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I.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 21.08.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom 17.05.2019 – Az 407 F 182/18 – wird als unzulässig verworfen.
II.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen wird nicht gewährt.
III.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist vom 02.12.2021 wird zurückgewiesen.
IV.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
V.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der 27. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln
2hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht F., die Richterin am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Oberlandesgericht X.
3b e s c h l o s s e n :
4I.
5Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 21.08.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom 17.05.2019 – Az 407 F 182/18 – wird als unzulässig verworfen.
6II.
7Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen wird nicht gewährt.
8III.
9Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist vom 02.12.2021 wird zurückgewiesen.
10IV.
11Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
12V.
13Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
14G r ü n d e
15I.
16Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege der Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.
17Mit Urteil vom 25.09.2007 wurde die am 04.07.1979 geschlossene Ehe zwischen dem Antragsteller und seiner damaligen Ehefrau rechtskräftig geschieden. In der gesetzlichen Ehezeit vom 01.07.1979 bis 31.12.2006 hatten beide früheren Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Ausweislich der Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte die frühere Ehefrau eine auf das Ende der Ehezeit bezogene Anwartschaft in Höhe von monatlich 452,23 € und ausweislich der Auskunft der Versorgungsanstalt des Bunds und der Länder zusätzlich ehezeitliche Monatsrenten aus einer freiwilliger Versicherung von 2,88 € und auf eine Betriebsrente i.H.v. 169,45 € erlangt. Aus diesen Beträgen errechnete das Amtsgericht zunächst die Jahresrente sowie den Barwert und auf dieser Grundlage dynamische monatliche Renten i.H.v. 1,28 € und 75,31 €. Der Antragssteller hatte bei der K. G. bezogen auf das Ehezeitende ein Versorgungsanrecht von monatlich 1.034,01 € erlangt. Sodann begründete das Amtsgericht im Wege des Quasisplittings zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der K. G. (Personalnummer N01) auf dem Versicherungskonto Nr. N02 der früheren Ehefrau bei der DRV Bund Rentenanwartschaften von monatlich 252,60 € bezogen auf das Ehezeitende.
18Die frühere Ehefrau heiratete am 23.07.2011 den Beschwerdeführer. Sie verstarb am 21.05.2018. Mit Rentenbescheid vom 07.08.2018 bewilligte die Beteiligte zu 1. dem Beschwerdeführer eine sog. große Witwerrente.
19Mit dem am 10.07.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller beantragt, das Urteil vom 25.09.2007 abzuändern und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs auszusprechen. Er hat sich auf eine wesentliche Änderung der Rentenanwartschaften der früheren Ehefrau durch die zwischenzeitlich eingeführte sog. „Mütterrente“ und mögliche Änderungen seiner Pensionsansprüche berufen. Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Versorgungsträger mit Beschluss vom 17.05.2019 das Urteil vom 25.09.2007 hinsichtlich des Versorgungsausgleichs abgeändert und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. An dem Verfahren hat es den Beschwerdeführer nicht beteiligt; ihm ist die Entscheidung nicht zugestellt worden.
20Mit Bescheid vom 04.02.2020 hob die Beteiligte zu 1. unter Berufung auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 17.05.2019 den Rentenbescheid vom 07.08.2018 hinsichtlich der Rentenhöhe auf, setzte die Rente der Höhe nach neu fest und forderte den Beschwerdeführer zur Rückzahlung überzahlter Beträge auf. Der Beschwerdeführer legte hiergegen Widerspruch ein. Sein Verfahrensbevollmächtigter nahm im April 2020 Einsicht in die Verwaltungsakte der Beteiligten zu 1. und im Mai 2020 Akteneinsicht in die hiesige Akte. Mit Schreiben vom 06.07.2020 (Anlage K 9, Bl. 146 d. A.) wies ihn die Beteiligte zu 1. darauf hin, sie sei an den Beschluss des Amtsgerichts gebunden und regte an, dass der Beschwerdeführer eine Abänderung des Beschlusses beim Amtsgericht Bonn beantragen solle. Mit einem am 21.08.2020 beim Amtsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Abänderung der Durchführung der Versorgungsausgleichsentscheidung im Beschluss vom 17.05.2019. Mit Verfügung vom 04.09.2020 erteilte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer den Hinweis, ein vergessener Beteiligter könne unbefristet Beschwerde einlegen und bat um Mitteilung, ob der Antrag als Beschwerde aufgefasst werden solle. Der Beschwerdeführer teilte am 06.10.2020 mit, der Antrag solle als Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.05.2019 ausgelegt werden.
