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Die Berufung des Klägers gegen das am 30.06.2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen zum Aktenzeichen 10 O 441/19 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
bis zum 17.05.2021 29.400 EUR
ab dem 18.05.2021 3.864 EUR
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
6Der Kläger kann von der Beklagten nicht die nach Rückgabe des Fahrzeugs zuletzt noch geforderte Rückzahlung der nach Zugang der Widerrufserklärung ab September 2019 gezahlten Raten von insgesamt 3.864 EUR (276 EUR x 14 Monate) nebst Zinsen beanspruchen, da ungeachtet der fehlenden Ordnungsgemäßheit der erteilten Widerrufsinformation [hierzu im Folgenden unter 1.] der Ausübung des Widerrufsrechts der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht [2.]. Ihm steht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu [3.].
71.
8Zwar ist die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" nicht klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253-268, juris Rn. 13). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 26. März 2020 (C-66/19, WM 2020, 688-690, juris – Kreissparkasse Saarlouis) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist (BGH, aaO, Rn. 15). Auf der Grundlage dieses Urteils hat der Bundesgerichtshof im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht festgehalten, wonach ein solcher Verweis klar und verständlich ist (BGH, aaO, Rn. 16 mwN). Die nationalen Regelungen in § 492 Abs. 2 BGB und Art. 247 § 6 EGBGB lassen nach ihrem Wortlaut offen, ob und auf welche Weise in der Widerrufsinformation auf die zu erteilenden Pflichtangaben hinzuweisen ist; nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB muss dies lediglich klar und verständlich sein; diese Voraussetzung ist auslegungsfähig, so dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung eine Verweisung auf weitere Rechtsvorschriften den Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit nicht genügt (BGH, aaO; vgl. auch Urteil vom 30. März 2021 – XI ZR 75/20, juris Rn. 12).
9Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspricht. Dies ist nicht der Fall. In der Widerrufsinformation hat die Beklagte bei der Unterüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, sondern – zu Unrecht – auch einen Vertrag über eine Restschuldversicherung „A/A Plus“ angegeben. Einen solchen hat der Kläger nicht abgeschlossen. Zwar sind optionale Bestandteile in der Widerrufsinformation zulässig, wenn hinreichend konkret angegeben ist, ob sie einschlägig sind, ohne dass dadurch die Musterkonformität in Frage steht (BGH, aaO, Rn. 18 mwN). An einer solchen Angabe fehlt es hier aber.
102.
11Die Beklagte kann der Ausübung des Widerrufsrechts seitens des Klägers jedoch mit Erfolg den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten.
12a) Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123-146, juris Rn. 43 mwN). Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (BGH, aaO, mwN). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, wie vor). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters (BGH, aaO). Eine Rechtsausübung kann insbesondere unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105-123, juris Rn. 20 mwN). Darüber hinaus kann sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten auch aus der Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ergeben (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253-268, juris Rn. 27 mwN). Da eine Änderung der Verhältnisse dazu führen kann, dass die zunächst zulässige Rechtsausübung missbräuchlich wird, und im Rechtsstreit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen ist, kann der Tatrichter bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 242 BGB auch solche Umstände berücksichtigen, die erst nach Erklärung des Widerrufs eintreten (BGH, Urteil vom 7. November 2017 – XI ZR 369/16, juris Rn. 17 mwN).
