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1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.02.2020 (31 O 152/19) - soweit die Klage nicht bereits rechtskräftig durch Urteil des BGH vom 22.07.2021 (I ZR 194/20) abgewiesen wurde - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland für außerhalb von Schleswig-Holstein nicht erlaubte Glücksspiele, insbesondere Online-Casino- und Automatenspiele zu werben, wenn dies geschieht, wie nachstehend sowie in Anlagen CBH 1 und CBH 29 wiedergegeben:
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte 70%, die Klägerin 30%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Unterlassungsansprüche aus Ziff. 1 a) bis c) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,- Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger ist der Bundesverband der Deutschen Glücksspielunternehmen e.V., die Beklagte die Holdinggesellschaft der Mediengruppe RTL Deutschland, deren Unternehmen mehrere private Fernsehsender betreiben. Die von den Rundfunkveranstaltern angebotenen Werbezeiten werden über ein konzernangehöriges Unternehmen zentral vermarktet.
4Im Zeitraum von Juni 2018 bis Februar 2019 bzw. Juni 2019 strahlten Sender der RTL-Gruppe im bundesweit empfangbaren Fernsehen Werbespots für die Internetseiten www.onlinecasino.de, drückglück.de, www.wunderino.de und www.mrgreen.de aus. Die Anbieter der genannten Seiten verfügten über eine Lizenz des Landes Schleswig-Holstein für die Veranstaltung von Online-Casinospielen. Der Kläger hat die Beklagte wegen dieser Ausstrahlungen erfolglos abgemahnt und seine Ansprüche im Klagewege weiterverfolgt.
5Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung war erfolglos. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts aufgehoben, soweit es um die Verurteilung wegen der Werbung zu mrgreen.de ging. Das Urteil des Oberlandesgerichts wurde ebenfalls aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
6Der Bundesgerichtshof gab dem Senat auf, Feststellungen zu folgenden Fragen zu treffen:
7a) Es ist zu entscheiden, ob die Werbung für die Seiten onlinecasino.de, drückglück.de und wunderino.de nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2012 erlaubt war und ob sie es nach dem GlüStV 2021 ist (BGH-Revisionsurteil Rn. 91), insbesondere darüber, ob diese Seiten nur in Schleswig-Holstein oder auch bundesweit im Rundfunk beworben werden durften bzw. dürfen.
8b) Sofern diese Werbung wettbewerbswidrig war, ist erneut zu prüfen, ob die Beklagte diesbezüglich passivlegitimiert war, nachdem sie Gelegenheit erhielt, zu ihren Prüfaufgaben und Weisungsbefugnissen im Konzern ergänzend vorzutragen (BGH, Rn. 92).
9c) Sofern die Beklagte Verkehrspflichten verletzt hat, ist zu prüfen, ob nach der klägerischen Abmahnung vom 18. Februar 2019 gleichartige Werbespots für die genannten Glücksspielangebote ausgestrahlt wurden (BGH, Rn. 93).
10d) Wenn die mittelbare Werbung als solche nicht offensichtlich als rechtswidrig erkennbar war, ist dem Vorwurf nachzugehen, ob von den beworbenen de-Seiten auf die com-Seiten verlinkt wurde.
11e) Nach Abweisung des Unterlassungsanspruchs zu 1d), betreffend die Werbung für mrgreen.de ist über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Revision zu entscheiden.
12Der Senat hat über die vorgenannten Fragen am 25.2.2022 erneut verhandelt. Die Akte StA München I, 252 Js 164680/20 hat vorgelegen. Sie wurde der Beklagten zu Zwecken der Einsichtnahme überlassen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage unter Abänderung des am 18. Februar 2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln (Az. 31 O 152/19) abzuweisen, soweit nicht bereits der BGH die Klage betreffend das Angebot unter mrgreen.de abgewiesen hat.
15Der Kläger beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Tatbestandsdarstellungen der Urteile von Landgericht, Senat und BGH sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
18II.
