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Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 14.11.2018 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 216/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.899,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
a) dem Kläger die Nutzungen herauszugeben, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger in der Zeit vom 01.01.2015 bis zum 15.06.2018 auf die unwirksamen Beitragserhöhungen im Tarif A zum 01.01.2008 in Höhe von monatlich 49 Euro, zum 01.01.2009 in Höhe von monatlich 55,44 Euro, zum 01.04.2013 in Höhe von monatlich 79 Euro und in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 15.06.2018 auf die unwirksame Beitragserhöhung im Tarif A zum 01.01.2016 in Höhe von monatlich 54 Euro tatsächlich gezahlt hat;
b) die nach 2. a) herauszugebenden Nutzungen ab dem 15.06.2018 in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu verzinsen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. Streitig sind Erhöhungen im Tarif A jeweils zum 01.01.2008 (49,00 Euro), 01.01.2009 (55,44 Euro), 01.04.2013 (79,00 Euro) und zum 01.01.2016 (54,00 Euro).
4Der am xx.xx.1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert und unterhält unter anderem den Tarif A. Wegen der Einzelheiten wird auf die Nachträge zu den Versicherungsscheinen aus November 2007, November 2008, Februar 2013 und aus November 2015 (jeweils im Anlagenheft) verwiesen.
5Die für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen wurden bis einschließlich des Geschäftsjahres 2014 durch den Treuhänder B und sodann durch den Treuhänder C erteilt.
6Die Beklagte teilte dem Kläger die Erhöhung zum 01.01.2008 mit Schreiben aus November 2007 nebst Anlagen mit. Die Prämienerhöhung zum 01.01.2009 teilte sie mit Schreiben aus November 2008 nebst Anlagen, zum 01.04.2013 mit Schreiben aus Februar 2013 und zum 01.01.2016 mit Schreiben aus November 2015 nebst Anlagen (Anlagenkonvolut D 3 bis 6 im Anlagenheft) mit. Auf den Inhalt der vorgenannten Schreiben nebst Anlagen wird Bezug genommen.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.05.2018 ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung von 14 Tagen zur Rückzahlung überzahlter Beiträge sowie der daraus gezogenen Nutzungen auffordern. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück. Der Kläger nahm die Beklagte daraufhin mit Klageschrift vom 02.07.2018, der Beklagten zugestellt am 30.07.2018 (Bl. 30), in Anspruch.
8In der dem Kläger am 07.09.2018 zugestellten Klageerwiderung (Bl. 115 ff.) hat die Beklagte die Prämienerhöhungen zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 mit einem Anstieg der Leistungsausgaben begründet und den jeweiligen auslösenden Faktor mitgeteilt.
9Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil vom 14.11.2018 – 23 O 216/18 -, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen und der Anträge Bezug genommen wird, der Zahlungs- und Feststellungsklage des Klägers in vollem Umfang stattgegeben. Der Klageantrag zu 1, gerichtet auf die Rückzahlung der Prämienerhöhungsanteile, sei gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB begründet. Die in Rede stehenden Prämienanpassungen seien gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 VVG unwirksam, weil der Treuhänder C, welcher die Technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und den Prämienanpassungen zugestimmt habe, nicht als unabhängig anzusehen sei, da er mit der Beklagten durch einen sonstigen Dienstvertrag im Sinne von § 157 Abs. 1 S. 1 VAG verbunden gewesen sei, was das Landgericht näher ausführt. Der zulässige Feststellungsantrag zu 2 finde seine Berechtigung in § 818 Abs. 1 BGB.
10Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt und die Zulassung der Revision anregt.
11Die Beklagte wendet ein, das Landgericht sei in rechtsfehlerhafter Weise von einer fehlenden Unabhängigkeit der Treuhänder ausgegangen. Tatsächlich sei die Frage der Unabhängigkeit der Treuhänder, wie der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich in seinem Urteil vom 19.12.2018 entschieden hat, nicht im zivilgerichtlichen Einzelverfahren zu überprüfen.
12Die Beklagte rügt des Weiteren, das Landgericht habe die bereicherungsrechtlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles verkannt. Wegen der gebotenen Saldierung könne ein Anspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung nur auf Herausgabe des Überschusses gerichtet sein. Die Beklagte nimmt insoweit Bezug auf ihre erstinstanzlichen Darlegungen zu den Vermögensvorteilen des Versicherungsnehmers bei einer Beitragserhöhung. Namentlich seien zu berücksichtigen die Sparprämie, Risikoprämie und der gesetzliche Beitragszuschlag, was die Beklagte auf Seite 7 ff. ihrer Berufungsbegründung (Bl. 451 ff.) näher ausführt. Der Versicherte sei um die Differenz bereichert, die sich aus einem Vergleich der Altersrücklagen ohne jegliche Beitragserhöhung mit der Höhe der Altersrücklagen unter Berücksichtigung der Prämienerhöhung ergebe. Diese Bereicherung des Versicherten bilde den Abzugsposten im Rahmen der gebotenen Saldierung.
13Darüber hinaus erhebt die Beklagte den Einwand der Entreicherung. Die Prämienerhöhungen seien dem Kollektiv gutgeschrieben worden. Es sei schlichtweg unbillig, wenn der einzelne Versicherte sich durch Rückforderung anteiliger Prämienzahlungen seiner dem Kollektiv zu Gute kommenden Beitragspflicht entziehen könne, ohne dabei einen Abzug bezüglich des Umfangs des eigenen Leistungsanspruchs in Kauf nehmen zu wollen. Die Bereicherung sei deshalb auf die Gewinnquote beschränkt. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 10 f. der Berufungsbegründung (Bl. 454 ff.) Bezug genommen.
