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Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.01.2022 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 30 O 59/21 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
In dem Rechtsstreit
2hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
3auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.2023
4durch die Richterin am Oberlandesgericht R., die Richterin am Oberlandesgericht O. und den Richter am Oberlandesgericht T.
5f ü r R e c h t e r k a n n t:
6Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.01.2022 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 30 O 59/21 – wird zurückgewiesen.
7Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
8Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
9Die Revision wird nicht zugelassen.
10Gründe
11I.
12Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit §§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
13II.
14Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
151. Betreffend die Aktivlegitimation der Klägerin greifen die Rügen der Berufung nicht durch. Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gilt, wonach ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer übergeht, soweit dieser den Schaden ersetzt (BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 90/19 –, juris Rn. 10 m.w.N.). Von diesem Übergang erfasst werden auch Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten, die dem Versicherungsnehmer gegen seinen Prozessbevollmächtigten wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages zustehen (OLG Köln, Urteil vom 23.05.2019 – 24 U 122/18 –, juris Rn. 45 m.w.N.). Entgegen der Annahme der Beklagten wird der Schaden des Versicherungsnehmers weder dadurch ausgeglichen, dass der Versicherer bereits vor der kostenauslösenden Prozesshandlung entsprechende Deckungszusagen erteilt hat, noch durch die spätere Leistung des Versicherers. Dies widerspräche dem Zweck des § 86 VVG bzw. dem in der Regelung vorausgesetzten Grundsatz, dass eine private Schadensversicherung – wie eine Rechtsschutzversicherung (vgl. BGH a.a.O.) – den Schädiger durch die Leistung des Versicherers nicht entlasten soll (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.2021 – IV ZR 169/20 –, juris Rn. 17; Urteil vom 27.09.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203-245 –, juris Rn. 108 m.w.N.; OLG Bamberg, Urteil vom 20.11.2018 – 6 U 19/18 –, juris Rn. 42 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2021 – 13 U 24/21–, n.v.). Die Kostenhaftung gegenüber der Staatskasse, dem eigenen Anwalt und dem Prozessgegner stellt einen Schaden im Sinne von § 86 VVG dar (BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 90/19 –, juris Rn. 10). Die Ersatzpflicht der Versicherung ist auf deren Beseitigung und damit – entgegen der Ansicht der Berufung – auf dasselbe Interesse gerichtet wie die Haftung der Beklagten (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, Rn. 18 ff.). Nicht gefolgt werden kann den Beklagten auch darin, dass ein Rechtsanwalt im Verhältnis zu seinem Mandanten nicht „Dritter“ im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG sein könne (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, Rn. 20 m.w.N.). Dritter ist, wer nicht Versicherungsnehmer oder versicherte Person ist (BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 151/17 –, juris Rn. 19 m.w.N.). Die Stellung als Repräsentant schließt es nicht aus, die Person als Dritten anzusehen (Voit in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 juris Rn. 88). Es kommt darauf an, ob der Repräsentant nach den Vereinbarungen als Mitversicherter oder als ein durch einen Regressverzicht Begünstigter in den Versicherungsvertrag einbezogen ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.07.2021 – 17 U 60/20 –, juris Rn. 51 m.w.N.; Voit a.a.O., m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen bei einem Rechtsanwalt im Rechtsschutzversicherungsverhältnis nicht vor (OLG Frankfurt a.a.O.). Zudem reicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem Einzelfall – wie im Streitfall – nicht aus, um die Repräsentantenstellung der Beklagten zu begründen (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, Rn. 20).
162. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Vollmacht der Klägerin des Vorprozesses – 2 O 151/18, Landgericht Bonn – offenbar meint, diese habe die H. Rechtsanwälte GbR und nicht sie mit der Rechtsverfolgung beauftragt, trägt dies nicht. Die besagte Vollmacht (Anlage DB 1 des Vorprozesses) lautet mitnichten auf die GbR, sondern nur allgemein auf die „H. Rechtsanwälte“. Daraus ergibt sich also nicht, dass die H. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nicht mandatiert worden wäre. Darüber hinaus hat die hiesige Beklagte ausweislich der Klageschrift des Vorprozesses das Mandant während des Prozesses ausgeübt, so dass sich aus der Verfahrensakte des Vorprozesses insgesamt kein Hinweis darauf ergibt, dass die Beklagte hier nicht passivlegitimiert sein könnte. Hinzu kommt, dass die Beklagte in dem hiesigen Prozess erst- und zweitinstanzlich – jedenfalls bis zu ihrem Schriftsatz vom 05.05.2023 – für sich reklamiert hat, sie habe Frau P. als ihre Mandantschaft ausreichend beraten. Vor diesem Hintergrund besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass die Beklagte Vertragspartnerin von Frau P. war.
