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1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 12.12.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kerpen vom 04.11.2019 (153 F 59/18) im Hinblick auf den Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt unter Ziffer 3. des Entscheidungstenors insgesamt aufgehoben und unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
„3.
Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt zum 1. eines jeden Monats zu zahlen, und zwar
a) für die Monate Januar und Februar 2021 in Höhe von 1.396,00 €, davon 270,17 € Altersvorsorgeunterhalt,
b) für die Monate März bis Dezember 2021 in Höhe von 2.038,74 €, davon 424,32 € Altersvorsorgeunterhalt,
c) für die Monate Januar 2022 bis Juli 2022 2.241,57 €, davon 476,21 € Altersvorsorgeunterhalt,
d) für die Monate August 2022 bis Dezember 2024 2.370,93 €, davon 507,10 € Altersvorsorgeunterhalt,
e) für die Monate Januar 2025 bis Juni 2026 1.500,00 €, davon 300,00 € Vorsorgeunterhalt und
f) für die Monate Juli 2026 bis Dezember 2027 in Höhe von 1.000,00 €, davon 200,00 € Altersvorsorgeunterhalt.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.“
2. Unter Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsteller zu 70 % und die Antragsgegnerin zu 30 %.
3. Der Verfahrenswert wird bis zum 18.09.2020 auf 16.620,00 € und danach auf 20.706,15 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Bei den Beteiligten handelt es sich um mit Beschluss vom 04.11.2019 geschiedene Ehegatten. Sie hatten am 12.09.1994 geheiratet und leben seit dem 01.04.2017 getrennt. Die Rechtskraft der Ehescheidung ist am 21.04.2020 eingetreten. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen (A, geboren am xx.xx.1995, B, geboren am xx.xx.1997 und C, geboren am xx.xx.2002).
4Während der Ehe hat die Antragsgegnerin, eine gelernte Physiotherapeutin, den Haushalt geführt und die Kinder betreut. 2011 begann sie das erste Mal wieder halbtags als Physiotherapeutin zu arbeiten, gab die Tätigkeit jedoch Mitte 2015 wieder auf, um ihre pflegebedürftige Mutter zu versorgen. 2018 hat sie ihre Berufstätigkeit als Physiotherapeutin im Rahmen einer Vollzeittätigkeit mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.081,00 € wieder aufgenommen. Von Anfang Mai 2020 bis zum 15.06.2020 war sie arbeitslos; sie hat für diesen Zeitraum insgesamt 1.312,08 € Arbeitslosengeld erhalten. Vom 16.06. bis 31.08.2020 arbeitete sie halbtags bei einem monatlichen Nettoverdienst von netto 913,69 € (brutto 1.137,50 €), seit September 2020 vollschichtig mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unstreitig 2.264,11 € (brutto: 3.000,16 €). Berufsbedingte Auswendungen in Höhe von 88,00 €, eine anrechenbare private Altersvorsoge in Höhe von 120,00 € und einkommensabhängige Unterhaltspflichten gegenüber den beiden Töchtern sind ebenfalls unstreitig. Die Antragsgegnerin wohnte bis Oktober 2020 mit der jüngsten Tochter C in dem ehemals gemeinsam bewohnten Haus, welches im Eigentum des Antragstellers steht und für welches er die kompletten Lasten und Kosten in Höhe von monatlich unstreitig 289,24 € trug. Den Wohnvorteil setzten die Beteiligten einvernehmlich mit monatlich 1.350,00 € an. Die Tochter C zog im Oktober, die Antragsgegnerin Anfang Dezember 2020 aus der Immobilie aus. C hat mit Beginn des Wintersemesters ein Studium aufgenommen; B absolviert bis Juli 2022 eine Ausbildung und erhält eine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 339,36 €.
5Der Antragsteller ist selbstständiger Architekt und führt gemeinsam mit seiner Schwester den väterlichen Betrieb fort, wobei er über einen Gesellschaftsanteil von 50 % verfügt. Für die Jahre 2017 bis 2019 gehen die Beteiligten übereinstimmend von einem durchschnittlichen Brutto-Jahreseinkommen von 165.336,83 € und einem monatlichen Nettoeinkommen von 9.124,26 € aus. Unstreitig sind weiter monatliche Belastungen in Höhe von insgesamt 3.463,63 €, die sich wie folgt zusammensetzen:
6Versorgungswerk . . . 1.283,40 €
7Lebensversicherung . . . 110,00 €
8Krankenversicherung . . 832,03 €
9Hauskredit . . . . 821,53 €
10Kredit Vater . . . . 416,67 €
11Die Kreditverbindlichkeit gegenüber dem Vater in Höhe von monatlich 416,67 €, deren Finanzierung aus rein privaten Mittel die Antragsgegnerin bestreitet, endet mit Ablauf des Jahres 2021. Der Tochter C zahlte der Antragsteller bis zu deren Volljährigkeit einen monatlichen Unterhat in Höhe von 651,00 €.
