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Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Urteil der Einzelrichterin der 36. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29.08.2019 – 36 O 3/17 – unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels im Hinblick auf den Beklagten zu 1) teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 13.401,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2016 sowie weitere 10,- € Mahnkosten zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass dem Beklagten zu 1) kein Anspruch auf Auszahlung des durch die F. S. A. am 14.09.2016 auf das Fremdgeldkonto des Klägers gezahlten Betrags in Höhe von 24.506,54 € zusteht.
Die weitergehende Klage gegen den Beklagten zu 1) wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen zur Hälfte der Kläger und zur Hälfte der Beklagte zu 1) selbst. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist ein auf öffentliches und privates Baurecht spezialisierter Rechtsanwalt. Er verlangt von den beklagten Eheleuten restliches Anwaltshonorar für ihre Beratung bzw. Vertretung in verschiedenen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Neubau ihres Wohnhauses in Z..
4Die Beklagten waren zuvor bereits durch andere Rechtsanwälte vertreten worden. Bei Mandatsübernahme durch die klägerische Partei 2011 vereinbarten die Parteien schriftlich die Abrechnung nach Stunden auf Grundlage eines Stundenhonorars von netto 250,- €, mindestens aber die gesetzlichen Gebühren (Anlage K 6, Bl. 106 GA).
5Bestandteil dieses Mandatsverhältnisses waren u.a. gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Architekten O. und betreffend das Bauunternehmen Q.: Gegenüber dem Architekten O. wurden im Verfahren 27 O 387/10 LG Köln = 11 U 133/13 OLG Köln von der Klägerseite Bauüberwachungsmängel zu zwei Komplexen geltend gemacht. Unstreitig hatte der Architekt keine Bauüberwachung vorgenommen; er verteidigte sich lediglich mit dem Einwand, der Architektenvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot nichtig. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung lag in der tatsächlichen Feststellung der von der Klägerseite vorgetragenen Mängel am Bauwerk. Die Klage hatte zu einem Mängelkomplex, die Berufung der Klägerseite hatte hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten, die Berufung des dortigen Beklagten hatte keinerlei Erfolg. Mit Urteil des Senats vom 30.07.2014 wurde der Architekt rechtskräftig zur Zahlung von etwa 42.000,- € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten verurteilt und seine Ersatzpflicht bezüglich aller weiteren auf den angenommenen Mangelkomplex zurückzuführenden Schäden festgestellt. Im Verfahren 4 O 18/09 LG Köln wurde von Seiten des Rohbauunternehmens Q. Restwerklohn in Höhe von gut 46.000,- € beansprucht; die Beklagten wandten Mängel ein. Die dortigen Streitparteien verzichteten wechselseitig durch gerichtlichen Vergleich vom 20.11.2013 auf ihre Forderungen (Anlage K3, Bl. 87 GA).
6Die Haftpflichtversicherung des Architekten, die F. S.A., zahlte u.a. am 14.09.2016 zugunsten der Beklagten auf das Fremdgeldkonto des Klägers einen Betrag in Höhe von 24.506,54 € aus. Mit Schreiben vom 24.11.2016 rechnete der Kläger hiergegen mit seinen behaupteten Honoraransprüchen auf (Anlage K 25, Bl. 135 f. GA). Mit Schreiben vom 08.06.2017 kündigte der Kläger das Mandat.
7Der Kläger begehrt im hiesigen Verfahren, das Erlöschen des Anspruchs der Beklagten auf Auszahlung des Fremdgeldes infolge der erklärten Aufrechnung festzustellen sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des aus seiner Sicht noch darüber hinausgehenden und nicht durch Aufrechnung erloschenen Resthonoraranspruchs.
8Mit Urteil vom 29.08.2019 (Bl. 706 ff. GA), auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens, der erstinstanzlich gestellten Anträge, der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamm der Klage stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 42.415,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2016 sowie weitere 10,00 € Mahnkosten verurteilt und festgestellt, dass den Beklagten infolge der Aufrechnung des Klägers kein Anspruch auf Auskehrung von Fremdgeldern in Höhe von 24.506,54 € zusteht.
9Dagegen richtet sich die Berufung beider Beklagten, die im Berufungsrechtszug ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie wiederholen und vertiefen mit der Berufungsbegründung vom 02.12.2019 (Bl. 726 ff. GA) sowie ihren weiteren Schriftsätzen vom 09.03.2020 (Bl. 861 ff. GA), vom 27.04.2020 (Bl. 877 f. GA), vom 20.05.2021 (Bl. 2025 ff. GA) sowie vom 03.02.2023 (Bl. 1110 f. GA) ihr erstinstanzlichen Vorbringen.
10Der Beklagte zu 1) beantragt,
11das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Der Kläger beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 13.01.2020 (Bl. 848 ff. GA) sowie der Schriftsätze vom 16.03.2021 (Bl. 991 ff. GA), 12.04.2022 (Bl. 1061 ff. GA), 08.02.2023 (Bl. 1115 f. GA) und vom 14.02.2023 (Bl. 1130 GA).
15Während des Berufungsverfahrens ist am 26.08.2020 über das Vermögen der beklagten Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Az. 70a IK 215/20 AG Köln). Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
16Der Senat hat mit Beschluss vom 10.02.2021 Hinweise erteilt (Bl. 981 f. GA) und mit Beschluss vom 09.06.2021 Beweis erhoben durch Einholung eines Gebührengutachtens durch die RAK Hamm (Bl. 1036 GA).
17Die Akten des Verfahren 27 O 387/10 LG Köln = 11 U 133/13 OLG Köln waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.
19II.
20Die Berufung des Beklagten zu 1) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden, und in der Sache teilweise begründet. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.
21Das Feststellungsbegehren des Klägers ist berechtigt, weil der Anspruch des Beklagten zu 1) auf Auszahlung des auf dem Fremdgeldkonto des Klägers befindlichen Summe in Höhe von 24.506,54 € durch Aufrechnung erloschen ist. Der klägerisch geltend gemachte Zahlungsanspruch ist nicht vollends, jedoch in Höhe von 13.401,26 € begründet.
221.
23Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das hiesige Verfahren, soweit sich die Klage gegen die zweitbeklagte Ehefrau richtet, unterbrochen (§ 240 ZPO). Über die gegen den erstbeklagten Ehemann gerichtete Klage entscheidet der Senat wegen Entscheidungsreife durch Teilurteil.
24Das Teilurteilsverbot gilt nämlich nicht, wenn es zu einer Unterbrechung des Prozesses gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen in Folge dessen Insolvenz kommt und dadurch eine Prozesssituation eintritt, die zu einer faktischen Trennung führt. Hier ist der Erlass eines Teilurteils bezüglich der weiteren Streitgenossen gestattet, weil es dem Rechtsschutzanspruch der übrigen Prozessbeteiligten entgegenstünde, wenn der sie betreffende Rechtsstreit für eine längere und ungewisse Dauer verzögert würde, ohne dass sie hierauf Einfluss nehmen können (BGH, NJW-RR 2013, 683, 685).
25In Bezug auf den Beklagten zu 1) ist das Verfahren auch nicht unterbrochen. Wird über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Insolvenzverfahren eröffnet, so tritt die Unterbrechung des Verfahrens nur in Bezug auf diesen ein (BGH, NJW-RR 2003, 1002, 1003).
