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Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung des von der Einzelschiedsrichterin Rechtsanwältin A, B Partnerschaftsgesellschaft mbB, C-str. 1, D erlassenen Schiedsspruchs der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. vom 08.10.2021, Az. DIS-IHK-2020-00425, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
2I.
3Die Parteien hatten einen Exportpartnervertrag (Handelsvertretervertrag) vom 07.10.1993 nebst Nachtrag vom 15.06.2011 geschlossen, der folgende Schiedsklausel enthielt:
4„Streitigkeiten werden nicht mehr durch die normalerweise zuständigen Gerichte geregelt, sondern bindend durch ein Schiedsgericht der Industrie- und Handelskammer zu E, durch einen, oder auf Verlangen einer Partei auch durch 3 Schiedsrichter."
5Die Schiedsgerichtsordnung der Industrie- und Handelskammer zu E verweist in Art. 1 auf die Anwendbarkeit Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) und bestimmt in Art. 22 E als Schiedsort.
6Nachdem der Schiedsbeklagte am 22.08.2011 die fristlose Kündigung des Vertriebsvertrags erklärte, streiten die Parteien über Provisionsansprüche des Antragstellers.
7Durch Schiedsspruch vom 14.09.2015 (DIS-SV-Kö-2/14) wurde die auf Zahlung von Provisionen für die Zeit bis einschließlich 31.12.2012 sowie auf Auskunft gerichtete Schiedsklage des hiesigen Schiedsklägers abgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, die Provisionsansprüche seien nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden oder jedenfalls durch Aufrechnung untergegangen. Seinen dagegen gerichteten Aufhebungsantrag (OLG Köln, Az. 19 Sch 12/15) nahm der Schiedskläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2016 zurück.
8Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 25.10.2016 eine weitere Schiedsklage auf Durchführung einer Buchprüfung für die Zeit ab 01.10.2012. Durch Schiedsspruch vom 28.07.2017 wurde der Schiedsklage für den Zeitraum vom 11.07.2013 bis zum Erlass des Schiedsspruchs stattgegeben und der weitergehende Antrag auf Zustimmung zur Buchprüfung mit der Begründung abgewiesen, dass Provisionsansprüche des Klägers für den Zeitraum bis 10.7.2013 durch Schiedsspruch vom 14.9.2015 in dem Verfahren DIS-SV-Kö 2/14 rechtskräftig abgewiesen worden seien.
9Der hiergegen gerichtete Aufhebungsantrag des Antragstellers hatte im Rechtsbeschwerdeverfahren den Teilerfolg, dass der Schiedsspruch insoweit aufgehoben worden ist, als das Schiedsgericht den Antrag auf Zustimmung zur Beauftragung eines Buchprüfers zum Zweck der Prüfung der Richtigkeit der von der Antragsgegnerin erstellten Provisionsabrechnungen auch für die Zeit vom 01.01. bis 10.07.2013 zurückgewiesen hatte; im Übrigen bestätigte der BGH die Zurückweisung des Aufhebungsantrages durch den Senat (OLG Köln, Beschluss vom 19.01.2018, 19 Sch 17/17, juris; BGH, Beschluss vom 11.10.2018, I ZB 9/18, juris).
10Mit Schiedsklage vom 09.09.2020 hat der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin Provisionsansprüche für Umsätze der Schiedsbeklagten im Zeitraum zwischen dem 01.01.2012 und 31.03.2019 geltend gemacht, wobei er seine Klage als Restitutionsklage gegen den Schiedsspruch vom 14.09.2015 (Az. DIS-SV-Kö 2/14) bezeichnete. Der Antragsteller hat hierbei Bezug genommen auf einen Prüfbericht des vereidigten Buchprüfers Heinz Thelen vom 21.02.2020.
11Er hat zuletzt beantragt,
12„1. das angefochtene Urteil aufzuheben
132. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 12.714,20 zzgl. Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen."
14Das Schiedsgericht hat die Antragsgegnerin verurteilt, an den Antragsteller 8.048,51 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2020 zu zahlen und die Schiedsklage im Übrigen abgewiesen.
15Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei zwischen den Provisionsansprüchen für die Zeit bis 31.12.2012 einerseits und den Provisionsansprüchen ab dem 01.01.2013 andererseits zu unterscheiden, da nur über die Provisionsansprüche bis 31.12.2012 in dem Schiedsverfahren DIS-SV-Kö 2/14 rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb auch nur insoweit eine Restitutionsklage in Betracht komme. In Zusammenhang mit der Anfechtung eines Schiedsspruchs sei eine Restitutionsklage zwar entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO gegen eine auf dem angefochtenen Schiedsspruch beruhende Gerichtsentscheidung möglich. Demgegenüber sei aber unklar, ob auch gegen den Schiedsspruch selbst eine Restitutionsklage analog § 580 Nr. 7b) ZPO eröffnet oder wegen der Anfechtungsmöglichkeit gemäß § 1059 ZPO ausgeschlossen sei. Dies könne vorliegend indes dahinstehen, da jedenfalls kein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 Nr. 7b) ZPO vorliege. Voraussetzung hierfür sei, dass eine Urkunde aufgefunden oder nutzbar geworden sei, welche eine günstigere Entscheidung im Ausgangsverfahren herbeigeführt haben würde. Die Urkunde müsse zu einem Zeitpunkt errichtet worden sein, in dem sie im Ausgangsverfahren noch hätte geltend gemacht werden können. Diese Voraussetzung sei im Hinblick auf den Prüfbericht des Heinz Thelen vom 21.02.2020 nicht erfüllt, da dieser lange nach Abschluss des Schiedsverfahrens DIS-SV-Kö 2/14 und auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist gegen den Schiedsspruch vom 14.09.2015 erstellt worden sei. Eine Ausnahmesituation, in der eine Restitutionsklage auch aufgrund nachträglich erstellter Urkunden möglich sei, könne nur bei Geburtsurkunden sowie Legitimationsbeischreibungsvermerken zur Geburtsurkunde angenommen werden. An dieser Beurteilung ändere es nichts, dass die Antragsgegnerin die Buchprüfung verweigert habe, weshalb es zu einer Verzögerung der Erstellung des Prüfberichts gekommen sei, da der Antragsteller eine Buchprüfung bereits im Rahmen des Ausgangsverfahrens schiedsgerichtlich hätte erwirken können, wobei dahinstehen könne, warum dies nicht geschehen sei. Aus diesen Erwägungen heraus sei die Schiedsklage hinsichtlich der Provisionsansprüche bis 31.12.2012 unzulässig.
16Hinsichtlich der Provisionsansprüche ab dem 01.01.2013 sei die Schiedsklage hingegen zulässig und in Höhe von 8.048,51 € nebst Zinsen auch begründet.
17Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB, da nach Art. 6.1 der DIS-Schiedsgerichtsordnung in Verbindung mit Art. 4.2 der DIS-Schiedsgerichtsordnung die Übermittlung der Schiedsklage an die DIS in einer von der DIS zugelassenen Weise für den Beginn der Verzinsung maßgebend sei, mithin der Eingang in elektronischer Form am 14.09.2020, so dass die Provisionsansprüche nach § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem 15.09.2020 zu verzinsen seien.
18Mit seinem Aufhebungsantrag wendet sich der Antragsteller gegen die Teilzurückweisung seiner im Schiedsverfahren gestellten Anträge. Er trägt vor, das Schiedsgericht habe fehlerhaft nur Provisionsansprüche für die Zeit ab 01.01.2013 zugesprochen und die Ansprüche für 2012 „schlicht ausgelassen“ (S. 2 der Antragsschrift, Bl. 6 d. A.). Das Schiedsgericht habe fehlerhaft nur analog Rechtshängigkeitszinsen ab 15.09.2020 zugesprochen, wogegen Verzugszinsen zu den Teilprovisionen gemäß § 286 Abs.3 BGB schon einen Monat ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitraum der einzelnen Provisionen hätten zuerkannt werden müssen (S. 2 der Antragsschrift, Bl. 6 d. A.). Hierdurch sei der ordre public, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden (S. 2 f. der Antragsschrift, Bl. 6 f. d. A.)
19Der Antragsteller beantragt,
20den Schiedsspruch der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit
21e. V. vom 08.10.2021, Az. DIS-IHK-2020-00425, aufzuheben.
22Die Antragsgegnerin beantragt,
23den Antrag zurückzuweisen.
24Sie ist der Ansicht, es bestünden keine Aufhebungsgründe.
25II.
26Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 08.10.2021 ist nicht begründet.
271.
28Der gemäß § 1059 ZPO statthafte Antrag ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. Der Antragsteller hat die Aufhebung des Schiedsspruchs rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO beantragt. Gemäß § 1 der Verordnung über die Konzentration der gerichtlichen Entscheidungenin schiedsrichterlichen Angelegenheiten vom 20.03.2019 (GVBl. NRW 2019, 191-200) ist das Oberlandesgericht Köln zuständig.
292.
30Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
31.