21Der Beschwerdeführer rügt, die Voraussetzungen für eine Totalrevision des Versorgungsausgleichs seien nicht erfüllt, da aufgrund der Änderung der Anrechte ein um 19,96 € höherer Versorgungsausgleich zu Lasten des Antragstellers bezogen auf das Ehezeitende vorzunehmen gewesen wäre.
22Der Antragsteller ist der Ansicht, angesichts der wesentlichen Wertänderung der Anwartschaften der früheren Ehefrau bei der Beteiligten zu 1. sei die angefochtene Entscheidung zutreffend. Weiter ist er der Ansicht, dass im Rahmen eines Abänderungsverfahrens der überlebende, frühere Ehegatte im Fall des Vorversterbens des ausgleichsberechtigten Ehegatten grundsätzlich und ohne Rücksicht auf dessen Hinterbliebene seine während der Ehezeit erworbenen Anrechte zurückerhalte.
23Der Senat hat mit Verfügung vom 08.11.2021 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde unzulässig sein dürfte. Der Beschwerdeführer hat hierzu mit Schriftsatz vom 02.12.2021 Stellung genommen und Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist bzw. den vorigen Stand beantragt.
24Zum Sachverhalt und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Eingaben der Beteiligten, die von den weiteren Beteiligten vorgelegten Auskünfte sowie bezüglich der angefochtenen Entscheidung auf diese Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift, ferner die weiteren zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
25Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme und haben gegen das Beschwerdevorbringen keine Einwände erhoben.
26II.
27Der Senat entscheidet wie angekündigt ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG) bzw. Erörterung in einem Termin (§ 221 FamFG), da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
28Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme und haben gegen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren keine Einwendungen erhoben.
291.
30Die Beschwerde ist nicht zulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden ist.
31a) Zulässiges Rechtsmittel gegen Versorgungsausgleichsentscheidungen ist die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG, die binnen einer Frist von einem Monat einzulegen ist, § 63 Abs. 1 FamFG. Nach § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG wird der Lauf der Frist jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten in Gang gesetzt. Kann die schriftliche Bekanntgabe nicht bewirkt werden, beginnt die Beschwerdefrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG.
32Der Beschwerdeführer ist, obgleich er als Hinterbliebener der ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehefrau des Antragstellers von der Entscheidung in seinen Rechten betroffen worden ist und daher am Verfahren zu beteiligen gewesen wäre, vom Amtsgericht nicht zum Verfahren hinzugezogen worden.
33Für den Fall, dass ein wegen materieller Betroffenheit von der Entscheidung zwingend am Verfahren zu Beteiligender tatsächlich nicht zum Verfahren hinzugezogen worden ist, er keine anderweitige Kenntnis vom Verfahren hatte und ihm der instanzabschließende Beschluss nicht bekannt gegeben worden ist, war in der Vergangenheit umstritten, welche Rechtsmittelfristen gelten (vgl. die Darstellung des Meinungsstands bei Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 63 Rn. 45 ff.; Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 63 Rn. 10 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – XII ZB 405-16, zitiert nach juris Rn. 24; BGH, Beschluss vom 05.12.2012 – I ZB 48/12, zitiert nach juris Rn. 27) begann für den übergangenen Beteiligten die Rechtsmittelfrist jedenfalls nicht vor Bekanntgabe der Entscheidung an ihn oder einer anderweitigen Kenntnisnahme zu laufen (BGH, Beschluss vom 22.04.2020 – XII 131/19, zitiert nach juris Rn. 13). Die in den vorzitierten Entscheidungen zunächst offen gelassene Frage, ob überhaupt eine Rechtsmittelfrist gilt oder die Beschwerdefrist für den übergangenen Betroffenen in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgabe oder anderweitigen Kenntnisnahme der Entscheidung beginnt, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.06.2021 in letztgenanntem Sinn beantwortet. In diesem Zusammenhang hat er zugleich klargestellt, dass dem übergangenen Betroffenen die Entscheidung nicht auf Veranlassung des Gerichts zur Kenntnis gelangt sein muss (BGH, Urteil vom 10.06.2021 - IX ZR 6/18, zitiert nach juris Rn. 35, 36).