14Die Beklagte ist zudem der Auffassung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen der Verjährung und Verwirkung verneint. Hierzu wird Bezug genommen auf Seite 12 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 456 ff.).
15Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, der Feststellungsantrag zu 2) sei bereits unzulässig.
16Die Beklagte beantragt,
17das Urteil des Landgerichts Köln vom 14.11.2018 – 23 O 216/18 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
18Der Kläger beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages hält der Kläger an seiner Auffassung fest, die Unabhängigkeit des Treuhänders müsse durch die Zivilgerichte im Rahmen der Überprüfung von Beitragserhöhungen selbständig geprüft werden.
21Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, die vorgenommenen Prämienerhöhungen seien durch die Beklagte nicht ordnungsgemäß begründet worden und daher formell unwirksam. Hierzu wird Bezug genommen auf die Seite 2 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 474 ff.). Die materielle Rechtmäßigkeit der Erhöhungen, die der Kläger bestreitet, lasse sich anhand der vorgelegten Unterlagen nicht überprüfen; insbesondere hätten den Treuhändern die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegen. Hierzu wird verwiesen auf die Ausführungen auf Seite 30 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 502 ff.).
22Zudem ist der Kläger der Auffassung, eine Kürzung des Rückzahlungsanspruches habe nicht zu erfolgen; insbesondere finde die Saldotheorie keine Anwendung. Eine Entreicherung auf Seiten der Beklagten habe diese zudem nicht hinreichend dargelegt. Es wird insoweit Bezug genommen auf Seite 41 f. der Berufungserwiderung (Bl. 513 f.).
23Schließlich seien weder Verjährung noch Verwirkung anzunehmen. Hierzu führt der Kläger auf Seite 42 ff. seiner Berufungserwiderung (Bl. 514 ff.) weiter aus.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
25II.
26Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
27Die streitgegenständlichen Tariferhöhungen im Tarif A zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 sind in formeller Hinsicht unwirksam und sind erst durch die Zustellung der Klageerwiderung am 07.09.2018 geheilt und zum 01.11.2018 wirksam geworden. Daher kann der Kläger mit dem Klageantrag zu 1) die Rückzahlung der aufgrund dieser unwirksamen Tariferhöhungen bis zum 31.12.2017 geleisteten erhöhten Prämien in Höhe von insgesamt 7.899,84 Euro erstattet verlangen. Insoweit ist auch der Klageantrag zu 2) auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe gezogener Nutzungen aus den von ihm auf die nicht wirksam gewordenen Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen zzgl. Zinsen begründet. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
281. Der Klageantrag zu 1) ist teilweise begründet.
29Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Erhöhungsbeiträge i.H.v. 7.899,84 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
30Die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 sind wegen unzureichender Begründungen in den Mitteilungsschreiben bis zur Heilung ab November 2018 nicht wirksam geworden. Die auf die vorgenannten Prämienanpassungen vom Kläger geleisteten Erhöhungsbeiträge bis einschließlich Dezember 2017 erfolgten ohne Rechtsgrund. Die unverjährten Ansprüche auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Beiträge für die Jahre 2015, 2016 und 2017 errechnen sich auf insgesamt 7.899,84 Euro.
31Die Mitteilungsschreiben der Beklagten aus November 2007, November 2008, Februar 2013 und aus November 2015 jeweils nebst Anlagen genügen nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. Erst durch Zugang der Klageerwiderung vom 27.08.2018 am 07.09.2018 ist eine Heilung ab dem zweiten darauffolgenden Monat, also ab November 2018, eingetreten.
32a) Nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer, wenn bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zustimmt.
33Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, dass der Treuhänder C nicht die erforderliche Unabhängigkeit aufweise.
34Die in Rechtsprechung und Literatur streitige Frage, ob die Unabhängigkeit des Treuhänders in zivilgerichtlichen Verfahren betreffend Prämienerhöhungen gerichtlich überprüfbar ist oder nicht, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.12.2018 (IV ZR 255/17, VersR 2018, 283 ff.) dahingehend entschieden, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders von Zivilgerichten im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht gesondert zu prüfen ist. Soweit § 203 Abs. 2 S. 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie von der Zustimmung eines „unabhängigen Treuhänders“ abhängig macht, handelt es sich dabei nur um eine Bezeichnung für diejenige Person, die nach den Bestimmungen des VAG - § 12 b VAG a.F. bzw. §§ 155, 157 VAG – für diese Aufgabe bestellt worden ist. Dagegen stellt die Unabhängigkeit des Treuhänders kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar, das von den Zivilgerichten im Rechtsstreit um die Berechtigung der Prämienanpassung gesondert zu prüfen ist. Dies folgt aus einer Auslegung des § 203 VVG, die ausgehend von dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Regelung ihre Entstehungsgeschichte, ihren Sinn und Zweck sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes berücksichtigt (BGH, a.a.O.).
