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Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.09.2022 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 26 O 463/21 –weiter abgeändert und die Beklagte über die bereits mit Teilurteil vom 05.05.2023 erfolgte Verurteilung zur Auskunft hinaus verurteilt, an den Kläger 11.808,98 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2022 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Anträge zu 1) und 2) aus dem Schriftsatz vom 05.09.2023 abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 26 % und die Beklagte zu 74 %.
Das Schlussurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
4II.
51. a. Bereits mit das erstinstanzliche Urteil teilweise abänderndem Teilurteil vom 05.05.2023 hat der Senat die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Auskunftsantrags dazu verurteilt, dem Kläger zu seiner fondsgebundenen Rentenversicherung mit der Versicherungsschein-Nr. N01 Auskunft über den ungezillmerten Rückkaufswert (ohne Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten) einschließlich der Überschussanteile zu erteilen.
6Nach erfolgter Auskunftserteilung durch die Beklagte ist der Kläger unter Überspringen der auf die Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt gerichteten 2. Stufe seiner Stufenklage unmittelbar auf die 3. Stufe übergegangen und beantragt nunmehr,
71. die Beklagte zu verurteilen, 11.808,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2020 an ihn zu zahlen,
82. die Beklagte zu verurteilen, ihm die entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.029,35 EUR zu erstatten.
9b. Die Berufung hat, soweit über sie danach noch eine Entscheidung veranlasst war, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen unterliegt sie der Zurückweisung.
10aa. Der Berufungsantrag zu 1) ist mit Ausnahme einer Zuvielforderung an Zinsen begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 11.808,98 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2022 zu.
11(1) Der Anspruch auf Zahlung von 11.808,98 EUR ergibt sich aus §§ 9, 152 VVG in der Fassung vom 23.11.2007 (im Folgenden: VVG a.F.).
12(a) Der Kläger hat den mit der Beklagten geschlossenen Rentenversicherungsvertrag mit der Nr. N01 mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 04.11.2020 (K2) wirksam widerrufen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das Teilurteil des Senats vom 05.05.2023 Bezug genommen.
13(b) § 9 S. 1 VVG a.F. bestimmt, dass der Versicherer dann, wenn der Versicherungsnehmer in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und dieser zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, nur die auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Prämien zu erstatten hat. Für den Fall, dass der in S. 1 genannte Hinweis unterblieben ist, bestimmt § 9 S. 2 VVG a.F., dass der Versicherer zusätzlich die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zu erstatten hat. Für die Lebensversicherung trifft § 152 VVG eine ergänzende Regelung: Nach § 152 Abs. 2 S. 2 VVG hat der Versicherer bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung (also dann, wenn wie hier § 9 Satz 2 VVG a.F. Anwendung findet), den Rückkaufswert – hier zu verstehen als ungezillmertes Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten - einschließlich der Überschussanteile zu zahlen, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist.
14Die von §§ 9, 152 VVG a.F. vorausgesetzte Zustimmung hat der Kläger konkludent erteilt. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Teilurteil vom 05.05.2023 verwiesen.
15Nachdem die Beklagte das Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten unter dem 04.07.2023 mit 11.808,98 EUR mitgeteilt hat und der Kläger dies seiner Anspruchsbezifferung in der Folge zugrunde gelegt hat, steht dessen Höhe zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
16(2) Der Zinsanspruch folgt im zuerkannten Umfang aus §§ 288, 291 BGB. Ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen ab einem früheren Zeitpunkt besteht nicht und ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 286, 280 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.
17Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 04.11.2020 (K2) war im Hinblick auf den ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht verzugsbegründend. Die dort gesetzte Frist bezieht sich allein auf eine Bestätigung der Wirksamkeit des Widerrufs und die Erteilung einer (schriftlichen) Abrechnung. Die Aufforderung zur Abrechnung steht der Aufforderung zur Zahlung jedoch nicht gleich.
18Das den Widerruf sinngemäß zurückweisende Schreiben der Beklagten vom 23.12.2020 (Anlage K3) stellt auch keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar. An eine solche sind strenge Anforderungen zu stellen; die bloße Leistungsablehnung unter Darlegung der dafür maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen reicht dazu allein noch nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1993, Az. X ZR 63/91, juris).
19bb. Der Berufungsantrag zu 2) ist unbegründet. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten besteht nicht und ergibt sich insbesondere nicht aus Verzugsgesichtspunkten. Die Rechtanwaltskosten sind spätestens durch das Anwaltsschreiben vom 04.11.2020 entstanden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Beklagte – wie ausgeführt – mit der Zahlung nicht im Verzug befand.
202. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
21Nach verbreiteter Ansicht hat die beklagte Partei im Rahmen einer Stufenklage die Kosten des Rechtsstreits zwar auch dann in vollem Umfang zu tragen, wenn die Höhe des Anspruchs, der sich aufgrund der erteilten Auskunft ergibt, hinter dem von der klagenden Partei bei Klageerhebung geschätzten Betrag zurückbleibt (vgl. Bacher in: BeckOK ZPO, 49. Edition Stand 01.07.2023, § 254 Rn. 33 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist dies für die Kostenentscheidung aber ohne Relevanz, weil der Kläger seine ursprüngliche Schätzung nicht gemäß §§ 9, 152 VVG vorgenommen hat, sondern die Herausgabe der eingezahlten Prämien zzgl. der von der Beklagten gezogenen Nutzungen abzüglich tatsächlich entstandener Risikokosten begehrt hat.
223. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
234. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
24Streitwert:
25bis zum 04.09.2023: 15.900,00 EUR
26seit dem 05.09.2023: 11.808,98 EUR