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Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 01.10.2022 wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 21.09.2022, 6 T 138/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 10.05.2022 wird der am 29.04.2022 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach, 4 XVII 40/92 K, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung der Beteiligten zu 1) vom 15.04.2022 wird der Kostenansatz des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 08.04.2022, 4 XVII 40/92, der Beteiligten zu 1) mitgeteilt mit Rechnung der Zentralen Zahlstelle Justiz vom 11.04.2022, N01, aufgehoben.
OBERLANDESGERICHT KÖLN
2BESCHLUSS
3In der Betreuungssache
4hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
5unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht M., des Richters am Oberlandesgericht F. sowie des Richters am Oberlandesgericht Y.
6b e s c h l o s s e n:
7Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 01.10.2022 wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 21.09.2022, 6 T 138/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
8Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 10.05.2022 wird der am 29.04.2022 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach, 4 XVII 40/92 K, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
9Auf die Erinnerung der Beteiligten zu 1) vom 15.04.2022 wird der Kostenansatz des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 08.04.2022, 4 XVII 40/92, der Beteiligten zu 1) mitgeteilt mit Rechnung der Zentralen Zahlstelle Justiz vom 11.04.2022, N01, aufgehoben.
10Gründe:
11I.
12Durch Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 30.03.1982, 21 C 53/81, wurde die Betroffene entmündigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 30.04.1982, 4 VII K 2037, wurde die Mutter der Betroffenen, Frau Gerda Keller, zum Vormund der Betroffenen bestellt. Mit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes am 01.01.1992 ist die Vormundschaft in eine Betreuung übergeleitet worden.
13Am 08.09.2020 verstarb der Vater der Betroffenen. Am 29.04.2021 erteilte das Amtsgericht Bergisch Gladbach der Mutter und rechtlichen Betreuerin der Betroffenen ein Testamentsvollstreckerzeugnis. Danach betrifft die Testamentsvollstreckung u.a. den Erbanteil der Betroffenen nach ihrem Vater als nicht befreite Vorerbin in Form der Dau-ertestamentsvollstreckung (Bl. 375 d.A.).
14Im Wege der Erbauseinandersetzung erhielt die Betroffene am 21.12.2021 einen Betrag in Höhe von 25.741,78 € überwiesen (Bl. 380 d.A.). Damit verfügte die Betroffene im Jahr 2021 über ein Kontoguthaben in Höhe von 27.533,94 € und im Jahr 2022 über ein Kontoguthaben in Höhe von 27.875,16 € (Bl. 403, 403R d.A.).
15Mit Kostenrechnung vom 11.04.2022 wurden der Betroffenen für die Kalenderjahre 2021 und 2022 nach Nr. 11101 KV GNotKG jeweils 200,00 € unter Ansatz eines Gegenstandswertes von jeweils 27.000,00 € in Rechnung gestellt.
16Hiergegen hat die rechtliche Betreuerin im Namen der Betroffenen mit am 21.04.2022 beim Amtsgericht Bergisch Gladbach eingegangenen Schreiben vom 15.04.2022 Erinnerung eingelegt und sich hierbei auf den Beschluss des Senats vom 19.09.2019 berufen (2 Wx 264/19). Weiterhin hat sie vorgetragen, dass die Betroffene als mittellos anzusehen sei, weil die Gerichtskosten des Betreuungsverfahrens ebenso wie die Vergütung eines Betreuers oder Ergänzungsbetreuers nicht aus dem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass zu entnehmen sei. Dies sei eindeutig in dem Testament vom 30.06.2020 geregelt worden.
17Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat der Erinnerung durch Beschluss vom 22.04.2022 nicht abgeholfen und die Sache der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 408 f. d.A.). Sie hat sich hierbei auf Entscheidungen des OLG Nürnberg (Beschluss vom 17.08.2021 – 8 W 1738/21) und OLG Celle (Beschluss vom 21.02.2020 – 2 W 27/20) gestützt. Dem hat sich der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 22.09.2021 angeschlossen. Die Abteilungsrichterin hat die Erinnerung mit am 29.04.2022 erlassenen Beschluss zurückgewiesen und sich hierbei auf die vorgenannte Entscheidung des OLG Nürnberg gestützt (Bl. 423 ff. d.A.).
18Gegen diesen der Betreuerin der Betroffenen am 29.04.2022 zugestellten Beschluss hat diese mit am 13.05.2022 beim Amtsgericht Bergisch Gladbach eingegangenen Schreiben vom 10.05.2022 Beschwerde eingelegt (Bl. 432 d.A.), der die Abteilungsrichterin durch Beschluss vom 17.05.2022 nicht abgeholfen und dem Landgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 433 d.A.).