12Mit Beschluss vom 04.11.2019 hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden. Weiter hat es einen Anspruch der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von 535,01 € bis zum 31.12.2021 und vom 01.01.2022 bis zum 31.08.2023 in Höhe von monatlich 713,58 € tituliert, wobei es die vom Antragsteller getragenen Hauslasten in Höhe von monatlich 289,34 € zuvor abgezogen hat. Das Amtsgericht hat beim Antragsteller auf der Grundlage seiner Einkommensverhältnisse für die Jahre 2015 - 2018 ein Monatseinkommen nach Steuern von 9.067,00 € zugrunde gelegt und bei der Antragsgegnerin in fiktives Einkommen in Höhe von 1.555,00 € angesetzt. Es hat weiter bei beiden Beteiligten einen Erwerbstätigkeitsbonus von 1/7 in Abzug gebracht und bei der Antragsgegnerin den unstreitigen Wohnvorteil in Höhe von 1.350,00 € angerechnet. Das Amtsgericht ist bei der ausgesprochenen Befristung des Unterhaltsanspruchs von einer Ehedauer ab dem Zeitpunkt der Heirat im September 1994 bis zum Zeitpunkt der Trennung im November 2017 ausgegangen, hat eine Ehedauer von 17 Jahre und 2 Monate zugrunde gelegt sowie eine „Schonfrist“ von 5 Jahren zugebilligt. Ehebedingte Nachteile habe die Antragsgegnerin, so das Amtsgericht, nicht dargelegt.
13Gegen die Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt richtet sich sowohl die Beschwerde der Antragsgegnerin als auch die zunächst eingelegte Anschlussbeschwerde des Antragstellers.
14Die Antragsgegnerin, die mit der Beschwerde erstmals auch Altersvorsorgeunterhalt geltend macht, ist der Ansicht, dass ihr aufgrund der Einkommensverhältnisse des Antragstellers ein höherer monatlicher Unterhaltsanspruch zustehe. Zudem habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft den Unterhaltsanspruch herabgesetzt und befristet. Nicht nur, dass ein entsprechender Hinweis hierauf unterblieben sei, zudem habe das Amtsgericht die Dauer der Ehe fehlerhaft mit 17 Jahren und 7 Monaten angesetzt und nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie die drei gemeinsamen Kinder betreut und erzogen und erst im Jahre 2018 ihre Erwerbstätigkeit als Physiotherapeutin wieder aufgenommen habe. Ohne Heirat, Erziehung und Betreuung der Kinder sowie Haushaltsführung stände sie aktuell als sehr gut verdienende Physiotherapeutin dar. Hätte sie nicht geheiratet, hätte sie sich im Bereich Gesundheitswissenschaft fortgebildet und würde mittlerweile eine Führungsaufgabe in einem Krankenhaus, einer Rehabilitationsklinik oder Pflegeeinrichtung ausüben. Alternativ hätte der Weg in die Selbständigkeit nahegelegen und ohne weiteres wären jährliche Einnahmen von mindestens 60.000 € möglich gewesen.
15Ursprünglich hatte die Antragsgegnerin sinngemäß beantragt,
16den Antragsteller zu verpflichten, ab Rechtskraft der Scheidung, dem 14.12.2019, an sie über den in dem angefochtenen Beschluss zugesprochenen Unterhalt in Höhe von monatlich 535,01 € (824,35 - 289,34 €) hinaus, zum ersten eines jeden Monats weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 850,31 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 340,31 €, zahlen und ab dem 01.12.2020 an sie über den im angefochtenen Beschluss zugesprochenen Unterhalt in Höhe von 535,00 € hinaus, zum ersten eines jeden Monats weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.461,00 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 460,00 €, zu zahlen.
17Weiter hatte die Antragstellerin Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners beantragt.
18Im laufenden Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller seine Einkommensverhältnisse für die Jahre 2018 und 2019 dargelegt und mit Schriftsatz vom 12.12.2020 einen nachehelichen Unterhaltsanspruch ab dem 01.12.2020 in Höhe von 1.332,00 € inkl. Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 256,00 € und ab dem 01.01.2022 bis zum 31.08.2023 in Höhe von 1.531,00 € inkl. Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 304,00 € anerkannt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 haben die Beteiligten darüber hinaus zum Ausgleich der rückständigen nachehelichen Unterhaltsansprüche für den Zeitraum vom 21.04.2020 bis zum 31.12.2020 einen Teilvergleich geschlossen, mit dem sich der Antragsgegner verpflichtet hat, an die Antragstellerin einen Betrag von in Höhe von 1.985,76 € zu zahlen; im Übrigen sollte über die Unterhaltsansprüche ab dem 01.01.2021 der Senat entscheiden.