34b) Soweit der Bundesgerichtshof in dem vorzitierten Urteil keine Entscheidung darüber getroffen hat, welche Rechtsmittelfrist für den übergangenen Betroffenen gilt (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2021 – IX ZR 6/18, zitiert nach juris Rn. 38), ist der Senat der Auffassung, dass die einmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG für den übergangenen Betroffenen, der Kenntnis vom Inhalt der anzufechtenden Entscheidung hat, gilt (so auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.01.2016, 9 UF 77/15, FamRZ 2016, 1797; OLG Köln, Beschluss vom 29.01.2013, 26 UF 109/12, zitiert nach juris Rn. 7). Zwar gebieten es die grundgesetzlich geschützten Ansprüche auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG) und Gewährleistung von Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), den Lauf der Beschwerdefrist für den übergangenen Beteiligten nicht vor der Möglichkeit seiner Kenntnisnahme der anzufechtenden Entscheidung beginnen zu lassen. Liegt dem übergangenen Betroffenen die Entscheidung jedoch in Textform vor und hat er von ihrem Inhalt Kenntnis, kann von ihm verlangt werden, dass er zur Wahrung seiner Rechte ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt (BGH, Urteil vom 10.06.2021 – IX ZR 6/18, zitiert nach juris Rn. 36). Dem übergangenen Betroffenen, dem die Entscheidung inhaltlich bekannt ist, eine längere Beschwerdefrist als die in § 63 Abs. 1 FamFG zuzubilligen, ist auch im Hinblick auf das Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten an Rechtssicherheit nicht geboten. Insofern ist die Interessenslage des „vergessenen Betroffenen“ vergleichbar mit der eines Betroffenen, der zwar am Verfahren beteiligt worden ist, dem aber die Entscheidung zunächst nicht bekannt gegeben werden konnte, die Bekanntgabe jedoch innerhalb der fünf-Monatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG nachgeholt worden ist. Auch in diesem Fall gilt ab Bekanntgabe die Beschwerdefrist von einem Monat, unabhängig davon, ob die ursprüngliche Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG erst zu einem späteren Zeitpunkt endet (Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 63 Rn. 10, Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 63 Rn. 44; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG. 5. Aufl. 2020, § 63 Rn. 12)
35c) In Anwendung dieser Grundsätze ist die als Beschwerde auszulegende Eingabe des Beschwerdeführers vom 21.08.2020 verfristet. Denn er hat die Beschwerde nicht binnen Monatsfrist entsprechend § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG ab tatsächlicher Kenntnisnahme des Beschlusses vom 17.05.2019 eingelegt. Der Beschluss vom 17.05.2019 war Bestandteil der Verwaltungsakte der Beteiligten zu 1., die dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Anschreiben vom 31.03.2020 übersandt worden ist. Ebenfalls hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers am 13. Mai 2020 die erstinstanzliche Akte mit dem darin enthaltenen Beschluss durch das Amtsgericht übersandt erhalten. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bzw. sein Verfahrensbevollmächtigter, dessen Kenntnis ihm zuzurechnen ist, spätestens Mitte Mai 2020 Kenntnis von dem angefochtenen Beschluss hatten. Eine Beschwerdeeinlegung hätte daher bis Mitte Juni 2020 erfolgen müssen.
362.
37Dem Beschwerdeführer war nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 18 Abs. 3 S. 3 FamFG. Denn insoweit ist vom Beschwerdeführer nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden bzw. ohne das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, das ihm zuzurechnen ist, an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.
38Dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers oblag es, nachdem er durch Einsicht in die Gerichtsakte Kenntnis von dem angefochtenen Beschluss erlangt hat, zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel einlegen konnte und ggfls. in welcher Frist dies zu geschehen hatte. Dass eine solche Prüfung (überhaupt) zeitnah erfolgt ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Rechtslage hätte der Verfahrensbevollmächtigte aufgrund der vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 15.02.2017 (BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – XII ZB 405/16) und 05.12.2012 (BGH, Beschluss vom 05.12.2012 – I ZB 48/12) erkennen können, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob für übergangene Beteiligte, denen der Beschluss nachträglich schriftlich bekannt gegeben worden ist oder die anderweitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt haben, eine Rechtsmittelfrist gilt, offen gelassen hat. Aufgrund dieser Prüfung wäre der Verfahrensbevollmächtigte gehalten gewesen, den für seinen Mandanten sichersten Weg zu beschreiten und Beschwerde einzulegen.