26Die Beklagten sind als Gesamtschuldner nur einfache Streitgenossen. Dies gilt auch, soweit die Beklagten hinsichtlich des Anspruchs auf Auskehrung des Fremdgeldes, der Gegenstand der negativen Feststellungsklage ist, Mitgläubiger i.S.d. § 432 BGB sind, weil sie den Vertrag mit dem Kläger gemeinsam geschlossen haben und deshalb hinsichtlich der daraus resultierenden Ansprüche eine Bruchteilsgemeinschaft bilden. Denn ebenso wie Mitgläubiger, die ihren Anspruch in einer gemeinsamen Klage geltend machen, einfache Streitgenossen sind, weil es in ihrem Belieben steht, gemeinsam oder in getrennten Prozessen vorzugehen, und in getrennten Prozessen mangels Rechtskrafterstreckung auch unterschiedliche Entscheidungen ergehen könnten (so BGH, NJW 1985, 385, 386), muss dies auch bei einer gegen die Mitgläubiger gerichteten negativen Feststellungsklage gelten (vgl. OLG Koblenz, MDR 2010, 281).
272.
28Mit zutreffender und von der Berufung nicht mit Substanz angegriffener Begründung hat das Landgericht angenommen, dass das Mahnverfahren von Rechtsanwalt G. E. eingeleitet worden ist und dieser von Anfang an Kläger des vorliegenden Rechtsstreits war.
293.
30Dem Kläger steht gemäß §§ 611 Abs. 1 Hs. 2, 628 Abs. 1 BGB dem Grunde nach ein Honoraranspruch gegen den Beklagten zu 1) zu, nachdem der Kläger das Mandat mit Schreiben vom 08.06.2017 gekündigt hat (s. Bl. 485 f. GA).
31Zwischen diesen Parteien ist jedenfalls mit Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung vom 01.03.2011 (Bl. 106 GA) ein Anwaltsvertrag zustande gekommen, wonach der Beklagte zu 1) dem Kläger für die anwaltliche Beratung und Vertretung in den das Bauvorhaben V.-straße N01 in Z. betreffenden Angelegenheiten ein Honorar von 250,00 € pro Stunde zuzüglich Umsatzsteuer schuldet.
32Entgegen der Auffassung der Berufung ist der Vertrag nur mit dem Kläger und nicht auch mit den im Kopf der Vereinbarung aufgeführten weiteren Rechtsanwälten zustande gekommen. Denn nach dem Wortlaut der Vereinbarung ist sie von „der Kanzlei H. RECHTSANWÄLTE“ geschlossen worden. Deren Alleininhaber ist nach den nicht angegriffenen und gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts der Kläger. Es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei der Unterzeichnung der Vereinbarung nicht ausschließlich im eigenen Namen gehandelt hat (§ 164 Abs. 2 BGB).
334.
34Der Höhe nach steht dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) ein (Gesamt-) Honoraranspruch von 100.000,- € zu, der indes größtenteils bereits erfüllt ist (hierzu nachfolgend unter 5.).
35a)
36Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die Vergütungsvereinbarung sei nach § 138 BGB nichtig, weil die abgerechneten Gebühren um mehr als das fünffache höher seien als die abrechenbaren gesetzlichen Gebühren.
37Die Berufung übergeht hierbei zum einen, dass auch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren für sich genommen grundsätzlich nicht ausreicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ziehen zu können (BGH, NJW-RR 2017, 377, 378). Zum anderen übersieht sie, dass der Beurteilung, ob eine Vergütungsvereinbarung sittenwidrig ist, die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugrunde zu legen sind (BGH, NJW-RR 2017, 377, 378 u. 380). Dass das Ausmaß der sich auf einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren erstreckenden anwaltlichen Tätigkeit des Klägers und damit auch die Höhe des nach Zeitaufwand zu berechnenden Honoraranspruchs bereits bei Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung abzusehen war, machen die Beklagten nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.
38b)
39Die ersichtlich formularmäßige Vergütungsabrede vom 01.03.2011 hält auch einer AGB-Prüfung stand:
40Preisabreden, zu denen auch eine Stundenhonorarvereinbarung und ihre Höhe gehören, sind nach § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB nicht etwa kontrollfrei und nur im Hinblick auf das Transparenzgebot zu überprüfen. Denn die Bestimmungen der Vergütungsvereinbarung weichen von den Vorschriften des RVG ab, welches eine gesetzliche Gebührenordnung darstellt (BGH, NJW 2020, 1811, 1812).
41Die Vereinbarung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot. Soweit der EuGH mit Urteil vom 12.01.2023 kürzlich entschieden hat, eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung nach dem Zeitaufwand richtet, genüge nicht dem Erfordernis gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, dass die Klausel „klar und verständlich abgefasst“ sein muss, wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen (EuGH, NJW 2023, 903 ff.), so ergibt sich daraus nichts anderes. Die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen stammt zwar bereits vom 05.04.1993 und ist zunächst durch Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), im Zuge der Schuldrechtsreform sodann durch Überführung in die §§ 305 ff. BGB in nationales Recht umgesetzt worden, so dass letztere, für den Streitfall anwendbare Normen richtlinienkonform auszulegen sind. § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB führt aber auch danach nicht dazu, dass die hier in Rede stehende Klausel als intransparent zu beurteilen wäre.
42Allerdings führt der EuGH im Urteil vom 12.01.2023 aus, es müssten in der Vereinbarung Angaben enthalten sein, anhand deren der Verbraucher die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen vermag, etwa eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen, oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. All dies ist hier nicht der Fall. Eine Schätzung der anfallenden Stunden war nicht enthalten. Der Kläger musste die beklagten Mandanten nach der getroffenen Vergütungsvereinbarung auch weder regelmäßig über die bislang aufgewandte Arbeitszeit informieren noch sah der Vertrag solche Hinweise etwa ab Erreichen einer bestimmten Stunden- oder Honorarschwelle vor.
43Jedoch hat der EuGH damit lediglich – nicht abschließende – Beispiele formuliert für Möglichkeiten, dem Verbraucher die erforderliche Einschätzungsmöglichkeit der Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach zu verschaffen. Hinreichende Transparenz kann auch auf andere Weise geschaffen werden. Aus der o.g. Entscheidung ergibt sich ferner, dass nur eine sehr grobe Orientierung der Größenordnung nach geboten ist, denn für eine genügende Einschätzungsmöglichkeit des Verbrauchers reicht es danach aus, anstelle von voraussichtlichen die mindestens erforderlichen Stunden anzugeben EuGH, NJW 2023, 903 Rn. 44). Dies kann dem Verbraucher die Einschätzung der Gesamtkosten naturgemäß nur im Sinne einer Kostenuntergrenze ermöglichen. Ebenso wie eine solche Angabe der Mindeststundenzahl eine ausreichende Information darstellen würde, ist dies aus Sicht des Senats der Fall, wenn die gesetzlichen RVG-Gebühren als Mindesthöhe vereinbart werden, was hier der Fall war. Denn auch in dieser Vertragsgestaltung besteht für den Verbraucher bereits vor Vertragsschluss eine eindeutige Kostenuntergrenze, welche ihm zumindest der Größenordnung nach eine erste, wenngleich grobe Orientierung bietet. Bestätigt wird dies auch dadurch, dass die Beklagten die Vereinbarung im Nachgang – auch nach Vorlage von Zwischenrechnungen – selbst nicht als intransparent gerügt haben.
