartners, dessen Identität ausweislich des Polizeiberichts vom 7. September 2001 jedenfalls sicher erst nach der Vernehmung ermittelt werden konnte („zwischenzeitlich“), zur Sprache gekommen ist, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Polizeibericht vom 7. September 2001.
132Da die angegriffene Äußerung sich nach dem Gesamtkontext nur auf die Angaben des Klägers gegenüber der Polizei beziehen kann, kommt es nicht darauf an, dass der Kläger - in der Folgezeit, als das Alter des Prostituierten aber ohnehin bekannt war - am 11. Oktober 2001 einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie selbst von einem Kontakt „mit einem 16jährigen Jugendlichen“ berichtet haben mag. Ebenso kann dahinstehen, ob der Kläger es bei seinem Treffen mit dem Prostituierten in seinen zumindest bedingten Vorsatz aufgenommen hat, dass dieser noch minderjährig war. Selbst letzteres unterstellt, wäre die Falschbehauptung hier nicht nur eine sog. wertneutrale Falschbehauptung, da das fälschliche Behaupten einer geständigen Einlassung der Polizei gegenüber eigenständig zu bewerten ist und eine andere Eingriffstiefe aufweist.
133b) Darüber hinaus ist – wie der Senat a.a.O. Rn. 30 ff. ebenfalls bereits ausgeführt hat – die Äußerung zudem auch noch deswegen wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, weil die Beklagte verschwiegen hat, dass gegen den Kläger von den staatlichen Ermittlungsbehörden damals wie heute keinerlei strafrechtlichen Vorwürfe wegen des Geschehens am Bahnhof erhoben worden sind. Werden einem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei nach der oben bereits angesprochenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (vgl. etwa erneut BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rn. 18). Gemessen daran hätte die Beklagte ihre Leser aber darüber aufklären müssen, dass das vom Kläger gegenüber der Polizei eingeräumte Verhalten, das zum damaligen Zeitpunkt nach staatlichem Recht, insbesondere § 182 StGB a.F. - entgegen S. 34 f. der Klageerwiderung (Bl. 164 f. d.A.) - unzweifelhaft nicht strafbar war, gar nicht Gegenstand eines staatlichen Ermittlungsverfahrens gewesen ist. Diese Frage ist deshalb wesentlich, weil die Beklagte mit ihrer Behauptung, der Kläger habe „der Polizei“ beziehungsweise „bei polizeilicher Vernehmung“ etwas „gestanden“, dem Leser eine gegenteilige Schlussfolgerung nahe legt. Auf Grund der Wiedergabe von Angaben gegenüber der Polizei und der Bezeichnung dieser Angaben als Geständnis sowie der weiteren Bezeichnung des Klägers als „Sexualstraftäter“ in demselben Bericht (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 5) werden die Leser annehmen, dass sich die Angaben des Klägers auf ein nach staatlichem Recht strafbares Vergehen bezogen, weswegen die staatlichen Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten verpflichtet waren. Der Gefahr eines solchen, naheliegenden Irrtums hätte die Beklagte begegnen müssen, zumal die Frage, ob der Kläger sich nach staatlichem Recht strafbar gemacht hat und deshalb verfolgt worden ist, aus Sicht vieler Leser für die Beurteilung seiner Eignung für ein herausgehobenes kirchliches Amt von wesentlicher Bedeutung sein wird. Das gilt umso mehr, als es dem Rezipientenkreis eher nicht auf die weitere Frage nach einer Bewertung des Geschehens nach den – den Rezipienten oft nicht vor Augen stehenden – kirchenrechtlichen Vorgaben ankommen wird.
1343. Erfolg hat die Berufung der Beklagten hingegen wieder, soweit es um die im Klageantrag zu 1 c) genannte Passage „In den Akten des A., geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“ geht.
135a) Dabei kann dahinstehen, ob man diese Passage mit dem Landgericht (S. 19 f. der angefochtenen Entscheidung) jedenfalls primär als identifizierende Verdachtsberichterstattung verstehen muss. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür waren ersichtlich nicht gegeben, weil der Kläger mit diesen Detailfragen nicht konkret im Vorfeld konfrontiert worden ist, ohne dass es noch auf die genaue Kenntnis von den Inhalten der beiden im Auftrag des A. erstellten Gutachten ankommen würde.
136Darauf kommt es letztlich nicht an. Denn richtigerweise kann jedenfalls in bestimmten Fällen, in denen es - wie hier - wegen offensichtlicher Verjährung nicht zu einem Strafverfahren bzw. einer strafrechtlichen Verurteilung kommen kann, aber ein besonderes öffentliches Informationsinteresse an der Berichterstattung besteht, die Presse bei entsprechenden Verdachtsäußerungen (wahlweise) den – ihr nach der ins Zivilrecht zu transformierenden Beweisregelung aus § 186 StGB obliegenden - Wahrheitsbeweis führen. Das führt dann dazu, dass die entsprechende Äußerung nach den anerkannten äußerungsrechtlichen Grundsätzen zur Äußerung nachweislich wahrer Tatsachen zu behandeln ist. Der Senat hat auf diese Grundsätze schon im Beschluss vom 27. April 2023 (Bl. 323 ff. des Senatshefts) hingewiesen (siehe erneut etwa auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 13. Februar 2019 – 6 U 105/18, GRUR-RS 2019, 1434 Rn. 63; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Februar 2017 – 4 U 166/16, GRUR-RS 2017, 103495 Rn. 82 sowie auch die alternative Prüfung von Wahrheitsbeweis und Verdachtsberichterstattung als eigenständige Prüfungspunkte etwa bei BGH, Urteile vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, GRUR 2014, 693 – Sächsische Korruptionsaffäre Rn. 24 f. und vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10, GRUR 2013, 312 – IM Christoph, Rn. 13 ff. und 22 ff.). Wie weit dies in sonstigen Fällen der Verdachtsberichterstattung geht – insbesondere bei Kollisionslagen mit laufenden Ermittlungs- oder Strafverfahren auch mit Blick auf die Unschuldsvermutung (dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 42) – bedarf keiner grundsätzlichen Entscheidung des Senats.