393.
40Soweit der Beschwerdeführer nunmehr mit Schriftsatz vom 02.12.2021 beantragt hat, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist bzw. den vorigen Stand zu gewähren, ist dieser Antrag ein Jahr nach Ablauf der Beschwerdefrist bzw. der Wiedereinsetzungsfrist gestellt worden, weshalb die beantragte Wiedereinsetzung gem. § 18 Abs. 4 FamFG nicht mehr gewährt werden kann. Zwar ist die Vorschrift des § 18 Abs. 4 FamFG ausnahmsweise dann nicht anwendbar, wenn die Überschreitung der Frist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 20.02.2008 – XII ZB 179/07, FamRZ 2008, 978, zitiert nach juris Rn. 15 für die gleichlautende Vorschrift des § 243 ZPO). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
41Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf beruft, das Amtsgericht habe in der Verfügung vom 04.09.2020 die Auffassung vertreten, ein übergangener Betroffener könne unbefristet Beschwerde einlegen und auch der Senat habe zunächst nicht auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hingewiesen, entlastet ihn das nicht. Insoweit ist zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zu 2. hinzuweisen, wonach nicht ersichtlich ist, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers nach Kenntniserlangung von dem angefochtenen Beschluss die Rechtslage geprüft und seinen Mandant entsprechenden dem Gebot, den sichersten Weg zu wählen, die Einlegung eines Rechtsmittels angeraten hätte.
42Zwar hat das Amtsgericht in der Verfügung vom 04.09.2020 die Ansicht vertreten, ein übergangener Betroffener könne unbefristet Beschwerde gegen eine Entscheidung einlegen, allerdings ergibt sich aus dem mit der Verfügung übersandten Auszug der Kommentierung des Münchener Kommentars zu § 228 FamFG, dass diese Auffassung nicht auf einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den konkreten Fall beruhte. Vielmehr weist die Kommentierung unter Zitat der einschlägigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs darauf hin, dass die Frage, ob und innerhalb welcher Frist der übergangene Beteiligte bei nachträglicher Kenntniserlangung von der Entscheidung Rechtsmittel einlegen kann, vom Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen worden ist. Schon bei sorgfältiger Lektüre der vom Amtsgericht übersandten Kommentarstelle hätte der Verfahrensbevollmächtigte bei der gebotenen Prüfung der Rechtslage erkennen können, dass die konkrete Fallgestaltung vom Bundesgerichtshof in der Vergangenheit noch nicht entschieden worden ist und es dem Gebot des sichersten Wegs entsprach, vorsorglich Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zu beantragen. Auch in diesem Zusammenhang fehlt eine Darlegung und Glaubhaftmachung, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers die Rechtslage geprüft bzw. was ihn nach eigenständiger Prüfung der Rechtslage zu der Annahme veranlasst hat, ein Wiedereinsetzungsantrag sei entbehrlich.
43Vor diesem Hintergrund kann eine Wiedereinsetzung nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 18 Abs. 4 FamFG nicht mehr gewährt werden.
444.
45Da die Beschwerde bereits unzulässig war, kommt es auf die Frage, ob die angefochtene Entscheidung fehlerhaft war, nicht mehr an. Selbst wenn dies der Fall wäre, steht dies dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 10.06.2021 - IX ZR 6/18, zitiert nach juris Rn. 39, 41; BGH, Beschluss vom 24.07.2013 – XII ZB 340/11, zitiert nach juris Rn. 40).
46III.
471.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG, soweit die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben worden sind. Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
492.
50Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil die Frage der Rechtsmittelfrist in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.06.2021 (IX ZR 6/18) ausdrücklich offengelassen worden ist und grundsätzlich Bedeutung hat.
513.
52Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,- € festgesetzt, § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
53Rechtsbehelfsbelehrung:
54Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG (für Familienstreitsachen i.S.v. § 112 FamFG auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG) Bezug genommen.
55Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
56Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.