44c)
45Der Kläger und – stillschweigend – auch das Landgericht gehen zu Recht davon aus, dass die Vergütungsvereinbarung auch diejenigen Leistungen erfasst, die der Kläger nach Abschluss des gegen den Architekten O. geführten Rechtsstreits bezüglich der Realisierung der ausgeurteilten Forderungen und der Anmeldung im Insolvenzverfahren sowie gegenüber der Haftpflichtversicherung erbracht hat. Eine diesbezügliche Einschränkung ihrer Reichweite lässt sich der Vereinbarung, die allgemein für „die Tätigkeit der Rechtsanwälte ab dem 28. Februar 2011“ gelten sollte (Bl. 106 GA), nämlich nicht entnehmen; bei interessengerechter Auslegung bezog sie sich auf das gesamte Mandatsverhältnis der Parteien mit allen Einzelaspekten.
46d)
47Zur Honorarhöhe gilt folgendes:
48aa)
49Gegenstand der Klage ist eine Honorarforderung für insgesamt 197,3 Stunden, die in der Zeit vom 25. Juni 2013 bis zum 2. November 2016 in der Angelegenheit gegen den Architekten O. geleistet worden sein sollen, und für 38,16 Stunden, die in der Zeit vom 5. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2015 in der Angelegenheit gegen den Bauunternehmer Q. geleistet worden sein sollen.
50Rechnung Nr. |
Anlage |
Rechnungssumme in € |
berechnete Stunden |
Mandat O. |
|||
N02 |
K 30 |
35.051,45 (davon 19.106,96 Zahlung, 15.944,49 € Aufrechnung) |
Insg. 117,82 |
N03 |
K 31 |
10.501,75 |
35,30 |
N04 |
K 32 |
4581,50 |
15,40 |
N05 |
K 35 |
8.562,05 Aufrechnung |
28,78 |
Mandat Q. |
|||
N06 |
K 33 |
9.038,05 (streitgegenständlich 5.910,31) |
Insg. 30,38 |
N07 |
K 34 |
2314,55 |
7,78 |
Summe Forderungen 66.921,61 |
Summe Stunden 235,46 |
Allerdings ist im Berufungsrechtszug unstreitig, dass hiervon 205 min = 3,42 Stunden infolge einer Doppelberechnung abzuziehen sind (= 1.016,45 €, Bl. 991 GA).
52bb)
53Bezüglich des restlichen streitgegenständlichen Zeitaufwandes von ca. 232 Stunden ist die Feststellung des Landgerichts, dass der Aufwand tatsächlich angefallen ist, nicht zu beanstanden (§ 529 Abs. 1 ZPO).
54Zutreffend ist das Landgericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgegangen, wonach eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden es erfordert, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Eine nähere Substanziierung ist unverzichtbar (vgl. BGH, NJW 2010, 1364, 1370 f.; NJW 2020, 1811, 1815).
55Diesen Anforderungen genügt der umfangreiche Vortrag des Klägers in den Anspruchsbegründungen, mit dem er den geltend gemachten Zeitaufwand detailliert erläutert hat. Dass der Kläger nicht vorgetragen hat, welcher Anwalt die jeweilige Leistung erbracht hat, ist unschädlich, da die Vergütungsvereinbarung nicht nach einzelnen Anwälten differenziert. Die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellte, neue Behauptung der Beklagten, sie seien mit einem Stundensatz von 250,00 € nur einverstanden gewesen, wenn die Bearbeitung durch den Kläger persönlich erfolge (Bl. 731 GA), ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Unschädlich ist des Weiteren auch, dass der Kläger für die einzelnen Leistungen in zeitlicher Hinsicht jeweils nur das Datum und die aufgewandte Minutenzahl, nicht aber die Uhrzeit angegeben hat.
56Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass das Landgericht nach der Vernehmung der Zeugen A., U. S., C., I., X. und B. festgestellt hat, dass der schlüssig dargelegte Zeitaufwand tatsächlich angefallen ist. Das Landgericht ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung der Zeugenaussagen nachvollziehbar davon ausgegangen, dass die Zeugen die Zeiten für die von ihnen vorgenommenen Tätigkeiten jeweils zeitnah erfasst haben. Das reicht für eine Feststellung auf der Grundlage von § 287 Abs. 2 ZPO aus. Die Berufung greift die Würdigung des Landgerichts auch nicht konkret an, sondern bestreitet lediglich die Erbringung einzelner Leistungen. Das bloße Bestreiten einzelner Leistungen ist nicht geeignet, die in sich schlüssige und nachvollziehbare Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des Landgerichts in Zweifel zu ziehen und rechtfertigt daher keine neue Tatsachenfeststellung in der Berufung.
57cc)
58Der Stundensatz von 250,- € ist nach dem Gebührengutachten des RAK Hamm vom 10.04.2019 (Bl. 695 f. GA) nicht zu beanstanden. Hiergegen ist aus Sicht des Senats nichts zu erinnern, zumal ein gehobenes Einkommen, wie es erfolgreiche Rechtsanwälte erwarten dürfen, im Regelfall ein Zeithonorar von 250,- € je Stunde erfordert (vgl. BGH, NJW 2010, 1364, 1372).
59dd)
60Danach ergibt sich als Zwischenergebnis bezogen auf den Streitgegenstand vorläufig eine Honorarforderung von 65.905,- € (66.921,61 € - 1.016,45 €).
61ee)
62Obwohl die Beklagten dies bereits in erster Instanz geltend gemacht haben, hat das Landgericht indes nicht geprüft, ob die Vergütung nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG herabzusetzen ist. Diese Prüfung holt der Senat nun nach und setzt das vom Beklagten zu 1) dem Kläger geschuldete Honorar nach dieser Bestimmung auf insgesamt 100.000,- € fest (hierzu nachfolgend unter δ). Denn die Honorarvereinbarung verletzt zwar nicht das Sittengesetz (s.o.), führt hier aber gleichwohl zu einem unangemessen hohen Honorar.
63α)
64Nach der genannten Vorschrift kann eine vereinbarte Vergütung, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist, gerichtlich auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden.
65Das von einem Rechtsanwalt vereinbarte Honorar ist unangemessen hoch, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht. Dafür spricht eine tatsächliche Vermutung, wenn das Honorar die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt. Die Vermutung führt dazu, dass der Anwalt darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen ist. Dabei sind die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel zu berücksichtigen, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt. Zu berücksichtigen ist weiter, in welchem Umfang das Ziel durch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes erreicht worden ist. Ferner sind die Stellung des Rechtsanwaltes und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers in die Bewertung einzubeziehen. Für eine Herabsetzung ist danach nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honoraranspruch festzuhalten (zum Ganzen BGH, NJW-RR 2017, 377, 379 f.). Nach Maßgabe dieser vorzunehmenden Gesamtabwägung ist die Herabsetzung des Honorars auch mit Art. 12 GG vereinbar (BVerfG, NJW-RR 2010, 259, 262). Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für ein Pauschalhonorar, sondern auch für die – hier vorliegende – Vereinbarung eines reinen Zeithonorars (BGH, NJW 2011, 63, 64 f.). Entgegen der wenig verständlichen Ansicht der Klägerseite liegt eine Überschreitung um mehr als das fünffache auch vor, wenn noch keine sechsfache Überschreitung festzustellen ist.