173. Unter Zugrundelegung des unstreitigen Parteivorbringens hat die Beklagte ihre Beratungspflicht aus dem Rechtsanwaltsvertrag mit Frau P. verletzt.
18a. Wird – wie im Streitfall – geltend gemacht, der Anwalt habe den nicht gewinnbaren Vorprozess gar nicht erst einleiten oder fortführen dürfen, ist zunächst festzuhalten, dass es eine mandatsbezogene Pflicht, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen, als solche nicht gibt. Maßgeblich ist, ob der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits genügt hat. Für den Inhalt dieser Pflicht ist es ohne Bedeutung, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält oder nicht. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären (zum Ganzen BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 27 m.w.N.).
19Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits geht es darum, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen rechtlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Aufgrund der Beratung muss der Mandant in der Lage sein, Chancen und Risiken des Rechtsstreits selbst abzuwägen. Hierzu reicht es nicht, die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken zu benennen. Der Rechtsanwalt muss auch das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist danach eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen. Er darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Vielmehr kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten. In welchem Maße der Rechtsanwalt zu Risikohinweisen verpflichtet ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Beratung, insbesondere auch nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt obliegenden vertraglichen Aufgaben überragende Bedeutung zu. Deshalb hat er seine Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen in der Regel danach auszurichten (zum Ganzen BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 29 f. m.w.N.).
20Die Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits aufzuklären, endet nicht mit dessen Einleitung. Verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären. Nur so erhält der Mandant die Möglichkeit, die ursprünglich getroffene Entscheidung zu hinterfragen und die Chancen und Risiken der laufenden Rechtsverfolgung auf der Grundlage der veränderten Lage neu zu bewerten. Auch hier kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von einer Fortführung der Rechtsverfolgung abzuraten. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine zu Beginn des Rechtsstreits noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren höchstrichterlich geklärt wird und danach das Rechtsschutzbegehren des Mandanten keine Aussicht auf Erfolg mehr hat (zum Ganzen BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 31).
21Darlegungs- und beweisbelastet mit Blick auf eine Pflichtverletzung ist nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Prozessgegner der für eine negative Tatsache beweisbelasteten Partei eine sekundäre Darlegungslast, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, der der Gegner aber jedenfalls so konkret nachkommen muss, dass der beweisbelasteten Partei eine Widerlegung möglich ist (BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14 –, juris Rn. 33 m.w.N.). So liegt es auch, wenn – wie hier – streitig ist, ob der Rechtsanwalt eine gebotene Beratung nicht vorgenommen hat.