35Der Senat folgt dieser Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs. Entscheidend für die Auffassung des Bundesgerichtshofs spricht der Sinn und Zweck der Regelung in § 203 Abs. 2 S. 1 VVG. Der Berechtigung zur Prämienanpassung „für bestehende Versicherungsverhältnisse“ liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Versicherer sein unter den gesetzlichen Voraussetzungen bestehendes Gestaltungsrecht nicht für einzelne, sondern nur für eine Mehrzahl gleichartig betroffener Verträge ausüben soll. Das gesetzliche Anpassungsrecht des Versicherers zielt vorrangig darauf ab, die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge zu gewährleisten und dient damit der Wahrung der Belange aller Versicherten. Der die Zustimmung erklärende Treuhänder ist insoweit Vertreter der Interessen der Gesamtheit der Versicherungsnehmer. Seine Entscheidung dient dabei der Wahrung der Belange aller Versicherten, die mit den individuellen Interessen einzelner Versicherungsnehmer nicht durchweg übereinzustimmen brauchen. Die Entscheidung über die Voraussetzungen für die Bestellung eines unabhängigen Treuhänders und deren Überwachung ist allein im Aufsichtsrecht zu suchen. Die Unabhängigkeit der
36Anlagen:
37Treuhänder C ist daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu überprüfen.
38b) Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Vorliegend genügen die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben nebst Anlagen für die Jahre 2008, 2009, 2013 und 2016 nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG. Bei der Mitteilungspflicht gemäß § 203 Abs. 5 VVG handelt es sich um eine gesetzliche Voraussetzung für das Wirksamwerden der Prämienerhöhungen.
39aa) Streitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, was unter Mitteilung der „maßgeblichen Gründe“ im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist und welche Angaben die Mitteilung im Einzelnen enthalten muss (Klimke, VersR 2016, S. 22 Ziff. II a.E.; LG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2018, - 14 O 203/16 -, VersR 2018, 669 ff. in juris Rn. 64). „Gründe“ i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG sind jedenfalls die Umstände, die eine Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Da das Anpassungsrecht eine dauerhafte Veränderung der für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlagen im Sinne von § 203 Abs. 2 VVG, § 12 b Abs. 2 VAG a.F. bzw. § 155 Abs. 3 VAG 2016 voraussetzt, muss die Mitteilung daher zumindest eine Aussage zu diesem Punkt enthalten. Problematisch ist nur, in welcher Ausführlichkeit (Klimke, VersR 2016, S. 22 Ziff. II 1.). Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur insoweit, als der Versicherer nicht von sich aus detailliert die gesamte der Anpassung zu Grunde liegende Kalkulation offenlegen muss. Nicht geboten ist daher insbesondere die Überlassung der Unterlagen, die dem Treuhänder bei seiner Prüfung vorlagen, weil es sich bei den Einzelheiten der Prämienberechnung um Betriebsgeheimnisse des Versicherers handelt, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohnehin nicht nachvollziehen kann (vgl. Klimke VersR 2016, S. 22 Ziff. II. 1. a) m.w.N. in Fußnote 5 – 8).
40bb) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 29.10.2019 (Az. 9 U 127/18), vom 17.12.2019 (Az. 9 U 131/18) und vom 28.01.2020 (Az. 9 U 138/19, BeckRS 2020, 2918) ausgeführt hat, ist es zunächst erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 12 VAG a.F. bzw. § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt sind.
41Die Benennung der Rechnungsgrundlage muss auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend ist insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht nicht aus. Denn dem Gesetzeswortlaut ist durch die Verwendung des Begriffs „maßgeblich“ zu entnehmen, dass nicht eine allgemeine Information oder Belehrung über das Prämienanpassungsrecht ausreicht, sondern ein Bezug zu der konkreten Prämienanpassung hergestellt werden muss.
42Hingegen ist die Angabe der konkreten Höhe der Veränderung oder des sog. auslösenden Faktors nicht erforderlich. Denn für die Prämienerhöhung reicht es aus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz festgelegten Schwellenwert übersteigt. Soweit es um die die Prämienhöhe beeinflussenden Faktoren geht, hat die Kenntnis konkreter Zahlen – soweit es sich dabei nicht ohnehin um Geschäftsgeheimnisse des Versicherers handelt – für den Versicherungsnehmer regelmäßig keinen Nutzen. Denn die Kenntnis einzelner Zahlen ermöglicht dem Versicherungsnehmer weder eine rechnerische Kontrolle noch auch nur eine Plausibilitätsprüfung der Prämienerhöhung; dafür sind die versicherungsmathematischen Zusammenhänge zu komplex (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, - 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 100, 101).
43Nicht erforderlich ist zudem, dass in der Mitteilung konkret angegeben wird, welcher Schwellenwert überschritten wurde, der gesetzliche Faktor gemäß § 155 VAG (Versicherungsleistungen über 10 % bzw. Sterbetafeln über 5 %) oder ein gegebenenfalls abweichender tariflich vereinbarter auslösender Faktor (z.B. §§ 8b Abs. 1 und 2 MB/KK, 19 Abs. 1 und 2 AVB: Versicherungsleistungen über 5 %). Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Gesamtzusammenhang des Begründungsschreibens klar entnehmen kann, dass der Versicherer seine Erhöhung mit einer Überschreitung des geltenden Faktors begründet (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, - 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 100).