137b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts lag insofern auch nicht etwa nur ein unzulässiger sog. Ausforschungsbeweisantritt zu den im beschriebenen Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung in den Akten des A. niedergeschriebenen Vorwürfen vor. Die Passage im Bericht bezieht sich augenscheinlich auf die „Zusammenfassung“ in Anlage K 4, zu der es zwar an ausreichendem erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritt zu der angeblichen Meldung eines 20-jährigen Mannes im fehlt, mag es dabei möglicherweise auch um den Zeugen I. gegangen sein, der sich im April 2010 beim A. gemeldet hat. Jedenfalls ist mit Blick auf die ebenfalls in der Anlage K 4 aufgeführten auf datierten Hinweise an S. aber schon in erster Instanz ausreichend vorgetragen und der vom Senat auch deswegen vernommene Zeuge M. zu den konkreten Behauptungen benannt worden.
138aa) Der Beweis der Wahrheit der entsprechenden tatsächlichen Behauptungen ist nicht etwa schon nach § 190 S. 2 StGB (analog) ausgeschlossen aufgrund des behaupteten Freispruchs „constat de non“ im kirchenrechtlichen Verwaltungsverfahrens im Dezember 2022. Dabei bedarf es keiner grundsätzlichen Klärung der Reichweite des § 190 S. 1 und 2 StGB auf Urteile anderer Rechtsordnungen (zu ausländischen Strafurteilen unter Beachtung des ordre-public-Gedankens etwa MüKo-StGB/Regge/Pege, 4. Aufl. 2021, § 190 Rn. 13 m.w.N.) und zu einer etwaigen Übertragbarkeit auch auf das hier nur rein aktenmäßig durchgeführte kirchenstrafrechtliche Verwaltungsverfahren, dessen genauer Gegenstand und Umfang bis zuletzt zudem ohnehin unklar geblieben ist. Denn anders als im Rahmen des § 190 S. 1 StGB erfasst § 190 S. 2 StGB wegen des eindeutigen Wortlauts allenfalls Fälle eines Freispruchs zeitlich vor der konkret angegriffenen Äußerung (statt aller MüKo-StGB/Regge/Pege, a.a.O. Rn. 15) und greift damit jedenfalls deswegen hier – der angegriffene Bericht wurde bereits im Jahr (…) veröffentlicht - im Ansatz nicht ein.
139bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass der Kläger während seiner Zeit als Kaplan in F. (…)
140[Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt]
141Damit erweist sich die angegriffene Behauptung im Bericht vollumfänglich als wahr, dass es „Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ gegeben hat.
142(1) Der Senat stützt sich auf die glaubhaften, ausführlichen, detailreichen und ausgesprochen plastischen Bekundungen des Zeugen M. (…)
143[Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt]
144(2) Eine Vernehmung des Klägers als Partei gemäß § 448 ZPO kam nicht in Betracht, zumal der Kläger trotz des im Beschluss des Senats vom 27. April 2023 zu Ziff. VI. (Bl. 325 f. des Senatshefts) gemachten Hinweises auf § 137 Abs. 4 ZPO und BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 2588/06, BVerfGK 13, 348 = juris Rn. 13 ff. nicht zum Beweisaufnahmetermin erschienen ist. Im Übrigen streitet nicht nur das – wie gezeigt - eindeutige Beweisergebnis gegen den Kläger. Auffällig sind insbesondere auch die mäandernden Darstellungen zum Geschehen am Hauptbahnhof im Jahr 2001: Neben dem – berufungsrechtlich nicht zuzulassenden – behaupteten „Verlegen“ der Örtlichkeit der Ipsation in eine Art Garage streitet in der Würdigung auch die vom Kläger veranlasste Einlassung im Strafverfahren gemäß der Einblendung auf S. 12 der Klageerwiderung (Bl. 142 d.A. = Anlage MK1, Bl. 341 f. d.A.), wo plötzlich sogar jeder sexuelle Kontakt mit dem minderjährigen Prostituierten in Abrede gestellt worden ist, zusätzlich gegen diesen.
145cc) Damit kam es - wie im Beschluss vom 27. April 2023 (Bl. 323 ff. des Senatshefts) ausgeführt und in der letzten mündlichen Verhandlung von den Parteien auch rügelos hingenommen - nicht mehr auf die nur zur (eigentlich unstreitigen) Meldung des aktenkundigen Geschehens in Bezug auf den Vorfall mit dem Zeugen M. benannten weiteren Zeugen und erst recht auch nicht auf erst später dem A. gemeldete, dort also erst später nach den hier in Rede stehenden Berichten der Beklagten aus (…) aktenkundig gewordene, angebliche weitere Vorfälle mit den Zeugen J., I. und N. an. Auch ohne weiteren Belang war das vermeintliche Schildern der „Gerüchte“ zu dem Übergriff auf den Zeugen M. durch den Zeugen J. bei seiner Anhörung im Mai 2021 (Bl. 237 ff. des Senatshefts).
