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Die Berufung des Klägers gegen das am 16.07.2021 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 12 O 255/20 – wird zurückgewiesen, soweit über die Berufung nicht bereits mit Teilurteilen des Senats vom 11.02.2022 und 03.06.2022 entschieden worden ist.
Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens und die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Über die Berufung war nur noch zu entscheiden, soweit über sie nicht bereits mit den Teilurteilen vom 11.02.2022 und 03.06.2022 entschieden worden ist. Soweit danach noch eine Entscheidung veranlasst ist, ist die Berufung unbegründet.
61.
7Die Berufung des Klägers hat mit dem auf der letzten Stufe der Stufenklage nunmehr bezifferten Zahlungsantrag keinen Erfolg.
8a)
9Dass ihm aufgrund seines Widerspruchs gegen den Vertragsschluss über den Versicherungsvertrag mit der Nummer X1 gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB ein Zahlungsanspruch zusteht, der die nach der vom Kläger erklärten Kündigung des Vertrages von der Beklagten in Höhe von 17.813,70 € geleistete Auszahlung übersteigt, hat der Kläger, der Zahlung weiterer 11.049,60 € begehrt, nicht schlüssig dargelegt.
10aa)
11Dass der Kläger wegen fehlerhafter Widerspruchsbelehrung dem Zustandekommen des Vertrags mit der Nr. X1 zwischen dem Kläger und der Beklagten wirksam widersprochen hat und der Vertrag bereicherungsrechtlich gemäß §§ 812, 818 BGB rückabzuwickeln ist, hat der Senat bereits im Teilurteil vom 11.02.2022 ausgeführt, worauf Bezug genommen wird.
12bb)
13Hinsichtlich der Anspruchshöhe gilt grundsätzlich (dazu: Urteil des Senats vom 07.12.2018 – 20 U 76/18 –, juris-Rz. 25):
14Der Versicherungsnehmer kann nach erfolgreichem Widerspruch die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB allerdings grundsätzlich nicht uneingeschränkt alle Prämien, die an den Versicherer gezahlt worden sind, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend Urteil des BGH vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 –, BGHZ 201, 101, juris-Rz. 45) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungs-nehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (BGH, a.a.O., juris-Rz. 45). Abschluss- und Verwaltungskosten sind hingegen von dem Prämienrückforderungsanspruch nicht in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14 –, VersR 2015, 1101, juris-Rz. 41 ff.; BGH, Urteil vom 24.02.2016 – IV ZR 126/15 –, juris-Rz. 27 f.).
15Zudem hat der Versicherer die aus den herauszugebenden Beitragsteilen gezogenen Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben. Von dem Anspruch nach § 818 Abs. 1 BGB werden nur diejenigen Nutzungen erfasst, die tatsächlich gezogen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2012 – IV ZR 134/11 –, juris-Rz. 5; BGH, Urteil vom 08.10.1987 – VII ZR 185/86 –, juris-Rz. 21); hingegen ist es unerheblich, ob der Bereicherte (weitere) Nutzungen hätte ziehen können und ob er dies schuldhaft unterlassen hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.05.2015 – 12 U 122/12 –, juris-Rz. 53). Es obliegt insoweit dem Anspruchsteller, der herauszugebende Nutzungen geltend macht, darzulegen, aus welchem Betrag und in welcher Höhe der Versicherer Nutzungen gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – IV ZR 5/19 –, juris-Rz. 16; BGH, Beschluss vom 30.07.2012 – IV ZR 134/11 –, juris-Rz. 5).
16cc)
17Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ergibt sich für die Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrages Folgendes:
18Der Kläger hat in der Klageschrift Einzahlungen auf den Vertrag in Höhe von 14.772,96 € vorgetragen. Nachdem die Beklagte dem in der Klageerwiderung entgegen gehalten hat, Prämienzahlungen seien nur in Höhe von 11.231,21 € geleistet worden, hat der Kläger im Schriftsatz vom 03.02.2021 seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass er Prämien in Höhe von 11.882,06 € gezahlt habe. Einen Beleg für den gegenüber dem Vortrag der Beklagten 650,85 € höheren Betrag hat der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Kläger indes nicht vorgelegt und auch sonst Einzahlungen in dieser Höhe weder nachvollziehbar dargelegt noch Beweis hierfür angeboten, so dass der von der Beklagten vorgetragene Betrag von 11.231,21 € zugrunde zu legen ist.