66Die Vergütung speziell nach Maßgabe eines Stundenhonorars ist nicht als unangemessen zu beanstanden, wenn diese Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalles sachgerecht erscheint und die geltend gemachte Bearbeitungszeit sowie der ausgehandelte Stundensatz angemessen sind (BGH, NJW 2010, 1364, 1370 zu § 3 Abs. 3 BRAGO).
67Dabei ist zu prüfen, ob die – nachgewiesenen – Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Schwierigkeit und Dauer der Angelegenheit stehen, und Vorsorge gegen eine unvertretbare Aufblähung der Arbeitszeit durch den Rechtsanwalt zu treffen. Dabei geht es nicht darum, dem Rechtsanwalt sozusagen eine bindende Bearbeitungszeit vorzugeben, die er zur Vermeidung von Honorarnachteilen nicht überschreiten darf. Da sich die Arbeitsweise von Rechtsanwälten – wie jeder Mandant weiß – individuell unterschiedlich gestaltet, sind auch Zeitdifferenzen bei der Dauer der Bearbeitung grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings kann der von dem Rechtsanwalt nachgewiesene Zeitaufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit steht (BGH, NJW 2010, 1364, 1371 f.; NJW 2011, 63, 65).
68β)
69Die vor der Herabsetzung einer Vergütung nach § 3a Abs. 2 S. 2 RVG erforderliche Beteiligung des Vorstands der RAK Hamm hat der Senat – indes letztlich fruchtlos – vorgenommen.
70Der Vorstand hat sich mit Schreiben vom 06.10.2021 zunächst nicht in der Lage gesehen, ein Gebührengutachten zu erstatten, und darauf hingewiesen, der Senat könne insbesondere den erforderlichen Zeitaufwand der anwaltlichen Tätigkeit aus eigener Sachkunde überprüfen (Bl. 1041 f. GA). Mit weiterem Schreiben vom 03.02.2022 (Bl. 1046 f. GA) hat die RAK Hamm erneut kein Gutachten erstattet, sondern Ausführungen zu den gesetzlichen Gebühren getätigt, um umfassende Weisungen gebeten und abschließend ausgeführt, der Vortrag der Parteien reiche nicht aus, um die maßgebliche Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen.
71Es bedurfte keiner abschließenden Auseinandersetzung hiermit, denn die Parteien haben auf die weitere Einholung eines Rechtsgutachtens nach § 3a Abs. 2 S. 2 RVG verzichtet. Nicht nur hat der Kläger, zu dessen Gunsten § 3a Abs. 2 S. 2 RVG letztlich gilt, schriftsätzlich auf eben jene Entscheidung, auf Grund derer die RAK Hamm sich zunächst geweigert hat, ein Gutachten zu erstatten, weil das Gericht den erforderlichen Zeitaufwand der anwaltlichen Tätigkeit aus eigener Sachkunde überprüfen könne, verwiesen (Bl. 1068 GA), sondern beide Prozessbevollmächtigten haben im Verhandlungstermin vom 15.02.2023 ausdrücklich erklärt, keinen Wert auf eine erneute Befassung der RAK Hamm zu legen (Bl. 1141 GA).
72γ)
73Nach Maßgabe der aufgezeigten Grundsätze ist die Vergütung unangemessen. Das vom Kläger insgesamt nach Zeitaufwand abgerechnete Honorar übersteigt mit insgesamt 131.217,10 € die gesetzlichen Gebühren von 24.159,16 € um mehr als das Fünffache, so dass eine tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit streitet (s. hierzu αα und ββ). Diese wird auch bei einer Gesamtwürdigung nicht widerlegt, sondern vielmehr bestätigt (γγ).
74Die Vergleichsbetrachtung ist dabei nicht etwa für jedes (Teil-)Mandatsverhältnis getrennt vorzunehmen, sondern für das Mandatsverhältnis insgesamt. Denn allen Einzelangelegenheiten liegt hier ein zusammenhängender Grundsachverhalt und letztlich ein wirtschaftliches Ziel der Beklagtenseite zugrunde, nämlich Ausgleich für die Baumängel zu erlangen. Auch hat der Kläger aufgrund einer einzigen Honorarvereinbarung alle Einzelmandate nach Stundenhonorar abrechnen, so dass er sich nun nicht darauf berufen kann, die Angemessenheit dieser einheitlich vereinbarten Vergütung nach Stundenaufwand sei im Rahmen getrennter Prüfungen – und damit mittels einer letztlich künstlichen Aufspaltung – zu beurteilen.
75Im Einzelnen gilt Folgendes:
76αα)
77Auszugehen ist davon, dass der Kläger den Beklagten – wie diese vorbringen – auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung Honorarrechnungen über insgesamt 131.217,10 € erteilt hat.
78Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind zwar lediglich Honorarforderungen in Höhe von 66.921,61 € (s.o.).
79Bereits aus der erstinstanzlich als Anlage K 8 vorgelegten Abtretungsvereinbarung ergab sich indes, dass weitere Rechnungen des Klägers über mehr als 36.594,90 € existierten (Bl. 108 f. GA). Hinzu kamen ausweislich der als Anlage K 7 vorgelegten Ratenzahlungsvereinbarung eine Rechnung über 1.761,20 € für eine Angelegenheit L. (Bl. 107 GA) und ein Teilbetrag von 3.127,74 € aus der Rechnung vom 24. September 2013 (Bl. 209 GA), der nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist, so dass sich eine Gesamtforderung des Klägers von jedenfalls mehr als 108.405,45 € errechnete (66.921,61 € + 36.594,90 € + 1.761,20 € + 3.127,74 €).
80Auf den Hinweis des Senats macht der Kläger zuletzt ohne nähere Darlegungen geltend, nach Zeithonorar 88.918,61 und 26.488,57 € beansprucht zu haben (Bl. 998 GA).
81Die Beklagten haben hingegen detailliert dargelegt, nach Zeithonorar seien für das Mandat O. 90.940,71 € und für das Mandat Q. 26.470,10 € sowie ferner für die Mandate L. 8.850,44 €, T. 1.868,31 €, BSV 2.790,04 € und Rechnungsumschreibung 297,50 € abgerechnet worden (Bl. 1026 ff. GA). Damit wurden nach ihrer Darstellung nach Zeitaufwand insgesamt 131.217,10 € beansprucht (s. Bl. 1029 GA).
82Der Kläger hat sich entgegen § 138 ZPO nicht näher zu diesem substantiierten Vortrag der Beklagtenseite erklärt, wonach für das Mandat O. über die streitgegenständlichen Forderungen hinaus bereits 30.040,67 € (s. hierzu Bl. 1026 GA), hinsichtlich des Mandats Q. 18.245,24 € (s. hierzu Bl. 1027 GA) sowie zusätzliche Summen in den anderen Mandaten auf konkret dargelegte, hier nicht streitgegenständliche Rechnungen des Klägers bezahlt wurden. Von diesen durch die Beklagtenseite näher belegten und nicht hinreichend bestrittenen Summen ist mithin auszugehen.
