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I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 18.05.2022 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 43/22 – teilweise abgeändert und der Antragsgegnerin über das bereits erlassene Verbot gem. Ziff. I 1 hinaus im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, untersagt,
einen Preisvergleich mit einer UVP durchzuführen, es sei denn der UVP liegt eine aktuelle und ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde, wenn dies geschieht wie in der Anlage AS 2 und nachfolgend wiedergegeben:
II. Soweit sich die Berufung weitergehend auch auf den Erlass des Verfügungsantrags zu Ziff. I 2 bezogen auf die konkrete Verletzungsform wie in der Anlage AS 3 wiedergegeben richtet, wird sie zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin zu ¼ und die Antragsgegnerin zu ¾. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien vertreiben u.a. Matratzen. Am 10. März 2022 warb die Antragsgegnerin auf ihrer Website für die Matratzen BeCo Selection und Mline Slow Motion 5 mit einer besonderen Günstigkeit, indem sie dem von ihr verlangten Preis eine durchgestrichene Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) der jeweiligen Hersteller von 249 € bzw. 1.499 € gegenüberstellte.
4Die Antragstellerin hat behauptet, es handele sich bei diesen UVP um sog. Mondpreise, denen keine aktuelle und ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde liege. Als Beleg dafür hat sie als Anlagenkonvolut AS 6 verschiedene Angebote von Internet-Händlern der BeCo-Matratze vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass in keinem Angebot die UVP verlangt wird. Weiter hat sie als Anlage AS 7 die Preisentwicklung des Jahres 04/21 bis 03/22 laut der Preissuchmaschine „idealo“ vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der günstigste Preis für die BeCo-Matratze fast durchgehend unter 120 € lag.
5Vergleichbare Internetausdrucke hat die Antragstellerin mit dem Anlagenkonvolut AS 9 auch für die Mline Slow Motion 5 vorgelegt. Der Preis, den das Unternehmen Mline zuletzt selbst auf seiner Internetseite angibt, beträgt 1.649 € (Anlage AS 10).
6Die Antragsgegnerin hat sich verteidigt und behauptet, dass anhand der Wayback-Maschine belegt sei, dass der Hersteller für die Mline Slow Motion 5 an vier Zeitpunkten in 2021 (zuletzt 20.04.2021) den von ihr als UVP angegebenen Preis von 1.499 € ausgegeben habe. Gleiches ergebe sich aus der UVP-Liste des Herstellers (Anlage WRI 2, 3, 7).
7Zur Matratze BeCo Selection hat sie eine Bestätigungs-Mail des Herstellers vorgelegt (Anlage WRI 8). In einem Verbrauchertest des Magazins „Haus & Garten“ sei ebenfalls die UVP mit 249 € angegeben worden (Anlage WRI 9). Des Weiteren hat sie eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen G. vorgelegt (Anlage WRI 11), der ihre Angaben bestätigt.
8Das Landgericht hat mit Urteil vom 18.05.2022 - 84 O 43/22 - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bezogen auf den Antrag zu Ziff. I 2 zurückgewiesen und die Urteilsverfügung nur hinsichtlich des Weiteren von der Antragstellerin verfolgten Antrags zu Ziff. I 1 erlassen. Der Antrag zu Ziff. I 1 richtete sich darauf, nicht mit einem durchgestrichenen Preis mit einer Preisherabsetzung zu werben, wenn tatsächlich nur ein Vergleich mit einer UVP vorgenommen wird.
9Das Landgericht hat es hinsichtlich des in der Berufung rechtshängigen Antrags zu Ziff. I 2 nicht als glaubhaft gemacht angesehen, dass die Preisempfehlung der Hersteller für die BeCo- bzw. Mline-Matratze bloße Mondpreise darstellen. Allein die Vorlage von Angeboten mit unterschiedlichen UVP-Angaben bzw. erheblich von der UVP abweichenden Preisen spreche nicht gegen ernsthaft kalkulierte Preisempfehlungen.
10Die Antragstellerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag zu Ziff. I 2 weiter und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie stützt sich auf zwei Aspekte, nämlich dass zum einen UVPs in der hier verwendeten Höhe vor dem Schalten der Werbung der Antragsgegnerin nicht von den jeweiligen Herstellern empfohlen worden seien. Zum anderen ist sie der Ansicht, dass die UVPs, auch wenn sie denn ausgesprochen worden sein sollten, keiner ernsthaften Kalkulation entsprächen. Da sich niemand an die UVP halte, diese vielmehr variabel angegeben würden, dienten sie offensichtlich nur dazu, die Preisgünstigkeit eines Händlerangebots darzustellen.
11Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Hersteller vor der streitgegenständlichen Werbung im März 2022 eine entsprechende UVP mitgeteilt habe. Die vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel der Antragsgegnerin seien inhaltlich, aber zum Teil bereits aus rein zeitlichen Gründen nichtssagend, was sie näher ausführt.
12Das Landgericht habe allein aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen G. (WRI 11) in Verbindung mit den Anlagen WRI 1 bis 9 eine Glaubhaftmachung bejaht. Mit den Einwänden der Antragstellerin habe sich die Kammer nicht ansatzweise auseinander gesetzt. Es sei auch fehlerhaft gewesen, die Anlage WRI 11 überhaupt zu berücksichtigen, weil der entsprechende Schriftsatz erst kurz vor der mündlichen Verhandlung nur an das Gericht übersandt worden sei, was sie ausdrücklich gerügt und weshalb sie der Verwertung widersprochen habe (vgl. Protokoll S. 3, Abs. 4).
13Selbst wenn es UVPs in der angegebenen Höhe gegeben habe, handele es sich offensichtlich um „Mondpreise“, weil kein Anbieter am Markt die empfohlenen Preise verlange, sondern im Regelfall Preise, die sogar mehr als 50% darunter lägen. Dies belege die von der Antragsgegnerin selbst vorgelegte Anlage WRI 9 (Verbrauchermagazin), in der ausdrücklich zwischen dem „Marktpreis“ von 129 € und der „UVP“ von 249 € unterschieden werde.
14Es sei auch fehlerhaft, dass das Landgericht in einem solchen Fall nicht von einer ergänzenden Darlegungs- und Beweislast der Antragsgegnerin ausgehe. So laufe das vom BGH geforderte Kriterium der „ernsthaften Kalkulation“ ins Leere, da sich der Werbende immer hinter der „Blackbox“ des Herstellers verstecken könne.
15Die Antragstellerin beantragt,
16das Urteil des Landgerichts vom 18.05.2022 – 84 O 43/22 - abzuändern, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, sodass nun auch folgendes zusätzliches Verbot erlassen wird:
17I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr (…)
182. einen Preisvergleich mit einer UVP durchzuführen, es sei denn, der UVP liegt eine aktuelle und ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde, wenn das geschieht wie in Anlage AS 2 oder AS 3
19Die Antragsgegnerin beantragt,
22die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.
23Die von der Antragstellerin behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Die Kammer habe den Schriftsatz vom 02.05.2022 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2022 gemacht, indem der Inhalt vom Vorsitzenden wiedergegeben und darüber verhandelt worden sei. Die Antragsgegnerin habe den Schriftsatz nebst Anlagen auf ihr Smartphone übermittelt bekommen und in ihrem Schriftsatz vom 11.05.2022, der im Urteil ausdrücklich Berücksichtigung gefunden habe, auch ausreichend Stellung genommen. Im Übrigen dürfe grundsätzlich im Zivilprozess sämtlicher Vortrag in der mündlichen Verhandlung erfolgen, es sei denn, es wären Fristen gesetzt worden, was nicht der Fall gewesen sei.
24Der Antrag sei zu unbestimmt. Die Unbestimmtheit ergebe sich daraus, dass völlig unklar sei, was unter „ernsthafter Kalkulation“ und „angemessener Verbraucherpreis“ zu verstehen sei.
25Die Antragsgegnerin habe die UVP eingesetzt, die sie erhalten habe. Es gebe kein Sonderwissen der Händler über die Kalkulationsgrundlage des Herstellers, weil diese unstreitig nicht offengelegt werde.
26Die Antragstellerin missinterpretiere die Anforderungen des BGH an eine angemessene UVP.
27Der Vortrag der Antragstellerin aus der Berufungsbegründung, dass kein einziger Anbieter am Markt die beiden Matratzen zu einem Preis verkaufe, der der UVP entspreche oder ähnlich sei, sowie der Vortrag, dass eine Kalkulation ernsthaft sei, wenn sie eine Gewinnmarge von 20-30% des Handels vorsehe, sei neu und völlig unbelegt und werde bestritten.
28Auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2022, dass Vortrag zur Preisgestaltung im stationären Markt fehle, hat die Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen, dass und weshalb es näheren Vortrags zum stationären Markt aus ihrer Sicht nicht bedurft habe.
