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Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gegen das am 17.07.2020 verkündete Teilurteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 212/19 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe:
2I.
3Der Senat ist einstimmig der Ansicht, dass die zulässige Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung ebenfalls nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.
4Das Landgericht hat durch das angegriffene Teilurteil den von der Klägerin im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruch aus abgetretenem Recht gemäß § 242 BGB auf Offenlegung der nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 1008/2008 auszuweisenden Steuern und Gebühren für die streitgegenständlichen, von den Zedenten nicht angetretenen Flügen zu Recht bejaht.
5Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, welche mit der Berufung auch im Einzelnen nicht angegriffen werden. Danach ist das Landgericht – unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Einbeziehung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Beklagten – genauso rechtsfehlerfrei von der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts ausgegangen wie von der Unwirksamkeit des Abtretungsverbots in Ziff. 15.4 ABB und der Ausschlussfrist von einem Monat für die Geltendmachung von Rückerstattungsansprüchen wegen staatlicher Steuern in Ziff. 4.2.1 ABB, jeweils wegen unangemessener Benachteiligung der Zedenten entgegen Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 BGB).
6Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgebrachten weiteren rechtlichen Gesichtspunkte gegen die Entscheidung rechtfertigen keine andere rechtliche Beurteilung; das Rechtsmittel ist unbegründet.
7Im Einzelnen gilt folgendes:
81. Soweit die Beklagte mit der Berufung – vermeintlich „erneut“ – die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts rügt, geht dieser Angriff fehl.
9a) Zwar kann das Fehlen der internationalen Zuständigkeit trotz § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz gerügt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht sie unzutreffend angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2003 – XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456, juris Rn 12 ff.; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 513 Rn. 8 m.w.N.). Dies wird überzeugend damit begründet, der Gesetzesbegründung zu § 513 Abs. 2 ZPO (BT-Drucks. 14/4722, S. 94) sei nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die internationale Zuständigkeit angesichts ihres hohen Gewichts für die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten, das internationale Privatrecht sowie das anwendbare Verfahrensrecht ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den innerstaatlichen Gerichten teilweise der Nachprüfung im Berufungsverfahren habe entziehen wollen (BGH, a.a.O. Rn. 14 m.w.N.).
10b) Das Landgericht war indes nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1 lit. a) und b) VO (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO oder Brüssel-Ia-VO) international für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
11aa) Nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO können Personen, die – wie die Beklagte – ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Dies ist hier der Fall.
12Bei der zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung in allen EU-Mitgliedsländern erforderlichen autonomen Auslegung setzt der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ eine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung voraus (EuGH, Urteil vom 07.03.2018 – C-274/16, C-447/16 und C-448/16, NJW 2018, 2105, juris Rn. 58 ff. - flightright; EuGH, Urteil vom 20.04.2016 – C-366/13, ZIP 2016, 1747 (1751) Rn. 53 - Profit Investment SIM; BGH, Urteil vom 26.03.2019 – XI ZR 228/17, NJW 2019, 2780, juris Rn. 35; jeweils m.w.N.). Bei einer Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge genügt hierfür die Feststellung, dass ohne eine freiwillig eingegangene vertragliche Beziehung zwischen den Parteien nicht gezahlt worden wäre und kein Rückgewähranspruch bestünde. Dieser Kausalzusammenhang zwischen dem Rückgewähranspruch und der vertraglichen Beziehung reicht aus, um die Klage auf Rückgewähr zu den Fällen zu zählen, in denen ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden (EuGH, Urteil vom 20.04.2016 – C-366/13, ZIP 2016, 1747 [1751] Rn. 55 - Profit Investment SIM; BGH, Urteil vom 26.03.2019 – XI ZR 228/17, a.a.O.).
13Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht zunächst Auskunftsansprüche hinsichtlich der Höhe der von den Zedenten an die Beklagte für die vertraglich vereinbarten Flugbeförderungsleistungen gezahlten Steuern und Gebühren geltend, um auf der zweiten Stufe deren Rückerstattung zu verlangen. Ein entsprechender Rückzahlungsanspruch in einem Kausalzusammenhang mit der vertraglichen Beziehung zwischen der Beklagten und den Zedenten aus dem Luftbeförderungsvertrag folgt hierbei nach deutschem Recht aus § 648 Satz 2 BGB. Hiernach behält das Luftfahrtunternehmen im Fall einer konkludenten Kündigung des Beförderungsvertrags durch Nichtantritt eines Fluges zwar seinen Anspruch auf das vereinbarte Flugentgelt, es muss sich aber gleichwohl dasjenige anrechnen lassen, was es durch den Nichtantritt des Fluges erspart hat. Dies sind jedenfalls die auf den betroffenen Fluggast entfallenden Steuern und Gebühren, welche nur anfallen, wenn der Fluggast den Flug auch tatsächlich antritt (LG Kleve, Teilurteil vom 14.10.2020 – 2 O 252/19, juris Rn. 14 ff.; LG Frankfurt a. M., Teilurteil vom 03.07.2020 – 24 O 100/19; NJW-RR 2020, 1312 [1313]).