83ββ)
84Mit diesem auf der Grundlage der Vereinbarung begehrten Honorar ist die gesetzliche Vergütung zu vergleichen. Insoweit ist nach Maßgabe der nachstehenden Übersicht auszugehen von einem fiktiven gesetzlichen Honoraranspruch des Klägers nach RVG von 24.159,16 € brutto.
85Angelegenheit |
RVG-Gebühren brutto |
O. |
|
1. Instanz |
6.450,75 € |
2. Instanz |
7.614,57 € |
Kostenbeschwerde |
715,79 € |
Haftpflichtversicherung |
0 |
Deckungsanfrage RSV |
0 |
Androhung Vollstreckung RA |
424,71 € |
Androhung Vollstreckung Bank |
424,71 € |
Stadt Z. |
489,45 € |
Insolvenzverfahren |
2.203,29 € |
Verfahren BGH |
0 |
Summe O. |
18.323,27 € |
Q. |
|
1. Instanz |
4.753,81 € |
Insolvenzverfahren Baugesellschaft |
824,08 € |
Strafzeige |
473,62 € |
Summe Q. |
6.051,51 € |
weitere Angelegenheiten |
0 |
Summe gesetzliche Gebühren |
24.374,78 € |
Hierzu gilt:
87(1)
88Bezüglich des umfänglichen Rechtsstreits gegen den Architekten O. 27 O 387/10 LG Köln = 11 U 133/13 OLG Köln ist maximal von einer gesetzlichen Anwaltsvergütung in Höhe von 13.849,70 € auszugehen (6.450,75 € für die 1. und 7.614,57 € für die 2. Instanz (s. Klägervortrag Bl. 992 GA)).
89Für das Beschwerdeverfahren 17 W 31/16 OLG Köln unterstellt der Senat entsprechend dem Klägervortrag weitere gesetzliche Gebühren von 715,79 € (Bl. 993 GA).
90Für die vom Kläger nun angesetzte außergerichtliche Tätigkeit gegenüber der Haftpflichtversicherung des Architekten O. gilt: Die vom Kläger errechneten 6.584,98 € stehen ihm als gesetzliche Gebühren nicht zu. Zwar ist, wenn dem Rechtsanwalt der Auftrag erteilt worden ist, den Auftraggeber außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu vertreten, die anwaltliche Tätigkeit dieser außergerichtlichen Angelegenheit zuzuordnen und über Nr. 2300, 2301 VV RVG zu vergüten. Die Tätigkeiten gehören auch dann nicht zum Rechtszug oder Verfahren, wenn später der Auftrag zur Vertretung im Rechtszug oder Verfahren erteilt wird. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG greift nicht ein (N. Schneider/Fölsch/Volpert, in: Schneider/Volpert, RVG, 9. Aufl. 2021, § 19 Rn. 11). Allerdings greift § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG bei einem unbedingten Klageauftrag ein, weil die außergerichtlichen Verhandlungen dann zu der Tätigkeit in dem Rechtszug zählen. Nach Erteilung eines Verfahrens- oder Prozessauftrags geführte außergerichtliche Verhandlungen erfüllen also keinen gesonderten Gebührentatbestand, sondern sind von der Verfahrensgebühr Nrn. 3100–3103 VV RVG mit umfasst (BGH, NJW 2011, 1603, 1604). So verhält es sich hier. Es bestand zum Zeitpunkt der Mandatierung des Klägers nach dem Klägervortrag bereits ein streitiges (ursprünglich Mahn-) Verfahren gegen den Architekten (s. Bl. 17 GA), so dass die außergerichtliche Tätigkeit des Klägers hiervon erfasst war, auch soweit es sich um Korrespondenz unmittelbar mit dessen Haftpflichtversicherung handelte.
91Für die Anfrage bei der Rechtsschutzversicherung RSV der Beklagtenseite fallen ebenfalls nicht 1.023,16 € an gesetzlichen Gebühren an. Deckungsschutzanfragen bei Rechtsschutzversicherungen sind lediglich vorbereitende Tätigkeiten (Toussaint, in: Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 15 RVG Rn. 32 „Versicherung“; hierzu tendierend auch BGH, NJW 2012, 919, 920; a.A. Senat, Hinweisbeschluss v. 12.01.2011, Az. 11 U 209/10, BeckRS 2011, 2984; N. Schneider/Fölsch/Volpert, in: Schneider/Volpert, a.a.O., § 19 Rn. 12 u. 14). Denn die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Im Übrigen hätte der Kläger die Beklagtenseite dann darauf hinweisen müssen, dass die bloße Einholung der Deckungszusage, die nicht durch einen Rechtsanwalt geschehen muss, erhebliche Kosten auslöst, obschon der Geschädigte selbst formlos um eine Kostenübernahme bitten könnte (vgl. OLG Celle, NJOZ 2011, 802, 804; ebenfalls hierzu tendierend BGH, NJW 2012, 919, 920). Erst recht gilt das, wenn – wie hier aus Anlage K 47 (Anlagenordner II) ersichtlich – der Kläger selbst die Anfrage ohne ausdrücklichen Auftrag bereits vorbereitet hat, lediglich um ihre Freigabe bittet und dabei zu erkennen gibt, dass dies ggf. der Verringerung des vom Mandanten selbst zu zahlenden Zeithonorars diene. Diesen Sachverhalt nun als gebührenauslösende Tätigkeit zu berücksichtigen, wäre jedenfalls treuwidrig.
92Weitere Gebührentatbestände von 424,71 €, 424,71 € und 489,45 € kann der Senat zugunsten des Klägers unterstellen (s. Bl. 994 f. GA).
93Die gesetzliche Vergütung für die auf die letztlich auf die Anmeldung der Forderung gegen den Architekten O. zur Insolvenztabelle beschränkte Tätigkeit des Klägers im Insolvenzverfahren beträgt nur 2.203,29 € (0,5 Gebühr gemäß Nr. 3320 VV RVG aus einem Wert von bis zu 650.000 € nach der bis zum 31. Dezember 2020 gültigen Tabelle zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Als Gegenstandswert ist der Nennwert der geltend gemachten Forderung anzusetzen, § 28 Abs. 1 u. 2 RVG. Aus dem Anlagenkonvolut K 51 (Anlagenordner I) ergibt sich, dass die Tätigkeit über eine bloße Forderungsanmeldung nicht hinausging. Mit Schreiben vom 16.11.2015 wurde der Insolvenzverwalterin dementsprechend auch eine Vollmacht vorgelegt, die sich ausdrücklich auf die Forderungsanmeldung bezog. Abgegolten wird mit der Gebühr Nr. 3320 VV RVG auch die mit der Forderungsanmeldung verbundene Informationsbeschaffung und Beratung (N. Schneider, in: BeckOK-RVG, 58. Edition, Stand: 01.12.2022, RVG VV 3320 Rn. 4). Für eine Mehrvertretung sieht der Senat keine Grundlage, denn alleiniger Kläger des Verfahrens 27 O 387/10 LG Köln und damit Gläubiger im Insolvenzverfahren war der hiesige Beklagte zu 1), nicht aber seine Ehefrau. Es kommt für Nr. 1008 VV RVG nicht darauf an, ob der Anwalt mehrere Personen als Auftraggeber (Vertragspartner) hat; er muss vielmehr auch mehrere Mandanten vertreten (Volpert, in: Schneider/Volpert, a.a.O., VV RVG 1008 Rn. 6).