22b. Nach diesen Maßgaben liegt eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten ungeachtet der Frage, ob die Rechtsverfolgung im Vorprozess ggf. (geringe) Erfolgsaussichten bot, schon deshalb vor, weil sie ihre Mandantin Frau P. unstreitig gar nicht beraten hat. Die Klägerin hat insoweit im hiesigen Prozess von Anfang an behauptet, die Beklagte habe Frau P. nicht über die Erfolgsaussichten des Vorprozesses beraten. Die Beklagte hat mit ihrem Schriftsatz vom 05.05.2023 nunmehr bestätigt, Frau P. gar nicht beraten zu haben. Soweit sie hierzu meint, deshalb nicht zur Beratung verpflichtet gewesen zu sein, weil Frau P. den Rechtsanwaltsvertrag über einen Stellvertreter abgeschlossen habe, geht sie in zweifacher Hinsicht fehl. Zum einen beanspruchen die vorgenannten Grundsätze zur Beratungsplicht des Rechtsanwalts auch dann Geltung, wenn der Rechtsanwaltsvertrag im Wege der Stellvertretung zustande kommt. Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass Frau P. – zumal ohne jeglichen Kontakt zu den Rechtsanwälten der Beklagten – auf eine Beratung teilweise oder gänzlich verzichtet hätte. Zum anderen ist im Streitfall eine solche Stellvertretung entgegen dem Beklagtenvorbringen nicht schlüssig dargetan, denn sie selbst nimmt Bezug darauf, dass Frau P. selbst eine Rechtsanwaltsvollmacht erteilt habe. Sollte diese Vollmacht der Beklagten von einer dritten Person übergeben worden sein – wofür vieles spricht –, so hat diese dritte Person lediglich als Bote die Willenserklärung der Frau P. überbracht, nicht aber eine eigene Willenserklärung mit Blick auf den Abschluss des Rechtsanwaltsvertrags abgegeben, die für eine wirksame Stellvertretung gemäß § 164 BGB erforderlich wäre. Jedenfalls geht die Berufung fehl, wenn sie meint, aufgrund einer Vertretungssituation sei im Vorprozess eine Beratung ihrer Mandantin nicht erforderlich gewesen, so dass ihr diesbezügliches Vorbringen unerheblich ist und ihren darauf bezogenen Beweisangeboten nicht nachzugehen ist.
234. Die Pflichtverletzung der Beklagten war auch kausal für den klägerseits geltend gemachten Schaden, also für das Entstehen der seitens der Klägerin ausgeglichenen Kosten und Gebühren des Vorprozesses. Insoweit kommt es im Streitfall nicht auf die Frage an, ob die Rechtsverfolgung im Vorprozess der Sache nach ggf. (geringe) Aussicht auf Erfolg hatte oder ob der Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens zugunsten der Klägerin streitet. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Frau P. auch bei einer ordnungsgemäßen Beratung durch die Beklagte den Vorprozess nicht geführt hätte.
24a. Insoweit hat die Zeugin P. detailliert, widerspruchsfrei und insgesamt glaubhaft bekundet, dass es ihr und ihrem Ehemann seinerzeit ausschließlich darum gegangen sei, einen älteren Darlehensvertrag abzulösen und einen neuen Darlehensvertrag bei der Postbank abzuschließen, wozu sie Kontakt zu einem Mehmet gehabt habe, der irgendetwas mit der Postbank zu tun gehabt habe. Von einem Gerichtsverfahren habe sie hingegen keine Kenntnis, auch habe sie nichts mit Rechtsanwälten zu tun gehabt. Die Zeugin hat im Zuge ihrer Vernehmung deutlich gemacht, dass es ihr und ihrem Ehemann ausschließlich um die Ablösung des älteren Darlehensvertrags und den Abschluss eines neuen Darlehensvertrags gegangen sei, nicht etwa um den Widerruf des älteren Darlehensvertrags und darum, Geld von der Bank zurückzuerhalten. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Zeugin bei einer Belehrung durch die Beklagte von einer Klageerhebung abgesehen hätte, da diese ihren Zielen nicht entsprochen hätte.
25b. Der Zeuge P. konnte sich – wohl auch krankheitsbedingt – kaum noch an Einzelheiten der fraglichen Vorgänge erinnern und hat bekundet, dass sich um diese Belange seine Frau gekümmert habe. Allerdings hat auch er bekundet, dass seine Ehefrau und er hinsichtlich der Darlehensverträge nichts mit Rechtsanwälten zu tun gehabt haben. Auf einen entsprechenden Vorhalt hinsichtlich des angestrengten Vorprozesses hat er nur zurückgefragt, wozu seine Ehefrau und er ein Gerichtsverfahren eingeleitet haben sollten, und hierbei insofern sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht. Der Zeuge hat im Zuge seiner Angaben Erinnerungslücken von sich aus eingeräumt und auch unverstandene Vorgänge klar gekennzeichnet, im Übrigen hat er das genannte Unverständnis authentisch geäußert. Insgesamt bewertet der Senat daher auch seine Aussage als glaubhaft. Auch aus seinen Bekundungen ergibt sich, dass es den Eheleuten P. gerade nicht darum gegangen ist, infolge eines Widerrufs des Darlehensvertrags etwas von der Bank – ggf. auch vor Gericht – zu erstreiten.