44Damit kann der Versicherungsnehmer die rechtlichen Voraussetzungen, mit denen der Versicherer die Prämienanpassung begründet, in hinreichendem Maße nachvollziehen. Die Höhe des geltenden gesetzlichen Faktors kann er über die in § 203 VVG genannte Normenkette erkennen. Einen gegebenenfalls abweichend vereinbarten Faktor kann er den Versicherungsbedingungen entnehmen. Einem Versicherungsnehmer ohne vertiefte Spezialkenntnisse im privaten Krankenversicherungsrecht wird selbst ein formaler Abgleich der vom Versicherer genannten Begründung mit den rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für seinen Tarif ohne die Einholung weiterer Auskünfte nicht möglich sein. Dies gilt unabhängig davon, ob ihm in der Begründung der maßgebliche Schwellenwert genannt wird.
45Für eine rechnerische Überprüfung hilft die Benennung des einschlägigen Faktors - gesetzlich oder tariflich vereinbart - bzw. des jeweiligen Schwellenwertes - über 5 % bzw. über 10 % - dem Versicherungsnehmer ohnehin nicht weiter. Entsprechendes gilt für das zeitgleich laufende Kündigungsrecht oder das Tarifwechselrecht des Versicherungsnehmers nach § 204 VVG. Die vom Versicherungsnehmer zu treffende Entscheidung über die Ausübung der Rechte wird durch die Angabe, ob der auslösende Faktor über einem bestimmten gesetzlichen oder tariflich festgelegten Prozentsatz liegt, für sich genommen nicht erleichtert, weil auch insofern die zu treffende Entscheidung von verschiedenen Faktoren abhängt.
46Soweit der Versicherungsnehmer im Einzelfall ein Interesse an weiteren Informationen hat, sei es wegen einer beabsichtigten Plausibilitätskontrolle oder als Entscheidungshilfe für die Ausübung seiner Rechte nach § 204 VVG, so ist ihm ein weitergehender Auskunftsanspruch zuzubilligen. Bei den Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung handelt es sich um ein Massenverfahren. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Umfang der Begründungspflicht näher ausgestaltet hätte, wenn er dem Versicherer im Vergleich zur früheren Rechtslage einen erheblichen weiteren Verwaltungsaufwand bei der Ausgestaltung der Begründung im Einzelfall hätte auferlegen wollen. Die schutzwürdigen Interessen des Versicherungsnehmers sind hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm nach entsprechender Geltendmachung die Gründe für die Prämienerhöhung im Einzelnen mitzuteilen sind.
47Dahingestellt bleiben kann, ob dem Versicherungsnehmer ausnahmsweise auch ohne entsprechende Nachfrage im Begründungsschreiben mitzuteilen ist, wenn der Versicherer eine Prämienerhöhung trotz sinkender Leistungsausgaben vorgenommen hat. Vorliegend erfolgten alle streitgegenständlichen Prämienerhöhungen aufgrund gestiegener Leistungsausgaben.
48Nicht erforderlich ist die Angabe des Namens und der Anschrift des Treuhänders in der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG durch den Versicherer. Da die Unabhängigkeit des Treuhänders nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht gerichtlich zu überprüfen ist, ist der Name für den Versicherungsnehmer zunächst ohne Bedeutung. Bei Interesse kann er ihn im Rahmen des ihm zustehenden Auskunftsanspruchs beim Versicherer erfragen.
49Jedenfalls bei gestiegenen Leistungsausgaben ist ebenfalls nicht zwingend erforderlich die Nennung der Veränderung weiterer Kriterien, welche die Prämienhöhe zumindest auch noch beeinflusst haben, wie beispielsweise der Rechnungszins. Insbesondere muss ein konkreter Bezug zwischen der streitgegenständlichen Prämienerhöhung und den veränderten weiteren Faktoren in der Begründung nicht hergestellt werden. Denn dies führte zu einer erheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands, der zulasten der Versicherungsgemeinschaft ginge, ohne dass dem Aufwand ein nur ansatzweise entsprechender Nutzen für den einzelnen Versicherungsnehmer gegenüberstünde. Der Versicherer müsste für jeden versicherten Tarif jeder versicherten Person eine Vielzahl von Faktoren angeben. Dennoch wäre dem Versicherungsnehmer anhand von diesen Angaben zu den weiteren veränderten Faktoren – auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen – ein ansatzweises „Nachrechnen“ nicht möglich. Denn hierfür bedürfte es des gesamten Rechenwerks, das der Versicherer aufgrund seines schützenswerten Geheimhaltungsinteresses der Begründung gerade nicht beifügen muss.
50cc) Gemessen daran erfüllen die streitgegenständlichen Begründungen für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2008 (Anlage D 3, AH), 01.01.2009 (Anlage D 4, AH), 01.04.2013 (Anlage D 5, AH) und zum 01.01.2016 (Anlage D 6, AH) nicht die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe.
51Im Einzelnen gilt folgendes:
52(1) In Anwendung der oben ausgeführten Grundsätze genügt das Mitteilungsschreiben der Beklagten aus November 2007 nebst Anlagen (Anlage D 3, AH) nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragserhöhungen zum 01.01.2008 im Tarif A im Sinne des § 178g Abs. 4 VVG a.F.