19Die Berufung ist im Hinblick auf die noch im Streit befindlichen Anträge im Wesentlichen unbegründet.
201. Der Unterlassungsanspruch auf Basis der §§ 8 Abs. 1; 3a UWG besteht in Verbindung mit § 5 Abs. 3 GlüStV 2012 bzw. § 5 Abs. 1 GlüStV 2021 nach Überzeugung des Senats auch in Bezug auf die bundesweite Werbung für die Seiten onlinecasino.de, drückglück.de und wunderino.de. Die Werberegelungen des GlüStV in der früheren und der jetzigen Fassung sind Marktverhaltensvorschriften im Sinne des § 3a UWG. Die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des UWG liegen vor. Die Werbevorschriften wurden durch die bundesweite Ausstrahlung verletzt. Der Unterlassungsanspruch nach Ziff. 1a) bis c) besteht daher auch in Bezug auf die direkt, und nicht nur mittelbar beworbenen Angebote.
21a) Die Beklagte hält die Angebote für zulässig, weil die Anbieter hierfür über die erforderlichen Genehmigungen verfügten. Die Glücksspiele würden nur dort veranstaltet, wo die Spieler auch teilnehmen, das sei allein für Personen mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in Schleswig-Holstein möglich. Entsprechendes müsse für die Werbung gelten. Hinzu komme, dass den Veranstaltern durch Verwaltungsakt mit Nebenbestimmung (BK 10, BK 12 mit Ziff. 2) die Möglichkeit zu bundesweiter kommerzieller Kommunikation gestattet worden sei.
22Der Kläger trägt insoweit vor, dass mit Stand vom 4.1.2022 keines der streitgegenständlichen Casino-Angebote in der White-List für erlaubtes Glücksspiel (Anl. CBH 55) aufgeführt sei, die Erlaubnisse der Vergangenheit 2019 abgelaufen waren und eine etwaige Duldung jedenfalls die Bewerbung im Rest der Bundesrepublik nicht erlaube. Dies habe der BGH auch in dem Vorlagebeschluss „digibet“ so gesehen, indem er dort ausführte, Werbung für Glücksspiele in Fernsehen, Rundfunk und Internet könne aufgrund der Natur dieser Medien nicht wirksam auf ein Bundesland begrenzt werden (BGH GRUR 2013, 527 Rn. 17 – digibet). Ziff. 2 der Nebenbestimmung zu den Glücksspiellizenzen führe nicht zu einer Legalisierung der bundesweiten Bewerbung. Sie stelle keine verwaltungsrechtliche Erlaubnis, sondern allenfalls eine Duldung dar. Zudem fehle der allgemeinen Duldung die Bestimmtheit, um ein konkretes Glücksspielangebot zu erfassen, solange dieses nicht wenigstens genannt werde. Würde man der Nebenbestimmung eine Legalisierungswirkung beimessen, so wäre der Verwaltungsakt nichtig, weil er gegen das Bundesstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG verstieße und dadurch einen besonders schweren Fehler trüge.
23b) aa) Das Angebot der auf den de-Seiten vorhandenen Glückspiele war und ist nicht unzulässig. Unabhängig davon, ob die Angebote nur geduldet oder erlaubt waren, war ihre Veranstaltung auch in der Vergangenheit nicht per se unzulässig. In der Whitelist der in Schleswig-Holstein zugelassenen Angebote von 2019 (Anlage BK 18) wurden sie aufgeführt (die vom Kläger genannte Anlage CBH 11 spricht nicht dagegen), auf der aktuellen Liste (Januar 2022, Anl. BK 18) sind die Anbieter der streitgegenständlichen „de“-Angebote ebenfalls genannt. Der GlüStv 2021 befristet die Erlaubnisse bis zum 30.6.2022, längstens bis zum 31.12.2024 (§ 29 Abs. 7 GlüStV 2021), sofern die jeweiligen Anbieter bis zum 1.7.2022 einen Antrag auf Erlaubnis stellen. Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung sind die Angebote noch zulässig. Zwar müssen die Veranstalter zur Beibehaltung dieses Zustandes ein Erlaubnisverfahren durchlaufen, während dessen Dauer bleibt die Veranstaltung aber zulässig.