26c. Soweit die Beklagte meint, die Zeugenaussagen seien widerlegt, teilt der Senat ihre Auffassung nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten können die von ihr benannten Umstände – Versand der Gerichtskostenrechnung des Vorprozesses an Frau P., Telefonat von Frau P. mit einer Rechtsanwaltsfachangestellten der Beklagten – nicht die Angabe der Zeugen dahingehend widerlegen, dass sie von einem Gerichtsverfahren, in dem die Zeugin P. Klägerin war, nichts wussten, dass sie mit Rechtsanwälten nichts zu tun gehabt haben und dass es ihnen nur um eine Umschuldung gegangen ist. Allein aus dem etwaigen Erhalt einer Kostenrechnung muss eine juristische Laiin wie Frau P., die zuvor keinen Rechtsanwalt aufgesucht hat und auch sonst nichts willentlich unternommen hat, um einen Rechtsstreit anzustoßen, nicht zwingend schließen, dass sie als Klägerin Partei eines Rechtsstreits ist. Diese Information lässt sich insbesondere einer Kostenrechnung selbst nicht mit der Deutlichkeit entnehmen, die nötig wäre, um dies einer juristischen Laiin deutlich zu vermitteln. Soweit die Beklagte neuerlich vorträgt, die Zeugin P. habe nach Erhalt dieser Kostenrechnung bei ihr angerufen und mit einer Rechtsanwaltsfachangestellten gesprochen, stützt dieser Vortrag vorige Ausführungen, denn die Beklagte trägt selbst vor, dass die Zeugin im Rahmen dieses Telefonats geäußert habe, von einem Gerichtsverfahren keine Kenntnis zu haben. Zu diesem Telefonat trägt die Beklagte im weiteren gerade nicht vor, daraufhin der Zeugin die Hintergründe erläutert zu haben; vielmehr sei diese diesbezüglich auf den Zeugen W. verwiesen worden. Aus dem neuerlichen Vorbringen der Beklagten ergibt sich mithin, dass die Zeugin P. den Erhalt der Gerichtskostenrechnung nicht einordnen konnte, weil sie von einem Gerichtsverfahren nichts wusste, und dass die Beklagte ihr daraufhin die entsprechende Kenntnis gerade nicht vermittelt hat. Dies widerlegt nicht die Aussage der Zeugen, von einem Gerichtsverfahren nichts gewusst zu haben, sondern bestätigt sie sogar. Ferner ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten, dass die Zeugen zutreffend bekundet haben, mit Rechtsanwälten nichts zu tun gehabt zu haben, denn danach hat die Zeugin P. lediglich mit einer Rechtsanwaltsfachangestellten der Beklagten – und zwar nur über die angeforderten Gerichtskosten – gesprochen. Es berührt aus Sicht des Senats auch nicht die Glaubhaftigkeit beider Zeugenaussagen, dass die Zeugen den Erhalt der Kostenrechnung und das genannte Telefonat im Zuge ihrer Zeugenaussage nicht erwähnt haben. Für den Zeugen P. gilt dies schon mit Blick darauf, dass er sich an die Vorgänge kaum erinnern konnte und er die Dinge mit Blick auf die sprachliche Barriere vor allem seiner Ehefrau überlassen hat. Die Zeugin P. hat bekundet, sich nicht an Gespräche bzw. Korrespondenz mit Anwälten erinnern zu können. Dass sie die ihr nach dem Vorbringen der Beklagten übersandte Gerichtskostenrechnung nicht einordnen konnte und deshalb aus ihrer Perspektive zutreffend bekundet hat, von einem Gerichtsverfahren nichts gewusst zu haben, steht aus Sicht des Senats aufgrund vorstehender Erwägungen fest. Weiter ist es aus Sicht des Senats verständlich, dass die Zeugin einen unverstandenen Vorgang – Erhalt einer Gerichtskostenrechnung ohne Kenntnis von einem entsprechenden Verfahren –, der über vier Jahre zurückliegt und sich ohne ihr Zutun durch Zahlung seitens der Rechtsschutzversicherung für die Zeugin folgenlos erledigt hat, nicht unbedingt noch erinnert und in den sachlich richtigen Zusammenhang einordnet. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass die Zeugin diesen Vorgang nicht bekundet hat, so dass allein dieser Umstand der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht entgegenstehen kann. Da der neuerliche Vortrag der Beklagten zu der Gerichtskostenrechnung und dem genannten Telefonat aus diesen Gründen keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen P. begründen kann und damit unerheblich ist, ist dem darauf bezogenen Beweisangebot der Beklagten nicht nachzugehen.