29Weiter hat die Antragstellerin behauptet, dass sie erst kürzlich festgestellt habe, dass auf der Internetseite von Mline, die ursprünglich als bloße Präsentationsseite fungiert habe, nunmehr der Eindruck erweckt werde, man könne Matratzen unmittelbar auf der Seite erwerben. Der Warenkorb laufe jedoch letztlich ins Leere.
30Die Antragsgegnerin hat sich zu beiden Aspekten nur insoweit geäußert, dass diese ins Blaue hinein erfolgt und nicht einlassungsfähig seien. In ihrem nach der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 07.09.2022, auf den wegen des Inhalts verwiesen wird, hat sie weitere Ausführungen zur Sache gemacht.
31II.
32Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet, soweit sie das Verbot der Werbung für die Matratze BeCo Selection wie in der Anlage AS 2 wiedergegeben betrifft. Soweit die Werbung für die Matratze Mline Slow Motion 5 (Anlage AS 3) betroffen ist, bleibt die Berufung ohne Erfolg.
331. Die von der Antragsgegnerin gerügte Antragsfassung scheitert nicht bereits an dem Erfordernis der Bestimmtheit. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH, Urteil vom 20.06.2013 – I ZR 55/12 – Restwertbörse II). Allein dass der Tenor einer Auslegung zugänglich ist, führt indes nicht dazu, dass der Tenor zu unbestimmt wäre, wenn über den Sinngehalt kein Zweifel besteht, sodass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn über die Bedeutung des an sich auslegungsbedürftigen Begriffs zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen oder wenn zum Verständnis des Begriffs auf die konkrete Verletzungshandlung und die gegebene Klagebegründung zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 04.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker).
34a. Vorliegend erscheint zwar die Verwendung der Formulierung „ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis“ problematisch. Die Antragstellerin hat jedoch durch Bezugnahme auf die konkrete Werbung ihren Unterlassungsantrag auf die zwei eingeblendeten konkreten Verletzungsformen AS 2 und AS 3 gerichtet, sodass nicht ungewiss bleibt, was der Antragsgegnerin verboten ist. Der mit „es sei denn“ eingeleitete Nebensatz, der Gegenstand und Zielrichtung des Verbots beschreibt und die auslegungsbedürftigen Begriffe der „ernsthaften Kalkulation“ und „angemessener Verbraucherpeis“ enthält, stellt im vorliegenden Fall lediglich ein für den Verbotsumfang bedeutungsloses Begründungselement und eine unschädliche Überbestimmung dar, wofür nicht der Klageantrag, sondern die Antragsbegründung der richtige Platz ist (vgl. Schmidt in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 12 Anh. I Rn. 149 mwN). Denn ist – wie hier - durch Bezugnahme auf zwei konkrete Verletzungsformen – unter Berücksichtigung der Klagebegründung – hinreichend klargestellt, welches konkrete Verhalten dem Gegner verboten ist, ist es grundsätzlich nicht Sache des Klägers, Ausnahmetatbestände in den Klageantrag mit aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2021 – I ZR 227/19 – juris Rn. 18 – Rechtsberatung durch Architekten).
35b. Soweit im Antrag die beiden konkreten Verletzungsformen mit „oder“ verbunden werden, ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung der Antragsbegründung, dass die Antragstellerin sowohl die Werbung für die BeCo- als auch die Mline-Matratze für irreführend hält und verboten wissen will. Es handelt sich danach um zwei Streitgegenstände. Das „oder“ ist nach den Ausführungen in der Antragsbegründung dahingehend auszulegen, dass beide Formen untersagt werden sollen und das Begehren der Antragstellerin nicht bereits vollständig erfüllt ist, sobald eine der beiden Verletzungsformen untersagt wird.
362. Das Vorgehen der Antragstellerin ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs iSd § 8c UWG unzulässig. Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn ein Regelbeispiel des § 8 c Abs. 2 Nr. 1 bis 7 UWG erfüllt ist. Auch nach der Neuregelung kann Rechtsmissbrauch dann vorliegen, wenn keines der Regelbeispiele verwirklicht ist.