24bb) Allerdings war die bundesweite Werbung für die genannten Angebote nach dem GlüStV 2012 unzulässig und sie bleibt es auch nach dem GlüStV 2021. Daher darf für die Angebote nicht über Schleswig-Holstein hinaus geworben werden. Sofern in einem Bundesland Angebote unzulässig sind, bleibt es dort nämlich beim Werbeverbot. Auch die Einstrahlung von Werbung aus einem Erlaubnisgebiet in andere Bundesländer ist in der vorliegend praktizierten Form unzulässig.
25Der GlüStV 2012 enthielt ein Werbeverbot für Glücksspielwerbung im Fernsehen (§ 5 Abs. 3 GlüStV) und überließ Art und Umfang der Zulassung von Werbung den Ländern und den von diesen zu erlassenden Werberichtlinien (§ 5 Abs. 4 GlüStV 2012), die gleichfalls von einem grundsätzlichen Verbot der Fernsehwerbung ausgehen (§ 8 Abs. 1 S. 1 Werbe-RL). Der GlüStV 2021 lässt Werbung durch Inhaber einer Glücksspielerlaubnis zu (§ 5 Abs. 1 GlüStV 2021), knüpft sie aber an Auflagen und Nebenbestimmungen. Allein die Erlaubnis führt daher nicht zu einer grenzenlosen Werbebefugnis. Sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft kommt es vielmehr auf die Frage an, inwieweit ein Bundesland oder die Erlaubnisbehörde einem konkreten Anbieter Werbung gestattet und ob diese Gestattung auch die bundesweite Einstrahlung in Länder mit einer strengeren Erlaubnisregelung umfasst.
26Für die streitgegenständlichen Angebote kann unterstellt werden, dass sie nur in Schleswig-Holstein erlaubt waren. Anders als die Beklagte meint (SS v. 7.2.2021, S. 18, Bl. 1270 eA), führt dies nicht dazu, dass eine Werbung als nur dort erfolgt anzusehen ist, wo eine Teilnahmemöglichkeit eröffnet wird. Werbung ist eine Äußerung zur Absatzförderung (vgl. Sirch/Bolay, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücksspiel- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2013, § 5 Rn. 25; Dünchheim, Glücksspielrecht, 2022, § 5 Rn. 30, 32). Sie findet auch dort statt, wo die beworbene Dienstleistung nicht angeboten wird, wenn sie dort empfangen werden kann. Sofern sie landesgrenzüberschreitend ist, ist ihre „Belegenheit“ damit auch nach den am Abrufort geltenden Bedingungen zu beurteilen. Damit kommt es auf die konkreten Erlaubnisbedingungen, darunter die Nebenbestimmungen der Erlaubnis für die streitgegenständlichen Angebote, an. Diese Nebenbestimmungen folgen aus Anl. BK 12 für Drückglück.de vom Anbieter T. Ltd, aus Anl. BK 10 für wunderino.de von N.. Jeweils heißt es dort in den Genehmigungen unter Ziff. 2:
27„Erfolgt die kommerzielle Kommunikation in Form bundesweit empfangbarer bzw. abrufbarer Kommunikationsmittel, um eine ausreichende Kanalisierungswirkung für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein in Bezug auf die in der Whitelist der Glücksspielaufsicht Schleswig-Holsteins aufgeführten Angebote zu erreichen, behält sich die Glücksspielaufsicht entsprechende aufsichtsrechtliche Schritte vor, soweit diese außer Verhältnis zur regionalen kommerziellen Kommunikation steht.“
28Die Bestimmung geht damit davon aus, dass eine „kommerzielle Kommunikation in Form bundesweit empfangbarer bzw. abrufbarer Kommunikationsmittel“ erfolgen mag, setzt aber voraus, dass durch eine solche Kommunikation „eine ausreichende Kanalisierungswirkung für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein“ erreicht wird (vgl. Liesching, ZUM 2020, 601, 606). Ist dies gewahrt, steht die Werbung unter dem Vorbehalt aufsichtsrechtlicher Schritte.