275. Aufgrund vorstehender Erwägungen ist entgegen der Auffassung der Berufung schon in inhaltlicher Hinsicht eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, denn das neuerliche Vorbringen der Beklagten ist unerheblich und bietet keinen Anlass dazu, die Beweisaufnahme fortzusetzen. Darüber hinaus war das Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen dem Vorbringen der Berufung keineswegs überraschend für die Beklagte, so dass ihr das Verhandeln über das Beweisergebnis in der Sitzung vom 27.04.2023 nicht unzumutbar war (vgl. insoweit Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 285 Rn. 2 m.w.N.). Denn die Beklagte war selbst Akteurin in dem Geschehen und wusste um die maßgeblichen Vorgänge, da ihr von Anfang an bekannt war, dass sie Frau P. nicht im Zuge der Mandatsausführung beraten hat und dass das Mandat unter Einschaltung eines Dritten – eines Herrn W. oder eines Mehmet – zustande gekommen ist. Genauso kannte sie die maßgeblichen Vorgänge der Mandatswahrnehmung, also auch das von ihr nunmehr vorgetragene Telefonat vom 13.08.2018. Dass ihrem Sitzungsvertreter in der Sitzung vom 27.04.2023 mindestens die wesentlichen Grundzüge dieses Sachverhalts vor Augen gestanden haben, ergibt sich daraus, dass er im Zuge der mündlichen Verhandlung im Kontext der Angaben der Zeugen auf einen vorherigen schriftsätzlichen Beweisantritt mit Blick auf den Zeugen W. – auf den die Beklagte in der Berufungsinstanz verzichtet hat – verwiesen und hierzu erklärt hat, hieraus ergebe sich seine Vertreterstellung, was indes der Sache nach nicht der Fall ist. Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 05.05.2023 unter Beweisantritt ihr bisheriges Vorbringen dahingehend, Frau P. habe die Prozessführung gewollt, solange die Rechtsschutzversicherung zahle, wiederholt, liegt schon kein neues Beweisangebot vor, das sich als Reaktion auf das Ergebnis der Beweisaufnahme darstellt, so dass es im Zuge der beklagtenseits begehrten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch nicht beachtlich ist (vgl. hierzu Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 285 Rn. 2 m.w.N.).
286. Die Berufung kann nicht mit Erfolg reklamieren, dass von dem Schadensersatzanspruch der Klägerin eine Erstberatungsgebühr sowie eine Abrategebühr in Abzug zu bringen ist, denn sie hat ihre Mandantin im Vorprozess unstreitig gar nicht beraten und deshalb eindeutig kein Honorar verdient, das im Zusammenhang mit einer Beratung steht.
297. Die insbesondere erstinstanzlich seitens der Beklagten vorgebrachten Einwände hinsichtlich ihrer Haftung gegenüber der Klägerin verfangen nicht. Der Beklagten kann insbesondere nicht darin gefolgt werden, der Schadensersatz sei mit Blick auf die erteilte Deckungszusage wegen einer Treuwidrigkeit der Klägerin ausgeschlossen bzw. um einen Mitverschuldensanteil zu kürzen. Die Erteilung der Deckungszusage führt nicht zu einem Ausschluss des durch die Pflichtverletzung begründeten Schadensersatzanspruchs gemäß § 242 BGB. Sie hat auch unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens nach den §§ 254 Abs. 2, 278 BGB keinen Einfluss auf die Höhe der Schadenersatzverpflichtung der Beklagten.
