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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 24.06.2021, Az. 15 O 126/20, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Köln
2IM NAMEN DES VOLKES
3Urteil
4In dem Rechtsstreit
5hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 08.09.2022 durch den Richter am Oberlandesgericht U., die Richterin am Landgericht L. und den Richter am Oberlandesgericht P.
6für Recht erkannt:
7Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 24.06.2021, Az. 15 O 126/20, wird zurückgewiesen.
8Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
9Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
10Die Revision wird nicht zugelassen.
11Gründe:
12I.
13Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Führung eines arbeitsrechtlichen Rechtsmittelverfahrens vor österreichischen Gerichten in Anspruch.
14Der Kläger hatte sich im Jahr 2015, zunächst vertreten durch eine andere Anwaltskanzlei, mittels einer sog. „Entlassungsanfechtung“ vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in B. gegen die fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bei G. B. gewehrt. Nachdem seine Klage mit Urteil vom 29.06.2016 abgewiesen worden war, beauftragte der Kläger die Beklagten mit seiner Vertretung im Rechtsmittelverfahren. Das Oberlandesgericht B. wies seine Berufung mit Urteil vom 05.04.2017 (Anl. K7, Bl. 116 ff. d.A.) zurück. Auch eine mithilfe der Beklagten betriebene „außerordentliche Revision“ wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich vom 27.09.2017 (Anl. K8, Bl. 155 ff. d.A.) zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil.
15Das Landgericht hat die Klage auf entsprechende Rüge der Beklagten mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Insbesondere sei eine Zuständigkeit nach Art. 17 Abs. 1 lit. c), Art. 18 EuGVVO nicht gegeben, da es an einer Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten auf Deutschland gefehlt habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
16Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiter und beanstandet insbesondere, dass das Landgericht sich bei der Frage, ob die Beklagten ihre Tätigkeit auch auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet haben, allein auf eine Einzelbetrachtung der maßgeblichen Anhaltspunkte beschränkt, nicht aber die erforderliche Gesamtschau durchgeführt habe. Bei der gebotenen Gesamtschau sei davon auszugehen gewesen, dass die Beklagten ihre Tätigkeit (auch) auf Deutschland ausgerichtet hätten. Ungeachtet dessen sei es für ein Ausrichten nach der Rechtsprechung des EuGH auch ausreichend, dass auf der über eine internationale Suchmaschine auffindbaren Website der Beklagten deren Telefonnummer mit internationaler Vorwahl angegeben sei. Zudem zeige sich die geschäftliche Ausrichtung der Beklagten nach Deutschland auch an der Vertragsanbahnung im Rahmen der Fernkommunikation und dem Abschluss der Mandatsvereinbarung als internationalem Fernabsatzgeschäft, nachdem er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keinen Wohnsitz mehr in Österreich gehabt habe.
17Der Kläger beantragt,
18unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 24.06.2021, Az.: 15 O 126/20,
191. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von brutto EUR 283.994,75 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
202. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aufgrund der fehlerhaften Bearbeitung des arbeitsrechtlichen Mandats des Klägers gegen dessen vormaligen Arbeitgeber (G. B.) im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht B. (6 Ra 87/16k) sowie im Rahmen der Revision entstanden sind bzw. noch entstehen werden.
21Die Beklagten beantragen,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
24II.
251. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Insbesondere rügt der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten in zulässiger Weise eine Rechtsverletzung im Sinne der § 520 Abs. 3 Nr. 2, § 513 Abs. 1, § 546 ZPO und deren Erheblichkeit hinsichtlich der vom Landgericht verneinten internationalen Zuständigkeit.
262. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die – ungeachtet des § 513 Abs. 2 ZPO auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 – III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, zitiert nach juris Rn. 9) – internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu Recht verneint.
27a) Die Frage der internationalen Zuständigkeit bestimmt sich hier nach den Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU 2012 Nr. L 351 S. 1; im Folgenden: EuGVVO). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist eröffnet, insbesondere liegt eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuGVVO vor. Die EuGVVO ist auch zeitlich anwendbar, da das vorliegende Verfahren im April 2020 und somit nach dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden ist (vgl. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO).