29Insoweit kann nicht von einer verwaltungsrechtlichen Genehmigung bundesweiter Werbung ausgegangen werden. Die Nebenbestimmung ist Teil der Gestattung der auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Veranstaltung und begrenzt mit dieser und weiteren Maßgaben die Möglichkeiten kommerzieller Kommunikation.
30Die Nebenbestimmung betrifft im Übrigen den Kern der Frage, in welchem Umfang die Werbung zulässig ist. Die Beklagte argumentiert, dass bisher aussichtsrechtliche Schritte nicht erfolgt sind. Der Kläger argumentiert, dass gegen diese Werbung in zahlreichen gerichtlichen Verfahren vorgegangen werde und dass auch die Aufsichtsbehörden anderer Länder hiergegen vorgegangen seien (Nachweise Anl. CBH 44).
31Die bundesweite Fernsehausstrahlung mit einer nur marginalen Sicherung durch die Angabe einer Teilnehmerbeschränkung ist nicht genügend, um die Werbung als zulässig anzusehen. Aus der Formulierung der Nebenbestimmung folgt weder die Aufhebung eines bundesweiten Werbeverbotes noch eine Werbeerlaubnis, die den vorrangig anzuwendenden GlüStV ändern könnte. Hinzu kommt, dass die Nebenbestimmung konkrete Anforderungen an eine bundesweite Sendung richtet, nämlich, dass diese eine ausreichende Kanalisierungswirkung erreicht. Dass dieser Umstand im streitgegenständlichen Angebot berücksichtigt wurde oder gar eine Rolle spielte und spielt, hat die Beklagte nicht dargetan. Soweit sie auf eine Selbstkontrolle verweist, ist deren abstrakte Existenz noch keine Darlegung darüber, dass und wie durch die konkreten Spots tatsächlich eine Kanalisierung erfolgte. Die Beklagte argumentiert, dass eine ausreichende Kanalisierung dadurch erfolgt, dass bereits auf die lokal begrenzte Teilnahmemöglichkeit hingewiesen wird. Das greift zu kurz. Die Kanalisierung, die auf einen legalisierten Markt hinführen soll, hat in dem hier vorliegenden Fall nur Bedeutung für das Bundesland, das Angebote legalisiert hat. Diese lokal begrenzende Funktion wird gesprengt, wenn außerhalb dieses Gebietes geworben wird. Mag auch der außerhalb dieses Gebietes residierende Rezipient keine direkte Zugangsmöglichkeit erhalten, so wird ihm daher jedenfalls ein außerhalb Schleswig-Holsteins nicht zulässiges Angebot angepriesen. Die Kanalisierung kann daher sogar kontraproduktiv wirken, weil Personen auf Angebote hingewiesen werden, die für sie gerade nicht zu den legalen Spielmöglichkeiten gehören. Die Nebenbestimmungen der Zulassungsentscheidungen verhindern diese Wirkung im zu entscheidenden Fall nicht. Sie verlangen vielmehr eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für die Durchführung von Werbung. Dass dies berücksichtigt wurde und wird, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
32Soweit der Beklagte meint, eine regional beschränkte Werbung sei im bundesweit ausgestrahlten Fernsehen nach § 8 Nr. 11 MStV unzulässig, ändert dies nichts an der vorliegenden Einschätzung. Zum einen könnte die Werbung auf Regionalfenster von Drittanbietern beschränkt bleiben, zum anderen konkurriert § 8 Nr. 11 MStV mit § 5 Abs. 7 GlüStV. Wenn eine Norm Werbeverbote statuiert, sind diese auch zu beachten. Durch eine Duldungsregelung auf Landesebene darf daher bundesweite Regelung nicht geschaffen werden, wenn dies regelaufhebend für ein bundesweit geltendes Verbot wirkt. Die danebenstehende Frage, ob ein regionales Werbeverbot für nationale Fernsehsender zulässig ist (LG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2021 – 20 O 43/19, ZUM-RD 2012, 170 m. Anm. Quernd; AfP 2022, 77 m. Anm. Ory; vorgehend EuGH, ZUM 2021, 330 – Fussl/SevenOne Media), muss in diesem Zusammenhang nicht geklärt werden. Wäre ein solches Verbot unzulässig, würde sich die Kollision mit § 8 Nr. 11 MStV allerdings nicht mehr stellen.