146c) Die somit wahren Tatsachenbehauptungen durfte die Beklagte dann in gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen so aufstellen und zum Gegenstand ihrer Berichterstattung machen. Es geht auch insofern
147(…)
148[Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt]
149nicht um eine verfahrensbegleitende Berichterstattung.
150Soweit im Rahmen der Abwägung bei der Mitteilung von wahren Tatsachen, die (…) [Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt] nicht nur die Intim- und/oder engere Privatsphäre des Klägers betreffen, sondern in die Sozialsphäre übergreifen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 14. Januar 2021 – 15 U 61/20, GRUR-RS 2021, 8365 Rn. 7), bei Betroffenheit der Sozialsphäre nur bei einer besonderen Stigmatisierung/Anprangerung die schutzwürdigen Interessen des Klägers überwiegen würden, kann der Kläger sich darauf hier nicht berufen. Wie bereits im Kontext der Bezeichnung als „Missbrauchs-Priester“ ausgeführt, muss er die Berichterstattung über solche Vorfälle dulden. Die Passage „In den Akten des A., geht es um Saunabesuche, Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“ ist detailarm und beschreibt gerade nicht im Einzelnen (…) [Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt], sondern nur allgemein und zutreffend den grenzüberschreitenden Umgang des Klägers mit älteren Messdienern in F.. Selbst wenn man die (engere) Privatsphäre des Klägers als betroffen sieht, muss er sich die Offenlegung – wie auch bei dem Geschehen aus dem Jahr 2001 – in der Abwägung gefallen lassen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Passagen „Saunabesuche, Alkohol, … und das Vorspielen von Pornofilmen im Zusammenhang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“ zwar für einen Priester nachteilige Auswirkungen auf seinen sozialen Geltungsanspruch haben, andererseits vom Vorwurfsgehalt aber selbst nicht etwa so stark sind wie bei gravierenderen sexuellen Übergriffen, so dass der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers insofern geringer ausfällt, da ein Strafvorwurf etc. gar nicht Gegenstand der Berichterstattung ist (vgl. allgemein BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, BeckRS 2012, 47864 Rn. 41 – Wilde Kerle). Es ist im Gegenzug aber nicht so, dass wegen der Gewichtung dann das Berichterstattungsinteresse auch an diesen Vorfällen zurücktreten würde, weil es – immerhin geht es um die im Beitrag kritisierte Beförderungsentscheidung – letztlich um das Gesamtbild der potentiellen Eignung des Klägers nach der damaligen Aktenlage des A. und die daraus abzuleitende Kritik am Y. geht.
151Selbst wenn man bei dem schärferen Vorwurf auch der „Masturbation“ aus Rezipientensicht wegen der Verknüpfung mit den Begriffen des „Kindesmissbrauchs“ und des „Sexualstraftäters“ in der Berichterstattung strengere Maßstäbe anlegen wollte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis: Es ist eine Besonderheit solcher Sachverhalte rund um Übergriffe kirchlicher Würdenträger, dass sie häufig nicht durch staatliche Organe in unverjährter Zeit aufgeklärt werden. Zwar hat der Kläger in Ermangelung einer Verurteilung strafrechtlich als unschuldig zu gelten (vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 28. Juni 2019 – 2-03 O 315/17, juris Rn. 60). Auch wurde er - wie ausgeführt - im kirchenrechtlichen Verfahren freigesprochen. All dies tritt in der Gesamtabwägung im vorliegenden Kontext aber dennoch schon deswegen zurück, weil die eher nur am Rande der Berichterstattung stehende Passage detailarm und ohne jeden direkten Bezug zu Strafrechtsfragen allein und ausschließlich die aktenkundigen tatsächlichen Handlungen des Klägers – dies nach der Beweisaufnahme sachlich zutreffend - umschreibt. Dieser weitere, den Tatsachen entsprechende „Mosaikstein“ ist ein Bestandteil der von einem Berichterstattungsinteresse gedeckten Kritik der Beklagten am D. Y. mit Blick auf die Besetzungsentscheidung zu Gunsten des Klägers. In Ansehung der Aktenlage spricht viel dafür, dass der Y. entweder bewusst oder zumindest ohne Studium der den Kläger belastenden Aktenteile diesen - trotz sich aus den Akten ergebender Bedenken gegen die persönliche Eignung bzw. ohne diese zuverlässig auszuräumen - zum Q. ernannt hat. Die darauf aufsetzende Kritik muss sich dann aber nicht nur der Y., sondern wegen der Reaktualisierung des Geschehens durch die Beförderungsentscheidung gerade auch der Kläger mit dem oben schon zu dem Vorfall aus dem Jahr 2001 Gesagten gefallen lassen. Der lange Zeitablauf ändert an diesem Abwägungsergebnis wegen des hohen Berichterstattungsinteresses nichts. Dies gilt auch für den Vorwurf der „Masturbation.“ (…)
152[Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3 StPO entfernt]
153Denn die damit verbundene Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts steht insgesamt im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens bzw. seiner Bedeutung für die Öffentlichkeit und auch der lange Zeitablauf ist wegen des öffentlichen Interesses gerade an solchen Fällen kein durchgreifendes Abwägungskriterium. Das gilt umso mehr, als die Reaktualisierung hier gerade der tagesaktuellen Kritik an der Amtsführung des Y. geschuldet ist, die sich an der dem Kläger günstigen Personalentscheidung im Jahr (…) festmacht, für die dann aber zwangsläufig auch auf das frühere Verhalten des Klägers nach Aktenlage zurückzuschauen ist.