19Die Nutzungen aus dem Sparanteil, zu deren Herausgabe die Beklagte gemäß § 818 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf den von der Beklagten vorgetragenen Betrag von 6.354,21 €. Die Beklagte hat die Nutzungen ausgehend vom Nettoverzinsungssatz berechnet, den sie in ihrem Schriftsatz vom 14.01.2022 für jedes Jahr aufgeführt hat. Dies ist ein tauglicher Ansatz, so dass die von ihr berechneten und insoweit zugestandenen Nutzungen zugrunde zu legen sind. Denn der für Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen darlegungs- und beweisbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – IV ZR 5/19 –, juris-Rz. 16) Kläger hat weder aufzeigt, dass der so berechnete Betrag der Beklagten fehlerhaft sei, noch schlüssig dargelegt, dass die Beklagte darüber hinausgehende Nutzungen gezogen hat. Die Berechnungen des Klägers in den der Klageschrift als Anlagen A1 und A2 beigefügten Tabellen, auf die der Kläger in seinem Schriftsatz vom 12.08.2022 Bezug genommen hat, und hinsichtlich derer der Kläger in der Klageschrift erläutert hat, dass er darin die Nutzungshöhe aus dem Durchschnitt von modifizierter Eigenkapitalrendite und Nettoverzinsung berechnet habe, wobei – nicht genannte – außerordentliche Faktoren der Eigenkapitalrendite ausgefiltert worden seien, sind bereits im Ausgangspunkt nicht geeignet, die tatsächlich vom Kläger gezogenen Nutzungen schlüssig darzulegen. Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat (u.a. in seinen den Prozessbevollmächtigten beider Parteien bekannten Urteilen vom 18.12.2020, Az. 20 U 38/20, und vom 01.04.2022, Az. 20 U 101/21), stellt ein Mittelwert aus Nettoverzinsung und Eigenkapitalrendite schon deshalb keine taugliche Berechnungsgrundlage für die aus dem Sparanteil gezogenen Nutzungen dar, weil sie – wenn auch nicht alleine – auch auf die Eigenkapitalrendite abstellt, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.04.2020 – IV ZR 5/19 – (zitiert nach juris) ausgeführt, dass die Darlegung von Anfall und Höhe der Nutzungen dem Versicherungsnehmer einen Tatsachenvortrag abverlange, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden könne. Da sich die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen beschränke, die der Bereicherte aus dem ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstand oder aus einem Surrogat im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB gezogen habe, müsse die Ertragslage des Versicherers, auf die sich der Versicherungsnehmer zur Darlegung des Nutzungsherausgabeanspruchs beziehe, die Verwendung der rechtsgrundlos erbrachten Beitragszahlungen abbilden (BGH, a.a.O., juris-Rz. 16). Dies sei bei der Eigenkapitalrendite nicht der Fall; der einen Widerruf aussprechende Versicherungsnehmer sei nicht einem Aktionär des Versicherers gleichzustellen, dem die Eigenkapitalrendite, die als betriebswirtschaftliche Kennzahl den Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital kennzeichnet, Aufschluss über die Verzinsung seiner Investition geben möge (a.a.O., juris-Rz. 17 ff.). Darüber hinaus geht der Kläger von höheren Prämieneinzahlungen aus als die Beklagte vorgetragen hat, ohne dass er diese höheren Prämien belegt, weshalb die Darlegung der gezogenen Nutzungen auch insoweit nicht schlüssig ist.
20Der für die Verwaltungskosten verwandte Anteil der Prämien kann zur Berechnung von Nutzungen nur herangezogen werden, soweit der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat, die er zur Ziehung der Nutzungen verwendet hat (BGH, Urteil vom 26.09.2018 – IV ZR 304/15 -, VersR 2018, 1367 f., juris-Rz. 31). Eine solche Einsparung und Nutzungsziehung legt der Kläger nicht dar. Vielmehr hat er in der Klageschrift vorgetragen, Nutzungen aus den auf die Verwaltungskosten entfallenden Anteile der gezahlten Beträge habe die Beklagte nicht gezogen (S. 25 der Klageschrift, Bl. 28 GA).
21Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche grundsätzlich außer Betracht (BGH, Urteil vom 26.09.2018 – IV ZR 304/15 -, VersR 2018, 1367 f., juris-Rz. 31). Zudem hat der Kläger in der Klageschrift selbst vorgetragen, Nutzungen aus den auf die Abschlusskosten entfallenden Anteile der gezahlten Beträge seien von der Beklagten nicht gezogen worden (S. 25 der Klageschrift, Bl. 28 GA), und er ist auch nicht dem Vortrag der Beklagten entgegengetreten, dass Abschlusskosten bei dem streitgegenständlichen Vertrag überhaupt nicht angefallen seien.