13b) Gemessen an vorstehenden Grundsätzen ist die Berufung des Klägers auf das ihm zustehende Widerrufsrecht nach der gebotenen Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls vorliegend nicht mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Einklang zu bringen. Im Einzelnen:
14aa) Im Rahmen des mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrages vom 04.10.2016 hat der Kläger am selben Tag mit der B GmbH als Verkäuferin des finanzierten Fahrzeugs eine Vereinbarung über ein „Verbrieftes Rückgaberecht“ getroffen (Anl. K1, Bl. 42 GA, im Folgenden: Rückgabe-Vereinbarung). Darin verpflichtete sich die in der Rückgabe-Vereinbarung als „Firma“ bezeichnete Fahrzeugverkäuferin, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der sich aus der Darlehensbestätigung der Beklagten ergebenden Fälligkeit der Schlussrate zu einem Rückkaufpreis von 12.628,22 EUR zurückzukaufen, sofern sich das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt in dem in der Rückgabe-Vereinbarung festgelegten Zustand befindet und eine Kilometerleistung von 87.590 km nicht überschritten wird (Ziffern 1. bis 3. der Rückgabe-Vereinbarung). Der Rückkaufpreis sollte vereinbarungsgemäß zur Zahlung der noch offenen Restdarlehensvaluta eingesetzt werden, wobei der Kläger die Kaufpreisforderung im der Beklagten zustehenden offenen Umfang an diese abgetreten hat (Ziffer 4. der Rückgabe-Vereinbarung). Von der Rückgabe-Vereinbarung hat der Kläger, der die im Darlehensvertrag mit 12.628,22 EUR vereinbarte Schlussrate anderenfalls aus eigenen Mitteln hätte aufbringen müssen (Ziffer 6. der Rückgabe-Vereinbarung), Gebrauch gemacht und das Fahrzeug mit Ankaufvertrag vom 01.10.2020 (Anl. BK1, Bl. 908 f. GA) zum vorgenannten Kaufpreis an die B GmbH zurückverkauft.
15bb) Dieses Vorgehen des Klägers lässt sich mit dem von ihm zuvor erklärten Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung deshalb nicht in Einklang bringen, weil er mit der Wahrnehmung des „Verbrieften Rückgaberechts“ gleichsam zum Ausdruck gebracht hat, an der Rückgabe-Vereinbarung, die eine Ergänzung des zwischen der Verkäuferin und ihm geschlossenen Kaufvertrags darstellt, festhalten zu wollen, obwohl sich der von ihm erklärte Widerruf auch auf den zwischen ihm und der Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrag erstreckt. Die Rückgabe-Vereinbarung setzt einen noch nicht in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelten Darlehensvertrag voraus, weil der Rückkauf u.a. die Fälligkeit der Schlussrate voraussetzt und der Kläger sein Anwartschaftsrecht auf Rückübereignung des Fahrzeugs an die Verkäuferin übertragen hat. Wenn der Kläger in Kenntnis des von ihm erklärten Widerrufs Rechte aus der Rückgabe-Vereinbarung herleitet, setzt er sich selbst in einen unauflösbaren Widerspruch zu der von ihm abgegebenen Widerrufserklärung, mit der er die Umwandlung des widerrufenen Darlehensvertrages und des mit ihm verbundenen Kaufvertrages in Rückgewährschuldverhältnisse begehrt (so und zum Ganzen OLG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2020 – 11 U 101/19, WM 2021, 534-542, juris Rn. 152; vgl. auch KG, Urteil vom 21. Januar 2021 – 4 U 1033/20, juris Rn. 187). Insofern gilt Folgendes:
16(1) Ein wirksamer Widerruf des Darlehensvertrages hat zur Folge, dass die Parteien des Darlehensvertrages ab Zugang des Widerrufs bei der Beklagten nicht mehr an den Vertrag gebunden sind, die primären Leistungspflichten entfallen und die Parteien einander – ggf. nach Maßgabe der für ein Verbundgeschäft gemäß § 358 BGB geltenden Regelungen – zur Rückgewähr der auf den Vertrag erbrachten und von ihnen empfangenen Leistungen verpflichtet sind (§ 355 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit dem Wegfall der primären Leistungspflichten ist auch einer Berufung der einen oder anderen Partei auf die im Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarungen über die Rückführung des Darlehens die Grundlage entzogen. Zudem ist der Darlehensnehmer bei Vorliegen eines Verbundgeschäftes an die auf Abschluss des Vertrages über den Erwerb des Fahrzeugs gerichtete Willenserklärung bei einem wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages nicht mehr gebunden (§ 358 Abs. 1 BGB).