1544. Keinen Erfolg hat die Berufung der Beklagten hingegen mit Blick auf die Passage aus Klageantrag zu 1 d) („Nach Z.-Informationen wurde Y. K. im September 2015 von angeblichen neuen Kontakten seines Priesters zu einem minderjährigen „Strichjungen“ diesmal in O. informiert.“). Mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 20 der angegriffenen Entscheidung fehlt es an den Voraussetzungen einer hier gegebenen, identifizierenden Verdachtsberichterstattung. Es ist – anders als bei oben Ziffer 3 – bis zuletzt kein ausreichender Wahrheitsbeweis zu diesen weiteren Fragen angetreten, obwohl bereits in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 31. Mai 2021 – 28 O 175/21, Bl. 390 der Beiakte auf das Fehlen einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage abgestellt worden ist.
1555. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Berufung der Beklagten mit Blick auf die Passage aus Klageantrag 1 e) („(...) befördert K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O..“).
156Dabei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob man den Kläger etwa mit Blick auf das zu Ziffer 3. Ausgeführte und/oder die im Verfahren behaupteten weiteren Vorfälle in anderem Kontext möglicherweise wertend als einen „Sexualstraftäter“ bezeichnen dürfte.
157Denn die konkrete Äußerung „ (…) befördert K. diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum Q. von O..“ enthält mit der Bezeichnung des Klägers als „Sexualstraftäter“ jedenfalls in dem für die rechtliche Bewertung allein maßgeblichen Gesamtkontext der streitgegenständlichen Berichterstattung eine weitere irreführende und in Ermangelung einer Erläuterung deshalb ebenfalls unzulässige Meinungsäußerung. Dabei geht der Senat - anders als das Landgericht – wie schon im Urteil des Senats vom 16. März 2023 – 15 U 120/22, juris Rn. 34 zur identischen Berichterstattung auch weiterhin davon aus, dass die Äußerung im Gesamtkontext des Artikels an den zuvor behandelten, im Mittelpunkt des Artikels stehenden Vorfall aus dem Jahr 2001 anknüpft und diesen bewertet. Zwar steht es der Beklagten grundsätzlich frei, einen von ihr offengelegten Sachverhalt - ein Pfarrer hatte „Sex“ mit einem obdachlosen und minderjährigen Prostituierten - als „Sexualstraftat“ zu bewerten, auch wenn diese Bewertung jedenfalls auf der Grundlage staatlichen Rechts juristisch kaum vertretbar ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass durch die den Kläger stark herabsetzende als „Sexualstraftäter“ die durch die oben unter Ziffer 2 behandelten Äußerungen begründete Gefahr, dass Leser irrtümlich davon ausgehen, die staatlichen Ermittlungsbehörden hätten wegen des Geschehens gegen den Kläger damals ermittelt, noch deutlich vergrößert wird. Im konkreten Kontext ist deshalb dann auch die Bezeichnung des Klägers als „Sexualstraftäter“ jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihre Leser nicht zugleich darüber unterrichtet hat, dass das vom Kläger gezeigte Verhalten aus dem Jahr 2001 damals gerade nicht Gegenstand staatlicher Ermittlungen gewesen ist und angesichts des allgemeinen Verständnisses der seinerzeit geltenden Rechtslage auch nicht sein konnte. Auf die Frage, ob und wie das Verhalten nach kirchlichem Recht seinerzeit strafbar war, kommt es deshalb auch hier nicht an.
158Daran ändert sich im konkreten Kontext der angegriffenen Berichterstattung dann auch nichts mehr zu Gunsten der Beklagten, wenn man wegen der Einleitung der Passage mit „Ungeachtet dessen… “ nicht nur auf die zu Ziffer 4 behandelte (gleichsam unzulässige) Passage, sondern auch auf das zu Ziffer 3 behandelte tatsächliche Geschehen abstellen würde. (…)
159[Passus mit Blick auf die im Verfahren nach §§ 171b Abs. 1 S. 1, 174 Abs. 3 GVG ergangenen Anordnungen sowie die gesetzlichen Wertungen aus § 268 Abs. 2 S. 3
160StPO entfernt]
161Denn jedenfalls im hiesigen Kontext mit dem klaren Fokus der Berichterstattung auf das Geschehen 2001 und das angebliche Geständnis hat der Kläger diese Bezeichnung in der Abwägung jedenfalls so nicht hinzunehmen.
1626. Mit dem zu den Ziffern 1 – 5. Gesagten hat die Berufung der Beklagten gleichsam Erfolg mit Blick auf die Passagen aus den Klageanträgen zu 2 a) und c), nicht aber mit Blick auf die Passagen zu 2 b) und d) betreffend die Print-Berichterstattung in Anlage K 3. Bei Passage 2 b) ist auch der Teil „… Kindesmissbrauch in seiner Kirche. Ein Priester in K. A. ist weiter im Dienst, obwohl er sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden hat…“ im fraglichen Kontext der Berichterstattung einheitlich zu untersagen, weil der Kläger gerade keinen „Kindesmissbrauch“ der Polizei gegenüber gestanden hat.