94Soweit der Kläger zuletzt auch noch für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gesetzliche Gebühren von 4.048,74 € ansetzen möchte (Bl. 1064 GA), geht dies fehl. Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte erhält für etwa die bloße Entgegennahme einer Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Prüfung des fristgerechten Eingangs eines gegnerischen Rechtsmittels, die Besprechung des Berufungsurteils mit dem Auftraggeber oder die Belehrung über das zulässige Rechtsmittel keine Vergütung nach Nr. 3403 VV RVG. Diese Tätigkeiten gehören nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG zum Berufungsverfahren und werden durch die dort anfallende Verfahrensgebühr abgegolten. Sie sind sämtlich von eher geringem Umfang und werden in der Regel sowohl vom Rechtsanwalt als auch von seinem Auftraggeber als Annex der Tätigkeit in der bisherigen Instanz verstanden (BGH, NJW 2014, 557, 558). Zwar wird eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG fällig, wenn eine Prozesspartei ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer vom Prozessgegner eingelegten und begründeten Nichtzulassungsbeschwerde betraut, um beurteilen zu können, ob die Hinzuziehung eines beim Bundesgerichtshof postulationsfähigen Rechtsanwalts geboten ist (OLG Köln, Beschluss v. 22.09.2016, Az. 17 W 234/16, BeckRS 2016, 17936). Solche oder vergleichbar umfängliche, über einen Annex hinausgehende Tätigkeiten sind hier aber nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Vorliegend hat der Gegner im Vorprozess Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, diese indes nicht einmal durch einen beim Bundesgerichtshof postulationsfähigen Rechtsanwalt begründet, sondern lediglich Prozesskostenhilfe beantragt. Nach Ablehnung dieses Gesuchs ist die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen worden (s. BGH-Heft Beiakte 27 O 387/10 LG Köln). In diesem Fall, in dem eine inhaltliche Prüfung der nicht begründeten Nichtzulassungsbeschwerde gar nicht erfolgen kann, liegt bei allgemeiner Korrespondenz mit dem zweitinstanzlichen Anwalt eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG fern. Aus dem Anlagenkonvolut K 46 (Anlagenordner II) ergibt sich ferner, dass der Kläger lediglich allgemeine Informationen zum Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erteilt hat und die Beklagten selbst frühzeitig – wenig sinnvoll – einen BGH-Anwalt eingeschaltet haben. Als die allgemeinen Nachfragen der Beklagten dem Kläger erkennbar „zu viel wurden“, hat er sie mit Schreiben vom 16.02.2015 an ihre BGH-Anwälte verwiesen und ausgeführt: „Wir bitten um Verständnis, dass wir in der nicht mandatierten Nichtzulassungsbeschwerdesache (…) nicht vorgreifen wollen“ (Hervorhebung des Senats). Auch insoweit wäre nun die Annahme eines Gebührentatbestands treuwidrig.
95Danach kommt der Senat für das Mandat O. zu einer gesetzlichen Anwaltsvergütung von insgesamt lediglich 18.107,65 €, nicht aber die vom Kläger angenommenen 29.528,66 € (so Bl. 996 f. GA).
96(2)
97Bezüglich des Rechtsstreits gegen den Unternehmer Q. ist von einer gesetzlichen Vergütung in Höhe von 4.753,81 € auszugehen (3,8 Gebühren aus einem Wert von bis zu 50.000 € nach der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Tabelle zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Dies entspricht auch der auf die Hinweise des Senats vorgenommenen Berechnung des Klägers für die gerichtliche Auseinandersetzung 1. Instanz (Bl. 997 GA).
98Hinsichtlich der Tätigkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens für den Beklagten zu 1) als Gläubiger ist nach Nr. 3317, 3320 VV RVG nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach einem Gegenstandwert bis 95.000,- € anzusetzen, denn die Tätigkeit beschränkte sich auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle. Eine Notwendigkeit, sich auch noch im laufenden Insolvenzverfahren vertreten zu lassen, bestand nicht. Im Normalfall besteht dort kein weiterer Handlungsbedarf. Danach fallen nach der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Tabelle zuzüglich Auslagenpauschale, Kopiekosten und Umsatzsteuer insgesamt 824,08 € an.
99Für die Strafanzeige unterstellt der Senat entsprechend dem Klägervortrag weitere gesetzliche Gebühren von 473,62 € (Bl. 997 f. GA).
100Insgesamt gelangt der Senat damit zu anzusetzenden gesetzlichen Gebühren von 6.051,51 €.
101(3)
102Zu etwaigen gesetzlichen Gebühren für weitere vom Kläger im Rahmen des Mandatsverhältnisses bearbeitete Angelegenheiten, etwa den etwas unklaren sog. Mandaten L., T., BSV und Rechnungsumschreibung, ist trotz des Hinweisbeschlusses des Senats vom 09.06.2021 (Bl. 981 f. GA), der ausdrücklich auf die im Rahmen des Mandatsverhältnisses insgesamt bearbeiteten Angelegenheiten abstellt, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinerlei Klägervortrag erfolgt. Hierfür kann daher im Rahmen der Vergleichsberechnung auch nichts angesetzt werden.
103Selbst im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers von 16.02.2023, mit dem nach § 296a S. 1 ZPO keine neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht werden konnten, wird lediglich vorgetragen, auch die Mandate L., T. und BSV seien ggf. zu berücksichtigen. Es unterbleibt indes auch weiterhin konkreter Vortrag zur Höhe der diesbezüglichen fiktiven gesetzlichen Gebühren.
104γγ)
105Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls wird die daraus folgende tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit nicht widerlegt, sondern vielmehr bestätigt, so dass es unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an dem vereinbarten Honoraranspruch festzuhalten.
106Der Senat berücksichtigt bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, dass die in der Regel streitwertabhängigen gesetzlichen Gebühren nicht den Anspruch haben, das konkrete Mandat adäquat oder auch nur kostendeckend zu vergüten, sondern ihnen vielmehr eine Konzeption zugrunde liegt, nach der das Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts in seiner Gesamtheit geeignet sein muss, sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt abzudecken, was durch eine Mischkalkulation, also eine Quersubventionierung der weniger lukrativen durch gewinnträchtige Mandate, sichergestellt werden soll (BVerfG, NJW-RR 2010, 259, 260; BGH, NJW 2020, 1811, 1812). Die gesetzlichen Gebühren bilden somit sowohl für die Prüfung einer nach § 138 BGB sittenwidrig überhöhten als auch einer lediglich nach § 3a Abs. 2 RVG unangemessen hohen Vergütung – was nicht gleichzusetzen ist – nur einen ersten Orientierungspunkt (BGH, NJW-RR 2017, 377, 379 f.). Während dabei allerdings unter dem Gesichtspunkt der Quersubventionierung in Angelegenheiten mit niedrigem oder mittlerem Streitwert auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein kann, liegt dies mit zunehmendem Streitwert ferner. Bei hohen Streitwerten – wie hier etwa in dem Mandat O. mit einem Gegenstandwert von über 250.000,- € über zwei Instanzen – kann deshalb unter Umständen schon aus der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren auf eine unangemessen hohe Vergütung geschlossen werden, wenn die Tätigkeit bereits durch die gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten wäre (vgl. etwa BGH, NJW-RR 2017, 377, 378 f. NJW 2020, 1811, 1813).