33c) Allerdings war Unterlassungsantrag zu weitgehend formuliert und daher teilweise abzuweisen. Beantragt wurde, die Beklagte zu verurteilen, „zu unterlassen, in der Bundesrepublik für nicht erlaubte Glücksspiele, insbesondere Online-Casino- und Automatenspiele zu werben“. Da nur die bundesweite Werbung für de-Seiten das Verbot trägt, geht es nicht um „nicht erlaubte“, sondern nur um „außerhalb von Schleswig-Holstein nicht erlaubte Glücksspiele“.
342. Die Beklagte ist in Bezug auf das Werbeverbot passivlegitimiert. Der Verstoß war für sie auch erkennbar (nachfolgend a). Sie hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie im Konzern für die Vermeidung solcher Verstöße nicht zuständig war (nachfolgend b).
35a) Der Verstoß war so offensichtlich, dass die im Rundfunkbereich tätige Beklagte ihn bemerken musste. Dies ändert sich nicht dadurch, dass die Tochterunternehmen ebenso wie die Beklagte verfassungsrechtlich privilegiert sind, weil sie besondere Aufgaben im Bereich der Meinungsverbreitung und Meinungsbildung haben (Art. 5 Abs. 1 S. 2 UWG, BGH GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I).
36Der BGH hat das Vorliegen eines offensichtlichen Verstoßes nur im Hinblick auf die auch vom Landgericht fokussierte Frage der mittelbaren Werbung verneint. Er hat generell vorgegeben, dass für ein prüfendes Medienunternehmen die Rechtswidrigkeit des Angebotes offenkundig und unschwer zu erkennen sein (BGH Rn. 82) oder sich aufgrund der in einer Abmahnung mitgeteilten Umstände unschwer erschließen muss (BGH Rn. 83).
37Das war hier der Fall, weil spätestens mit der Abmahnung des Klägers vom 18.2.2019 die Frage einer möglicherweise unzulässigen bundesweiten Verbreitung von nur regional zugelassene Anbietern offensichtlich wurde. Anders als für die Frage der mittelbaren Werbung war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der Spots offensichtlich, dass Fernsehwerbung für Glücksspiele grundsätzlich unzulässig war (§ 5 Abs. 3 GlüStV) und nur ausnahmsweise durch die Länder eröffnet werden konnte. Die Zulässigkeit solcher Werbung war mithin die Ausnahme und die Voraussetzungen hierfür an Länderregelungen sowie die Nebenbestimmungen einer konkreten Erlaubnis geknüpft. Diese Rechtslage war klar. Ein Rundfunkveranstalter, der gleichwohl bundesweit empfangbare Werbung akquiriert, wäre auch unter Berücksichtigung seiner besonderen verfassungsrechtlichen Stellung gehalten gewesen, die nur als Ausnahme, nicht aber als Grundsatz bestehende Erlaubnislage genauer zu prüfen. Diese Prüfungspflicht wurde spätestens durch die Abmahnung vom 18.2.2019 aktiviert. Mit der Information über Verstöße ist es auch Medienunternehmen zumutbar, eine Prüftätigkeit zu initiieren (vgl. BGH GRUR 2015, 1025 Rn. 17 – TV-Wartezimmer; ebenso die Revisionsentscheidung BGH, Rn. 81 mit Hinweis auf BGHZ 158, 343, 353 – juris-Rn. 35 – Schöner Wetter; BGHZ 206, 103 Rn. 24 – Haftung für Hyperlink). Ein Unternehmen, das diese Rechtslage nicht prüft, verletzt seine wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten. Dagegen spricht auch nicht, dass der BGH in Rn. 78 seiner Entscheidung ausführt, die Beklagte habe nicht prüfen müssen, „ob die Anbieter der in den Fernsehspots beworbenen Glücksspiele Inhaber gültiger Lizenzen waren“ und sie habe nicht annehmen müssen, dass eine bundesweite Bewerbung der Online-Casinos unzulässig