37Da jedoch allgemein bekannt ist, dass Preisgegenüberstellungen für Verbraucher hohe Kaufanreize bieten und die Antragstellerin als Herstellerin ihrer Matratzen diese Werbemöglichkeit einer Preisgegenüberstellung mit einer UVP nicht zur Verfügung steht, kann ihr ein berechtigtes Interesse an der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle solcher Rabattwerbung ihrer Mitbewerber nicht abgesprochen werden. Dass sie dabei gegen eine Vielzahl anderer Unternehmen nicht vorgeht, stellt kein Indiz für missbräuchliches Vorgehen dar, weil es ihr selbst überlassen ist, gegen wen sie gerichtlich vorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2017 – I ZR 172/16 -, juris Rn. 15 – Großhandelszuschläge). Bei einer Vielzahl von gleichgelagerten Verstößen kann sie nicht gezwungen sein, gegen alle Mitbewerber vorzugehen. Auch dass die Antragstellerin einen „Feldzug“ gegen Rabatte führen würde, ist nicht ersichtlich, wenn sie gerade nicht gegen eine Vielzahl von verletzenden Mitbewerbern vorgeht. Anhaltspunkte für das Vorliegen von überwiegend sachfremden Erwägungen sind weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich.
383. Der Verfügungsanspruch ergibt sich bzgl. des Verbots der konkreten Verletzungsform wie wiedergegeben in der Anlage AS 2 aus den §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, weil glaubhaft gemacht ist, dass es sich bei der Werbung mit der von der Antragsgegnerin verwendeten UVP für die Matratze BeCo Selection um eine irreführende geschäftliche Handlung iSd § 5 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UWG handelt.
39a. Eine geschäftliche Handlung ist danach irreführend, wenn sie u.a. unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils enthält.
40aa. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine UVP vom Hersteller vor der werblichen Nutzung jedem Händler ausdrücklich mitgeteilt werden muss oder ob es ausreicht, wenn er seine UVP an die Allgemeinheit gerichtet öffentlich wahrnehmbar macht und erst auf Anfrage ausdrücklich mitteilt. Denn es ist jedenfalls vorliegend glaubhaft gemacht, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin verwendeten UVP nicht um eine aktuelle und ernstgemeinte UVP handelt. Dabei genügt gem. § 294 ZPO an Stelle eines Vollbeweises eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung mithilfe aller sofort verfügbaren Erkenntnismittel (Geimer und Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 294 Rn. 1). Eine Werbung mit einer solchen UVP stellt eine unwahre Angabe iSd § 5 UWG dar.
41bb. Die Bezugnahme auf eine kartellrechtlich zulässige (§ 23 GWB) unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist zwar wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Von einer zulässigen unverbindlichen Preisempfehlung i.S. des § 23 GWB kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn die unverbindliche Preisempfehlung in der Erwartung ausgesprochen wird, der empfohlene Preis entspreche dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis (vgl. BGH, Urteil vom 14 November 2002 – I ZR 137/00 –, juris Rn. 23 – Preisempfehlung für Sondermodelle). Sie ist als irreführend anzusehen,
42- wenn nicht klargestellt wird, dass es sich bei der Herstellerempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt,
43- wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt worden ist oder
44- wenn der vom Hersteller empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2002 – I ZR 137/00 –, juris Rn. 20 m.w.N. – Preisempfehlung für Sondermodelle).
45aaa. Der Umstand, dass ein Preis in Höhe der UVP von 249 € von vielen Internethändlern im Jahr 2021/Anfang 2022 nicht verlangt worden ist, spricht isoliert betrachtet nicht bereits gegen eine ernsthafte UVP. Bei der UVP handelt es sich um eine Preisempfehlung des Herstellers, die als Orientierung im Markt dienen soll. Der Hersteller will dadurch Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen. Händler sind jedoch nicht verpflichtet, dieser Empfehlung zu folgen. Da im Grundsatz Onlinehändler Produkte in vielen Fällen wesentlich günstiger anbieten können als der stationäre Handel, weil sie sich allein die Kosten für ein Geschäftslokal ersparen, ist dem durchschnittlichen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen, bekannt, dass in vielen Marktsegmenten Online-Händler ihre Produkte oft nicht in Höhe der UVP anbieten. Die Vorlage von einigen Angeboten von Online-Händlern, die die UVP nicht fordern, sind daher für sich betrachtet nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass die UVP von den Empfehlungsempfängern nicht befolgt wird und dies wiederum einen Rückschluss darauf geben könnte, dass es sich bei der UVP im vorliegenden Fall um einen sog. Mondpreise handelt.