17(2) Zu diesen – vom Kläger gewollten – Rechtsfolgen steht es in einem unauflösbaren Widerspruch, dass er unbeschadet des von ihm erklärten Widerrufs von einem ihm vertraglich eingeräumten – und ihm im Zweifel günstigen – Rückgaberecht Gebrauch macht, dessen Fortbestand voraussetzt, dass der mit der Beklagten geschlossene Vertrag einschließlich der Rückgabe-Vereinbarung nicht wirksam widerrufen ist. Dabei stellt sich die Ausübung des „Verbrieften Rückgaberechts“ auch nicht als Teil der – unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit des erklärten Widerrufs – erfolgten regulären Abwicklung des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe der hierfür getroffenen Vereinbarungen bis zur Klärung des zwischen den Parteien bestehenden Streits über die fristgerechte Ausübung des Widerrufsrechts dar. Vielmehr sieht der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag für die Tilgung im Regelfall die fortlaufende Zahlung der vereinbarten Raten und die Zahlung einer bestimmten Schlussrate vor. Das „Verbriefte Rückgaberecht“ kommt demgegenüber als Vereinbarung nur zum Tragen, wenn der Darlehensnehmer das Fahrzeug „spätestens am Tage der Fälligkeit der Schlussrate“ an die Fahrzeugverkäuferin zurückgibt und es dieser spätestens 14 Tage zuvor zur Bewertung vorführt (Ziffer 3 der Rückgabe-Vereinbarung). Die Wahrnehmung des „Verbrieften Rückgaberechts“ ist daher nicht einer bloßen Zahlung der Schlussrate gleichzusetzen, sondern stellt sich als bewusste Ausnutzung einer unter Einbeziehung eines Dritten – der Fahrzeugverkäuferin – vereinbarten Zusatzoption dar (so und zum Ganzen KG, aaO, Rn. 189 – 191). Mit der Wahrnehmung der Rückkaufoption nutzt der Darlehensnehmer dabei eine Möglichkeit zum Ausgleich der Schlussrate, die ihm allein bei Fortbestand der vertraglichen Vereinbarungen einschließlich der Rückgabe-Vereinbarung über den Zeitpunkt des Widerrufes hinaus zur Verfügung steht (KG, aaO, Rn. 191).
18(3) In Ansehung der von den Parteien gewählten Vertragsgestaltung liegen auch besondere Umstände vor, die die Berufung des Klägers auf das von ihm ausgeübte Widerrufsrecht angesichts der Ausnutzung des „Verbrieften Rückgaberechts“ als treuwidrig im Sinne des § 242 BGB erscheinen lassen. Der Senat erachtet die Interessen der Beklagten insofern auch als vorrangig schutzwürdig. Denn ein Darlehensnehmer, der ungeachtet des von ihm erklärten Widerrufs von dem „Verbrieften Rückgaberecht“ Gebrauch macht, greift hiermit zugleich in das Rückabwicklungsregime ein, wenn er die bei der hier vorgesehenen Vertragsgestaltung im Falle des wirksamen Rücktritts von dem mit dem Darlehensgeber geschlossenen Vertrag an sich geschuldete Rückgewähr des Fahrzeuges an den Darlehensgeber (§ 358 Abs. 4 Satz 5 BGB) sehenden Auges und zum eigenen Vorteil durch die Veräußerung des Fahrzeugs an die Verkäuferin unmöglich macht (KG, aaO, Rn. 192; vgl. OLG Braunschweig, aaO, Rn. 155). Im Übrigen wird der Beklagten hierdurch zugleich das Risiko der Uneinbringlichkeit ihrer Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis zu dem zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag aufgebürdet, ohne dass sie zur Befriedigung ihrer Forderungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis auf das ihr ursprünglich sicherungsübereignete Fahrzeug zurückgreifen kann (KG, aaO). Unter diesen Umständen muss sich der Kläger auch dann, wenn der von ihm erklärte Widerruf – wie hier – zunächst einmal wirksam ausgeübt wurde, an dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag festhalten lassen und ist für eine Berufung auf den einmal erklärten Widerruf kein Raum (mehr).