30aa. Der Anwaltsvertrag einerseits und der Vertrag des Mandanten mit seinem Rechtsschutzversicherer andererseits sind als rechtlich selbstständige und unabhängige Verträge zu behandeln. Dies stimmt mit der in der Rechtsschutzversicherung angelegten Trennung zwischen Versicherungsvertrag und Mandatsverhältnis überein (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2015 – IV ZR 266/14, WM 2015, 2241-2246 –, juris Rn. 40 ff.). Eine Deckungszusage stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gegenüber dem Versicherungsnehmer der Rechtsschutzversicherung dar, welches spätere Einwendungen und Einreden des Rechtsschutzversicherers ausschließt, die ihm bei Abgabe der Deckungszusage bekannt waren oder die er zumindest für möglich gehalten hat bzw. mit denen er zumindest rechnete. Die Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Mandanten/Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet auch keine Einwendungen des Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer bei auf diesen übergegangenen Regressansprüchen des Versicherungsnehmers. Den Rechtsschutzversicherer trifft im Verhältnis zum Rechtsanwalt keine Obliegenheit zur Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage oder eines Rechtsmittels (zum Ganzen OLG Köln, Urteil vom 03.03.2020 – 9 U 77/19 –, juris Rn. 45 m.w.N.).
31bb. Ein Mitverschuldenseinwand kann daher auf die erteilte Deckungszusage nicht gestützt werden. Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, keine kostenauslösenden rechtlichen Schritte zu ergreifen, die nicht geeignet sind, den Rechten des Mandanten zur Durchsetzung zu verhelfen. Den Mandanten trifft nicht die Pflicht, die Tätigkeit seines Rechtsanwalts zu überprüfen. Die Rechtsschutzversicherung wird daher nicht als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig. Die Deckungszusage gibt dem Anwalt nicht das Recht, bei der Prüfung, ob das Auslösen von Verfahrenskosten zur Erreichung des vom Mandanten angestrebten Rechtsschutzziels geeignet und angemessen ist, beim Versicherungsnehmer einen geringeren Sorgfaltsmaßstab anzulegen als bei einem Mandanten ohne Rechtsschutz. Bei anderer Betrachtungsweise wäre die Rechtsschutzversicherung im Ergebnis eine Schadenversicherung auch zugunsten des Rechtsanwalts, der in der Konsequenz von seinen Sorgfaltspflichten im Rahmen des Anwaltsvertrages befreit wäre. Dies ließe sich mit dem Zweck der Rechtsschutzversicherung, den Schaden des Versicherungsnehmers in Form der Rechtsverfolgungskosten zu übernehmen, ebenso wenig vereinbaren wie mit dem Berufsbild des für die Rechtsberatung seines Mandanten verantwortlichen Rechtsanwaltes. Das Risiko, wegen einer anwaltlichen Pflichtwidrigkeit zur Rechenschaft gezogen zu werden, kann der Anwalt daher nicht mit Hinweis auf eine zuvor erteilte Deckungszusage auf den Rechtsschutzversicherer seines Mandanten abwälzen (zum Ganzen OLG Köln, Urteil vom 03.03.2020 – 9 U 77/19, ZfSch 2020, 576-579 –, juris Rn. 45 m.w.N.; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 23.05.2019 – 24 U 124/18 –, juris Rn. 49 f. m.w.N).
32cc. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Klägerin aus übergegangenem Recht verstößt mit Blick auf die erteilte Deckungszusage auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsverfolgung der Klägerin insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schadensabwicklungsunternehmen der Klägerin die Deckungsanfragen der Beklagten geprüft hat und die zur Begründung der Schadensersatzansprüche geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19, juris Rn. 22 f.). Die Klägerin ist aus dem Versicherungsverhältnis gegenüber den Versicherungsnehmern berechtigt und verpflichtet. Gegenüber den Beklagten treffen sie keine Pflichten. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist die Klägerin daher nicht gehalten, die Prüfung des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls zur Vermeidung einer Haftung des Rechtsanwalts einzusetzen. Es obliegt allein dem Rechtsanwalt, seine Tätigkeit so auszurichten, dass der Mandant nicht geschädigt wird. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 86 VVG ändert daran nichts (zum Ganzen BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 22 f.).
338. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
34III.
35Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die streitentscheidenden Fragen sind – wie aufgezeigt – höchstrichterlich geklärt und der Senat folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
36Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 15.196,30 EUR.