19Durch Beschluss vom 21.09.2022 hat das Landgericht Köln die Beschwerde der Betroffenen vom 10.05.2022 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Hierbei hat sich das Landgericht auf die Entscheidung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 17.08.2021 – 8 W 1738/21) gestützt.
20Gegen diesen der Betroffenen am 23.09.2022 zugestellten Beschluss hat die Betreuerin der Betroffenen in deren Namen mit am 07.10.2022 beim Landgericht Köln eingegangenen Schreiben vom 01.10.2022 weitere Beschwerde eingelegt, der das Landgericht durch Beschluss vom 10.10.2022 nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt hat.
21II.
22Die gemäß § 81 Abs. 4 S. 1 GNotKG statthafte weitere Beschwerde ist zulässig erhoben. Sie wird gestützt auf die Rüge, die landgerichtliche Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Rechts, weil die dem Kostenansatz zugrunde liegende Gebührenvorschrift nicht richtig ausgelegt worden sei (§ 81 Abs. 4 S. 2 GNotKG i.V.m. § 546 ZPO).
23Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
24Der Kostenansatz vom 08.04.2022 ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen aufzuheben, weil das in Ansatz zu bringende Vermögen der Betroffenen den Betrag von 25.000,00 € nicht übersteigt. Der Wert des der Dauertestamentsvollstreckung unterliegenden Nachlasses in Höhe von 25.741,78 € ist gem. Nr. 11101 KV GNotKG nicht zu berücksichtigen, so dass sich das Vermögen der Betroffenen in den Jahren 2021 und 2022 auf weniger als 2.000,00 € bzw. 2.500,00 € belief.
25Hierzu hat der Senat in dem Beschluss vom 19.09.2019 (2 Wx 264/19) Folgendes ausgeführt:
26„Die Jahreswertgebühr der Nr. 11101 KV GNotKG ist auf Basis “des zu berücksichtigenden Vermögens“ zu berechnen. Zu berücksichtigendes Vermögen ist das Reinvermögen, also der Vermögenswert nach Abzug der Passiva von den Aktiva. Nach Abs. 1 S. 1 der Anmerkung zu Nr. 11101 KV GNotKG wird Reinvermögen des Betroffenen nur berücksichtigt, soweit es mehr als 25.000 € beträgt. Keinen Eingang in diesen Vermögenswert findet ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Das Vermögen des Betroffenen wird nur insoweit der Bewertung zu Grunde gelegt, als es Gegenstand der Betreuung ist (vgl. Korintenberg/Fackelmann, GNotKG, 20. Aufl. 2017, Nr. 11101 KV Rn. 35ff.).
27Soweit der Senat mit Beschluss vom 14.09.2009 - 2 Wx 66/09 - zur Vorschrift des §
2892 Abs. 1 KostO die Ansicht vertreten hat, dass auch das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen des Betroffenen, welches er als nichtbefreiter Vorerbe ererbt hat, zu berücksichtigen sei, wird diese Rechtsprechung nicht aufrechterhalten. So wird darauf abgestellt, nach dem eindeutigen Wortlaut der Kostenvorschrift des Nr. 11101 KV GNotKG käme es (ebenso wie bei der vorhergehenden Bestimmung des § 92 Ko-stO) allein darauf an, dass der Betreute Inhaber des Vermögens sei, so dass die Verwertbarkeit bzw. Verfügbarkeit unerheblich sei (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 28.12.2016, 2 W 255/16; OLG Hamm, Beschluss v. 18.08.2015, 15 Wx 203/15). Hiergegen ist jedoch anzuführen, dass es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für die Bemessung des Geschäftswertes zwar nicht darauf ankommt, ob das Vermögen des Betreuten verwertbar oder verfügbar ist, wohl aber darauf, ob sich die Betreuung auf das gesamte Vermögen des Betreuten oder nur auf einen Teil desselben bezieht (vgl. OLG München, Beschluss v. 18.01.2019, 34 Wx 165/18).
29In Abs. 1 S. 2 der Anm. zu Nr. 11101 KV GNotKG ist bestimmt, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem Wert eines Vermögensteils richtet, wenn Gegenstand der Betreuung lediglich dieser Teil des Vermögens ist. Diese Beschränkung des Verfahrenswertes in Fällen der Dauerbetreuung mit unmittelbarem Bezug auf lediglich einen Teil des betreuten Vermögens begründet sich in der Verknüpfung zwischen der Höhe des von der Maßnahme betroffenen Vermögens und dem Bearbeitungssaufwand sowie dem Haftungsrisiko des Gerichts. Dabei kann sich eine Beschränkung auf einen Teil des Vermögens nicht nur aus einer ausdrücklichen Einschränkung im Bestellungsbeschluss, sondern auch aus „den Verhältnissen“ und dem Aufgabenkreis ergeben (vgl. OLG München a.a.O.; Korintenberg/Fackelmann a.a.O. Rn. 37).