28b) Die Regelungen der EuGVVO rechtfertigen hier jedoch nicht die Annahme der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
29Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die hier am Wohnsitz des Klägers erhoben Klage lässt sich vorliegend allenfalls nach Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO begründen. Danach kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner .... ohne Rücksicht auf dessen Wohnsitz vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, erhoben werden. Dies setzt allerdings voraus, dass eine „Verbrauchersache“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO gegeben ist. In Betracht kommt hier allenfalls eine Verbrauchersache im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO. Hiernach findet die Regelung des Art. 18 EuGVVO insbesondere dann Anwendung, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens bilden, und der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
30aa) Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen (insbesondere im Schriftsatz vom 22.08.2022, Bl. 185 ff. eA) bereits zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme zu den Beklagten seinen Wohnsitz allein in Deutschland hatte und über keinen Wohnsitz in Österreich mehr verfügte, kommt es hiernach entscheidend darauf an, ob die Beklagten – die unstreitig keine Tätigkeit in Deutschland ausübten im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) 1. Alt. EuGVVO – ihre Tätigkeit (wenigstens auch) auf die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) 2. Alt. EuGVVO ausgerichtet haben. Soweit aufgrund des streitigen Parteivorbringens im Lichte der Commerzbank-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 30.09.2021 – C-296/20, EuZW 2022, 177) daneben ggf. hätte erwogen werden können, ob der Kläger – sofern er bei Vertragsschluss seinen Wohnsitz noch in B., also dem Ort der von den Beklagten ausgeübten Tätigkeit gehabt hätte – einen dort möglicherweise bereits gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c) 1. Alt. EuGVVO begründeten Gerichtsstand durch einen späteren Wegzug nach Deutschland „mitgenommen“ haben könnte, bietet der insofern maßgebliche Vortrag des Klägers – der ausdrücklich und substantiiert behauptet, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade keinen Wohnsitz mehr am Ort der von den Beklagten ausgeübten Tätigkeit gehabt zu haben – für derartige Erwägungen keine Grundlage.
31bb) Der Begriff des Ausrichtens einer Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ist autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung der Verordnung zu berücksichtigen sind, um deren volle Wirksamkeit zu sichern (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – C-96/00 Rudolf Gabriel, IPRax 2003, 50 Rn. 37; Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 55). Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO bezweckt insofern den Ausgleich zwischen dem als schutzwürdig betrachteten Interesse des Verbrauchers, nicht vor einem ausländischen Gericht seine Rechte verfolgen zu müssen und sich deshalb besondere inländische Zuständigkeitsregeln zu sichern, und den Belangen des Unternehmers, der mit Klagen vor den Gerichten anderer Staaten rechnen muss und für den diese mit dem Schutz des Verbrauchers verbundenen Folgen nur zumutbar sind, wenn und weil er sich bewusst für eine Betätigung auch auf diesem fremden Markt entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – IX ZR 38/16, IPRax 2018, 620 Rn. 12). Entscheidend ist danach, ob bereits vor dem Vertragsschluss mit dem konkreten Verbraucher objektive Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern in dem Wohnsitzstaat des betreffenden Verbrauchers tätigen wollte, und zwar in dem Sinne, dass der Unternehmer zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 76 und 92; BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 88/14, WM 2016, 1840 Rn. 14). Zu den Anhaltspunkten, anhand derer sich feststellen lässt, ob eine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichtet” ist, gehören alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens, Verbraucher in diesem Mitgliedstaat als Kunden zu gewinnen (EuGH, a.a.O. Rn. 80).
32Dies ist im Rahmen einer Gesamtschau und Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu ermitteln, unter denen der Vertrag geschlossen wurde und die Ausdrucksformen dieses Willens sind (grundlegend EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 80, 83 und 93; Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-218/12, Emrek, IPRax 2014, 63 Rn. 31; BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – IX ZR 10/16, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – IX ZR 38/16, IPRax 2018, 620 Rn. 13). Mögliche – wenngleich nicht abschließende – Anhaltspunkte, die (ggf. kombiniert) geeignet sind, das Bestehen einer auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten” Tätigkeit zu belegen, können sich ergeben aus dem internationalen Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, der Marktbedeutung und dem Zuschnitt des werbenden Unternehmens, der Ausgestaltung seiner Vertriebs- oder Liefermodalitäten, der ausdrücklichen Bezugnahme auf bestimmte Rechtsnormen einer ganz bestimmten Rechtsordnung oder der inhaltlichen Ausgestaltung der Werbemaßnahmen, der Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, der Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als dem des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, oder der Verwendung von neutralen Domänennamen oberster Stufe wie „.com” oder „.eu”, der Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung oder der Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, sowie der Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der üblicherweise in dem Mitgliedstaat, von dem aus der Gewerbetreibende seine Tätigkeit ausübt, verwendeten Sprachen und Währung (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 80 ff, 93; Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-218/12, Emrek, IPRax 2014, 63 Rn. 26, 28 f.; BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – IX ZR 67/16, WM 2017, 565 Rn. 24). Indizien für den Nachweis, dass der Vertrag an eine auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtete Tätigkeit anschließt, können darüber hinaus insbesondere die Aufnahme von Fernkontakt und der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz sein (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 – C-190/11, Mühlleitner, ZIP 2012, 2175 Rn. 44; Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-218/12, Emrek, IPRax 2014, 63 Rn. 28). Die bloße Einrichtung oder grenzüberschreitende Zugänglichkeit einer Internetseite oder der Abschluss des Vertrags selbst haben demgegenüber keine Bedeutung (BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – IX ZR 67/16, a.a.O. Rn. 24).
33cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze lassen sich zwar einzelne Anhaltspunkte im vorgenannten Sinne feststellen; diese sind jedoch im vorliegenden Einzelfall – auch kombiniert – nicht geeignet, im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein „Ausrichten“ der anwaltlichen Tätigkeit der Beklagten auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Klägers in Deutschland zu belegen (ebenso bereits in der Parallelsache OLG Köln, Beschluss vom 1. August 2021 – 8 W 4/20). Im Einzelnen gilt – neben den ausführlichen Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung – mit Blick auf die im Berufungsverfahren noch weiter in den Vordergrund gestellten Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung auch der rechtlichen Ausführungen des Klägers in dem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 15. September 2022 Folgendes:
34(1) Die bloße Einrichtung und grenzüberschreitende Zugänglichkeit der von den Beklagten betriebenen Internetseite stellt – wie dargelegt – keinen Anhaltspunkt für ein Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat dar (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 69 ff.).
35(2) Demgegenüber stellt die Angabe der internationalen Telefonvorwahl von Österreich auf der Internetseite der Beklagten zwar ein mögliches Indiz für ein solches Ausrichten dar. Es handelt sich hierbei aber um ein weniger gewichtiges Kriterium, dem allenfalls in Kombination mit anderen Anhaltspunkten Gewicht zukommen kann (vgl. Staudinger in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl. 2021, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 13a; gänzlich gegen einen Indizcharakter sogar MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 11). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 6. September 2012 (Rs. C-190/11, Mühlleitner, ZIP 2012, 2175), in dem der EuGH ausdrücklich klarstellt, dass die Frage des „Ausrichtens“ gerade nicht Gegenstand seiner Prüfung war (a.a.O. Rn. 30). Die gleiche Erwägung gilt für die Angabe des internationalen Postländerkürzels „A“.
36(3) Die weiteren Angaben auf der Internetseite der Beklagten, dass eine Kooperation mit einer Anwaltskanzlei in W. bestehe und Kontakte zu Anwälten im benachbarten Ausland unterhalten würden, stellen kein Indiz für den Willen dar, die Tätigkeit auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten auszurichten, erst recht nicht für ein Ausrichten auf Deutschland. Ein potentieller deutscher Mandant muss nicht den Umweg über eine österreichische Anwaltskanzlei gehen, wenn es ihm auf Kontakt zu Anwälten in Deutschland ankommt, so dass der Hinweis auf die Kooperation mit ausländischen Anwälten eher für die Akquise österreichischer Mandanten mit grenzüberschreitenden Anliegen von Relevanz ist. Gleiches gilt für den weiteren im Raume stehenden Inhalt der Internetseite, wie bspw. eine Fachgebietsangabe „Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht“.
37(4) Auch die Möglichkeit, auf der Internetseite über ein Kontaktfeld in Dialog mit den Beklagten zu treten, stellt als technisches Mittel zur Erleichterung einer Kontaktaufnahme kein Indiz für ein Ausrichten der Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat dar (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, Pammer und Hotel Alpenhof, IPRax 2012, 160 Rn. 79).
38(5) Gleiches gilt für die Einbettung von Google Maps in die Internetseite zur Ermöglichung einer Routenplanung zur Kanzlei der Beklagten. Anders als eine Anfahrtsbeschreibung von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung, die ein Indiz für das Ausrichten der Tätigkeit auf diese Mitgliedstaaten darstellen kann, erfolgt die Einbettung von Google Maps ohne konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat.
39(6) Im Übrigen finden sich keine weitergehenden Aspekte im Zusammenhang mit der von den Beklagten vorgehaltenen Internetseite.
40Dass diese in deutscher Sprache verfasst ist, ist ohne Relevanz, da es sich insofern auch um die Amtssprache der Republik Österreich handelt.
41In gleicher Weise ergibt sich auch aus der verwendeten länderspezifischen Top-Level-Domain „at“ für Österreich nichts, was für ein grenzüberschreitendes Ausrichten der Tätigkeit spricht; im Gegenteil deutet die fehlende Verwendung einer generischen Top-Level-Domain wie z.B. „com“ oder gar der länderspezifischen Domain eines anderen Mitgliedstaates (bei Ausrichtung auf Deutschland würde bspw. „de“ naheliegen) eher auf eine rein österreichische Ausrichtung hin (vgl. Mankowski, IPRax 2012, 144, 152).