14bb) Der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. a), b) EuGVVO begründet für sämtliche Klagen aus einem Luftbeförderungsvertrag einen einheitlichen Gerichtsstand (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2020 – X ZR 10/19, juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Grundsätzlich soll nur ein Gericht für alle Klagen aus dem Vertrag zuständig sein (EuGH, Urteil vom 09.07.2009 – C-204/08, RRa 2009, 234, juris Rn. 34 – Rehder; BGH, a.a.O. Rn. 28). Bei einem Vertrag über eine Luftbeförderung ist Erfüllungsort – nach Wahl des Fluggastes – jedenfalls der Ort des vertragsgemäßen Abflugs oder der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 47; EuGH, Urteil vom 18.11.2020 – C-519/19, juris Rn. 62 m.w.N.; BGH, a.a.O. Rn. 29 m.w.N.). In sämtlichen streitgegenständlichen Fällen war der Flughaften A entweder Abflug- oder Zielflughafen, sodass ein internationaler Gerichtsstand in B besteht.
15cc) Der internationalen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts steht auch keine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO entgegen.
16(1) Soweit die Berufung gegen die internationale Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts eine Gerichtsstandsklausel in ihren ABB einwendet, hat sie den Inhalt sowie die Voraussetzungen einer wirksamen Gerichtsstandsklausel gemäß Art. 25 EuGVVO weder erstinstanzlich noch mit der Berufungsbegründung überhaupt dargelegt.
17(2) Abgesehen davon hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren zu einer Gerichtsstandsklausel der Beklagten zugunsten der Zuständigkeit der irischen Gerichte für sämtliche Streitigkeiten aus dem Beförderungsvertrag jüngst entschieden, dass Art. 25 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass eine Fluggesellschaft eine Gerichtsstandsklausel, die in einem zwischen ihr und einem Fluggast geschlossenen Beförderungsvertrag enthalten ist, einer Inkassogesellschaft, an die der Fluggast seine Forderung abgetreten hat, nicht entgegenhalten kann, um die Zuständigkeit eines Gerichts für die Entscheidung einer gegen sie auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-VO) erhobenen Klage auf eine Ausgleichsleistung in Abrede zu stellen, es sei denn, dass nach den Rechtsvorschriften des Staates, dessen Gerichte in dieser Klausel bestimmt sind, die Inkassogesellschaft in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (EuGH, Urteil vom 18.11.2020 – C-519/19, juris - E). Zwar bleiben die gerichtliche Zuständigkeit und insbesondere Gerichtsstandsvereinbarungen nach deutschem Recht von einer Abtretung grundsätzlich unberührt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. § 398 Rn. 18 m.w.N.), sodass im Falle einer – hier nicht dargelegten – wirksamen Gerichtsstandsklausel der Zessionar hieran gebunden wäre. Für diesen Fall hat der Gemeinschaftsgerichtshof aber weiter entschieden, dass eine solche Gerichtsstandsklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft, die dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist, gleichwohl als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) angesehen und von einem nationalen Gericht für unanwendbar erklärt werden kann. Denn eine solche Klausel gehöre zu der im Anhang der Klausel-RL unter Nr. 1 lit. q genannten Gruppe von Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen (EuGH a.a.O, Rn. 57 ff.). Insoweit hat der Gerichtshof auch ausdrücklich klargestellt, dass der Anwendungsbereich der für Verbraucherverträge geltenden Klausel-RL nicht von der Identität der Parteien des fraglichen Rechtsstreits, sondern vielmehr von der Eigenschaft der Vertragsparteien abhängig ist (EuGH a.a.O, Rn. 53 f.).