19Nachdem der Senat die mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 17.12.2020, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, wiedereröffnet hat, beantragt die Antragsgegnerin nunmehr (sinngemäß),
20den Antragsteller zu verpflichten, an sie zum ersten eines jeden Monats über den im angefochtenen Beschluss zugesprochenen Unterhalt in Höhe von 535,00 € hinaus,
21a) für die Monate Januar und Februar 2021 weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.461,00 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 460,00 €,
22b) für die Monate März bis Dezember 2021 weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.503,74 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 424,32 €,
23c) für die Monate Januar 2022 bis Juli 2022 weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.706,57 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 476,2 € und
24d) für die Zeit ab August 2022 unbefristet weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.835,93 €, davon Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 507,10 €, zu zahlen.
25Der Antragsteller beantragt,
26die Beschwerde der Antragsgegnerin über den anerkannten Unterhaltsanspruch hinaus zurückzuweisen.
27Er ist der Ansicht, das Amtsgericht habe monatliche Unterhaltszahlungen an die Tochter B seit September 2019 in Höhe von 100,00 € und seit Dezember 2019 in Höhe von 200,00 € nicht beachtet. Zu Recht habe das Amtsgericht demgegenüber die Ansprüche der Antragsgegnerin befristet und begrenzt. Ehebedingte Nachteile habe die Antragsgegnerin nicht substantiiert vorgetragen. Weiter sei zu beachten, dass sich die Antragsgegnerin während der Zeit, als sie sich um den Haushalt gekümmert habe, auch fortgebildet habe. Zu beachten sei auch, dass die Antragsgegnerin eine abgeschlossene Ausbildung als Physiotherapeutin zu Beginn der Ehe hatte und exakt diese Ausbildung auch heute uneingeschränkt für eine vollzeitige Tätigkeiten nutzen könne. Weiter sei der Zugewinnausgleichsanspruch als ehebedingter Vorteil zu berücksichtigen.
28II.
291. Die Beschwerde ist mit den nunmehr ausschließlich gestellten Zahlungsanträgen gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Auch kann die Antragsgegnerin Vorsorgeunterhalt erst in der Beschwerdeinstanz geltend machen, obwohl dieser erstinstanzlich nicht geltend gemacht wurde. Es handelt sich hierbei nicht um einen - unzulässigen - Nachforderungsantrag (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19.11.2014 - XII ZB 478/13 -, NJW 2015, 334 und BeckOGK/Witt, 1.2.2020, BGB § 1578 Rn. 692-699), sondern um eine im Beschwerdeverfahren zulässige Antragserweiterung nach § 263 ZPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2015 - 13 UF 31/14 -, BeckRS 2015, 116149 = FamRZ 2017, 38 (Ls.); Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 10. Auflage 2019, § 10 Rn. 528 ff). Ob die zunächst weiter gestellten Auskunftsanträge in der Beschwerdeinstanz überhaupt zulässig waren, braucht nicht entscheiden zu werden, da die Antragsgegnerin diese nicht mehr geltend macht.
302. Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet und führt insoweit zur Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts. Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller in der tenorierten Höhe einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB.
31a) Gemäß § 1573 BGB kann ein Ehegatte, dessen Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zu seinem vollen Unterhalt nicht ausreichen, von dem anderen Ehegatten den Unterschiedsbetrag zwischen seinen Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen. Der volle Unterhalt der Antragsgegnerin bestimmt sich gemäß § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen, die im vorliegenden Fall durch die beiderseitigen Erwerbseinkünfte, den Wohnwert der im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Immobilie und die Unterhaltsansprüche der gemeinsamen Kinder der geschiedenen Ehegatten geprägt sind.