53Das Mitteilungsschreiben stammt aus einer Zeit, zu der noch § 178g Abs. 4 VVG a.F. in Kraft war und Anwendung fand. Die Geltung dieser Vorschrift führt indes zu keiner anderen Wertung und erfordert dieselben bereits dargelegten Voraussetzungen wie die Nachfolgevorschrift des § 203 Abs. 5 VVG. Zwar lautete der Wortlaut des § 178g Abs. 4 VVG a.F. dahingehend, dass für das Wirksamwerden einer Prämienerhöhung eine „Benachrichtigung“ des Versicherungsnehmers erforderlich ist, während in § 203 Abs. 5 VVG die „Mitteilung der maßgeblichen Gründe“ gefordert wird. Jedoch war die Vorschrift des § 178g Abs. 4 VVG a.F. ebenso auszulegen wie ihre Nachfolgevorschrift. Aus der Bundestagdrucksache 16/3945, 16. Wahlperiode, vom 20. 12. 2006 (S. 114) ergibt sich insoweit, dass der Gesetzgeber durch die Regelung in § 203 Abs. 5 VVG keine inhaltlich anderen Anforderungen an die Informationsschreiben der Versicherer stellen wollte. Zu Absatz 5 des § 203 VVG heißt es dort: „Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 178g Abs. 4 VVG. Allerdings werden abweichende Vereinbarungen über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vertragsänderung ausgeschlossen, soweit sie für den Versicherungsnehmer nachteilig sind (vgl. § 208 VVG-E).“ Es findet sich kein Hinweis darauf, dass an die Anpassungsschreiben nunmehr andere (engere) Voraussetzungen zu stellen wären, so dass auch für die Prämienerhöhung für das Jahr 2009 die oben dargelegten Grundsätze gelten und dieselben Anforderungen zu stellen sind.
54Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze genügt das Anpassungsschreiben nebst Anlagen nicht den genannten Anforderungen.
55Weder dem Anschreiben aus November 2007 noch dem Nachtrag zum Versicherungsschein lässt sich mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass die konkrete Beitragserhöhung für den unterhaltenen Tarif aufgrund einer Überschreitung des geltenden Faktors bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen vorgenommen worden ist.
56Im Anschreiben an den Kläger aus November 2007 heißt es:
57„Wie sich Ihr Beitrag insgesamt ändert, sehen Sie im Nachtrag zu Ihrem Versicherungsschein.“ Im Nachtrag zum Versicherungsschein heißt es: „Dieser Nachtrag dokumentiert die Änderung Ihres Beitrags – bitte bewahren Sie ihn bei Ihren Versicherungsunterlagen auf. Die Beitragsveränderung erfolgt auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen. Ein unabhängiger Treuhänder hat sämtliche Grundlagen der Beitragsanpassung überprüft und gemäß § 178g Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) seine Zustimmung erteilt.“
58Es folgen die Angaben zu Versicherungsnehmer, Tarif und monatlichem Tarifbeitrag.
59Sodann heißt es weiter:
60„Beitragsanpassungen gleichen Kostensteigerungen für medizinische Leistungen aus – nicht jedoch diejenigen Kostensteigerungen, die dadurch verursacht werden, dass Erkrankungen mit dem Alter zunehmen. Damit Ihr Beitrag nicht mit dem Alter steigen muss, bilden wir für Sie ab Vertragsbeginn Rückstellungen. Ohne diese wäre Ihr monatlicher Beitrag heute um 80,87 Euro höher.“
61Zuletzt folgen lediglich Hinweise zur Beitragszahlung.
62Weitere Erläuterungen oder Informationen werden dem Versicherungsnehmer nicht gegeben. Er wird nicht darüber informiert, warum konkret in seinem Tarif die Beiträge angepasst werden und welche Faktoren Grund für diese Änderung waren. Insbesondere erfolgt (anders als bei späteren Prämienerhöhungen) keine Verweisung oder Inbezugnahme auf ein Informationsblatt o.ä., dem der Versicherungsnehmer konkretere Gründe für die erfolgte Beitragsanpassung entnehmen könnte.
63Allein durch das Anschreiben und den Nachtrag zum Versicherungsschein sind die oben genannten Voraussetzungen an eine formell ordnungsgemäße Begründung nicht erfüllt.
64(2) In Anwendung der oben ausgeführten Grundsätze genügt auch das Mitteilungsschreiben der Beklagten aus November 2008 nebst Anlagen (Anlage D 4, AH sowie Anlagen K2 und K3, AH) nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragserhöhung zum 01.01.2009 im Sinne des § 178g Abs. 4 a.F. VVG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 EGVVG. Auch der in Bezug genommenen Anlage „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2009“ kann der Versicherungsnehmer als Empfänger auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass die konkrete Beitragserhöhung für die von ihm unterhaltenen Tarife aufgrund einer Überschreitung des geltenden Faktors bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen vorgenommen worden ist.
65Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Anschreiben aus November 2008 selbst keine Begründung für die dort ausgewiesene Prämienerhöhung enthält. Die Verweisungskette auf die einschlägigen Ausführungen in den beigefügten Anlagen ist für den Empfänger des Mitteilungsschreibens ohne weiteres nachzuvollziehen und in sich schlüssig. Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers vermögen nicht zu überzeugen.