18dd) Soweit die Berufung darüber hinaus zur Begründung ihrer Zuständigkeitsrüge auf die Rechtsprechung des Gemeinschaftsgerichtshofs zum Verlust des Verbrauchergerichtsstands nach Art. 17 f. EuGVVO (bis zum 28.02.2002: Art. 13 EuGVÜ) im Falle der Abtretung an einen Zessionar, der selbst nicht die Verbrauchereigenschaft hat, verweist (vgl. EuGH NJW 1993, 1251), liegt schließlich auch dieser Einwand neben der Sache. Denn die internationale Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts folgt hier gerade nicht aus dieser Regelung zum Verbrauchergerichtsstand, die gemäß Art. 17 Abs. 3 EuGVVO auf Beförderungsverträge ohnehin keine Anwendung findet, sondern – wie dargelegt – unabhängig von der Verbrauchereigenschaft der Zedenten aus Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 lit. a), b) EuGVVO.
192. Die Klage ist als Stufenklage gemäß § 254 ZPO zulässig. Die Klägerin verbindet ihren Zahlungsantrag mit einem Auskunftsantrag, weil sie ohne die begehrte Auskunft nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsantrag zu begründen.
203. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist deutsches Recht anwendbar. Denn selbst im Fall ihrer wirksamen Vereinbarung ist die von der Beklagten verwendete Rechtswahlklausel (Ziff. 2.4.1 ABB) zu Gunsten des irischen Rechts (Ziff. 2.4.1. ABB) wegen Verstoßes gegen die Klausel-RL unwirksam.
21a) Zwar richtet sich die Wirksamkeit der Rechtswahlabrede gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V.m Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) nach irischem Recht als dem Recht des Staates, das zur Anwendung käme, wenn die Rechtswahlklausel wirksam wäre. Zum Kontrollmaßstab einer Rechtswahlklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft gehören aber nach der Rechtsprechung des EuGH auch die der Umsetzung der Klausel-RL dienenden Vorschriften, welche richtlinienkonform auszulegen sind. Hierzu hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass es sich bei der Klausel-RL um eine allgemeine Regelung zum Schutz der Verbraucher handelt, die in allen Wirtschaftszweigen einschließlich desjenigen des Luftverkehrs anwendbar ist (zuletzt EuGH, Urteil 18.11.2020 – C-519/19, juris Rn. 52 m.w.N. - E). Eine Rechtswahlklausel darf daher nicht gegen die Mindestvorgaben nach Art. 3 Abs. 1 und 5 der Klausel-RL verstoßen und muss „in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz“ bei Beurteilung durch ein nationales Gericht genügen (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 - C-191/15, NJW 2016, 2727; juris Rn. 65 - C).
22b) Diese Voraussetzungen erfüllt die hier streitgegenständliche Rechtswahlklausel indes nicht. Vielmehr erweist sie sich als irreführend, intransparent und daher rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 der Klausel-RL.
23aa) Nach Art. 3 Satz 1 der Klausel-RL ist eine Rechtswahlklausel unwirksam, wenn sie treuwidrig zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte des Verbrauchers darstellt. Hiernach sind Rechtswahlabreden gegenüber Verbrauchern nicht nur auf ihre inhaltliche Angemessenheit, sondern auch auf ihre Transparenz hin zu kontrollieren. Insoweit sieht Art. 5 Satz 1 Klausel-RL vor, dass Klauseln, die einem Verbraucher in Verträgen unterbreitet werden, stets klar und verständlich abgefasst sein müssen, wobei dieses Transparenzgebot im Hinblick auf das regelmäßig vorherrschende Informationsgefälle zwischen Verbraucher und Unternehmer weit auszuglegen ist (EuGH, a.a.O., Rn. 68).
24Diesem Transparenzerfordernis wird die von der Beklagten verwendete Klausel nicht gerecht. Denn sie bringt zum Ausdruck, dass nur „Übereinkommen“ (definiert in den Begriffsbestimmungen unter Ziff. 1 ABB als Montrealer Übereinkommen) und – nicht näher definierte – „einschlägige Gesetze“ der Geltung des irischen Rechts für das Vertragsverhältnis mit der Beklagten entgegenstehen können. Ausgehend hiervon ergeben sich aber für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne juristische Vorkenntnisse bereits erhebliche Schwierigkeiten zu ermitteln, was genau unter diesen Begrifflichkeiten zu verstehen ist. So fehlt dem durchschnittlichen, nicht juristisch vorgebildeten Leser insbesondere jeglicher Anhaltspunkt, welcher Rechtsordnung die genannten „einschlägigen Gesetze“ zu entnehmen sind sowie welche nationalen, europäischen oder internationalen Rechtsvorschriften im Einzelnen gemeint sein könnten (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 17.07. 2020 – 25 O 212/19, juris Rn. 22, LG Frankfurt a. M., Teilurteil vom 03.07.2020 – 2-24 O 100/19; NJW-RR 2020, 1312 [1313], juris Rn. 25; AG Köln, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 142 C 616/18 –, juris, Rn. 29 f.; Staudinger JM 2019, 134 [135 f. ]).
