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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Juni 2021 – 23 O 295/18 wird hinsichtlich des Berufungsantrags zu 3 als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Die Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger mit dem angekündigten Berufungsantrag zu 3 geltend macht, das Landgericht habe bei der Berechnung des ihm zuerkannten Freistellungsanspruchs zu Unrecht lediglich eine 1,3- statt einer 1,8-Geschäftsgebühr zugrunde gelegt. Insoweit fehlt es der Berufung an einer ausreichenden Begründung, wie sie von § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO gefordert wird. Die Berufung ist daher gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zurückzuweisen. Darauf wurde der Kläger mit Beschluss vom 20. Dezember 2021, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hingewiesen. Er ist dem nicht entgegengetreten.
4II.
5Im Übrigen ist der Senat, auch in der nach Erlass des Hinweisbeschlusses geänderten Besetzung, einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
61. Der Senat hat den Kläger mit Beschluss vom 20. Dezember 2021 wie folgt hingewiesen:
7„Die Berufungsbegründung zeigt entscheidungserhebliche Fehler des angefochtenen Urteils nicht auf. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ansprüche des Klägers auf Rückzahlung der bis einschließlich Dezember 2014 gezahlten Erhöhungsbeträge gegebenenfalls aufgrund der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar sind.
8Die für etwaige auf Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB) gegründete Ansprüche des Klägers geltende regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die ohne Rechtsgrund geleisteten Prämienanteile gezahlt wurden. Denn mit der Zahlung des jeweiligen nicht geschuldeten Prämienanteils entstand der korrespondierende Rückzahlungs-anspruch.
9Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Kläger hatte mit dem Zugang der in Rede stehenden Änderungsmitteilungen zu diesem Zeitpunkt bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2021 – IV ZR 113/20 – Rn. 42).
10Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urt. v. 21.2.2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 15 m.w.N.).
11Dem Kläger war eine Geltendmachung seiner Ansprüche möglich. Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war ihm nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der zur Zeit der Klageerhebung noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH, Urt. v. 17.11.2021 – IV ZR 113/20 – Rn. 45; BGH, Urt. v. 21.2.2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 17 m.w.N.). Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen. So liegt es hier. Der Kläger hat im Jahr 2018 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage erhoben. Ungeachtet des damals ungeklärten Meinungsstreits ging er von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung aus. Umstrittener als zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren ab 2013 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch vorher nicht unzumutbar war. Eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben könnte, gab es nicht.
12Anders als der Kläger meint, ist es für den Beginn der Verjährungsfrist und die Feststellung der Verjährung nicht von Bedeutung, ob er mit Zugang der in Rede stehenden Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH, Urt. v. 17.11.2021 - IV ZR 385/16 - Rn. 47). Maßgeblich ist daher das Fehlen des Rechtsgrundes, das dem Kläger mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund der seiner Auffassung nach bestehenden formalen Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang. Anders als bei Schadensersatzansprüchen gehört ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten, etwa bei der Neufestsetzung der Prämie oder deren Mitteilung, nicht zu den Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung bei mehreren eigenständigen Beratungs- oder Aufklärungsfehlern in der Anlageberatung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 14 m.w.N.) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.“
132. Die Stellungnahme des Klägers in seinem Schriftsatz vom 1. März 2022 veranlasst den Senat nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.
142.1 Der Kläger wendet ein, den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2021 sei nicht zu entnehmen, dass für alle seine auf die materielle Unwirksamkeit gestützten Ansprüche die kurze dreijährige Verjährung maßgeblich sei. Sie beträfen vielmehr nur die Verjährung bereicherungsrechtlicher Rückforderungsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Sein Rückzahlungsanspruch ergebe sich jedoch aus § 280 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte durch ihre materiell-rechtlich unwirksamen Prämienerhöhungsverlangen schuldhaft vertragliche Verpflichtungen verletzt habe. Dieser Anspruch sei auch unter Berücksichtigung der neuen BGH-Rechtsprechung nicht verjährt.
152.2 Es trifft zu, dass der BGH in seinen Urteilen vom 17. November 2021 die Frage der Verjährung nur unter dem Gesichtspunkt bereicherungsrechtlicher Ausgleichsansprüche geprüft hat.
162.3 Es ist auch davon ausgehen, dass der Kläger, soweit Prämienanpassungen unwirksam waren, einen auf Ausgleich der von ihm geleisteten Überzahlungen gerichteten Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB hat.
17Der Senat folgt den diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2022 – IV ZR 259/20 – (BeckRS 2022, 3910 Rn. 19 f.):
18Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Begründung der Prämienanpassung zum 1. Januar 2016 als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 17). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 aaO Rn. 8).
19Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 - IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 Rn. 27, zum Verzug). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).
20Auch das Landgericht hat im angefochtenen Urteil, unter Berufung auf das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Köln vom 27. Oktober 2020 – 9 U 74/20 – (BeckRS 2020, 46555), gesehen, dass § 280 Abs. 1 BGB anwendbar ist, „da die Beklagte durch die unzureichenden Begründungen der Prämienerhöhungen eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat“, allerdings nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.