22Anspruchsmindernd ist grundsätzlich der Wert des gewährten Versicherungsschutzes zu berücksichtigen. Hierbei kann nur der reine Risikoanteil in Abzug gebracht werden, während nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, Verwaltungskosten von dem Prämienrückzahlungsanspruch nicht mindernd in Abzug zu bringen sind (BGH, Urteil vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14 –, juris-Rz. 42). Das gilt auch für Kosten, die für die Verwaltung des Todesfallrisikos angefallen sind. Die Beklagte kann insoweit lediglich die tatsächlich kalkulierten Risikokosten als Minderungsposten geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2016 – IV ZR 126/15 –, juris-Rz. 26), wobei dies auch für Zusatzversicherungen gilt. Die Beklagte hat die Höhe der kalkulierten Risikokosten mit 1.162,63 € vorgetragen. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um die „reinen“ Risikokosten handelt oder ob darin auch ein Verwaltungskostenanteil enthalten ist. Denn – wie nachfolgend ausgeführt wird – der von der Beklagten nach der Kündigung ausgezahlte Betrag übersteigt den sich aus der Rückabwicklung ergebenden Zahlungsbetrag selbst dann, wenn die von der Beklagten mitgeteilten Risikokosten vollständig unberücksichtigt gelassen würden, so dass auszuschließen ist, dass sich zugunsten des Klägers ein weiterer Zahlungsanspruch ergeben würde, wenn die von der Beklagten mitgeteilten Risikokosten einen Verwaltungskostenanteil enthalten würden, der reine Risikoanteil damit geringer als 1.162,63 € wäre und nur dieser anspruchsmindernd berücksichtigt werden würde. Ohne Berücksichtigung der reinen Risikokosten ergibt sich ausgehend von Vorstehendem und unter Berücksichtigung des nach der Kündigung unstreitig ausgekehrten Abrechnungsbetrages folgende Berechnung:
23gezahlte Beiträge 11.231,21 €
24zzgl. Nutzungen (von der Beklagten zugestanden) + 6.354,21 €
25Summe 17.585,42 €
26abzügl. Auszahlungsbetrag - 17.813,70 €
27gesamt: - 228,28 €
28Bereits ohne Berücksichtigung der Risikokosten ergibt sich mithin kein weiterer Zahlungsanspruch zugunsten des Klägers, sondern vielmehr eine Überzahlung. Würden nunmehr noch die reinen Risikokosten abgezogen, würde sich eine noch höhere Überzahlung des Klägers ergeben.
29b)
30Mangels Begründetheit der Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf deren Verzinsung zu.
312.
32Über den Hilfsantrag ist eine Entscheidung nicht veranlasst. Er ist unter der Bedingung gestellt worden, dass die Stufenklage als solche insgesamt abgewiesen und über die bezifferte 3. Stufe in der Sache nicht entschieden werden würde. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.
333.
34Der Antrag auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.424,48 € ist nicht begründet.
35Die Beklagte befand sich nicht in Verzug, als der Kläger seine Prozessbevollmächtigten beauftragte. Dass ihm aus der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unter Berücksichtigung des nach Kündigung ausgezahlten Abrechnungsbetrages noch ein weitergehender Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zustand, mit dessen Zahlung die Beklagte hätte in Verzug geraten können, hat der Kläger nicht dargetan.
364.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger nur hinsichtlich der Zwischenfeststellungsklage obsiegt hat und die Berufung hinsichtlich der Stufenklage, mit der die Anspruchsverfolgung erfolgte, vollumfänglich ohne Erfolg geblieben ist. Im Hinblick darauf, dass mit der Zwischenfeststellungsklage lediglich eine Vorfrage für den Leistungsantrag geklärt worden ist, aus der der Kläger für sich genommen noch keine Ansprüche herleiten konnte und der damit ein messbarer wirtschaftlicher Wert nicht zukommt, handelte es sich bei dem Antrag der Beklagten, auch die Zwischenfeststellungsklage abzuweisen, um eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die auf die Höhe der Kosten ohne Auswirkung geblieben ist.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
395.
40Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
41Streitwert des Berufungsverfahrens: 11.049,60 €