19cc) Der Verweis des Klägers darauf, dass es sich vorliegend nicht um einen Fremdverkauf des Fahrzeugs an einen Dritten handele, an dem die Beklagte völlig unbeteiligt sei, sondern das „Verbriefte Rückgaberecht“ auf Vorgaben der Beklagten selbst zurückgehe, „integraler Bestandteil des Finanzierungskonzepts“ und die Beklagte „faktischer Geschäftsherr“ hinter dem Abschluss des Rückgaberechts sei (vgl. Schriftsatz vom 06.05.2021, S. 3, 5 = Bl. 901, 903 GA), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Vielmehr führt gerade dieses „Gesamtkonstrukt“ – so der Kläger selbst (wie vor, S. 5 = Bl. 903 GA) – zu der Bewertung des Vorgehens des Klägers, in Kenntnis des von ihm erklärten Widerrufs Rechte aus der Rückgabe-Vereinbarung herzuleiten, als widersprüchlich und hätte sich ihm dieser Widerspruch besonders aufdrängen müssen. Nichts anderes gilt in Bezug auf das weitere Vorbringen der Klägerseite im Termin, es habe sich wirtschaftlich betrachtet um eine Sonderkonstellation gehandelt, da der Kläger ohne die Nutzung des Rückgaberechts die Schlussrate hätte zahlen müssen, weshalb er sich „zwischen Baum und Borke“ befunden habe. Der Kläger hätte insoweit Klage auf (negative) Feststellung erheben können, dass der Beklagten gegen ihn aufgrund seines Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, also auch kein Anspruch auf Zahlung der Schlussrate zustehen bzw. zusteht. Der Senat pflichtet der Beklagten insofern darin bei, dass das Vorgehen des Klägers, sich auf den Widerruf des Darlehensvertrages zu berufen, ohne etwaige Nachteile bzw. Risiken in Kauf nehmen zu wollen, widersprüchlich ist. Der Kläger kann nicht einerseits mit dem Widerruf die vertragliche Bindung an den Darlehensvertrag und das Verbundgeschäft negieren und sich andererseits auf ein vertraglich eingeräumtes Rückgaberecht berufen, dessen Fortbestand voraussetzt, dass der mit der Beklagten geschlossene Vertrag wirksam bzw. nicht wirksam widerrufen ist.
20dd) Eine missbräuchliche Ausnutzung der durch das Widerrufsrecht begründeten Rechtsposition kommt ferner auch dann in Betracht, wenn der Darlehensnehmer das Widerrufsrecht ausgeübt hat, um das Fahrzeug nach längerer bestimmungsgemäßer Nutzung zurückgeben zu können, ohne auch – was er zu Unrecht meint – zum Wertersatz verpflichtet zu sein (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253-268, juris Rn. 28; vgl. auch KG, aaO, Rn. 183). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger vertritt bis zuletzt die Auffassung, keinen Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs leisten zu müssen, und hat insoweit die Abweisung der Hilfswiderklage der Beklagten beantragt (vgl. Schriftsatz vom 06.05.2021, S. 2, Bl. 900 GA). Ferner ist vorliegend zu sehen, dass der Kläger die überflüssige Angabe eines Vertrags über eine Restschuldversicherung erstmals im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 06.05.2021 beanstandet hat (vgl. BGH, aaO). Unter Berücksichtigung dieser weiteren Gesichtspunkte ist die Berufung des Klägers auf ein ihm zustehendes Widerrufsrecht jedenfalls in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles nicht (mehr) mit Treu und Glauben in Einklang zu bringen.
