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Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 27.04.2022 – 15 F 141/20 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 12.213,00 €
Oberlandesgericht Köln
2B E S C H L U S S
3In der Familiensache
4hat der 10. Zivilsenat – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Köln durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht E., die Richterin am Oberlandesgericht I. und den Richter am Oberlandesgericht Z.
5am 10.11.2022
6b e s c h l o s s e n :
7Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 27.04.2022 – 15 F 141/20 - wird zurückgewiesen.
8Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
9Wert des Beschwerdeverfahrens: 12.213,00 €
10Gründe:
11I.
12Die Beteiligten, die am 10.12.2011 die Ehe geschlossen hatten, leben getrennt, wobei zwischen ihnen der genaue Trennungszeitpunkt – den der Antragsteller mit Dezember 2019, die Antragsgegnerin mit Februar 2020 behauptet – streitig ist. Der Antragsteller hat die Scheidung der Ehe beantragt. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht – Familiengericht – Eschweiler die Ehe der Beteiligten geschieden und zur Begründung ausgeführt, die Ehe sei gescheitert; aus der Anhörung der Beteiligten ergebe sich eine Trennung spätestens seit Februar 2020. Die Beteiligten seien sehr zerstritten, der Antragsteller habe eine neue Partnerin. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten wieder zueinander finden könnten, seien nicht ersichtlich. Wegen des weiteren Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 87 – 90 d.A. Bezug genommen.
13Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die meint, die Ehe sei nicht gescheitert. Streitigkeiten in den Unterhaltsverfahren könnten hierfür nicht als Indiz dienen; auch seien die Beteiligten respektvoll miteinander umgegangen, sie – die Antragsgegnerin – habe bis heute die Wahrnehmung, eine gute Ehe geführt zu haben. Die Trennung sei für sie unvorbereitet gekommen und von ihr nicht gewollt gewesen. Sie sei bereit, wieder mit dem Antragsteller zusammenzuleben.
14Die Antragsgegnerin beantragt,
15den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 27.04.2022 – 15 F 141/20 – aufzuheben und den Ehescheidungsantrag zurückzuweisen.
16Der Antragsteller beantragt,
17die Beschwerde zurückzuweisen.
18Er meint, die Antragsgegnerin halte nur aus finanziellen (Unterhalts-)Gründen an der Ehe fest. Er sei nicht bereit, die Partnerschaft mit ihr wieder aufzunehmen; er habe eine neue Lebensgefährtin, würde aber selbst ohne diese nicht zur Antragsgegnerin zurückkehren wollen.
19II.
20Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg, weil das Amtsgericht zu Recht die Beteiligten geschieden hat. Die Gründe hierfür ergeben sich im Einzelnen aus dem Beschluss des Senats vom 26.09.2022 (Bl. 129 ff. d.A.), die der Senat auch in der gegenwärtigen Besetzung teilt und in welchem ausgeführt worden ist wie folgt:
21„Die Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist; dies ist der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 BGB. Hierfür streitet zwar, worauf die Beschwerde im Grundsatz zu Recht verweist, mangels einvernehmlicher Scheidung nicht schon die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB. Gleichwohl ist mit dem Amtsgericht davon auszugehen, dass die Ehe gescheitert ist.
22Ob die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, ist außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1566 BGB als tatrichterliche Prognose unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden (BGH, Urt. v. 14.06.1978 - IV ZR 164/77, FamRZ 1978, 671). Hierbei folgt aus der Trennungszeit von über einem Jahr zwar noch keine tatsächliche Vermutung für das Scheitern der Ehe. Gleichwohl rechnet zur Prognose auch, dass mangels entgegenstehender Indizien davon auszugehen ist, dass nach Wegfall der Lebensgemeinschaft ein Scheidungsbegehren verbunden mit der Selbstdiagnose des Scheiterns der Ehe nach menschlicher Lebenserfahrung für eine negative Eheprognose spricht (vgl. Staudinger-Rauscher (2018), § 1565, Rn. 54). Eine Ehescheidung ist für die Betroffenen regelmäßig mit so tiefer menschlicher und wirtschaftlicher Belastung verbunden, dass nicht aus einem scheinobjektiven Blickwinkel leichtfertig der Vorwurf der Unbesonnenheit gemacht werden kann; hinzu kommt die weitere Lebenserfahrung, dass eine Gegenläufigkeit von Diagnose und Prognose eher als die Ausnahme anzusehen ist (vgl. Staudinger, a.a.O.).