212.4 Richtig ist, dass der Kläger seine Ansprüche bereits in der Klageschrift (S.22 f.) auch auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt hat. Dabei hat er „Pflichtverletzungen der Beklagten […] in den unwirksamen Prämienerhöhungsverlangen sowie in der laufenden unberechtigten Einziehung der erhöhten Prämienbeträge“ gesehen. Er hat sich auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2009 – V ZR 133/08 – (BGHZ 179, 238 = NJW 2009, 1262) sowie vom 21. Januar 2008 – VIII ZR 246/06 – (NJW 2008, 1147) berufen. Danach verletze eine Vertragspartei ihre Verpflichtung zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie von der anderen Seite etwas verlange, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein in Wahrheit nicht bestehendes Gestaltungsrecht ausübe. Dies trifft zu, wie sich auch aus dem oben zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2022 ergibt.
222.5 Weiter trifft zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Schadensersatzansprüche aufgrund von Pflichtverletzungen – vor allem, aber nicht nur, beim Zusammentreffen mehrerer Aufklärungs- oder Beratungsfehler – gilt, dass mehrere Handlungen, auch wenn sie gleichartig oder Teilakte einer natürlichen Handlungseinheit sind, nicht unter dem Gesichtspunkt eines zusammenhängenden Gesamtverhaltens als Einheit betrachtet werden. Vielmehr stellt jede Handlung, die eigene Schadensfolgen zeitigt und dadurch zum Gesamtschaden beiträgt, verjährungsrechtlich eine neue selbstständige Schädigung dar und erzeugt daher einen neuen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist (BGH, Urt. v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rn. 16 mwN.).
232.6 Diese Grundsätze helfen dem Kläger aber nicht weiter.
242.6.1 Soweit die Pflichtwidrigkeit der Beklagten darin liegt, von dem Kläger Prämien gefordert und eingezogen zu haben, die auf einer formell unwirksamen Prämienanpassung beruhen, weil die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügte, besteht ein Gleichlauf der Verjährung des Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB mit dem aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB. Denn die Gründe, die zur formellen Unwirksamkeit und damit zur Rechtsgrundlosigkeit der Prämienanpassung führen, begründen auch die Pflichtwidrigkeit, soweit eine solche in der unzureichenden Mitteilung liegt, bzw. bilden ihren unmittelbaren Anknüpfungspunkt, wenn die Pflichtwidrigkeit der unberechtigten Zahlungsaufforderung und Einziehung gemeint ist.
25In der Klageschrift vom 21. September 2018, S. 22 f. (GA 24), begründet der Kläger einen „Zahlungsanspruch in gleicher Höhe auch aus § 280 Abs. 1 BGB allein mit Pflichtverletzungen der Beklagten, die „in den unwirksamen Prämienerhöhungsverlangen sowie in der laufenden unberechtigten Einziehung der erhöhten Prämienbeträge“ liegen. Für diesen Anspruch besteht, wie aufgezeigt, hinsichtlich der regelmäßigen Verjährungsfrist ein Gleichlauf mit dem Bereicherungsanspruch.
262.6.2 Soweit der Kläger geltend macht, es lägen weitere Pflichtwidrigkeiten der Beklagten vor, weil die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch materiell-rechtlich unrichtig seien, ist sein Vortrag nicht substanziiert.
27Im Schriftsatz vom 19. Februar 2019 macht der Kläger zunächst auf Seite 2 geltend, „die Unwirksamkeit sämtlicher streitgegenständlicher Prämienanpassungen (ergebe) sich ferner – selbstständig – aus dem Fehlen der materiellen Erhöhungsvoraussetzungen. Diese Voraussetzungen lassen sich anhand der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen nicht überprüfen (E., S. 28 ff.) und waren auch unabhängig davon nicht erfüllt (11., S. 41 ff.).“ Auf den Seiten 28 ff. wird dann ausführlich dargelegt, welche Unterlagen dem Treuhänder hätten vorgelegt werden müssen und dass dies nicht geschehen sei.
28Auf S. 41 „bestreitet der Kläger nochmals ausdrücklich, dass die gesetzlichen materiellen Voraussetzungen für die Prämienanpassungen gegeben waren.
29„Insbesondere wird bestritten, dass der auslösende Faktor tatsächlich die […] behauptete Höhe hatte (also höher als 1,1 war), dass die Prämie bei der vorangegangenen Neu- und bei der Erstkalkulation der Prämie zureichend kalkuliert wurde, dass die neue Prämie im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben kalkuliert worden ist und dass die Limitierungsmaßnahmen der Beklagten den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG entsprachen.“ Damit sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorgetragen, allerdings sehr abstrakt.