25bb) Darüber hinaus ist die abschließende Aufführung von „einschlägige Gesetze" und „Übereinkommen" auch irreführend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL.
26Dem durchschnittlichen Verbraucher muss zur Vermeidung einer Irreführung hinreichend deutlich werden, welches bindende Recht im Einzelnen die Rechtswahlabrede beeinflussen könnte. Nach der C-Rechtsprechung des EuGH muss der Klauselsteller den Verbraucher insbesondere über solche bindenden Rechtsvorschriften unterrichten, welche die Wirkung einer Rechtswahlabrede bestimmen (EuGH, a.a.O., Rn. 69).
27Das ist hier aber gerade nicht geschehen, obwohl auf der Ebene des EU-Rechts für den Bereich der Personenluftbeförderung, auf die sich das Geschäftsfeld der Beklagten bezieht, insbesondere die Bestimmungen der Fluggastrechte-VO dem ausbedungenen irischen Rechts vorgehen. Diese Verordnung wird jedoch als vorrangiges Recht im Rahmen der Rechtswahlklausel gar nicht genannt und ihr Vorrang von dem Verweis auf „Übereinkommen“ und „einschlägige Gesetze“ nicht erfasst, wohingegen sie an anderen Stellen der ABB ausdrücklich Erwähnung findet. Somit suggeriert die Rechtswahlklausel im Ergebnis, dass das irische Recht auch der Fluggastrechte-VO vorgehe, was aber gerade nicht der Fall ist. Dies begründet neben der dargestellten Intransparenz auch eine Irreführung des Verbrauchers (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 17.07. 2020 – 25 O 212/19, juris Rn. 20; LG Frankfurt a. M., a.a.O.; AG Köln, a.a.O.; AG Bühl, Urteil vom 11.11.2019 – 2 C 106/19, juris Rn. 18; Staudinger JM 2019, 134 [136]).
28c) Aufgrund der Unwirksamkeit der Rechtswahlabrede in Art. 2.4.1 der ABB der Beklagten gilt nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 Rom-I-VO vorliegend deutsches Sachrecht. Denn nach dieser Vorschrift ist das Recht des Staats entscheidend, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder Bestimmungsort befindet. Dies war hier in allen Fällen unstreitig Deutschland.
294. Die Klägerin ist entgegen der Einwände der Berufung auch aktivlegitimiert, um von der Beklagten gemäß §§ 242, 398 Satz 2 BGB auf der ersten Stufe Auskunft über die im Rahmen der Flugbuchungen von den Zedenten vereinnahmten Steuern und Gebühren zu verlangen, weil die Beklagte diese Fremdgelder entgegen ihrer in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 1008/2008 normierten Informationspflicht in den jeweiligen Buchungsbestätigungen nicht ausgewiesen hat.
30a) Die Zedenten haben ihre Ansprüche auf Rückzahlung des Flugentgelts in Bezug auf Steuern und Gebühren wirksam an die Klägerin abgetreten.
31aa) Kopien der jeweiligen Abtretungsverträge in Schriftform (§ 126 BGB) zwischen den Zedenten und der Klägerin liegen vor (Anlagen K 1 ff., Anlagenordner). Die Beklagte ist der Echtheit dieser Erklärungen nicht entgegengetreten.
32bb) Die Klägerin und die auf den Abtretungserklärungen als Zessionarin angegebene „D GmbH“ sind identisch. Es hat nach allgemein zugänglichen Informationen offenkundig lediglich eine entsprechende Umfirmierung der Klägerin stattgefunden.
33cc) Die Abtretungsverträge zwischen den Zedenten und der Klägerin sind entgegen der erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Ansicht der Beklagten auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unwirksam.
34(1) Der Forderungskauf der Klägerin, der den Rechtsgrund für die Abtretungsverträge darstellt, verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien ist das Geschäftsmodell der Klägerin dem sog. „echten Factoring" zuzuordnen. Die Klägerin macht die von den Zedenten erworbenen Ansprüche vollständig im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko geltend. Wie die Beklagte selbst zutreffend dargelegt hat, unterfällt dieses „echte Factoring" nicht dem Anwendungsbereich des RDG (BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 Rn. 41 m.w.N.). Die entsprechende Tätigkeit der Klägerin, die auch zugelassene Rechtsdienstleisterin i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG ist, vermag mithin auch keinen Verstoß gegen das RDG zu begründen. Vielmehr macht die Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs des RDG in zulässiger Weise erworbene eigene Rechte im eigenen Namen geltend (LG Kleve, Teilurteil vom 14.10.2020 – 2 O 252/19; juris Rn. 35 ff.).