32aa) Die zugrunde zu legenden Erwerbseinkünfte der ehemaligen Ehegatten stellen sich zusammengefasst wie folgt dar, wobei der Senat für die Einzelheiten auf seinen Hinweisbeschluss vom 17.12.2020 verweist:
33(1) Unstreitig verdient die Antragsgegnerin monatlich netto 2.264,11 €. Von diesem Nettoeinkommen sind monatliche Vorsorgeleistungen in Höhe von 120,01 € abzuziehen. Soweit die Antragsgegnerin einen höheren Betrag abzieht, ist dies deshalb nicht zulässig, weil eine private Altersvorsorge maximal in Höhe von 4 % des Bruttolohnes abzugsfähig ist, was dem vorliegend zugrunde gelegt Betrag von (3.000,16 € * 4 % =) 120,01 € entspricht. Weiter sind unstreitig berufsbedingte Aufwendungen in Form des Jobtickets in Höhe von 88,00 € zu berücksichtigen, so dass ein monatliches Nettoeinkommen von 2.056,10 € verbleibt. Schließlich sind die sich aus den variierenden Einkommensverhältnissen wie folgt errechneten Zahlbeträge für die beiden Töchter zu berücksichtigen:
34Jan./Febr. 2021 |
März-Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug. 2022 |
|
Bedarf C |
641,00 € |
641,00 € |
641,00 € |
641,00 € |
(Bedarf= 860,00 € -219,00 € Kindergeld) |
||||
Bedarf B |
641,00 € |
641,00 € |
641,00 € |
0,00 € |
Eigeneinkommen |
-316,64 € |
-316,64 € |
-316,64 € |
|
= |
324,36 € |
324,36 € |
324,36 € |
0,00 € |
Haftungsquote |
||||
Einkommen AG’in |
2.056,10 € |
2.056,10 € |
2.056,10 € |
2.056,10 € |
Sockelbetrag |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
= |
656,10 € |
656,10 € |
656,10 € |
656,10 € |
Haftungsanteil |
13,34% |
10,47% |
9,82% |
9,82% |
Einkommen AG’in |
5.660,63 € |
7.010,63 € |
7.427,30 € |
7.427,30 € |
Sockelbetrag |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
-1.400,00 € |
= |
4.260,63 € |
5.610,63 € |
6.027,30 € |
6.027,30 € |
Haftungsanteil |
86,66% |
89,53% |
90,18% |
90,18% |
Der Senat geht dabei in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, dass die Tochter B ihre Ausbildung Ende Juli 2022 beendet haben wird. Soweit dies wider Erwarten nicht der Fall sein sollte, stellt dies einen Umstand dar, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilbar ist und damit ggf. einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben muss.
36Nach Abzug der Zahlbeträge beim Kindesunterhalt und des Erwerbsbonus von 1/7 errechnet sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der Antragstellerin wie folgt:
37Jan./Febr. 2021 |
März-Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug. 2022 |
|
2.056,10 € |
2.056,10 € |
2.056,10 € |
2.056,10 € |
|
Zahlbetrag C |
-85,54 € |
-67,11 € |
-62,93 € |
-62,93 € |
Zahlbetrag B |
-43,28 € |
-33,96 € |
-31,84 € |
0,00 € |
1.927,28 € |
1.955,03 € |
1.961,33 € |
1.993,17 € |
|
Erwerbsbonus |
-275,33 € |
-279,29 € |
-280,19 € |
-284,74 € |
bereinigtes Einkommen |
1.651,95 € |
1.675,74 € |
1.681,14 € |
1.708,43 € |
(2) Der Antragsteller verfügt über monatliche Nettoeinkünfte von unstreitig 9.124,26 €. Hiervon sind gegenwärtig monatliche Belastungen in Höhe von insgesamt 3.463,63 € abzuziehen, wobei die Kreditverbindlichkeit gegenüber dem Vater von monatlich 416,67 € zum Ende des Jahres 2021 unstreitig wegfällt. Weiter sind die Zahlbeträge an die beiden Töchter auf der Grundlage der oben dargelegten Haftungsquote zu berücksichtigen.
39Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin aus der im Alleineigentum des Antragsstellers stehenden Immobilie Anfang Dezember 2020 ausgezogen ist und damit der unstreitige wohnwerte Vorteil in Höhe von 1.350,00 €, den die Beteiligten bisher der Antragstellerin zugerechnet haben, bei dieser wegfällt und nach einer zuzubilligenden Übergangsfrist dem Antragsteller zuzurechnen ist. Der Senat erachtet hier auch nach dem weiteren Vortrag des Antragstellers nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wonach er beabsichtige, die Immobilie zu veräußern und dafür noch Instandsetzungsarbeiten durchzuführen habe, eine Übergangszeit von drei Monaten als notwendig aber auch angemessen, damit der Antragsteller die notwendigen Maßnahmen zum Verkauf umsetzen kann (oder sich für eine Vermietung bzw. Eigennutzung umsetzen kann und muss). Soweit der Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 08.03.2021 notwendige Instandsetzungsarbeiten an den Fenstern und dem Dach behauptet und darüber hinaus geltend macht, er wolle kurzfristig noch die Einfahrt pflastern lassen, weil diese bisher nur geschottert sei, ist weder ersichtlich, noch dargetan, dass es sich hierbei um Arbeiten handelt, die notwendig sind, um einen Verkauf erst zu ermöglichen. Ob der Antragsteller durch die Abdichtung des behaupteten undichten Daches und die Reparatur der behaupteten undichten Fenster ggf. einen höheren Kaufpreis erzielen kann, ist nicht maßgeblich. Denn der Wohnvorteil kann ihm nur solange nicht zugerechnet werden, als er tatsächlich nicht in der Lage ist, die Immobilie zu verwerten; ob er sie nach der Vornahme von Reparaturen besser verwerten kann, ist indes kein Faktor, der bei der Zurechnung eines zu Lasten der Antragsgegnerin relevant ist. Entsprechend ist dem Nettoeinkommen des Antragstellers unterhaltsrechtlich ab März 2021 ein Wohnvorteil von 1.350,00 € für die in seinem Alleineigentum stehende Immobilie zum Einkommen hinzuzurechnen. Soweit der Antragsgegner diese Immobilie weder vermietet oder selbst bezieht, steht ihm dies frei. Unterhaltsrechtlich ist jedoch ein entsprechender Wohnvorteil in Ansatz zu bringen, da er sich im Verhältnis zu seiner unterhaltsberechtigen ehemaligen Ehefrau nicht darauf zurückziehen kann, sein Vermögen insoweit nicht zu nutzen. Soweit der derzeit noch nicht sicher vorhersehbare Verkauf des Hauses in Zukunft doch noch umgesetzt werden sollte, wäre der Antragsgegner insoweit auf die Durchführung eines Abänderungsverfahrens zu verweisen, falls dies eine wesentliche Änderung seiner Einkommensverhältnisse zur Folge haben sollte.
40Zu berücksichtigen ist auch beim Antragsteller ein Erwerbsbonus von 1/7 des Nettoeinkommens. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 13.11.2019 - XII ZB 3/19 -, NJW 2020, 238 = FamRZ 2020, 171) ergibt sich nichts anderes. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes mag zwar so interpretiert werden können, dass der Bundesgerichtshof einen Erwerbstätigkeitsbonus von 10 % präferiert. Daraus folgt indes nicht, dass die Anrechnung eines Erwerbstätigkeitsbonus in Höhe von 1/7 bei Selbstständigen unzulässig wäre. Entsprechend veranschlagen auch die aktuellen Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Köln für 2021 (Punkt 15.2.) weiterhin einen Erwerbtätigenbonusabzug in Höhe von 1/7.
41Aufgrund dessen errechnet sich das bereinigte Einkommen des Antragstellers wie folgt:
42Jan-Feb 2021 |
Mär - Dez 2021 |
Jan-Jul 2022 |
ab Aug 2022 |
||
Nettoeinkommen |
9.124,26 € |
9.124,26 € |
9.124,26 € |
9.124,26 € |
|
Versorgungswerk |
-1.283,40 € |
-1.283,40 € |
-1.283,40 € |
-1.283,40 € |
|
Lebensversicherung |
-110,00 € |
-110,00 € |
-110,00 € |
-110,00 € |
|
Krankenversicherung |
-832,03 € |
-832,03 € |
-832,03 € |
-832,03 € |
|
Hauskredit |
-821,53 € |
-821,53 € |
-821,53 € |
-821,53 € |
|
Darlehen Vater |
-416,67 € |
-416,67 € |
0,00 € |
0,00 € |
|
5.660,63 € |
5.660,63 € |
6.077,30 € |
6.077,30 € |
||
Wohnwertvorteil/Miete |
0,00 € |
1.350,00 € |
1.350,00 € |
1.350,00 € |
|
bereinigtes Einkommen |
5.660,63 € |
7.010,63 € |