30Der Kläger meint, ihn treffe insoweit keine weitergehende Darlegungslast. Weil die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei, sei es ihm selbst unter Hinzuziehung eines Privatgutachters schon tatsächlich nicht möglich, näher zur kalkulatorischen Richtigkeit vorzutragen, solange ihm die entsprechenden Unterlagen nicht vorlägen. Auch wenn die Beklagte in Zukunft die Unterlagen konkret benennen und in den Prozess einführen sollte, die dem Treuhänder bei seiner Prüfung der Anpassungen vorgelegen haben sollen, könne er sich auf schlichtes Bestreiten beschränken. Da sich das Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen und die Richtigkeit der Berechnung nur mit versicherungsmathematischen Fachkenntnissen beurteilen ließen, könne die richterliche Überprüfung regelmäßig nur mithilfe eines Sachverständigen vorgenommen werden.
31In der Berufungsbegründung vom 4. September 2021, Seite 4 f., beruft der Kläger sich darauf, vorprozessual die Umstände nicht gekannt zu haben, aus denen sich die materielle Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen ergebe. Er habe diese Kenntnis bis heute nicht, weil die Beklagte erstinstanzlich keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt habe, anhand deren sich die materielle Rechtmäßigkeit der Erhöhungen beurteilen lasse. Ihm könne auch eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht daraus abgeleitet werden, dass er vor Klageerhebung keine detaillierten Nachfragen zu materiellen Mängeln an die Beklagte gerichtet habe. Zu derartigen Nachfragen sei er schon mangels Anhaltspunkten nicht gehalten gewesen. Zudem habe die Beklagte in ihren Anschreiben selbst behauptet, die materiellen Erhöhungsvoraussetzungen seien gegeben, worauf er sich habe verlassen dürfen. Darüber hinaus stehe fest, dass die Beklagte vorprozessual bei Nachfragen unter Berufung auf ihr Geheimhaltungsinteresse aussagekräftige Auskünfte nicht erteilt hätte. Das zeige sich schon daran, dass sie die zur Beurteilung notwendigen Unterlagen erst in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegt habe. Der Kläger schließt weitere theoretische Ausführungen zur Frage der Verjährung an, aber keinen Vortrag zu Anhaltspunkten für konkrete Anpassungsfehler.
32Aus Sicht des Senats übersieht der Kläger, dass für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch die (primäre) Darlegungslast und die Beweislast ihn treffen.
33Sein Vortrag zum Schadensersatzanspruch ist (kurz zusammengefasst): Das Verfahren zur Prämienanpassung war für ihn nicht transparent. Deswegen unterstellt er, dass die gesetzliche Voraussetzung des Auslösenden Faktors von mehr als 1,1 nicht gegeben war.
34Dass der Versicherer die Berechtigung einer Prämienerhöhung im Streitfall darlegen und beweisen muss, gilt zwar dann, wenn er die erhöhte Prämie einfordert. Anders ist es jedoch, wenn der Versicherungsnehmer, wie hier, Rückforderungsansprüche geltend macht – gleichgültig, ob gestützt auf Bereicherungsrecht oder auf Schadensersatzrecht; in beiden Fällen liegen Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer.
35Wenn der Versicherer die Prämie einklagt, mag sich der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der vom Versicherer in einem Verfahren ermittelten Prämienhöhe, zu dem der Versicherungsnehmer keinen Zugang hatte, durch Bestreiten mit Nichtwissen verteidigen dürfen.
36Für die Schadensersatzklage kann ein Vortrag wie der des Klägers nicht ausreichen, auch nicht mit dem zutreffenden Hinweis versehen, dass sich die materielle Richtigkeit einer Prämienfestsetzung in aller Regel nur mithilfe eines Sachverständigengutachtens klären lässt. Ohne konkreten Hinweis auf Fehler einen Sachverständigen mit der Überprüfung streitiger Prämienanpassungen zu beauftragen, bedeutet Ausforschung. Rechtlich und in seinen praktischen Auswirkungen, erschiene es dem Senat unvertretbar, wenn ein Versicherungsnehmer mit der blanken Behauptung, der Auslösende Faktor habe den Schwellenwert nicht überschritten, alle Prämienanpassungen der letzten zehn Jahre gerichtlich mittels aufwendiger Gutachten überprüfen lassen könnte. Das widerspräche den Zielen des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., Überbl v § 194 Rn. 8, 9) und wäre nicht nur für die Versicherer unzumutbar, sondern müsste zwangsläufig zulasten der Gesamtheit der Versicherten gehen.
37Hier kommt hinzu, dass der Kläger in der Berufungsbegründung selbst erklärt, dass die Beklagte die zur Beurteilung notwendigen Unterlagen in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegt habe. Auch jetzt teilt er jedoch nicht mit – weder in der Berufungsbegründung noch in seiner Stellungnahme zum Hinweisbeschluss im Schriftsatz vom 1. März 2022 –, aufgrund welcher Anhaltspunkte er annimmt, die streitigen Prämienanpassungen seien im Ergebnis falsch.
382.7 Zusammenfassend lässt sich nicht feststellen, dass der vorliegende Fall in der Frage der Verjährung entscheidungserheblich von den Fällen abweicht, die der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen vom 17. November 2021 entschieden hat.
393. Die Nebenentscheidungen zu Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO und §§ 708 Nr. 10 S. 2, 713 ZPO.
40Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.964,48 €