107Zunächst ist die Honorarform der Stundensatzvereinbarung unter den Umständen des Streitfalls für sich gesehen sicher nicht unangemessen.
108Auch hat das Landgericht auf Grund des von ihm eingeholten Gutachtens (Bl. 695 f. GA) zutreffend und unangefochten festgestellt, dass der vereinbarte Stundensatz von 250,00 € üblich und angemessen ist.
109Solch ein Maßstab des Marktes ist indes im Rahmen des § 3a Abs. 2 RVG nicht der ausschlaggebende Bezugspunkt (BGH, NJW-RR 2017, 377, 380).
110Bei der Gesamtwürdigung, bei der auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mandats abzustellen ist, fällt aus Sicht des Senats einerseits ins Gewicht, dass die Bedeutung der Sache für die beklagten Auftraggeber von erheblichem, geradezu essentialem Interesse war, da die mangelhafte Errichtung ihres Wohnhauses betroffen war, und dass man schon mehrfach die Rechtsanwälte gewechselt hatte. Das Gesamtmandat war recht komplex und es entstand hoher klägerischer Aufwand durch viele Nachfragen der Beklagten. Andererseits stellten weder die Sache O. noch die Angelegenheit Q. inhaltlich Umfangsverfahren dar. Zudem wurde das Ziel der Beklagten durch die Tätigkeit des klagenden Rechtsanwalts in der zentralen Angelegenheit O. rechtlich nur teilweise erreicht und war insbesondere wirtschaftlich der Erfolg begrenzt: Der Ertrag für die Beklagten lag darin, der Höhe nach begrenzte Leistungen der Versicherung des Herrn O. zu erlangen sowie von Werklohn frei zu werden, wobei offen blieb, ob und in welcher Höhe dieser berechtigt war. Von dem im Verfahren 27 O 387/10 LG Köln = 11 U 133/13 OLG Köln bezifferten Anspruch in Höhe von 51.840,34 € nebst Zinsen und Anwaltskosten sind dem Beklagten zu 1) zweitinstanzlich durch den Senat mit Urteil vom 30.07.2014 41.740,34 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren zugesprochen worden, was ein Unterliegen in Höhe von ca. 20 % der Zahlungsantrags bedeutet. Vor allem ist der Feststellungsantrag nur teilweise erfolgreich gewesen und durch die Beschränkung auf Mängel der Bauüberwachung hinsichtlich Kellerfeuchte und Schimmel (Mängelkomplex 1) wirtschaftlich womöglich „wertlos“ – so ausdrücklich der Senat im Urteil vom 30.07.2014.
111Die in die Bewertung einzubeziehenden Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sprechen nicht etwa gegen, sondern für eine Herabsetzung des Honorars. Denn ein Gesamthonorar von über 130.000,- € zehrt im konkreten Fall nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht das Ergebnis der klägerischen Rechtsberatung auf, sondern steht zu den eher durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des als Kundendiensttechnikers tätigen erstbeklagten Mandanten und seiner insolventen Ehefrau außer Verhältnis. Es verlässt dabei den – weiten – Rahmen eines noch sachgerechten Interessenausgleichs.
112Am Rande ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die insgesamt tatsächlich angefallene Bearbeitungszeit jedenfalls die Grenze der Angemessenheit erreicht: Bei einem insgesamt begehrten Honorar von über 130.000,- € (s.o.) hat der Kläger nicht nur die hier im Rechtsstreit geltend gemachten ca. 232 Stunden, sondern insgesamt weit mehr als 400 Stunden abgerechnet. Das erscheint nach überschlägiger Schätzung des Senats, welcher Zeitaufwand für die Durchsicht und Erfassung der Mandate sowie ihre rechtliche Durchdringung angemessen ist, bei konzentrierter und zielführender Arbeitsweise sehr viel. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Stundensatz von 250,- € nach dem Gebührengutachten des RAK Hamm vom 10.04.2019 an der unteren Grenze der für derartige Dienstleistungen auf dem Gebiet des Baurechts üblicherweise vereinbarten Sätze liegt (Bl. 696 GA), steht die nachgewiesene Stundenzahl nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis dazu, dass die Klägerseite sich einer „überregional tätigen, auf das öffentliche und private Baurecht hochspezialisierten Boutique Kanzlei“ (Bl. 16 GA) berühmt, und als Spezialist eingeschaltet wurde. Das zentrale Mandat O., auf welches der Großteil der in Rechnung gestellten Stunden und Kosten von alleine 90.940,71 € (s. Bl. 1026 GA) entfallen, war zwar gewiss nicht unerheblich; gleichwohl handelte es sich nach Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit 27 O 387/10 LG Köln bzw. 11 U 133/13 OLG Köln mit einer Gerichtsakte von 1.015 Blatt um eine noch mittlere Bausache, was der Senat als Spezialsenat für Bau- und Architektenrecht ohne weiteres beurteilen kann. Die gegenüber dem Architekten O. geltend gemachten Mängel der Bauüberwachung hinsichtlich Kellerfeuchte und Schimmel (Mängelkomplex 1) und Wärmebrücken infolge unzureichender Wärmedämmung (Mängelkomplex 2) fielen materiell-rechtlich keineswegs aus dem Rahmen. Es war unstreitig, dass der Architekt keine Bauüberwachung vorgenommen hatte. Insoweit verteidigte er sich lediglich mit dem Einwand, der Architektenvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot nichtig. Der Schwerpunkt lag in der tatsächlichen Feststellung der von den Klägern vorgetragenen Mängel am Bauwerk. Die prozessuale Situation, die Beteiligung von Haftpflichtversicherungen oder der Umgang mit insolventen Gegnern gehörte ebenso zum üblichen Geschäft für eine baurechtlich spezialisierte Kanzlei. Insgesamt handelte es sich um eine „mittelschwere Bausache“, auch wenn der Kläger über 298 Schriftstücke verfasst haben mag (so Bl. 1066 GA). Die Bearbeitungsdauer beruhte ersichtlich mit darauf, dass auch noch nicht erfahrende Rechtsanwälte tätig wurden. Die Zeugin R. hat demgemäß bekundet, dass sie als Berufsanfängerin mit dem Mandat O. befasst war (Bl. 628 f. GA). Die schriftlich vernommene Zeugin B. hat ebenfalls angegeben, vor ihrem Eintritt in die Kanzlei des Klägers Ende Februar 2010 keine Berufserfahrung als Rechtsanwältin oder Juristin gesammelt zu haben und im Bereich des privaten Baurechts „praktisch keine Erfahrung“ aufgewiesen zu haben (Bl. 668 f. GA). Wenngleich beide Zeuginnen angegeben haben, dass in ihrem Fall häufig tatsächlich angefallene Zeiten nicht zur Abrechnung kamen, so kommt für das konkrete Mandat in den insgesamt berechneten Stunden eine effiziente Bearbeitung nicht zum Ausdruck.