46bbb. Im vorliegenden Fall ist jedoch in der Berufungsinstanz letztlich unstreitig geblieben, dass ein Unterschied in der Preisgestaltung zwischen Online- und stationärem Handel im speziellen Bereich von Matratzen nicht existiert. Auf den fehlenden Vortrag bzgl. der Preisgestaltung im stationären Handel hingewiesen, ist für die Antragstellerin erklärt worden, dass diese Unterschiede im Bereich von Matratzen deshalb nicht existierten, weil für Online-Händler zwar keine Kosten für Geschäftslokale anfielen, aber die Versand- und Rücksendekosten erhebliche bei der Preiskalkulation zu berücksichtigende Posten darstellten. Eines separaten Vortrags zu Preisen im stationären Handel habe es deshalb nicht bedurft. Ihre Behauptung werde u.a. durch die Tatsache gestützt, dass sogar die Antragsgegnerin, die die BeCo-Matratze stationär und online anbiete, diese auf beiden Vertriebswegen zu demselben Preis vertreibe. Desweiteren sei bekannt, dass manche Hersteller ihre Matratzen im stationären und Online-Handel unter unterschiedlichen Bezeichnungen anböten, um gerade eine Vergleichbarkeit auszuschließen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass eine Matratze im Laden getestet, aber, wenn sie online günstiger angeboten würde, dort erworben würde. Schließlich verweist die Antragstellerin auf das Testergebnis aus 2021 im Magazin „Haus & Garten“, in dem von einem „Marktpreis“ die Rede ist Dass es sich dabei um einen Marktpreis handelt, der nur für den Onlinehandel ermittelt worden sei, sei nicht ersichtlich. Er beziehe sich vielmehr auf den gesamten Markt.
47ccc. Ein etwaiger Unterschied zwischen Online- und stationärem Handel ist in erster Instanz nicht problematisiert worden, sodass es für die Antragstellerin keine Veranlassung zu etwaigem Vortrag gab. Darüber hinaus ist der neue Vortrag der Antragstellerseite zum Verhältnis der unterschiedlichen Vertriebswege unbestritten geblieben und war damit der Entscheidung zugrundezulegen, §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO. Soweit die Antragsgegnerin die Ansicht vertreten hat, es handele sich um Vortrag ins Blaue hinein, der nicht einlassungsfähig sei, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden, weil die Antragstellerin hinreichende objektive Anknüpfungspunkte vorgetragen hat, die ihren Vortrag stützen, wie etwa das eigene Verhalten der Antragsgegnerin. Da die Antragsgegnerin selbst Marktteilnehmerin ist und sowohl stationär als auch online Handel mit Matratzen betreibt, war es ihr möglich und zuzumuten, den Vortrag ggf. zu bestreiten. Entgegen ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 07.09.2022 handelt es sich dabei auch nicht um Meinungsbekundungen, sondern objektive Umstände, die dem Beweis zugänglich sind.
48cc. Da der Senat seiner Entscheidung das unstreitige Vorbringen der Antragstellerin zugrundelegt, dass es keine Preisdifferenz im Bereich von Matratzenangeboten im Onlinehandel und stationärem Handel gibt, geht er auch davon aus, dass die UVP von 249 € im gesamten Markt bereits seit 2021 nicht mehr ernsthaft gefordert wurde, sondern vielmehr ein weit darunter liegender Preis. Ob ein solcher Preis von „keinem einzigen Anbieter“ gefordert wird, ist nicht von Bedeutung.
49Es ist jedenfalls glaubhaft gemacht, dass der regelmäßig geforderte Preis weit unter der UVP lag. Dies ist belegt durch das Testergebnis im Magazin „Haus & Garten“, bei dem von einem „Marktpreis“ von 129 € im Vergleich zur UVP die Rede ist. Weiter hat die Antragstellerin eine Übersicht des Preisvergleichsportals idealo.de vorgelegt, aus der sich die Preisentwicklung der BeCo-Matratze seit April 2021 ablesen lässt. Danach lag der seitens idealo.de ermittelte günstigste Preis durchweg unter 120 € und für Anfang 2022 sogar bei um die 90 €. Schließlich hat die Antragstellerin als Anlagenkonvolut AS 6 weitere Angebote von Händlern der BeCo-Matratze vorgelegt, die Preise in Höhe von 87,00 €, 89,90 €, 129,99 €, 149,99 € verlangt haben, sodass der von der Zeitschrift „Haus & Garten“ ermittelte „Marktpreis“ von 129 € jedenfalls als durchschnittlicher Marktpreis angesehen werden kann.
50Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass die Angebote aus dem wettbewerblichen Umfeld, bei „idealo“ und der Zeitschrift „Haus & Garten“ BeCo-Matratzen mit einer Liegefläche von 90 x 200 cm bzw. in einem Fall von 80 x 200 cm betreffen, wohingegen die dem Streit zugrundeliegende Matratze der Antragsgegnerin eine Größe von 100 x 200 cm aufweist, ist rechtlich nicht von Belang, da auch für die Matratzen mit den etwas kleineren Liegeflächen die identische UVP-Empfehlung von 249 € ausgesprochen, aber diese offensichtlich im Markt nicht ernstgenommen wurde und wird. Dass und weshalb der Markt dieselbe UVP für eine bestimmte Matratze in einer bestimmten Größe nicht ernstnehmen sollte, aber bei der 10 cm breiteren doch, ist nicht erläutert und auch sonst nicht ersichtlich.
51dd. Der übrige Vortrag und die Glaubhaftmachung durch die Antragsgegnerin befassen sich überwiegend mit der Tatsache, dass die UVP von 249 € vom Hersteller tatsächlich vorgegeben worden sei. Selbst wenn man dies unterstellt, kann nach dem Gesamteindruck aller zu berücksichtigenden Umstände nicht mehr von einer ernstgemeinten und ernstgenommenen UVP gesprochen werden, weil über ein Jahr hinweg der tatsächlich im Markt geforderte Preis lediglich fast die Hälfte der UVP betrug und – wie die Anlagen in AS 6 und die Preisentwicklung bei idealo.de belegen – auch darunter liegende Preise mit Ersparnissen von mehr als 50% - offensichtlich nicht nur vereinzelt - angeboten wurden.
52ee. Es ist der Antragsgegnerin zwar einzuräumen und letztlich unstreitig, dass Hersteller ihre Kalkulationen für die UVP nicht offenlegen, sodass der Händler kein „Sonderwissen“ über die Kalkulationsgrundlage besitzt und diese in der Regel nicht substantiiert darlegen kann. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein Händler mit jeder vom Hersteller publizierten UVP werben darf, selbst wenn erhebliche Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit der UVP vorliegen und für ihn erkennbar sind. Die Antragsgegnerin mag zwar nicht verpflichtet sein, die Kalkulationsgrundlage des Herstellers herauszufinden und darzulegen; vielmehr ist es Sache der Antragstellerin das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Tatbestandsmerkmale vorzutragen und glaubhaft zu machen.
53Da es sich bei der Tatsache, dass eine UVP nicht ernstgemeint bzw. nicht ernsthaft als angemessener Verbraucherpreis kalkuliert worden ist, jedoch um eine negative Tatsache handelt und es sich bei der Kalkulation um einen internen Vorgang beim Hersteller handelt, genügt die Antragstellerin ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die den Schluss auf eine nicht ernsthafte Kalkulation zulassen. Dies ist ihr vorliegend gelungen. Danach wäre es Sache der Antragsgegnerin gewesen, näher zur Ernsthaftigkeit vorzutragen. Es wäre ihr als Marktteilnehmerin auch ohne weiteres möglich und zuzumuten gewesen, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass und in welchem Umfang höhere Preise im Markt gefordert wurden und dass es sich bei den von der Antragstellerin vorgelegten Angeboten womöglich um Ausreißer handelt. Näherer Vortrag und Glaubhaftmachungsmittel hierzu fehlen.
54b. Durch die Gegenüberstellung eines Preises mit einer fast doppelt so hohen UVP wird dem angesprochenen Verbraucher ein erheblicher Preisvorteil suggeriert, der bei einer nicht ernstgemeinten und ernstgenommenen UVP tatsächlich nicht besteht. Wenn der „Marktpreis“ von der UVP seit geraumer Zeit erheblich abweicht, entsteht bei der Werbung mit einer durchgestrichenen UVP der Eindruck, dass ein Preisvorteil zur UVP von um die 50% ein besonderes „Schnäppchen“ darstellt. Dieser Eindruck trügt jedoch, wenn im Markt seit ca. einem Jahr nicht die UVP, sondern regelmäßig ein viel niedrigerer Preis in Höhe des „Marktpreises“, gefordert wird. Da Verbraucher die Matratze in diesem Fall bei anderen Händlern zu ähnlich niedrigen Preisen erhalten könnten, liegt objektiv betrachtet gerade kein „Schnäppchen“ vor.
55c. Der Eindruck eines erheblichen Preisvorteils ist auch ohne weiteres geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, weil der Preis einen der wesentlichen Anreize für die Befassung mit einem Produkt und für dessen Erwerb darstellt. Die Preisbemessung ist von zentraler Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite (Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 5 Rn. 256 mwN).