sei. Für die Frage, ob eine Werbung zulässig ist, die sich allenfalls aus einer Sonderregelung ergibt, war vielmehr eindeutig, dass der gesetzliche Grundsatz (Werbebegrenzung) eine Prüfung darüber erfordert, ob eine bundesweit ausgestrahlte Werbung überhaupt akquiriert werden darf, wenn es um Angebote geht, die nur in einem Land zugelassen sind. Für die künftige Rechtslage ergibt sich diese Prüfungspflicht spätestens aus dem Urteil des BGH, der auch die mittelbare Werbung für domainnamengleiche Seiten mit auch in Schleswig-Holstein nicht zugelassenen Angeboten betrifft. Die Auffassung, dass eine nur in einem Bundesland erlaubte Veranstaltung bundesweit beworben werden darf, greift dabei zu kurz.
38b) Es bleibt auch in Bezug auf die vorgenannten Prüfungspflichten bei der wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten. Die Beklagte ist als Holding passivlegitimiert, weil die Tochtergesellschaften der Beklagten wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten in Form von Prüfungspflichten treffen, die aufgrund konzerninterner Aufgabenverteilung auf die Beklagte delegiert wurden. Insbesondere bleibt zweifelhaft, dass keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Tochterunternehmen bestanden (BGH, Rn. 76), die über bloße Empfehlungen hinausgehen.
39Der BGH geht davon aus, dass die Beklagte im Rahmen einer sekundären Darlegungspflicht vorzutragen habe, warum sie auf die Ausstrahlung der Fernsehspots keinen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss nehmen konnte (BGH, Rn. 76). Im noch anhängigen Verfahren hat die Beklagte ihren Einfluss auf die Rundfunktöchter unter Hinweis auf ihren früheren Vortrag bestritten. Die Werbung werde mittlerweile nicht mehr durch die J. GmbH, sondern durch die B. GmbH verwaltet, ohne dass sich tatsächliche Abläufe hierdurch geändert hätten. Die Beklagte legt dar, wie die Buchung der Werbung verläuft und bietet erneut Zeugnis durch den Ressortleiter Werberecht und Markenabteilung in der Rechtsabteilung der Beklagten an. Die Rechtsabteilung gebe in dem Massengeschäft allenfalls Handlungsempfehlungen, von denen abgewichen werden könne. Der Kläger trägt hierzu vor, die Beklagte hätte stets – und unabhängig von ihrer Ausstrahlungsbreite – schon angesichts des gesetzlichen Werbeverbots in § 284 Abs. 4 StGB prüfen müssen, ob die beworbene Veranstaltung über eine Erlaubnis verfügte. Er bringt als neuen Vortrag, der ihm erst nach dem Revisionsverfahren bekannt geworden sei, ein, dass die Beklagte und ihre Tochterunternehmen Glücksspielwerbung nicht über die Anbieter, sondern über eine Münchener Media-Agentur gehandelt haben. Für die Vermittlung von Werbespots an Dritte, die seitens der Anbieter über einen Vermittler in Gibraltar gehandelt wurden, seien besondere Provisionen gezahlt worden. Dabei seien auch gezielt com-Domains mittelbar durch die Schaltung von de-Domains angezielt worden. Diese hohen Provisionen seien für eine nur in einem Bundesland ausgestrahlte Werbung ungewöhnlich und sie hätten daher einen besonderen Anlass zur Prüfung gegeben. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Gruppe der Beklagten das Vermittlermodell gewählt habe, um Distanz zwischen sich und den Glücksspielanbietern zu schaffen. Dafür spreche auch der Umstand, dass zwischen ihr und der Münchener Media-Agentur eine Freistellungsvereinbarung geschlossen worden sei.