32a)
33Der Antragsteller rügt die Verletzung seines aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO folgenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es kann dahinstehen, ob man einen Gehörsverstoß unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b) ZPO (Geimer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage 2020, § 1059 Rn. 68), als allgemeinen Verfahrensverstoß unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO und/oder als (verfahrensrechtliche) ordre public-Verletzung unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO (BGH, Beschluss vom 07.06.2018 – I ZB 70/17; vgl. Senat, u.a. Beschluss vom 04.05.2018 – 19 Sch 20/17; Beschluss vom 04.08.2017 – 19 Sch 6/17; Beschluss vom 15.06.2010 – 19 Sch 14/11; Beschluss vom 11.05.2010 – 19 Sch 34/09; Beschluss vom 21.11.2008 – 19 Sch 12/08; jew. m.w.N. und alle abrufbar unter juris; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16.01.2020 – 26 Sch 14/18) fasst. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners ist jedenfalls nicht gegeben.
34b)
35Der Einwand, die Ansprüche für 2012 seien übergangen oder „ausgelassen“ worden, verfängt nicht. Das Schiedsgericht hat die Ansprüche nicht übergangen, sondern hierzu ausgeführt (S. 24-26 des Schiedsspruchs):
36„Hinsichtlich der Zulässigkeit der Schiedsklage ist zwischen den Provisionsansprüchen bis 31. Dezember 2012 einerseits und den Provisionsansprüchen ab dem 1. Januar 2013 andererseits zu unterscheiden. Denn nur über die Provisionsansprüche bis 31. Dezember 2012 wurde in dem Schiedsverfahren DIS-SV-Kö 2/14 rechtskräftig entschieden“. (…) „ob die Restitutionsklage eröffnet ist, kann hier letztendlich dahinstehen, da kein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 Nr. 7b) ZPO vorliegt.“
37(…) „Mithin ist die Schiedsklage hinsichtlich der Provisionsansprüche bis 31. Dezember 2012 unzulässig. Hinsichtlich der Provisionsansprüche ab dem 1. Januar 2013 ist die Schiedsklage hingegen zulässig.“
38Gegen die Richtigkeit dieser Bewertung erinnert der Antragsteller nichts.
39Worin bei dieser Sachlage eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen sollte, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller gibt nicht an, welches ergänzende Vorbringen hierzu unberücksichtigt geblieben sein sollte, bzw. mit welchem Vorbringen er sich gegen die Argumentation des Schiedsgerichts hätte verteidigen wollen. Im Übrigen trägt die Antragsgegnerin unwidersprochen vor, dass die Schiedsrichterin Hinweise zur Bewertung der Rechtslage erteilt hat, zu denen auch antragstellerseits Stellung genommen wurde (S. 2 der Antragserwiderung, Bl. 92 d. A.). Dass zur teilweisen Unzulässigkeit der Schiedsklage kein Hinweis erteilt worden wäre, wird nicht behauptet, wobei eine relevante Gehörsverletzung im Übrigen auch nur vorläge, wenn vorgetragen würde, was auf einen solchen Hinweis hin vorgetragen worden wäre. Auch daran fehlt es.
40c)
41Auch der Einwand, das rechtliche Gehör sei durch fehlerhafte Behandlung des Zinsanspruchs verletzt worden, greift nicht durch. Das ergibt sich daraus, dass der Antragsteller im Schiedsverfahren ausdrücklich Zinsen „seit Rechtshängigkeit“ beantragt hat. Bei dieser Sachlage würde es im Hinblick auf die Wertung des § 308 ZPO den ordre public verletzen können, wenn das Schiedsgericht dem Antragsteller mehr zugesprochen hätte, als er beantragt hat, nicht aber, wenn es die durch den Antrag gesetzten Grenzen seiner Spruchkompetenz beachtet.
42d)
43Soweit der Antragsteller sich auf eine inhaltlich falsche Entscheidung und/oder Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Schiedsgericht beruft, wird hierzu klargestellt, dass eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts durch die ordentlichen Gerichte grundsätzlich nicht stattfindet. Das Verbot der révision au fond, nach der die materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs nicht zu prüfen ist, gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Verfahren nach den §§ 1059, 1060 ZPO. Ein Schiedsspruch kann deshalb nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO nur aufgehoben werden, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
44Ein Verstoß gegen den materiellrechtichen ordre public setzt voraus, dass das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Danach stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 05.03.2020 - I ZB 49/19 -, m.w.N., juris; vergleiche u.a. auch Senat, Beschlüsse vom 04.08.2017 -. 19 Sch 6/17, juris, vom 30.12.2015 - 19 Sch 27/14, juris, vom 24.07.2013, - 19 Sch 8/13, juris und vom 28.06.2011 - 19 Sch 11/10, juris). Daran fehlt es indes aufgrund der unter 2. b, c dargestellten Erwägungen.
45III.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
47Gegenstandswert: 4.691,69 €
48(im Schiedsverfahren beantragte 12.740,20 € abzüglich der durch den Schiedsspruch zuerkannten 8.048,51 €)