113δ)
114Als Rechtsfolge ist das Honorar auf das angemessene Maß herabzusetzen. Der Senat nimmt angesichts eines gesetzlichen Honorars von ca. 25.000,- € und unter Berücksichtigung aller Umstände eine maßvolle Reduzierung auf 100.000,- € vor, um der Vertragsfreiheit sowie auch der Komplexität des konkreten Mandats – einschließlich des aus dem vorgelegten Schriftverkehr ersichtlichen größeren Beratungsbedarfs der die Rechtsstreitigkeiten intensiv begleitenden Mandantschaft – angemessen Rechnung zu tragen und zugleich das nicht mehr angemessene Übermaß der Vergütung zu beseitigen.
1155.
116Der mithin zu Grunde zu legende Gesamthonoraranspruch des Klägers von 100.000,- € ist zunächst in Höhe von 62.092,20 € durch Erfüllung in Form von Zahlungen durch die Beklagtenseite erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.
117Denn der Beklagte zu 1) hat zuletzt Zahlungen in Höhe von 62.092,20 € vorgetragen (Bl. 1029 GA), zu denen sich der Kläger entgegen § 138 Abs. 2 u. 3 ZPO nicht konkret erklärt hat. Damit sind über die vom Kläger behaupteten 41.740,34 € (Bl. 116 GA) weitere Erfüllungstatbestände dargetan und ist von jener Summe auszugehen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass darin etwa der Betrag von 24.506,54 €, der als vom Kläger erlangtes Fremdgeld Gegenstand des Rechtsstreits ist, bereits eingeschlossen wäre.
1186.
119Durch die Aufrechnung des Klägers mit seiner Restforderung von – nach dem Vorstehenden – 37.907,80 € gegen den Anspruch der Beklagten auf Auskehrung der Fremdgelder ist die Honorarforderung in Höhe weiterer 24.506,54 € erloschen (§ 389 BGB), so dass ein klägerischer Zahlungsanspruch in Höhe von 13.401,26 € verbleibt.
120Zu Recht hat das Landgericht die Aufrechnung als wirksam angesehen. Insbesondere steht ihr nicht entgegen, dass der für die Beklagten eingezogene Betrag auf ein von dem Kläger eingerichtetes Fremdgeldkonto geflossen ist. Zwar hat der Anwalt dem Mandanten alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben, §§ 667, 675 Abs. 1 BGB. Ferner ist diese Herausgabepflicht, auch wenn sie Geld zum Gegenstand hat, etwas anderes als eine gewöhnliche Geldschuld und darum einer Aufrechnung nach § 387 BGB in der Regel nicht zugänglich, so dass ein Rechtsanwalt mit einem auf Zahlung gerichteten Vergütungsanspruch gegen den Anspruch seines Auftraggebers auf Herausgabe des Erlangten nicht ohne weiteres aufrechnen kann. Gleichwohl ist ein Rechtsanwalt aber nicht gehindert, sich durch Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus nicht zweckgebundenen Fremdgeldern zu befriedigen, zumal wenn die Vergütungsansprüche – wie im Streitfall – den Auftrag betreffen, der zu dem Geldeingang geführt hat (vgl. BGH, NJW 1995, 1425, 1426). Denn letztlich steht die Gleichartigkeit nicht im Streit.
1217.
122Gegenansprüche des Beklagten zu 1) stehen dem nicht entgegen.
123Der aus dem Anwaltsdienstvertrag herrührende Vergütungsanspruch ist mangels im Dienstvertragsrecht enthaltener Gewährleistungsvorschriften nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung zu kürzen, so dass der Rechtsanwalt selbst bei Schlechterfüllung grundsätzlich die ihm geschuldeten Gebühren verlangen kann (vgl. BGH, NJW 2010, 1364, 1369). Soweit die Beklagten dem Kläger eine Falschberatung vorwerfen, weil er es versäumt habe, sie darüber aufzuklären, dass titulierte Ansprüche nicht realisierbar sein würden, vermag der Senat zudem ebenso wie das Landgericht nicht zu erkennen, warum dies für den Kläger zu Beginn des Mandats erkennbar gewesen sein soll. Im Übrigen ist auch nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Beklagten die Vergütungsvereinbarung nicht geschlossen hätten, wenn sie vorausgesehen hätten, dass die Forderung gegen den Architekten nur in Höhe von 77.000,00 € realisierbar sein würde. Dieser Betrag ist immerhin deutlich höher als der im Vorprozess bezifferte Anspruch. Auch dass der Rat zum Abschluss des Vergleichs in der Sache Q. pflichtwidrig war, haben die Beklagten nur pauschal geltend gemacht, aber nicht substantiiert begründet.
1248.
125Schließlich ist die nach dem Vorstehenden berechtigte Hauptforderung des Klägers ab dem Tag nach Eintritt des Verzugs durch Zustellung der Mahnbescheide – 15.12.2016 (Bl. 4 u. 10 GA) – in geltend gemachter Höhe zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB. Die Mahnkosten folgen gleichfalls aus Verzug.
1269.
127Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) richtet sich nach § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Im Übrigen ist die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorzubehalten.
128Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
129Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Zulassung der Revision. Der Senat weicht nicht von abstrakt-generellen höchstrichterlichen Rechtssätzen ab.
13010.
131Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers vom 16.02.2023 (Bl. 1134 ff. GA) und vom 01.03.2023 (Bl. 1147 ff. GA) geben dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung; insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vor.
132Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 01.03.2023 vorbringt, der Senat habe im Termin vom 15.02.2023 erstmals darauf hingewiesen, dass eine Gesamtbetrachtung des gesamten Mandats einschließlich der Komplexe L., T. und BSV vorzunehmen sei, trifft dies nicht zu. Der Senat hat bereits mit seinem Hinweisbeschluss vom 10.02.2021 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „noch gesetzliche Gebühren für weitere vom Kläger im Rahmen des Mandatsverhältnisses bearbeitete Angelegenheiten“ in Betracht kommen könnten, die er nach Aktenlage indes nicht zu beurteilen vermöge, und dem Kläger aufgegeben, nicht nur die Höhe des „im Rahmen des Mandatsverhältnisses insgesamt abgerechnete(n) Honorar(s)“, sondern auch die gesetzliche Vergütung für diese Tätigkeiten vorzutragen (Bl. 982 GA). Angesichts des ausdrücklich auf die im Rahmen des Mandatsverhältnisses bearbeiteten Angelegenheiten bezogenen Hinweises hat der Senat frühzeitig und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht etwa allein in Bezug auf die Mandate Q. und O. vorzunehmen ist. Dementsprechend hat sich in der Folge die Beklagtenseite bereits mit Schriftsatz vom 20.05.2021 auch zum insgesamt durch den Kläger aufgrund der Honorarvereinbarung abgerechneten Honorar und den von ihr insgesamt geleiteten Zahlungen verhalten (s. Bl. 1027 ff. GA).
133Auch im Übrigen sieht der Senat von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ab.
134Streitwert für das Berufungsverfahren: 66.921,61 €