35(2) Darüber hinaus kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auch dahinstehen, ob für das Geschäftsmodell der Klägerin – wie die Beklagte ebenfalls erstmals mit der Berufung einwendet – eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 lit. a) Satz 2 Nr. 9 KWG bzw. § 1 Satz 2 Nr. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 ZAG notwendig ist. Denn das Fehlen einer solchen Erlaubnis führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB der jeweils zwischen einem Handelnden ohne Erlaubnis nach § 10 ZAG und einem Zahlungsdienstnutzer geschlossenen Rechtsgeschäfte, weil sich das Verbot allein gegen den ohne Erlaubnis Handelnden richtet, nicht aber gegen den Zahlungsdienstnutzer (vgl. Casper/Terlau/Walter, ZAG, 2. Aufl. 2020, § 10 Rn. 94; Schwennicke/Auerbach/Schwennicke, 4. Aufl. 2021, ZAG § 10 Rn. 94; jeweils m. w. N.).
365. Der Beklagten steht schließlich entgegen der erstmaligen Erhebung in der Berufungsbegründung auch kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
37Diese Bestimmung betrifft den Fall, dass der Schuldner einer abgetretenen Forderung an den neuen Gläubiger leistet. Der Schuldner ist dem neuen Gläubiger gegenüber zur Leistung nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde verpflichtet. Bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich somit um eine Schuldnerschutzbestimmung; sie soll den Schuldner einer abgetretenen Forderung vor der Gefahr schützen, an einen Nichtgläubiger zu leisten und ein zweites Mal in Anspruch genommen zu werden (BGH, Urteil vom 12.11.1992 - I ZR 194/90, NJW 1993, 1468 (1469)). Deshalb sieht das Gesetz vor, dass der Schuldner an einen als neuen Gläubiger Auftretenden nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde zu leisten braucht (BGH, Urteil vom 23.08.2012 – VII ZR 242/11 –, juris Rn. 13).
38In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob im Rahmen von § 410 BGB die Vorlage einer Fotokopie der Abtretungsurkunde genügt. Nach einer Auffassung soll aufgrund der Gleichstellung von Fotokopien mit Originalurkunden im allgemeinen Rechtsverkehr die Vorlage einer Fotokopie der Abtretungsurkunde ausreichend sein. Nur wenn der Schuldner verständliche Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Fotokopie erhebt, bestehe eine Verpflichtung zur Vorlage des Originals (so etwa BAG, Urteil vom 27.06.1968 – 5 AZR 312/67, juris Rn. 25). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 23.08.2012 – VII ZR 242/11 , juris Rn. 14 ff., 16 m.w.N.).
39Nach seiner Rechtsprechung ist die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB nach § 242 BGB jedoch rechtsmissbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Interesse des Ausübenden zugrunde liegt (BGH, a.a.O., juris Rn. 18). So liegt der Fall auch hier. Denn die Beklagte hat nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. ZPO zugrunde zu legenden erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen weder die tatsächliche Abtretung der Ansprüche durch die Zedenten an die Klägerin noch die Echtheit der in Kopie vorgelegten, der Schriftform gemäß § 126 BGB genügenden Abtretungserklärungen bestritten. Ihr erstmaliges pauschales Bestreiten der Abtretungen in ihrer Berufungsbegründung ist daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unzulässig. Nach Lage des vorliegenden Falles erscheint daher eine anderweitige Inanspruchnahme der Beklagten wegen der hier geltend gemachten Ansprüche ausgeschlossen. Ein schützenswertes Interesse der Beklagten an der Vorlage der Originale der Abtretungsurkunden ist nicht erkennbar (vgl. BGH, a.a.O.).
40II.
41Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen (Eingang bei Gericht). Auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme – statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG) – wird hingewiesen.
42III.
43Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte ausweislich des Rubrums der Berufungsschrift vom 31.08.2020 und im Übrigen auch gerichtsbekannt nicht als E Ltd. sondern in der irischen Rechtsform einer F (= F) als E F firmiert. Es ist daher beabsichtigt, das Passivrumbrum entsprechend abzuändern, sofern binnen der unter Ziff. II genannten Frist hiergegen keine Einwände durch die Parteien erhoben werden.