66Das Mitteilungsschreiben aus November 2008 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf den beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein, in dem sich keine weiteren Hinweise auf Änderungsgründe finden und bei dem insbesondere (anders als in anderen Nachträgen zum Versicherungsschein) keine rechte Spalte existiert, die in anderen Streitfällen eine Ziffer enthält, die wiederum später im Informationsblatt mit der Überschrift „Änderungsgründe“ nachverfolgt werden könnte. Dem Versicherungsschein beigefügt ist ohne weiteren Kommentar ein Informationsblatt mit der Überschrift „Änderungsgründe“. Unter Ziffer 1 „Beitragsanpassung“ wird dort auf die separate Beilage verwiesen. Dass diese für den Versicherungsnehmer und seine konkrete Beitragsanpassung relevant ist, kann der Versicherungsnehmer unter Umständen daran erkennen, dass im Anschreiben klargestellt wird, dass eine Beitragsanpassung erfolgt und sich dieser Begriff nunmehr in dem Informationsblatt unter Ziffer 1 wiederfindet. Dass mit der genannten „separaten Beilage“, auf die verwiesen wird, das anliegende Informationsblatt mit dem Titel „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2009“ gemeint ist, kann der Versicherungsnehmer an der in Fettdruck hervorgehobenen Überschrift erkennen.
67Inhaltlich genügen die Ausführungen in der separaten Beilage mit dem Titel „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2009“ jedoch nicht den zu stellenden Mindestanforderungen.
68Dort heißt es auszugsweise in der Spalte „Gründe für die Beitragsänderung“:
69„Die Kosten im Gesundheitswesen steigen leider nach wie vor.
70Das liegt an verschiedenen Gründen wie beispielsweise dem medizinischen Fortschritt in den Bereichen Diagnostik und Therapie, häufigeren Behandlungen und teureren Arznei- und Hilfsmitteln. Darüber hinaus wirkt sich auch die weiter gestiegene Lebenserwartung von Privatversicherten auf die Rechnungsgrundlagen aus; der Versicherungsschutz besteht (statistisch gesehen) länger und dadurch werden in höheren Altern mehr Leistungen in Anspruch genommen. Diesen Effekt müssen wir bereits heute bei der Beitragskalkulation berücksichtigen.
71Diese Entwicklungen wirken sich auf die Beiträge aus, denn wir haben Ihnen ein Leistungsversprechen gegeben. Dieses Versprechen wollen und müssen wir auch bei Preissteigerungen einhalten.
72Deshalb sind wir gesetzlich verpflichtet, mindestens einmal im Jahr zu prüfen, ob die erforderlichen Versicherungsleistungen noch mit den kalkulierten Leistungen übereinstimmen.
73Nach dieser Prüfung war es für verschiedene Tarife erforderlich, die Beiträge neu zu kalkulieren. Es ergeben sich Beitragserhöhungen, für einige Kunden können die Beiträge aber auch gesenkt werden oder ändern sich nicht. Die jeweilige Entwicklung hängt vom Alter, dem Geschlecht und dem vereinbarten Tarif ab.“
74Die vorstehenden Erläuterungen der Beklagten sind allgemein gehalten. Den Erläuterungen kann der Versicherungsnehmer zwar noch entnehmen, dass eine jährliche Überprüfung der Beiträge in Bezug auf die Leistungsausgaben durchgeführt wird. Es wird jedoch schon nicht mitgeteilt, unter welchen Voraussetzungen eine Beitragsanpassung grundsätzlich vorgenommen werden kann, d.h. welche der im Gesetz genannten Rechnungsgrundlagen sich verändert haben müssen und in welchem Umfang. Ebenso wenig wird das Ergebnis der aktuellen Prüfung bezogen auf die erhöhten Tarife mitgeteilt. Es wird lediglich auf das Erfordernis der Neukalkulation der Beiträge hingewiesen, ohne dass der Grund dafür näher erläutert wird. Daraus kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse schon nicht entnehmen, dass überhaupt eine Veränderung der nach dem Gesetz maßgeblichen Rechnungsgrundlagen die Beitragserhöhung ausgelöst hat und ggf. welche. Außerdem fehlt jeglicher Bezug zu dem konkret erhöhten Tarif. An dieser Stelle hätte es eines klaren Hinweises bedurft, welche der im Gesetz genannten Rechnungsgrundlagen sich nach dem Ergebnis der Prüfung inwieweit verändert haben und dass dies der Grund für die vorgenommene Beitragsanpassung in den bezeichneten Tarifen gewesen ist. Ein solcher Hinweis ist ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand unschwer möglich, wie der Inhalt späterer Mitteilungen für zeitlich spätere Beitragsanpassungen in anderen Verfahren zeigt.
75(3) Auch das Mitteilungsschreiben der Beklagten aus Februar 2013 nebst Anlagen (Anlage D 5, AH) genügt nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragserhöhung zum 01.04.2013 im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG. Hier kann der Versicherungsnehmer der in Bezug genommenen Anlage „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.04.2013“ auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass die konkrete Beitragserhöhung für die von ihm unterhaltenen Tarife aufgrund einer Überschreitung des geltenden Faktors bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen vorgenommen worden ist.
76Auch insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das Anschreiben aus Februar 2013 selbst keine Begründung für die dort ausgewiesene Prämienerhöhung enthält. Die Verweisungskette auf die einschlägigen Ausführungen in den beigefügten Anlagen ist für den Empfänger des Mitteilungsschreibens ohne Mühe nachzuvollziehen und in sich schlüssig. Im Versicherungsschein wird unter „Änderungsgründe“ getrennt nach dem jeweiligen erhöhten Tarif auf die Ziffer 1 verwiesen. In dem beigefügten und mit „Änderungsgründe“ überschriebenen Informationsblatt wird zu Ziffer 1. „Beitragsanpassung“ darauf verwiesen: „Nähere Informationen finden Sie in der separaten Beilage“.
77Inhaltlich genügen die Ausführungen in der separaten Beilage mit dem Titel „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.04.2013“ jedoch nicht den zu stellenden Mindestanforderungen.