42Auch aus der Auffindbarkeit über die Suchmaschine „google.de“ ergibt sich vorliegend kein Indiz für ein Ausrichten. Insoweit hat der EuGH das Tätigen von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst zwar als möglichen Gesichtspunkt bezeichnet, welcher geeignet wäre, die Feststellung zu erlauben, dass eine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat ausgerichtet sei, nicht hingegen die bloße Auffindbarkeit über einen solchen Dienst.
43Dass die Internetseite der Beklagten keinen sog. „Disclaimer“ enthielt, spricht schließlich ebenfalls nicht für ein Ausrichten, da es aus den vorgenannten Gründen – mit Ausnahme des schwachen und für sich allein nicht tragenden Kriteriums der Verwendung der internationalen Telefonvorwahl und des Postländerkürzels – auf der Internetseite schlicht keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Ausrichten der Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat gab, gegen die man sich im Sinne eines „Disclaimer“ hätte verwahren müssen, um einen ggf. falschen Eindruck eines solchen Ausrichtens zu verhindern.
44(7) Über die vorgenannten Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Internetseite der Beklagten hinaus, ergeben sich auch keine hinreichend tragfähigen weiteren Umstände, die für sich alleine oder wenigstens im Rahmen einer Gesamtschau und in Kombination mit der auf der Internetseite verwendeten internationalen Telefonvorwahl bzw. des Postländerkürzels geeignet wären, ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf Deutschland zu belegen.
45So ist zunächst die Behauptung des Klägers, dass die Beklagten auch auf weiteren Internetseiten und -plattformen wie E. oder F. aktiv seien, nicht zu berücksichtigen. Insoweit haben die Beklagten bestritten, dass dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits der Fall war, ohne dass der Kläger seinen diesbezüglichen Vortrag in zeitlicher Hinsicht substantiiert oder Beweis angeboten hätte. Aus der zudem angeblich von dem Beklagten A. vorgehaltenen Webseite bei der „internationalen geschäftlichen“ Plattform „„Zitat wurde entfernt““ – zu der die im Schriftsatz vom 10.06.2021 in Bezug genommene Anlage A 118 nicht vorliegt – lässt sich ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf Deutschland ebenfalls nicht verifizieren. Im Gegenteil handelt es sich bei dieser Seite, wie sie aufgrund der im Schriftsatz angegebenen Internetadresse abrufbar ist, um ein Portal mit vom Betreiber des Portals voreingetragenen Daten, die offenkundig ohne Zutun des Beklagten A. gelistet wurden.
46Auch aus der Abrechnung des Mandats mit der deutschen Rechtsschutzversicherung ergibt sich nichts für ein Ausrichten der Tätigkeit auf deutsche Mandanten. Da entscheidend ist, ob bereits vor dem Vertragsschluss mit dem konkreten Verbraucher objektive Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern in dem Wohnsitzstaat des betreffenden Verbrauchers tätigen wollte, vermag die Abrechnung nach Vertragsschluss keinen tragfähigen Anhaltspunkt zu begründen.
47Hiernach mag man zusätzlich zu dem oben angesprochenen Umstand der Verwendung einer internationalen Telefonvorwahl und dem Postländerkürzel daher allenfalls als weiteren Anhaltspunkt berücksichtigen, dass der Vertrag entsprechend der im Urteil des EuGH vom 6. September 2012 (Rs. C-190/11, Mühlleitner, ZIP 2012, 2175 Rn. 44) dargestellten weiteren Indizien der Aufnahme von Fernkontakt und dem Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Dieses Indiz, dass lediglich rückblickend darauf schließen lassen kann, dass der geschlossene Vertrag an eine auf einen anderen Mitgliedsstaat ausgerichtete Tätigkeit anschließt, vermag hier jedoch angesichts der allenfalls rudimentären Anhaltspunkte aus dem Vorfeld des Vertragsschlusses (internationale Telefonvorwahl / Postländerkürzel) weder für sich noch zusammen mit diesen einen ausreichenden Beleg für die Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten auf Deutschland zu begründen.
483. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht; Gegenstand dieser Entscheidung ist allein die tatrichterliche Würdigung, ob ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung der höchstrichterlich ausgearbeiteten Anhaltspunkte im vorliegenden Einzelfall belegt ist.
49Streitwert des Berufungsverfahrens: 410.000,00 €