564. Soweit die Antragstellerin hinsichtlich der Mline-Matratze ebenfalls behauptet, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin verwendeten UVP von 1.499 € um keine ernsthaft kalkulierte UVP handele, hat sie ihre Behauptung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
57a. Zur Mline-Matratze behauptet die Antragstellerin, dass bereits die von unterschiedlichen Händlern verwendete UVP variiere, was gegen eine ernstgemeinte UVP spreche. Die dazu vorgelegten Anlagen (Anlagenkonvolut AS 10) zeigen jedoch Angebote aus dem wettbewerblichen Umfeld, die dem vom Händler jeweils geforderten Preis lediglich einen durchgestrichenen höheren Preis gegenüberstellen, der gerade nicht als UVP bezeichnet wird.
58Das Anlagenkonvolut AS 10 enthält Angebote von Mitbewerbern, die die Mline Slow Motion 5 für 999 € bzw. 1.236 € (jeweils mit durchgestrichenem Preis von 1.649 €), für ab 770 € (ohne Angabe eines Durchstreichpreises), für ab 1.119,30 € (mit durchgestrichenem Preis von 1.599 €) bewerben. Auf der Internetseite des Unternehmens Mline wird ein Preis von 1.699 € angegeben. Nur die Antragsgegnerin hat ausdrücklich mit einer durchgestrichenen UVP von 1.499 € geworben.
59Aufgrund der unterschiedlichen durchgestrichenen Angaben meint die Antragstellerin, es sei unklar, ob zum Zeitpunkt der Werbung mit der streitgegenständlichen Werbung (AS 3) eine UVP von 1.499 €, wie von der Antragsgegnerin behauptet, oder von 1.599 € oder 1.649 € gegolten habe. Dabei übersieht sie jedoch, dass nur die Antragsgegnerin in ihrer Werbung ausdrücklich eine UVP in Höhe von 1.499 € auslobt. Die im Anlagenkonvolut AS 10 enthaltenen Angebote von Drittunternehmen enthalten nur durchgestrichene Preise, ohne einen Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine UVP handeln soll. Da die Antragstellerin - auch hier im Verfahren - die Ansicht vertritt, dass bei durchgestrichenen Preisen der Verkehr in der Regel annehmen werde, es handele sich um den früher vom Händler verlangten eigenen Preis und gerade nicht um eine UVP, kann aus unterschiedlichen Streichpreisen ohne Hinweis auf eine UVP nicht der Schluss gezogen werden, im Markt würden verschiedene UVPs verwendet.
60b. Die Antragsgegnerin hat hingegen glaubhaft gemacht, dass der Hersteller eine entsprechende Empfehlung ausdrücklich ausgegeben hat:
61- Die E-Mail des Zeugen G. vom 04.04.2022, 12.10 Uhr (WRI 1) ist zwar – wie von der Antragstellerin gerügt - tatsächlich ohne die in Bezug genommene Liste nichtssagend. Es erscheint jedoch naheliegend, dass die Liste Anlage WRI 2, die in der Anlage WRI 1 erwähnte Liste des Herstellers ist. Danach galt für die Mline Slow Motion in 2021 und bis März 2022 eine UVP von 1.499 € und ab 01.04.2022 von 1.649 €.
62- Mit der E-Mail vom 04.04.2022 von 16.29 Uhr (WRI 3) erläutert der Zeuge G., dass die Preisliste (wobei es sich offensichtlich um die Anlage WRI 2 handelt) am 16.03.2022 um 16.56 Uhr bei ihm und „Dirk“ als Mail angekommen sei.
63- Die Mail von Bart F. vom 05.04.2022 um 07.34 (WRI 6) bestätigt dass „in diese Liste“ die UVP von vor und ab 01.04.2022 stehen. In der Anlage WRI 7 befindet sich eine Liste auf Niederländisch (Anlage WRI 7), auf der sich die Preise „1499“ und „1649“ befinden. Auch hier erscheint es naheliegend, dass es sich dabei um die in der Mail von F. erwähnte Liste handelt.
64- In der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen G., der seit dem 01.01.2018 bei der Antragsgegnerin beschäftigt und seit dem 01.01.2019 im Einkauf tätig ist, bestätigt und erläutert er den Zusammenhang zwischen seiner Mail und der Exceltabelle (WRI 1 und 2) und benennt auch die Gründe, weshalb nur zwei Preise stehen gelassen wurden. Weiter bestätigt er, dass es sich bei der Liste WRI 7 um die in der Mail von Herrn F. (WRI 6) erwähnte handelt und erläutert Schwärzungen und versichert, dass inhaltlich keinerlei Änderungen vorgenommen worden seien.