78Dort heißt es auszugsweise:
79„Ihre private Krankenversicherung (PKV) sichert Ihnen lebenslang eine optimale Versorgung mit allen Möglichkeiten der modernen Medizin.
80Darauf können Sie sich jetzt und in Zukunft verlassen!
81Damit dies so bleibt, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen vergleichen. Diese Überprüfung erfolgt für jeden einzelnen Tarif. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge anzupassen. Dies muss zum 01.04.2013 in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen.“
82Die vorstehenden Erläuterungen der Beklagten sind allgemein gehalten. Den Erläuterungen kann der Versicherungsnehmer zwar noch entnehmen, dass eine jährliche Überprüfung der Beiträge in Bezug auf die Leistungsausgaben durchgeführt wird und bei einer Abweichung der kalkulierten von den zukünftig erforderlichen nach oben oder unten um den vertraglich festgelegten Prozentsatz die Beiträge angepasst werden müssen. Daraus sowie aus der nachfolgenden Mitteilung, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Überprüfung zum 01.04.2013 eine Anpassung in den gekennzeichneten Tarifen erforderlich sei, ist für ihn ferner erkennbar, dass die Leistungsausgaben Auslöser für die konkrete Prämienanpassung waren. Es erfolgt somit eine Bezugnahme auf diese Rechnungsgrundlage.
83Allerdings wird das Ergebnis der aktuellen Überprüfung in Bezug auf die erhöhten Tarife nicht vollständig mitgeteilt. Allein aus der „Mitteilung „Dies muss zum 01.04.2013 in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen“ kann der Versicherungsnehmer zunächst schon nicht zweifelsfrei entnehmen, ob sich „dies“ auf die vorzunehmende Überprüfung oder die Erforderlichkeit der Anpassung wegen bereits festgestellter Abweichung der kalkulierten von den zukünftig erforderlichen Leistungsausgaben bezieht. Aber selbst bei Unterstellung, dass dieser Hinweis so zu verstehen ist, dass eine Beitragsanpassung wegen einer Abweichung der kalkulierten von den zukünftig erforderlichen Leistungsausgaben vorzunehmen ist, fehlt die Angabe, ob nach der Überprüfung die zukünftig erforderlichen Leistungsausgaben für die betroffenen Tarife nach oben oder nach unten abgewichen sind und ob die Abweichung oberhalb oder unterhalb des angegebenen Prozentsatzes gelegen hat. Erst mit diesen Informationen wäre für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar, dass die vorgenommene Beitragserhöhung erfolgen muss. Dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse der Rückschluss von den allgemein gehaltenen Erläuterungen zu der Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Leistungsausgaben in Bezug auf seinen konkreten Tarif gelingt, ist nicht bzw. jedenfalls nicht zwingend zu erwarten. Er kann insbesondere aufgrund der vorgenommenen Beitragserhöhung in den im Nachtrag genannten Tarifen nicht zwingend davon ausgehen, dass nach der aktuellen Überprüfung des Versicherers Auslöser dafür bei den Leistungsausgaben Abweichungen oberhalb der geltenden Prozentsätze gewesen sind. An dieser Stelle bedürfte es eines klaren Hinweises.
84Die aufgezeigten Unklarheiten in den „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.04.2013“ gehen zulasten der Beklagten. Wie spätere Informationen zu zeitlich nachfolgenden Beitragserhöhungen in anderen beim Senat anhängigen Verfahren zeigen, ist eine ordnungsgemäße Mitteilung der maßgeblichen Gründe ohne größeren Verwaltungsaufwand in einem einheitlichen formularmäßigen Informationsblatt unschwer möglich.
85(4) Schließlich genügt auch das Mitteilungsschreiben der Beklagten aus November 2015 nebst Anlagen (Anlage D 6, AH) nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Prämienerhöhungen zum 01.01.2016 im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG.
86Nicht zu beanstanden ist wiederum, dass das Anschreiben aus November 2015 selbst keine Begründung für die streitgegenständliche Prämienerhöhung enthält. Die Verweisungskette auf die einschlägigen Ausführungen in den beigefügten Anlagen ist für den Empfänger des Mitteilungsschreibens ohne Mühe nachzuvollziehen und in sich schlüssig. In dem Anpassungsschreiben aus November 2015 findet sich ein deutlich in Fettdruck hervorgehobener Hinweis auf nähere Erläuterungen in der Anlage „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016“. Im Nachtrag zum Versicherungsschein wird unter „Änderungsgründe“ auf die Ziffer 1 verwiesen. In dem beigefügten und mit „Änderungsgründe“ überschriebenen Informationsblatt wird zu Ziffer 1. „Beitragsanpassung“ darauf verwiesen: „Nähere Informationen finden Sie in der separaten Beilage“. Die separate Beilage mit der in Fettdruck hervorgehobenen Überschrift „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2016“ wird der Versicherungsnehmer unschwer finden.
87Inhaltlich genügen die „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016“ jedoch wiederum nicht den zu stellenden Mindestanforderungen. Der Versicherungsnehmer als Empfänger kann den dortigen Ausführungen auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Faktor die konkrete Beitragserhöhung für die von ihm unterhaltenen Tarife ausgelöst hat.
88In den „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016“ heißt es neben der Frage „Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung?“ auszugsweise:
89„Mit ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung.
90In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen – und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.