30Das dem Beschwerdeführer über ein so genanntes „Behindertentestament“ als nicht befreiten Vorerben zugewandte, der Dauerverwaltung durch eine Testamentsvollstreckerin unterliegende Vermögen ist bei der Berechnung des Geschäftswertes, aus dem die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG zu erheben wäre, daher nicht zu berücksichtigen. Denn dieser Teil des Betreutenvermögens unterliegt nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung der Betreuerin, sondern derjenigen der Testamentsvollstreckerin. Insofern würde auch der teilweise beschrittene Weg eines Wertkorrektivs durch Berücksichtigung des Werts der Nacherbenanwartschaft als Passivposten bei der Ermittlung des Reinvermögens zu kurz greifen (so u.a. LG Augsburg, Beschluss v. 06.04.2017, 51 T 258/17). Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass das Nachlassvermögen wegen der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung im Sinne einer Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) nicht von dem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Betreuer, sondern vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird, der gemäß § 2216 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und Einhaltung der vom Erblasser verfügten Verwaltungsanordnung verpflichtet ist. Gegenstand der Betreuung im Bereich der Vermögenssorge ist wegen dieser gesetzlichen Zuständigkeit indes nicht unmittelbar das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen, sondern lediglich die Ausübung der Kontrollrechte (§ 2218 BGB) und gegebenenfalls die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Testamentsvollstrecker (§§ 2217 Abs. 1, 2219 Abs.
311 BGB). Aus dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung folgt, dass das Vermögen des Betreuten nur hinsichtlich desjenigen Teils Gegenstand der der Betreuerin übertragenen Betreuung ist, der nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt. Hierfür spricht auch, dass die Rechnungslegungspflicht des Betreuers nach § 1840 BGB nicht die kraft Gesetzes einer Drittverwaltung unterliegenden Vermögensmassen, wie z. B. den Nachlass bei angeordneter Testamentsvollstreckung, umfasst (vgl. Münchner Kommentar/Kroll-Ludwigs, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1840 Rn. 4 m.w.N.).
32Dementsprechend ist auch die Kontrolltätigkeit des Betreuungsgerichts auf die Prüfung begrenzt, ob der Betreuer seiner Kontrollpflicht nachgekommen ist und bei festgestellten Beanstandungen die Rechte des Betreuten geltend gemacht hat. Die aufwändige Überprüfung der nachlassbezogenen Verwaltungstätigkeit selbst einschließlich der Belege und der Einzelheiten der periodischen Rechnungslegung, die sich hier nach § 2218 Abs. 2 BGB richtet, obliegt hingegen nicht dem Betreuungsgericht, sondern dem Betreuer als gesetzlichem Vertreter des Vorerben oder gegebenenfalls einem Kontrollbetreuer (vgl. OLG München a.a.O.).
33Soweit in der Rechtsprechung gegen eine Berücksichtigung der Dauertestamentsvoll-streckung die Überfrachtung des Kostenrechts angeführt wird, wenn zunächst über die Auslegung des Testamentes gegebenenfalls auch nach Beweisaufnahme zu entscheiden sei (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.), hat die Kammer in ihrem angegriffenen Beschluss zutreffend darauf verwiesen, dass auch die Frage der „Angemessenheit“ eines Hausgrundstücks nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, dass also auch komplexere Prüfungen dem Kostenrecht nicht fremd seien. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen nicht zuletzt auch das Äquivalenzprinzip des Kostenrechts zu berücksichtigen. Danach müssen Gebühren eine angemessene Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen darstellen. Dieses Prinzip stellt gerade auf den Einzelfall ab (vgl. Korintenberg/Fackelmann a.a.O., Einf. Rn. 26). Wenn aber, wie bereits dargelegt, die Überprüfung der nachlassbezogenen Verwaltungstätigkeit nicht Sache des Betreuungsgericht ist, erscheint auch die Erhebung der entsprechenden Gerichtsgebühr nicht angemessen.“
34An dieser Auffassung hält der Senat fest. Zwar haben andere Oberlandesgerichte nach Erlass der Entscheidung des Senats anders entschieden. Überzeugende neue Argumente für eine abweichende Entscheidung, die der Senat nicht auch schon bei seiner Entscheidung vom 19.09.2019 erwogen hätte, ergeben sich daraus indes nicht.
35III.
36Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht anfallen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, § 81 Abs. 8 GNotKG.