163Ob und wie man ggf. in anderem Kontext das Verhalten des Klägers im Jahr 2001 ggf. als „Kindesmissbrauch“ bezeichnen dürfte, bedarf ebenso wenig der Klärung wie die Frage, ob man diese Bewertung in anderem Kontext nicht zumindest mit Blick auf das zu Ziffer 3 festgestellte Beweisergebnis (bei unterstellter Minderjährigkeit des Zeugen M. im maßgeblichen Zeitpunkt) und/oder die weiteren tatsächlichen Behauptungen der Beklagten in Bezug auf weitere Vorfälle mit Beteiligung anderer Zeugen vornehmen dürfte. Im konkreten Kontext – und nur der steht zur Beurteilung des Senats - hat der Kläger sie so jedenfalls nicht hinzunehmen.
1647. Dem Kläger steht – dies nur im Ergebnis mit S. 21 ff. des angefochtenen Urteils – ein Unterlassungsanspruch wegen der Bildberichterstattung – Klageantrag zu 3) - zu.
165a) Zwar kann mit Blick auf die vom Landgericht zutreffend dargestellten und hier nicht unnötig zu wiederholenden Grundsätze des sog. abgestuften Schutzkonzepts bei §§ 22, 23 KUG richtigerweise nicht allein auf die strengen Anforderungen an die Bebilderung einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung abgestellt werden, weil eine solche – wie gezeigt – allein mit Blick auf die zu Ziffer 4 behandelte Passage vorliegt und mit Blick auf die Passage zu Ziffer 3 zuletzt der Wahrheitsbeweis geführt ist. Im Übrigen ist nur eine sog. kontextneutrale Bebilderung erfolgt, welche das – im Kern unstreitige – Geschehen am Bahnhof im Jahr 2001 und die kritisierte Beförderungsentscheidung zu Gunsten des Klägers entsprechend angemessen bebildert, ohne dass insofern mit der Veröffentlichung des - ersichtlich bei einem entsprechenden Anlass ganz offen gefertigten und den Kläger freundlich zugewandt zeigenden - Fotos konkret eine weitergehende besondere Beeinträchtigung verbunden wäre. Dass einzelne Teile einer bebilderten Wortberichterstattung - wie ausgeführt – unzulässig sind, führt mit den zutreffenden Einwendungen des Klägers jedenfalls nicht automatisch dazu, dass damit auch mehr oder weniger automatisch die Bildveröffentlichung unzulässig würde, wenn sie nur als solche nach dem abgestuften Schutzkonzept im Übrigen als zulässig gewertet werden kann (vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 15 ff. und vom 26. Oktober 2010 – VI ZR 190/08, NJW 2011, 746).
166b) Dennoch bleibt die Bildberichterstattung hier im Ergebnis unzulässig. Denn bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bzw. jedenfalls des § 23 Abs. 2 KUG ist aus Sicht des Senats entscheidend zu würdigen, dass nicht nur sachbezogen über die Kritik am D. Y. und am Kläger berichtet und die Wortberichterstattung dazu bebildert wird, sondern dass zugleich auch die mit dem oben zu Ziffern 2 und 5 Gesagten unzulässige Wortberichterstattung mit dem Foto des Klägers verknüpft wird, nach der der Kläger nicht nur als „Missbrauchs-Priester“, sondern überschießend gerade auch als ein des „Kindesmissbrauchs“ geständiger „Sexualstraftäter“ dargestellt wird. Dies schlägt in der Abwägung jedenfalls bei § 23 Abs. 2 KUG dann aber deutlich zu Lasten der Beklagten durch, zumal die Bildveröffentlichung zudem – mit dem Landgericht – jedenfalls auch die nach dem zu Ziffer 4 Gesagten unzulässige Verdachtsberichterstattung als weiteres Identifizierungsmerkmal entsprechend bebildert, was – gerade wegen der mit der Bildveröffentlichung einhergehenden erheblichen Eingriffstiefe und damit besonderen Belastung für den in der Öffentlichkeit zwar nicht gänzlich unbekannten, andererseits aber auch bundesweit nicht übermäßig bekannten/prominenten Kläger – in der Gesamtabwägung grundsätzlich ebenfalls zur Unzulässigkeit einer Bildveröffentlichung im konkreten Gesamtkontext führen muss (vgl. zur Identifizierung durch Bildberichterstattung etwa auch Senat, Urteil vom 21. Februar 2019 - 15 U 132/18, BeckRS 2019, 2199 Rn. 17 ff.).
167Ob man eine zulässige Wortberichterstattung nur mit Blick auf das oben zu Ziffern 1 und 3 Gesagte mit dem kontextneutralen Foto ggf. zulässig hätte bebildern können, weil sich niemand über eine Verletzung des Schutzes seines guten Rufs beschweren kann, wenn sie die vorhersehbare Folge eigenen Verhaltens ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. November 2022 – VI ZR 22/21, NJW 2023, 610 Rn. 22), bedarf keiner Entscheidung des Senats.