23Entscheidend ist aber stets, ob die Ehekrise überwindbar erscheint oder ob dem einen oder dem anderen Ehegatten jegliche Versöhnungsbereitschaft fehlt. Eine – wie hier - einseitige Zerrüttung auf Seiten eines Ehegatten reicht daher aus, wenn aus dem Verhalten und den glaubhaften Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen, weil bereits dann eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist (OLG Naumburg, Urt. v. 07.04.2005 - 3 UF 183/04, FamRZ 2006, 43; OLG Zweibrücken, Urt. v. 06.04.2006 - 6 UF 208/05, FamRZ 2006, 1210).
24Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die Ehe der Beteiligten gescheitert.
25Die Beteiligten haben sich – selbst nach eigenem Vortrag der Antragsgegnerin – (spätestens) im Februar 2020 und damit vor ca. 2 ½ Jahren getrennt und seitdem zu keinem Zeitpunkt die eheliche Lebensgemeinschaft wiederhergestellt. Auch Versöhnungsversuche gab es nicht.
26Der Antragsteller – der Scheidungsantrag gestellt hat – hat ferner im Rahmen der Anhörung bekundet, er sehe die Ehe als zerrüttet an und wolle geschieden werden.
27Zwar hat die Antragsgegnerin die Ehe nicht ausdrücklich als zerrüttet bezeichnet, aber immerhin – in der Vergangenheitsform – bekundet, sie „habe gehofft“, es gebe noch eine zweite Chance, „dazu ist es aber nicht gekommen“ (Bl. 81 d.A.). Auch hat sie – mit dem flankierenden Hinweis, vielleicht sei sie „sentimental“, formuliert, sie „hänge daran“. Dass sie – wie mit der Beschwerde behauptet – die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufnehmen wolle (Bl. 115 d.A.), ergibt sich indes aus diesen Bekundungen bereits nicht eindeutig. Maßgebend aber bleibt, dass eine Versöhnungsbereitschaft naturgemäß nur dann ein Scheitern ausschließen kann, wenn sie auf beiden Seiten besteht (vgl. Staudinger-Rauscher (2018), § 1565, Rn. 60), wovon vorliegend nicht ausgegangen werden kann. Der Antragsteller hat eine Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft in seiner Anhörung und in seinem Beschwerdevorbringen klar zurückgewiesen. Nicht nur, dass er bereits eine neue Partnerin hat, hat der Antragsteller zudem noch vorgetragen, selbst dann nicht zur Antragsgegnerin zurückkehren wollen, wenn er ohne aktuelle Beziehung wäre (Bl. 124 d.A.).
28Es mag sein – und wäre erfreulich – dass, wie die Beschwerde ausführt, die Beteiligten sich nicht herablassend, degradierend oder negativ über den vormaligen Partner auslassen (Bl. 115 d.A.). Ein solches Verhalten, mag es auch tatsächlich öfter in Scheidungssachen zu beobachten sein, ist aber kein zwingend erforderliches Merkmal für die Annahme einer Zerrüttung, welche im Gegenteil auch und schon dann vorliegen kann, wenn ein Partner, wie hier, unter keinen Umständen zur Wiederaufnahme der Beziehung bereit ist. Die Beschwerde verkennt insoweit, dass es nicht nur eines versöhnlichen Umgangs miteinander, sondern einer – positiv feststellbaren - Versöhnungsbereitschaft beider Seiten bedurft hätte, um eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft für auch nur denkbar zu erachten. Eine einseitige Bereitschaft, in der Ehe zu verbleiben, genügt indes naturgemäß nicht, um eine positive Fortsetzungsprognose der Beziehung beider Beteiligter annehmen zu können.“.
29Soweit die Antragsgegnerin hierzu mit Schriftsatz vom 07.11.2022 (Bl. 151 d.A.) Stellung genommen hat, rechtfertigen die dortigen Ausführungen keine anderweitige Beurteilung. Die Frage, ob man Weihnachten 2019 noch zusammen verbracht hat, ist für die Zerrüttung ersichtlich ebenso irrelevant wie der Umstand, dass man zunächst (aber eben aktuell gerade nicht mehr) gemeinsam in getrennten Zimmern die eheliche Immobilie weiter bewohnte. Soweit die Antragsgegnerin schließlich meint, die Gründe des Antragstellers für die Trennung seien ihr nicht erklärlich, mag dies ein auf der persönlichen Gefühlsebene nachvollziehbar schmerzlicher Umstand sein; für die Frage der Zerrüttung ist aber maßgebend, ob eine Fortsetzungsprognose der Ehe getroffen werden kann. Eine solche scheidet aus, wenn einer der Partner „nicht mehr will“ – insofern erst Recht, wenn er sich sogar einer Begründung hierüber gegenüber dem Ehegatten enthält, zeigt doch gerade dies das Maß der Kommunikationsstörungen.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung auf §§ 40, 43 FamGKG.