21ee) Dem Einwand des Rechtsmissbrauchs in Bezug auf das Berufen auf fehlenden Musterschutz ist nicht deshalb die Grundlage entzogen, weil die streitgegenständliche Widerrufsinformation aus anderen Gründen keinen Musterschutz genießt oder weil die Widerrufsfrist wegen unzureichender oder fehlender Pflichtangaben im August 2019 ohnehin nicht abgelaufen war. Die vom Kläger insoweit erhobenen Einwände greifen nicht durch.
22(1) Nicht gefolgt werden kann dem Kläger in seiner Annahme, dass der Musterschutz bei objektiv falschem Inhalt des Musters – hier wegen des sog. Kaskadenverweises – nicht greife und insofern eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB geboten sei. Ob die streitgegenständliche Widerrufsinformation der tatsächlichen Gesetzeslage nach deutschem oder europäischem Recht entspricht, ist wegen des gesetzlich angeordneten Musterschutzes einer Überprüfung durch die Gerichte entzogen. Aufgrund der Gesetzlichkeitsfiktion nach deutschem Recht kommt es auch nicht auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 (C-66/19, juris – „Kreissparkasse Saarlouis“) an.
23Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs darf die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005 [Große Kammer] – C-105/03, "Pupino", Slg. 2005, I-5285 juris Rn. 47; Urteil vom 22. Januar 2019 [Große Kammer] – C-193/17, "Cresco Investigation", Rn. 74, juris; EuGH, Urteil vom 11. September 2019 – C-143/18, "Romano", juris Rn. 38; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, juris; BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, juris Rn. 12 – 14 mwN; Urteil vom 15. Oktober 2019 – XI ZR 759/17, juris Rn. 22 mwN). Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, juris Rn. 45). Demgemäß kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, juris Rn. 45 ff.; BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101, juris Rn. 20; Urteil vom 15. Oktober 2019 – XI ZR 759/17, juris Rn. 24 mwN).
24Gemessen daran überschritte eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB die Befugnis der Gerichte (zum Ganzen BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, juris Rn. 10 ff. mwN). Durch die gesetzliche Regelung in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB und die Schaffung eines (fakultativen) Musters sollte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern erzeugt und der Rechtsverkehr vereinfacht werden (vgl. BT-Drucks. 16/13669, S. 3 und BT-Drucks. 17/1394, S. 1, 21 f.). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, würde man der Verwendung des Musters die Gesetzlichkeitsfiktion absprechen, weil etwa der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 EGBGB nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2020 (C-66/19 – juris "Kreissparkasse Saarlouis") nicht richtlinienkonform ist (BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, juris Rn. 14). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst.
25(2) Der Einwand des Klägers, er sei nicht ordnungsgemäß und vollständig über sein Kündigungsrecht und das einzuhaltende Kündigungsverfahren gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB informiert worden (BB S. 2 ff., Bl. 626 ff. GA), greift ebenfalls nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, gehört zu den Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB nicht die Information über das außerordentliche Kündigungsrecht des § 314 BGB, sondern nur – soweit einschlägig – die Information über das Kündigungsrecht gemäß § 500 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18, juris Rn. 28 f.; Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 11/19, juris Rn. 26 f.; Beschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 21; Urteil vom 28. Juli 2020 – XI ZR 288/19, juris Rn. 32). Das einzige in der Verbraucherkreditrichtlinie vorgesehene Kündigungsrecht ist jenes aus Art. 13 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie, welches durch § 500 Abs. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzt wurde. Eine erschöpfende Aufführung aller auch nur theoretisch in Betracht kommender Kündigungsrechte trägt zu der gemäß Art. 10 Abs. 2 Verbraucherkreditrichtlinie erforderlichen klaren, prägnanten Form der Erteilung der Pflichtinformationen wenig bei (zum Ganzen BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 21). An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auch nach der Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 (C-66/19 – juris "Kreissparkasse Saarlouis") ausdrücklich festgehalten (BGH, Urteil vom 28. Juli 2020 – XI ZR 288/19, juris Rn. 32). Vorliegend bedurfte es einer Information über ein Kündigungsrecht gemäß § 500 Abs. 1 BGB nicht, weil es sich um einen befristeten Darlehensvertrag handelt. Auf das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung wird unter Zif. 2.a) der Darlehensbedingungen (Anl. K1, Bl. 36 GA) hingewiesen. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt – 25 U 110/16 (BB S. 3, Bl. 627 GA) ist demzufolge überholt.
