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Das Ablehnungsgesuch des Verfügungsbeklagten gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Richter vom 03.02.2022 wird für unbegründet erklärt.
Gründe:
2Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet eine Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Ein solcher Grund kann zwar durchaus auch im Zusammenhang mit richterlichen Hinweisen (§ 139 ZPO) auftreten, welche auf die Ausübung von materiellen Gestaltungsrechten, prozessualen Handlungsoptionen (wie z.B. eine „Flucht in die Säumnis“) oder bisher gar nicht erst im Parteivortrag angedeutete materielle Einreden/Einwendungen strikt zu Gunsten einer Partei abzielen (dazu etwa im Überblick statt aller Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 42 Rn. 12; MüKo-ZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, § 42 Rn. 59 f. m.w.N.).
3Ein solcher Fall potentiell einseitiger „Unterstützung“ einer Partei liegt mit der hier fraglichen Verfügung der Vorsitzenden vom 05.01.2022 (Bl. 40 d. Senatshefts), in der in der noch laufenden (unverlängerten) Berufungsbegründungsfrist auf den Antrag vom 03.01.2022 (Bl. 38 d. Senatshefts) hin nur „vorsorglich“ auf die Frage einer etwaigen Dringlichkeitsschädlichkeit des Antrages verwiesen worden und mit Blick darauf ein weiteres Festhalten an dem Verlängerungsantrag „abgefragt“ worden ist, aber noch nicht vor. Richtig ist zwar, dass - wie auch die Stellungnahme des Verfügungsbeklagten vom 15.02.2022 (Bl. 165 ff. d. Senatshefts) betont - mit der Glaubhaftmachung eines sog. Verfügungsgrundes durchaus Fragen des materiellen Rechts berührt sind und der richterliche Hinweis insofern durchaus eine (eilige) Reaktion des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers „herausgefordert“ haben mag.
4Das allein genügt aber nicht für die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit: Weil die Frage, ob und wie das Stellen von Fristverlängerungsanträgen für die Berufungsbegründungsfrist in einstweiligen Verfügungsverfahren „dringlichkeitsschädlich“ ist, ohnehin noch nicht im letzten Detail als geklärt anzusehen und die Handhabung einer (möglichen) „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit jedenfalls von gewissen regionalen Unterschieden geprägt sein dürfte (vgl. etwa aus jüngerer Zeit zum Thema neben der in der Verfügung der Vorsitzenden Richterin zitierten OLG-Entscheidung etwa OLG Dresden v. 06.03.2018 – 4 U 1675/17, juris = NJW-RR 2018, 1135; OLG Nürnberg v. 07.11.2017 – 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630 Rn. 12 f.; Senat v. 18.03.2019 - 15 U 25/19, BeckRS 2019, 22208 Rn. 3; Schuschke/Roderburg, in: Schuschke u.a., Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, Vor § 935 Rn. 105 m.w.N.), wird teilweise ein richterlicher Hinweis auf das Problem vor einer Entscheidung über eine beantragte Fristverlängerung aus Gründen des fairen Verfahrens sogar ausdrücklich für geboten gehalten (so deutlich Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401; Kaiser, in: Götting/Nordemann, UWG, 3. Auflage 2016, § 12 Rn. 171; Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 940 Rn. 90 und offenbar auch OLG Frankfurt v. 24.09.2015 – 6 U 60/15, BeckRS 2016, 1414 Rn. 4). Zwar teilt die h.M. diese Einschätzung nicht und meint, dass das Gericht – insbesondere gegenüber einem im einstweiligen Rechtsschutz angesichts seines angegebenen anwaltlichen Betätigungsfeldes erwartungsgemäß mit der Thematik „bewanderten“ Rechtsanwalt - keinen Hinweis zu erteilen „brauche“ (so etwa OLG Düsseldorf v. 15.07.2002 - 20 U 74/02, GRUR-RR 2003, 31, 32; OLG München v. 30.06.2016 - 6 U 531/16, WRP 2016, 1404, 1414 f.; OLG Dresden v. 06.03.2018 – 4 U 1675/17, juris Rn. 12; OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 12 Rn. 2.16; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1433). Das bedeutet aber noch nicht, dass ein dennoch etwa aus Gründen des fairen Verfahrens erteilter richterlicher Hinweis damit sogleich grob verfahrensfehlerhaft wäre bzw. sogar (mehr oder weniger automatisch) die Besorgnis einer Befangenheit begründen muss.
5Für die Annahme einer solchen Besorgnis bestand hier auch aus einem weiteren Grund kein Anlass: Denn im weiteren Verlauf des Verfahrens wird vom Senat zu klären sein, ob ggf.– wie die Berufungserwiderung des Verfügungsbeklagten meint – bereits das schlichte Stellen eines Verlängerungsantrages „dringlichkeitsschädlich“ gewesen ist (so die in der richterlichen Verfügung der Vorsitzenden zitierte Entscheidung des OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384) oder erst das - hier in der Tat dann fehlende - „Ausschöpfen“ einer solchen (ggf. verlängerten) Frist, so dass etwa eine auf Hinweis noch ausreichend zeitnah erfolgende Begründung unschädlich wäre (so OLG Frankfurt v. 24.09.2015 – 6 U 60/15, BeckRS 2016, 1414 Rn. 4). Auch insofern lag es nahe, dass gerade beide Parteien als Adressaten der - offen gehaltenen - richterlichen Verfügung infolge des richterlichen Hinweises auf eine einschlägige OLG-Entscheidung inhaltlich weiter ausführen und so die Entscheidungsfindung fördern würden; dies hat die Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten auf S. 23 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 157 ff. d. Senatshefts) dann auch getan. Dass hier noch keine Vorfestlegung erfolgen sollte, hat die Vorsitzende Richterin in ihrer dienstlichen Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO (Bl. 161 d. Senatshefts) erklärt und anders war diese Verfügung aus Sicht einer verständigen Prozesspartei auch gar nicht zu verstehen. Eine einseitige „Rechtsberatung“ nur zu Gunsten des Verfügungsklägers liegt aus Sicht einer verständigen Partei in dem Hinweis daher nicht.
6Soweit das Gesuch im Übrigen an eine angebliche weitere „Rechtsberatung“ durch das Landgericht in den Entscheidungsgründen und/oder die angeblich bedenkliche Verhandlungsführung in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz anknüpft, hat diese „Rechtsberatung“ - so sie nicht ohnehin bereits vom Verfügungskläger schriftsätzlich vorweggenommen war – ebenso wie die Verhandlungsführung jedenfalls nicht die dabei gar nicht tätig gewordene Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Richter zu verantworten. Die Verhandlungsführung und/oder die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil tragen folgerichtig daher auch keine andere und dem Verfügungsbeklagten günstigere Bewertung des von der Vorsitzenden erteilten richterlichen Hinweises.
7Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet im Hinblick auf § 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO aus und ist zudem auch in der Sache nicht geboten.
8Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass mit dieser nicht mehr anfechtbaren Entscheidung des Senats das Tätigkeitsverbot der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Richter aus § 47 Abs. 1 ZPO sogleich ihr Ende findet (vgl. allg. BGH v. 07.03.2012 - AnwZ (B) 13/10, BeckRS 2012, 7842 Rn. 11). Die anberaumte mündliche Verhandlung wird daher nunmehr in der Besetzung des vorangehenden Verfahrens zu Az.: 15 W 41/21 unter ihrem Vorsitz durchgeführt werden.
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