7.427,30 € |
7.427,30 € |
|
Zahlbetrag C |
-555,46 € |
-573,89 € |
-578,07 € |
-578,07 € |
|
Zahlbetrag B |
-281,08 € |
-290,40 € |
-292,52 € |
0,00 € |
|
4.824,09 € |
6.146,34 € |
6.556,71 € |
6.849,23 € |
||
Erwerbsbonus |
-689,16 € |
-878,05 € |
-936,67 € |
-978,46 € |
|
bereinigtes Einkommen |
4.134,93 € |
5.268,29 € |
5.620,04 € |
5.870,77 € |
bb) Der volle Unterhalt der Antragsgegnerin beläuft sich auf 50 % der Einkommensdifferenz der Beteiligten, so dass sich folgende Übersicht ergibt:
44Jan./Febr. 2021 |
März- Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug 2022 |
|
Differenz |
2.482,98 € |
3.592,55 € |
3.938,89 € |
4.162,33 € |
Halbteilung |
./. 2 |
./. 2 |
./. 2 |
./.2 |
Unterhaltsanspruch |
1.241,49 € |
1.796,27 € |
1.969,45 € |
2.081,17 € |
cc) Aufgrund des so ermittelten vollen Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ergibt sich ein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt wie folgt:
46Jan./Febr. 2021 |
März- Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug 2022 |
|
%-Satz Bremer Tabelle |
17% |
27% |
30% |
31% |
fiktives Bruttoeinkommen |
1.452,54 € |
2.281,27 € |
2.560,28 € |
2.726,33 € |
Beitrag der RV |
18,6% |
18,6% |
18,6% |
18,6% |
Altersvorsorgeunterhalt |
270,17 € |
424,32 € |
476,21 € |
507,10 € |
dd) Entsprechend ist das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers unter Abzug des Vorsorgeunterhalts neu zu berechnen und es ist sodann der Erwerbstätigenbonus in Höhe von 1/7 abzuziehen, so dass sich ein modifiziertes bereinigtes Nettoeinkommen für den Antragsteller ergibt. Durch die daraus resultierende modifizierte Einkommensdifferenz und der Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes ergibt sich der modifizierte Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin für die unterschiedlichen Einkommenszeiträume wie folgt:
48Jan./Febr. 2021 |
März- Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug 2022 |
|
Einkommen AST |
4.824,09 € |
6.146,34 € |
6.556,71 € |
6.849,23 € |
abzgl. AltersvorsorgeU |
-270,17 € |
-424,32 € |
-476,21 € |
-507,10 € |
4.553,92 € |
5.722,02 € |
6.080,50 € |
6.342,13 € |
|
abzgl. 1/7 Erwerbsbonus |
-650,56 € |
-817,43 € |
-868,64 € |
-906,02 € |
bereinigtes Einkommen AG |
3.903,36 € |
4.904,59 € |
5.211,85 € |
5.436,11 € |
Einkommensdifferenz |
2.251,40 € |
3.228,85 € |
3.530,71 € |
3.727,68 € |
Halbteilungsgrundsatz |
: 2 = |
: 2 = |
: 2 = |
: 2 = |
Unterhaltsanspruch |
1.125,70 € |
1.614,43 € |
1.765,36 € |
1.863,84 € |
ee) Der Gesamtunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin beträgt wie folgt:
50Jan./Febr. 2021 |
März- Dez. 2021 |
Jan.-Jul. 2022 |
ab Aug 2022 |
|
Elementarunterhalt |
1.125,70 € |
1.614,43 € |
1.765,36 € |
1.863,84 € |
Altersvorsorgeunterhalt |
270,17 € |
424,32 € |
476,21 € |
507,10 € |
1.395,87 € |
2.038,74 € |
2.241,57 € |
2.370,93 € |
b) Dieser Anspruch der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt ist gemäß § 1578b BGB zu befristen.
52aa) (1) Nach § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und/oder nach § 1578b Abs. 2 S. 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind für beide Aspekte § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (vgl. zum Vorstehenden: BGH, Beschlüsse vom 16.10.2019 - XII ZB 341/17 -, FamRZ 2020, 97 = NZFam 2019, 1095; und vom 04.07.2018 - XII ZB 448/17 -, FamRZ 2018, 1506).
53(2) § 1578b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige – unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten – durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein (vgl. zum Vorstehenden: BGH, a.a.O.).
54(3) Als Rechtsfolge sieht 1578b Abs. 1 S. 1 BGB die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss (BGH, a.a.O.).
55(4) Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die – wie z. B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf oder die Möglichkeit dazu – einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere „Schonfrist” sprechen (BGH, Urteil vom 16.04.2008 - XII ZR 107/06 -, NJW 2008 2581, Rn. 41; BeckOGK/Schlecht, 1.11.2020, BGB § 1578b, Rn. 186-190 m.w.N.).