1688. Keinen Erfolg hat die Berufung mit Blick auf die Wortberichterstattung in Anlage K 5 (Bl. 57 f. d.A., Anträge zu 4 a) und 4 b)). Mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 23 f. der angegriffenen Entscheidung handelt es sich insofern ebenfalls um eine unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung mit Blick auf eine Information durch ein Gemeindemitglied aus den „letzten Jahren“ vor 2010. Dies kann sich schon rein zeitlich nicht auf das oben zu Ziffer 3 behandelte frühere Geschehen beziehen. Weitergehender Vortrag nebst Beweisantritt zum Führen eines Wahrheitsbeweises auch mit Blick auf diese Vorwürfe fehlt aber. Auch die Behauptungen zum Zeugen J. betreffen - wie im Termin erörtert - einen anderen Zeitraum aus den 90er Jahren. Die über die Verlinkung aufrufbare „Zusammenfassung“ aus den Akten des A. vom (…) und das dort angesprochene anonyme Schreiben aus dem Jahr 2010 genügen ebenso wie ein solches Schreiben selbst ersichtlich mit dem Landgericht nicht als taugliches Beweismittel für derartige weitergehenden Behauptungen. Dass sich das Schreiben des Gemeindemitglieds aus dem Jahr 2010 u.U. auf die länger zurückliegenden Vorfälle in F. u.a. rund um den vom Senat vernommenen Zeugen bezogen haben und nur etwas ungeschickt formuliert gewesen sein mag, trägt keine andere Sichtweise und ist rein spekulativ. Schließlich geht es insofern auch nicht nur um eine von der Beklagten nicht zu eigen gemachte (neutrale) Berichterstattung über ehrbeeinträchtigenden Drittäußerungen in Kirchenkreisen wie im Fall BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 – VI ZR 437/19, GRUR 2021, 875.
169Der Unterlassungsanspruch betrifft im konkreten Kontext dieser Verdachtsberichterstattung die gesamten angegriffenen Passagen. Ob man in anderem Kontext unter Verweis auf die „Geheimdokumente aus dem Giftschrank“ des A.“ identifizierend über einen „Vertuschungsfall“ bei der Beförderungsentscheidung hätte berichten dürfen, bedarf daher keiner Entscheidung.
1709. Mit dem zu Ziffer 8 Gesagten hat die Berufung auch mit Blick auf die Wortberichterstattung in Anlage K 6 (Bl. 63 d.A., Antrag zu 5)) keinen Erfolg. Die weitergehende Berichterstattung auch zu dem hier zu Wort kommenden Ehrenvorsitzenden der Deutschen Kinderhilfe ist für die rechtliche Bewertung ohne Belang. Dass hier als Ausriss aus der „Zusammenfassung“ in Anlage K 4 der Absatz zu dem Schreiben aus dem Jahr 2010 wiedergegeben ist, genügt mit dem oben gesagten allein nicht zur Nachweisführung über den Wahrheitsgehalt der weiteren Vorwürfe.
17110. Mit den Ausführungen auf S. 24 des angefochtenen Urteils ist im Kontext der unzulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung auch die öffentliche Zurschaustellung des Lichtbildes des Klägers (Antrag zu 6)) unzulässig. Die Beklagte kann sich jedenfalls mit Blick auf § 23 Abs. 2 KUG nicht darauf berufen, dass zugleich kontextneutral die Berichterstattung über die (kritisierte) Beförderungsentscheidung und/oder die erneute Berichterstattung über den Vorfall aus dem Jahr 2001 bebildert wird, weil die bildliche Identifizierbarmachung des Klägers im Zusammenhang mit einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung im Zusammenhang mit dem Schreiben entsprechend dem oben zu Ziffer 7 Gesagten nicht hinzunehmen ist. Zudem ist – auch wenn das nicht isoliert angegriffen ist – auch hier im Wortbericht fälschlich ausgeführt, dass der Kläger „bei einer polizeilichen Vernehmung sexuelle Handlungen mit einem minderjährigen… Prostituierten eingestanden“ haben soll, was entsprechend dem oben bei Ziffer 2 zum sprachlich ähnlichen Begriff des Gestehens Gesagten im Kontext eine unwahre Tatsachenbehauptung enthält, die mit dem Foto dann nur bebildert wird, was jedenfalls im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG ebenfalls zu Gunsten des Klägers durchschlägt.
17211. Hinsichtlich der Veröffentlichung der (internen) „Zusammenfassung“ aus den Akten des A. gemäß Anlage K 4 (Bl. 55 f. d.A., Antrag zu 7)) innerhalb der Berichterstattung hat die Berufung nur teilweise Erfolg.