65- Auch die Auszüge der Internetseite des Herstellers aus der Wayback-Maschine belegen jeweils zum Speicherdatum 20.12.2020, 23.01.2021 und 20.04.2021 eine Preisangabe von 1.499 €.
66Diese Belege sprechen in ihrer Gesamtschau dafür, dass im März 2022 eine Herstellerpreisempfehlung in Höhe von 1.499 € gegolten hat.
67c. Soweit die Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung unbestritten behauptet hat, dass die Internetseite des Unternehmens Mline mittlerweile einen Warenkorb enthalte und den objektiv unzutreffenden Eindruck erwecke, man könne Matratzen auf der Seite direkt erwerben, was gegen die Seriosität der Preisangabe spreche, genügt dieser Aspekt nicht, um allein daraus auf eine nicht ernstgemeinte UVP zu schließen.
68d. Die Antragstellerin trägt grundsätzlich die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die angegriffenen Angaben über geschäftliche Verhältnisse geeignet sind, die betroffenen Verbraucher irrezuführen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2002 – I ZR 137/00 –, juris Rn. 22 m.w.N. – Preisempfehlung für Sondermodelle). Ihrer Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast ist die Antragstellerin insoweit nicht hinreichend nachgekommen. Aus Sicht des Senats spricht die Glaubhaftmachungslage vielmehr dafür, dass vor dem 01.04.2022 die von der Antragsgegnerin verwendete UVP von 1.499 € gegolten hat. Ob die UVP für die Mline-Matratze vom Hersteller erst im Nachhinein bestätigt oder der Antragsgegnerin bereits vor dem Zeitpunkt der Verwendung in ihrer Werbung im März 2022 ausdrücklich mitgeteilt worden war, hat im Rahmen des § 5 UWG vor dem Hintergrund, dass die Existenz einer UVP in der genannten Höhe jedenfalls glaubhaft gemacht ist, und damit die Gegenüberstellung in der Werbung objektiv zutreffend und nicht irreführend war, keine Bedeutung.
69e. Dass der Hersteller Mline möglicherweise eine höhere UVP empfohlen hat als die Antragsgegnerin in ihrer Werbung angegeben hat, ist rechtlich ohne Belang. Die Angabe einer UVP-Bezugsgröße, die niedriger ist als die tatsächlich gültige UVP, stellt zwar eine unwahre Angabe dar. Diese wirkt sich jedoch nicht zu Lasten der Verbraucher aus. Eine solche Falschangabe ist bei einer Rabattwerbung nicht dazu geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie in Kenntnis des wahren (sogar höheren) Rabatts nicht getroffen hätten.
705. Soweit die Antragstellerin es als verfahrensfehlerhaft rügt, dass das Landgericht den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 02.05.2022 nebst den Anlagen WRI 10 und 11, der der Antragstellerin im Termin nicht vorlag, berücksichtigt hat, so ist darauf zu hinzuweisen, dass nicht bestritten wurde, dass der Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, auch wenn die Antragstellerin der Verwertung widersprochen hat. Es handelt sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem keine Verspätung in Betracht kommt. Einlassungsfristen gibt es nicht, auch die Präklusionsvorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts gelten im Eilverfahren 1. Instanz nicht, mit der Folge, dass alles zu berücksichtigen ist, was die Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vortragen und glaubhaft machen (Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 55. Kap. Rn. 19 mwN). Sachvortrag und Glaubhaftmachungsmittel, die unschwer bereits vorher in das Verfahren einzubringen gewesen wären und nur bis zur mündlichen Verhandlung zurückgehalten werden, um dem Gegner durch Überrumpelung die Verteidigungsmöglichkeiten zu nehmen, können danach ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben oder – ganz ausnahmsweise – mindestens eine kurzfristige Vertagung, uU auch eine kurze Schriftsatzfrist rechtfertigen (Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 55. Kap. Rn. 19 mwN). Ob diese Sachlage bzw. die Überrumpelungsabsicht vorlag, kann dahingestellt bleiben, weil der Inhalt des Schriftsatzes und der Anlagen vom 02.05.2022 mündlich behandelt worden ist, die Antragstellerin durch einen nachträglichen Schriftsatz Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und der Inhalt dieses Schriftsatzes vom Landgericht in seiner Entscheidung auch berücksichtigt worden ist. Weiter hätte die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, eine Abschrift des Schriftsatzes nebst Anlagen zu verlangen und eine kurze Unterbrechung oder Vertagung zu beantragen, wovon sie jedoch abgesehen hat. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist danach nicht feststellbar und wäre wenn, bereits in erster Instanz geheilt worden.
716. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gem. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
72Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000 €