40Die Beklagte war nach den auf die Revisionsentscheidung erfolgten Hinweisen des Senats gefordert, ergänzend dazu vorzutragen, warum sie keinen Einfluss auf die Gestaltung der Werbung durch die Tochterunternehmen hatte. Bereits im Ausgangsverfahren hatte sie hierzu lediglich einen Vertrag mit zahlreichen geschwärzten Positionen vorgelegt, aus dem sich ergab, dass die Beklagte für die Werbevermarktung Dienstleistungen im Sinne von Legal Services übernimmt. Dieser Vortrag wurde nach dem Revisionsverfahren nicht vertieft. Die Beklagte hat lediglich erstinstanzlich Vorgetragenes wiederholt oder darauf verwiesen. Sie hat allerdings dem neuen Vortrag der Klägerin zu einer Umgehung von Regelungen durch Einschaltung einer Mediaagentur widersprochen.
41Der Umstand, dass die Werbetochter ausgewechselt wurde, schließt nicht aus, dass der Einfluss der Beklagten auf die rechtliche Kontrolle einer Werbeplatzierung beendet wurde. Die Beklagte hätte vortragen müssen, warum ihr diese Prüfung und Beratung nicht möglich waren, warum genau sie keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber den Sendetöchtern in diesem Bereich hatte. Dieser Vortrag fehlt. Das Fehlen von Weisungsbefugnissen ist wenig plausibel, da die B. als GmbH dem Einfluss ihrer Gesellschafterin unterliegt. Die Frage, ob und welche Vereinbarungen mit einer Mediaagentur bestehen, kann insoweit dahingestellt bleiben.
423. Die Wiederholungsgefahr für den noch anhängigen Unterlassungsanspruch besteht und sie wurde nicht ausgeräumt. Auch nach der klägerischen Abmahnung vom Juli 2019 wurden noch mit dem Unterlassungsantrag kerngleiche Werbespots für die streitgegenständlichen Glücksspielangebote ausgestrahlt.
43Die Beklagte bestreitet dies für die Angebote auf den Internetseiten „onlinecasino.de“, „drückglück.de“ und „wunderino.de“. Sie räumt ein, dass es Werbespots gab, ist aber der Auffassung, dass diese inhaltlich von den früheren Spots abweichen. Der Kläger trägt vor, dass auch nach der Abmahnung unveränderte oder nur geringfügig modifizierte Angebote in Spots beworben worden seien. Diese Werbespots seien kerngleich, lediglich teilweise am Ende mit einem Hinweis versehen, dass das Angebot nur für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein gelte. Der Kläger legt zum Beweis solcher Ausstrahlungen mehrere Anlagen vor, wonach ein Werbespot für wunderino bis zum 24.7.2019 (Anlage CBH 48), Werbespots für drückglück.de bis August 2019 (Anlagen CBH 51-53) und Werbespots für onlinecasino.de (diese ohne den Hinweis auf den Geltungsbereich) bis zum 30.9.2019 (Anlage CBH 54) ausgestrahlt worden seien.
44Dem Vortrag des Klägers mit dem Hinweis auf ergänzende Werbespots hat die Beklagte mit Hinweis auf veränderte optische Elemente widersprochen.