173a) Unterlassungsansprüche des Klägers bestehen - mit den zutreffenden Überlegungen des Landgerichts -, soweit die Wiedergabe des nur unwesentlich geschwärzten Dokuments den Kläger identifizierende Verdachtsäußerungen zu weiteren vermeintlichen Vorwürfen enthält, für die richtigerweise schon mangels Konfrontation des Klägers auch zu diesen Punkten die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Im Übrigen fehlt es insofern an einem Mindestbestand an Beweistatsachen. Die Vorwürfe können – weil ausreichender Vortrag nebst Beweisantritt fehlen – auch mit dem oben zu Ziffer 3 Gesagten nicht über einen zu führenden Wahrheitsbeweis als rechtmäßig eingestuft werden. Dies betrifft die im Tenor angeführten Passagen der „Zusammenfassung.“ Zu dem in diesem Dokument angesprochenen anonymen Schreiben (Anlage AG5, Bl. 601 der Beiakte), der angesprochenen Meldung eines jungen Mannes aus dem Jahr der im erfolgenden Hinweise eines 20-jährigen Mannes und dem schon oben bei Ziffern 8 und 9 angesprochenen anonymen Schreiben eines Gemeindemitglieds fehlt es jedenfalls an ausreichendem Sachvortrag nebst Beweisantritt, wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien auch widerspruchslos erörtert. Selbst wenn man die Meldung aus“ auf die E-Mail des Zeugen I. aus Mitte (dazu Anlage BK 9, Bl. 250 ff. des Senatshefts) beziehen wollte, war auf S. 16 der Klageerwiderung (Bl. 146 d.A.) Zeugenbeweis nur zur (unstreitigen) Meldung angetreten und die Benennung erst auf S. 10 f. des Schriftsatzes vom 15. Februar 2023 (Bl. 220 f. des Senatshefts) war dann gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen wie erörtert.
174b) Keine Unterlassungsansprüche stehen dem Kläger hingegen zu, soweit unstreitig in der Publikation der „Zusammenfassung“ wahre Tatsachen oder auf unstreitigen Tatsachen beruhende Wertungen betroffen sind bzw. soweit mit dem oben zu Ziffer 3 Ausgeführten jedenfalls der Wahrheitsbeweis geführt ist und auf der somit als wahr anzusehenden Tatsachengrundlage (zulässige) Bewertungen vorgenommen worden sind. Dies betrifft dann die übrigen Passagen „Zusammenfassung aus der Akte im Fall T. C......“; „Aus der Akte sind im Zusammenhang mit Pfarrer C. folgende Sachverhalte zu entnehmen: (...)“; „September 2001 Pfr C. hatte mit einem 18-jährigen Stricher (wohl unentgeltlich auf dem Bahnhofsgelände) masturbiert.“; „Im Mai 2010 gehen über S. weitere Hinweise ein, das Pfr. C. in den Jahren 1992/1993 oft mit einem 16-jährigen und weiteren Jungen in die Sauna gegangen sei. Weiterhin wurde der Vorwurf erhoben, dass einmal reichlich Alkohol konsumiert wurde und dabei Pornofilme geguckt wurden. (...)“; „Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Pfr. C. einige Vorwürfe aus der Vergangenheit eingeräumt hat (...)“; „Im Fall Pfr. C. hat es mehrere Fälle von unangemessenem Verhalten gegeben. Darunter auch mehrere Hinweise auf übergriffiges Verhalten auf Minderjährige.“; „Es gibt eingeräumte Kontakte zu einem 16-jährigen Stricher“ (...)“ sowie „Im Jahr 2010 gehen weitere Hinweise auf mögliches Fehlverhalten ein, die sich sowohl auf Erwachsene als auch auf Minderjährige beziehen. (...).“
175Mit dem oben zu dem Geschehen am Bahnhof im Jahr 2001 und den Vorwürfen aus der Zeit der Tätigkeit des Klägers als Kaplans in F. bereits Gesagten hat der Kläger eine Berichterstattung über solche wahren Tatsachen – mögen Sie auch lange zurückliegen – wegen der Reaktualisierung durch die tagesaktuelle Kritik am Y. und dessen Personalentscheidung zu Gunsten des Klägers in der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen. Eine übermäßige Stigmatisierung ist auch hier nicht anzunehmen, zumal die Geschehnisse nicht detailreich oder anprangernd, sondern in ganz nüchternem aktenmäßigem Stil zusammengefasst werden. Ob die „Zusammenfassung“ dienstrechtlich zulässig war und/oder datenschutzrechtlich im Verhältnis von Kläger und A. jedenfalls hätte gelöscht werden müssen, spielt auch hier in der Abwägung keine entscheidende Rolle. Der Senat verkennt nicht, dass die nur unwesentlich geschwärzte Wiedergabe der vertraulichen Akteninhalte für den Kläger möglicherweise besonders belastend erscheinen und den Vorwürfen einen mehr oder weniger „amtlichen“ und damit fast offiziellen Anstrich verleihen mag. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass der Wiedergabe der in den Berichten der Beklagten verlinkten Originale andererseits ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen der kritischen Berichterstattung zukommt, die mit der daraus abgeleiteten Kritik am D. Y. einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit in höchstem Maße berührenden Frage leistet, was in der Abwägung durchaus von Belang sein muss (siehe selbst zu Veröffentlichung von Wortlautinhalten eines an der Grenze des Verstoßes gegen § 353d Nr. 3 StGB veröffentlichen Tagebuchs etwa BGH, Urteil vom 16. Mai 2023 – VI ZR 116/22, GRUR 2023, 1210). Denn die Kritik an der Personalentscheidung des Y. zu Gunsten des Klägers entzündete sich gerade an den überdeutlichen aktenkundigen Hinweisen auf mögliches bzw. nachweislich erfolgtes grenzüberschreitendes Verhalten des Klägers in den Akten des A..