56bb) (1) Diese Grundsätze zugrunde gelegt ist zunächst zu beachten, dass die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile ausreichend substantiiert dargelegt hat. Unstreitig ist die Antragsgegnerin in ihrem erlernten Beruf als Physiotherapeutin mit einer Vollzeitstelle tätig. Alleine aufgrund der Dauer der Ehe und des Umstandes, dass sie sich der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Gestaltung der Haushaltsführung während der Ehe gewidmet hat, kann vorliegend jedoch nicht ohne weiteres auf einen ehebedingten Nachteil geschlossen werden. Es fehlt an der Darlegung eines finanziellen Nachteils, der der Antragsgegnerin gerade aufgrund der Aufgabe ihrer Tätigkeit zugunsten der Haushaltsführung erwachsen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.06.2008 - XII ZR 109/07 -, FamRZ 2008, 1508, Rn. 17). Es ist aufgrund des Berufes der Antragsgegnerin nichts dafür ersichtlich, dass sie ohne die Betreuung der Kinder und der Haushaltsführung nunmehr ein höheres Einkommen erzielen könnte, als sie gegenwärtig erhält. Ob die Antragsgegnerin, wie vom Antragsteller behauptet hat, während der Kindererziehungszeit neben der unstreitigen Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin mehrere qualitativ als solche zu bewertende Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt hat oder nicht, kann dabei dahinstehen. Denn vorliegend besteht der besondere Fall, dass die Antragsgegnerin in einem Fachgebiet tätig ist, in dem es keine klassischen Aufstiegschancen durch Fort- oder Weiterbildungen gibt, da es schon an einem hierarchischen Aufbau innerhalb einer Physiotherapiepraxis fehlt. Vor diesem Hintergrund bedurfte es vorliegend - ausnahmsweise - keiner weiteren Darlegungen des Antragstellers, warum der Antragsgegnerin trotz der Kindererziehung und der Haushaltsführung kein ehebedingter Nachteil entstanden sein soll.
57Aufgrund dieses Umstandes genügt jedoch auch der allgemeine Hinweis der Antragsgegnerin darauf, dass sie sich ggf. hätte selbstständig machen oder eine Tätigkeit in einer großen Klinik hätte aufnehmen können, nicht. Der hypothetische Verlauf eines Erwerbslebens bei hinweggedachter Eheschließung lässt sich zwar kaum darlegen und beweisen. Jedenfalls aber ist vom Anspruchsteller zu verlangen, dass er substanziiert vorträgt, welche beruflichen Möglichkeiten ihm die Ehe genommen hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2009 - 18 UF 10/09 -, NJW-RR 2010, 721). Weiter hätte es der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichem Aufstieg zudem der Darlegung der entsprechenden Bereitschaft und Eignung bedurft, die vom Senat auf ihre Plausibilität hätte überprüft werden können und der Widerlegung durch den Antragsteller zugänglich gewesen wäre.
58Einen solchen Vortag hat die Antragsgegnerin nicht erbracht. Alleine der pauschale Vortrag, ohne die Eheschließung und die gemeinsamen Kinder könnte sie heute in einer großen Klinik in gehobener Position arbeiten oder wäre alternativ selbstständig, reicht hierfür bei weitem nicht aus. Weiter hat die Antragsgegnerin keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass Physiotherapeuten regelmäßig notwendigerweise im Laufe ihres beruflichen Daseins diesen Weg gehen und aufgrund dessen entsprechend finanziell besser dastehen würden.
59Daher kommt es auf die behaupteten Darlegungsschwierigkeiten der Antragsgegnerin, die der Senat dem Grunde nach anerkennt, nicht an. Denn diesen Schwierigkeiten wäre erst im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu begegnen, die konsequenterweise nicht überspannt werden dürfen und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen.
60(2) Auch unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität ist eine unbegrenzte Teilhabe an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers vorliegend nicht geboten, wie das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat.
61Für die notwendige umfassende Billigkeitsprüfung ist es jedoch nicht ausreichend, wie das Amtsgericht meint, pauschal eine „Schonfrist“ von einem Drittel der Ehezeit für die Berechnung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs anzunehmen, sondern es sind jeweils die konkrete Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BGH, Urteile vom 30.06.2010 - XII ZR 9/09 -, FamRZ 2010, 1414, Rn. 21; und vom 25.06.2008 - XII ZR 109/07 -, FamRZ 2008, 1508, Rn. 27; vgl. auch jüngst BGH, Beschluss vom 16.10.2019 - XII ZB 341/17 -, FamRZ 2020, 97; BeckOGK/Schlecht, Stand: 01.11.2020, BGB § 1578b Rn. 229).
62Bei der hier vorzunehmenden umfassend Billigkeitsabwägung ist zunächst die Dauer der Ehe der Beteiligten zu berücksichtigen. In den Fällen, in denen die fortwirkende nacheheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, gewinnt die Ehedauer und die hierdurch erfolgte wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch den Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder wegen der Haushaltsführung eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2013 - XII ZR 72/11 -, FamRZ 2013, 853, Rn. 33 ff). Die Ehezeit beträgt vorliegend nicht, wie das Amtsgericht angenommen hat, 17 Jahre und 2 Monate, sondern deutlich längere 23 Jahre und 7 Monate. Das Amtsgericht hat die Ehezeit unrichtig berechnet, indem es auf den Zeitpunkt der Trennung abgestellt hat und nicht, wie notwendig, die Ehezeit vom Zeitpunkt der Eheschließung (12.09.1994) bis zur Zustellung des Ehescheidungsantrages (11.05.2018) berechnet hat (vgl. zur Berechnung der Ehezeit: BGH, Urteil vom 07.07.2010 - XII ZR 157/08 -, FamRZ 2011, 188; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, EL 7/2020, Kap. 9, Rn. 43). Schon aus diesen Gründen können die Ausführungen des Amtsgerichts zur Befristung des Unterhaltsanspruchs keinen Bestand haben.