45Die Frage, ob die Spots identisch sind, kann dahingestellt bleiben, da die unstreitig nach dem Abmahnzeitpunkt gesendeten Spots im Kern den mit der Abmahnung erhobenen Verletzungstatbestand treffen. Von einem solchen kerngleichen Verstoß ist auszugehen, wenn ein „Verhalten – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht“ (Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 57 Rn. 12). „Entscheidend ist, dass sich das Charakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet“ (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 8 Rn. 1.47). Durch die Abmahnung erfasst wurde die bundesweite Werbung für die de-Portale. Kern des Verletzungsvorwurfs war, dass bundesweit für ein in Schleswig-Holstein geduldetes Wettspielangebot geworben wird. Die von der Klägerin vorgelegten Spots, deren Ausstrahlung die Beklagte nicht bestritten hat, werben gleichermaßen für Angebote, die unter den charakteristischen Teil des Verletzungstatbestandes fallen. Der Umstand, dass im Spot für onlinecasino.de der Eindruck erweckt wurde, dass das Glücksspiel legal sei, gehörte nicht zum Kern des Verletzungstatbestands, ebenso wenig der Umstand, dass nicht klar darüber aufgeklärt worden ist, dass das Angebot nur von Teilnehmern in Schleswig-Holstein genutzt werden dürfe. Der Verstoß gegen den alten und neuen GlüStV folgt gerade aus der bundesweit empfangbaren Werbung. Die Spots sind daher kerngleich zu den bereits streitgegenständlichen Angeboten, weil sie die jeweiligen Angebote bewerben und die leicht veränderte graphische Gestaltung das Charakteristische der Verletzungshandlung nicht in Frage stellt. Auch der Umstand, dass ein Hinweis auf die Adressierung an Schleswig-Holsteiner erfolgte, führt nicht dazu, dass diese Werbung zulässig wird, weil nach wie vor die Befugnis zu einer bundesweiten Rundfunkwerbung fehlt.
464. Die Frage, ob ein Aufruf der de-Seiten eine Verlinkung zu den domainnamensgleichen com-Seiten führt, kann im Ergebnis offenbleiben.
475. Zulässig nach der BGH-Entscheidung ist die Werbung für das Angebot unter MrGreen.de, weil es insoweit an der Verletzung einer konkreten Prüfpflicht im Hinblick auf den mittelbaren Werbeeffekt fehle. Insoweit hat der BGH bereits das landgerichtliche Urteil aufgehoben, was der Senat bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen hat.
48III.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquote berücksichtigt, dass von vier Unterlassungsanträgen einer unbegründet und die weiteren, insgesamt gewichtigeren Anträge inhaltlich etwas zu weitgehend formuliert und teilweise abzuweisen waren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
50Die erneute Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil der BGH Vorgaben für die erneute Senatsentscheidung gemacht hat, die tatrichterliche Feststellungen erfordert, nicht aber neue Rechtsfragen aufgeworfen haben. Auch soweit es um die Frage von Prüfungspflichten durch Medienunternehmen ging, hat der BGH die dafür anzulegenden Parameter vorgegeben und hierzu auf etablierte Rechtsprechung verwiesen. Soweit der Beklagte auf eine unklare Rechtslage und in diesem Zusammenhang auf BGH – I ZR 317/01 – Schöner Wetten Rn. 37f. sowie BGH I ZR 194/20 – Rundfunkhaftung Rn. 82 verweist, geht es dort um die hier nicht streitgegenständlichen Fragen einer (damals umstrittenen) unionsrechtlichen Zulässigkeit von Glücksspielveranstaltungen, zum anderen mit der Einordnung mittelbarer Werbung, die im hiesigen Verfahren keine tragende Rolle mehr spielt. Der hier zu entscheidende Fall betrifft die weitaus weniger komplexe Frage, ob eine bundesweite Werbung generell zulässig ist und ob eine Ausnahmegenehmigung jedenfalls geprüft werden muss, bevor eine solche Werbung akquiriert wird. Divergierende Entscheidungen auf der Ebene des BGH oder der Oberlandesgerichte sind hierzu nicht ersichtlich.