176In der Abwägung war zu Gunsten des Klägers auch zu berücksichtigen, dass die vertraulichen Unterlagen aus dessen Personalakte bzw. anderen Akten des A. ersichtlich in rechtswidriger Weise an die Beklagte gelangt sein müssen. Allerdings wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ beeinträchtigt, zu der es gerade auch gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen. Darüber hinaus könnte die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll, leiden. Um der Rechtswidrigkeit der Informationserlangung ausreichend Rechnung zu tragen, ist in solchen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel abzustellen, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2023 – VI ZR 116/22, GRUR 2023, 1210 Rn. 42 m.w.N.). Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Dieser Grundsatz kommt dagegen nicht zum Tragen, wenn dem Publizierenden die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht selbst anzulasten ist. Dies gilt auch, wenn dem Publizierenden die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Denn es begründet einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Information widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Betroffenen zu verwerten, oder ob er aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen zieht (vgl. BGH a.a.O. Rn. 43 m.w.N.).
177Vorliegend ist eine etwaige Beschaffung durch vorsätzlichen Rechtsbruch der Beklagten weder vorgetragen noch erkennbar. Die in der Veröffentlichung des ersichtlich allenfalls von rechtsbrüchigen Dritten der Beklagten zugespielten Aktenmaterials betrifft zwar wie ausgeführt den sozialen Geltungsanspruch des Klägers. Soweit es aber – wie hier – um unstreitig oder nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wahre Tatsachen geht, hat der Kläger wegen des hohen öffentlichen Interesses an der Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchssachverhalte auch die Publikation der Akteninhalte – mit denen sich das Ausmaß des institutionellen Fehlverhaltens jedenfalls mit Blick auf diese Sachverhalte unter Verweis auf die Akteninhalte mehr oder weniger direkt belegen lässt – hinzunehmen, während mit dem oben a) Gesagten nur andere Bestandteile der Akten dann zu schwärzen wären.
178Soweit eine solcherart teilgeschwärzte Publikation der Akteninhalte schon wegen der textlichen Verhältnisse von geschwärzten und ungeschwärzten Anteilen bei dem Rezipienten dann möglicherweise den Eindruck hinterlassen könnte, es hätte noch weitere (ungeklärte) Vorwürfe gegeben, streitet dies hier nicht für ein Gesamtverbot auch mit Blick auf die unstreitigen oder bewiesenen Vorwürfe. Denn auch dann geht es letztlich darum, mittels der ungeschwärzten Teile belegen zu können, dass die Beförderungsentscheidung zu Gunsten des Klägers selbst nach Aktenlage geeignet war, Kritik an der Amtsführung des Y. zu provozieren. Auch hier hätte der Kläger mit Blick auf das überragende Berichterstattungsinteresse aus einer Teilschwärzung für einen Rezipienten möglicherweise ableitbaren negativen Konnotationen dann im Ergebnis noch hinzunehmen.
17912. Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Beklagten zu § 174 Abs. 3 GVG und auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 10. November 2023 – 1 BvR 2036/23 (Bl. 525 ff. des Senatshefts) bestand nicht, zumal Inhalt und Gegenstand der Beweisaufnahme von der ausgesprochenen Geheimhaltungsanordnung und deren weiterem Schicksal ohnehin unberührt geblieben sind.
180Auch die zuletzt von den Parteien angesprochene Frage nach einer Rubrumsberichtigung trägt keine Wiedereröffnung. Richtigerweise ist die (…) jedenfalls nicht als umfassende Gesamtrechtsnachfolgerin der hier zunächst auf Passivseite des Rubrums stehenden Beklagten einzustufen. Denn in den - hier vorliegenden- Fällen einer Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG ist richtigerweise keine automatische (vollständige) Gesamtrechtsnachfolge anzunehmen und deswegen auch keine Rubrumsberichtigung auf Passivseite geboten (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2000 – XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217; siehe auch OLG München, Urteil vom 12. März 2009 - 1 U 2709/07, BeckRS 2009, 8109 zu A.I.2.; MüKo-ZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, § 239 Rn. 20). Soweit der Senat im Beschluss vom 19. Oktober 2023 (Bl. 493 ff. des Senatshefts) das Rubrum dort irrig schon angepasst hat, war daran bei erneuter Prüfung nicht festzuhalten.
181Es ist beklagtenseits auch weder eingewandt noch dem Senat sonst ersichtlich, dass durch die noch kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten umwandlungsrechtlichen Maßnahmen die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr in Wegfall geraten sein könnte. Nach allgemeinen Grundsätzen genügt selbst eine vollständige Aufgabe eines Geschäftsbetriebs dafür regelmäßig nicht, wenn – wie hier – nicht auszuschließen ist, dass man den Betrieb später nochmals aufnimmt (statt aller Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 8 Rn. 1.50 m.w.N.). Nichts anderes gilt im Grundsatz aber auch im Äußerungsrecht (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Urteil vom 10. Dezember 2020 - 15 U 49/20, n.v.). Die Besonderheiten des konkreten Falles rechtfertigen hier keine andere Bewertung. Auch daraus folgt mithin kein Wiedereröffnungsbedarf.
18213. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen mit Blick auf das Obsiegen und Unterliegen der Parteien auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO und – es geht hier durchweg nur um nicht vermögensrechtliche Ansprüche - § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO); es ging nur um die Anwendung anerkannter presserechtlicher Grundsätze im Einzelfall.
183Streitwert des Berufungsverfahrens: 100.000 EUR (= 13 Wortpassagen zu je 5.000 EUR, also 65.000 EUR + „Aktenauszug“ zu insgesamt 15.000 EUR + 2 Lichtbilder zu je 10.000 EUR, also 20.000 EUR)