63Weiter sind die Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass sich die Antragsgegnerin seit der Geburt des ältesten Kindes A im Jahr 1995 im Wesentlichen um die Betreuung und Pflege der drei gemeinsamen Kinder und die Führung des Haushalts gekümmert hat, während der Antragsteller einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. 2011, also 16 Jahre nach Aufgabe ihrer Berufstätigkeit, hat die Antragsgegnerin wieder eine halbschichtige Tätigkeit in ihrem alten Beruf als Physiotherapeutin aufgenommen, diese Tätigkeit jedoch zur Pflege ihrer Mutter im Jahr 2015 für die Dauer von drei Jahren wieder aufgegeben. Ob die Antragsgegnerin diese Entscheidung alleine getroffen hat, wie der Antragsteller glaubhaft machen will, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Denn es handelt sich um eine in der Ehe gelebte Entscheidung, die notwendigerweise beide Ehegatten betrifft. Erst 2018 hat sie schließlich ihre Berufstätigkeit als Physiotherapeutin im Rahmen einer Vollzeittätigkeit wieder aufgenommen. Die Antragsgegnerin hat mithin durch die Betreuung der drei Kinder und der Übernahme der Haushaltsführung über den wesentlichen Zeitraum der Ehe in Vertrauen auf das gemeinsame Zusammenleben keinerlei eigene Berufstätigkeit ausgeübt.
64Als weiteres maßgebliches Kriterium ist nach der Rechtsprechung des BGH auf die Belastung des Unterhaltspflichtigen gegebenenfalls auch durch weitere unterhaltsberechtigte Person abzustellen. Soweit vorliegend ersichtlich, hat der Antragsteller keine weiteren Unterhaltspflichten außer gegenüber der Antragsgegnerin und den gemeinsamen Kindern. Die Belastung durch eine Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin ist damit überschaubar.
65Zu berücksichtigen sind nicht, wie der Antragsteller meint, Ansprüche der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller auf Zugewinnausgleich. Eine Berücksichtigung entsprechender Ansprüche scheidet zwar dem Grunde nach nicht aus (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. 7. 2009 - 18 UF 10/09 -, NJW-RR 2010, 721; Grandel/Schnitzler, 5. Aufl. 2020, Rn. 367 m.w.N.). Jedoch ist vorliegend nichts dazu vorgetragen, dass und in welcher Höhe der Antragsgegnerin Zugewinnausgleichsansprüche zustehen, so dass diese schon deshalb vorliegend keine Berücksichtigung finden können.
66(3) Der Senat erachtet es bei der notwendigen Gesamtabwägung daher unter Mitberücksichtigung des vom Antragsgegner bereits gezahlten Trennungsunterhalts, der dem Senat aus dem Verfahren 14 UF 204/19 bekannt ist, für angemessen, den Unterhalt bis zum Ende des Jahres 2024 vollumfänglich zu gewähren, damit die Antragsgegnerin eine ausreichend und angemessen lange Zeit hat, sich finanziell auf die geänderte Lebenssituation einzustellen. Danach ist der zu zahlende Unterhalt wie tituliert in zwei Stufen von jeweils eineinhalb Jahren abzuschmelzen und schließlich zeitlich zum 31.12.2027 auslaufen zu lassen.
67III.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG. Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidung insbesondere den Umstand, dass die Antragsgegnerin zwar mit der Höhe ihrer geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen durchdringt, jedoch nicht im Hinblick auf die geltend gemachte Dauer, vgl. § 243 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbs. FamFG.
69Die Festsetzung des Verfahrenswert folgt aus §§ 40, 51 Abs. 1 FamGKG. Vorliegend war der Verfahrenswert jedoch nicht anhand der für die ersten zwölf Monate nach Antragseinreichung geltend gemachten Beträge der ersten Instanz zu berechnen, sondern aufgrund der in der Beschwerdeinstanz vorgenommenen zweimaligen Antragserweiterung anhand der in der Beschwerdeinstanz von der Antragsgegnerin geltend gemachten Beträge (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 04.06. 2003 - XII ZB 24/02 -, FamRZ 2003, 1274; BeckOK KostR/Neumann, 32. Ed. 1.1.2021, FamGKG § 51 Rn. 88-94).
70Rechtsmittelbelehrung:
71Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung findet nicht statt.