26(3) Unbehelflich ist schließlich der Einwand des Klägers, die Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung in dem Darlehensantrag reichten zur Erteilung der Pflichtangabe gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB nicht aus (BB S. 21 ff.). Dabei kann dahinstehen, ob die Angaben der Beklagten zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vorliegend zutreffend und ausreichend sind. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine nicht ordnungsgemäße Erteilung der erforderlichen Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung in einem Verbraucherdarlehensvertrag lediglich zum Ausschluss des Anspruchs des Darlehensgebers auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist zu berühren (BGH, Urteil vom 28. Juli 2020 – XI ZR 288/19, juris Rn. 25). Der Senat nimmt Bezug auf die ausführliche Begründung des Bundesgerichtshofs in der vorgenannten Entscheidung (BGH, aaO, juris Rn. 25 ff.).
273.
28Schließlich kann der Kläger – dies unabhängig von den vorstehenden Ausführungen – mit seinem Antrag zu 2. keinen Erfolg haben. Die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen; auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens (vgl. BGH, VU vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, WM 2017, 906-911, zitiert nach juris Rn. 23 ff.). Denn eine Erstattung solcher Kosten unter diesem Aspekt setzte voraus, dass der Kläger die von ihm nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF i.V.m. den §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten hätte (BGH, Urteil vom 14.03.2017 – XI ZR 442/16, zitiert nach juris Rn. 29). Das war hier nicht der Fall. Das Angebot im Widerrufsschreiben vom 19.08.2019 (Anl. K2, Bl. 45 GA) ist insofern schon nicht geeignet, weil es sich nicht zu der Wertersatzpflicht des Klägers verhält, weshalb es sich um eine erhebliche Zuvielforderung von Seiten des Klägers handelt, die es billigerweise ausschließt, der Beklagten die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) aufzubürden (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 – 7 U 169/06, NJW 2008, 925-928, juris Rn. 20 – 21; Senat, Urteil vom 2. April 2020 – 12 U 90/19, juris Rn. 73). Ein Anspruch aus § 280 BGB scheidet aus, weil Rechtsverfolgungskosten nur dann ersatzfähig sind, wenn sie sich auf einen vom Schädiger zu ersetzenden Schaden beziehen (BGH, VU vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, WM 2017, 906-911, juris Rn. 35 mwN; vgl. auch Lechner, WM 2017, 737-742, B. VI. 4.). Daran fehlt es hier ebenfalls. Vor der Entstehung von Ansprüchen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB soll die Widerrufsbelehrung nicht schützen (BGH, aaO, mwN).
29III.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Ein Rechtsmittel ist unzweifelhaft nicht gegeben, § 544 Abs. 2 ZPO.
31Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 48, 47 GKG, 3 ZPO.
32IV.
33Es besteht kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Beantwortung der im Streitfall aufgeworfenen Frage, ob die Berufung des Klägers auf das ihm zustehende Widerrufsrecht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist, lässt sich auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze abschließend beantworten. Auf die Ausführungen unter Ziffer II. 2. a) wird verwiesen. Inwieweit bei Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall tatsächlich Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung und richtet sich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105-123, juris Rn. 18).