91Darüber hinaus wächst mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang Ihres privaten Krankenversicherungsschutzes. Denn er berücksichtigt neue Methoden bei Diagnostik, Therapie und Medikamenten.
92Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen wurden – zusätzlich nach Geschlecht.
93Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge überprüft werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.
94Muss eine Beitragsanpassung erfolgen, müssen auch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Denn nicht nur die Leistungsausgaben beeinflussen den Beitrag. Diese Faktoren sind:
95Steigende Lebenserwartung
96….
97Kapitalmarktsituation
98…
99Entwicklung des Versichertenbestandes
100…“
101Die vorstehenden Erläuterungen der Beklagten sind erneut allgemein gehalten. Eine hinreichend klare Bezugnahme auf die Rechnungsgrundlage, welche die konkrete Prämienanpassung für den streitgegenständlichen Tarif ausgelöst hat, erfolgt nicht. Den Erläuterungen kann der Versicherungsnehmer zwar noch entnehmen, dass eine jährliche Überprüfung der Beiträge in Bezug auf die Leistungsausgaben durchgeführt wird. Das Ergebnis der aktuellen Überprüfung wird jedoch nicht mitgeteilt. Dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse der Rückschluss von den allgemein gehaltenen Erläuterungen zu der Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Leistungsausgaben in Bezug auf seinen konkreten Tarif gelingt, ist nicht bzw. jedenfalls nicht zwingend zu erwarten. An dieser Stelle bedürfte es eines klaren Hinweises. Ein solcher Hinweis ist dem Versicherer ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand unschwer möglich, wie der Inhalt der zeitlich späteren Mitteilung beispielsweise für die Beitragsanpassung zum 01.01.2017 zeigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Senats zu der Mitteilung für die Beitragsanpassung zum 01.04.2013 verwiesen. Auch das Informationsblatt für die Beitragsanpassung zum 01.01.2016 enthält die dort aufgezeigten Unklarheiten.
102c) Die zunächst unzureichenden Begründungen für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 wurden mit Zustellung der Klageerwiderung vom 27.08.2018 am 07.09.2018 (Bl. 230 d.A.) an die Prozessbevollmächtigten des Klägers geheilt. Nach Ablauf der Frist nach § 203 Abs. 5 VVG wurden die vorgenannten Prämienerhöhungen zum 01.11.2018 wirksam.
103aa) Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, führt eine zunächst unzureichende Mitteilung der Gründe möglicherweise nur zum Erfolg des Zahlungsantrags auf Rückzahlung der bis zum geltend gemachten Zeitpunkt einschließlich geleisteten Prämienzahlungen, nicht aber auch zum Erfolg des darüber hinaus reichenden Feststellungsantrags, sofern eine ausreichende Mitteilung der Gründe in den detaillierten Angaben in der Klageerwiderung erblickt werden könnte.Erfolgt eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung, wird diese aber später nachgeholt, wird durch den Zugang dieser nachgeholten Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt, so dass erst von diesem Zeitpunkt an das Inkrafttreten nach § 203 Abs. 5 VVG zu berechnen ist (BGH, a.a.O.; MK/Boetius a.a.O. § 203 Rn. 1160; Boetius, Private Krankenversicherung a.a.O. § 203 VVG Rn. 207; a.A. und für vollständige Unwirksamkeit: LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, - 1 O 338/16 -, VersR 2018, 469 ff. in juris Rn. 26; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar z. VVG, 3. Aufl. 2016, § 203 VVG Rn. 47; Klimke, VersR 2016, 22/24 Ziff. III 1. a) u. b)).
104bb) Der Senat schließt sich der vom Bundesgerichtshof favorisierten Lösung an. Zunächst spricht der Wortlaut „werden … wirksam“ gegen die Annahme einer endgültigen Wirksamkeit. Außerdem entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, an der Rechtslage vor 2008 nichts Wesentliches zu ändern. Dieser Wille würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn formelle Mängel bei der Mitteilung ein dauerhaft beachtliches Wirksamkeitshindernis für eine Prämienanpassung darstellten. Ein solches Wirksamkeitshindernis sollte nicht leichtfertig aufgestellt werden, da das Recht des Versicherers auf Beitragsanpassungen nach § 203 Abs. 2 VVG ein wesentlicher Stützpfeiler der aufsichtsrechtlich angestrebten dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge ist (Brand, VersR 2018, 453/457 Ziff. V) und der Versichertengemeinschaft dient. Das berechtigte Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers an einer Mitteilung der für seine konkrete Prämienanpassung maßgeblichen Gründe wird hinreichend dadurch geschützt, dass dieser bis zur Heilung etwaiger Begründungsmängel nicht zur Zahlung des erhöhten Beitrages verpflichtet ist.
105cc) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze sind die unzureichenden Begründungen der Beklagten für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 durch die Ausführungen auf Seiten 7 ff. und 64 ff. der Klageerwiderung vom 27.08.2018 (Bl. 115 ff., 177 ff.) geheilt. Die Beklagte hat dort die maßgebliche Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen) und den jeweiligen auslösenden Faktor genannt. Insoweit hat sie nachvollziehbar dargetan, dass und inwieweit bei den einzelnen Erhöhungen der jeweiligen Tarife zu den jeweiligen Stichtagen der gesetzliche Schwellenwert von 10 % überschritten ist.
106Mit Zustellung der Klageerwiderung am 07.09.2018 (Bl. 230) wurde daher die Frist des § 203 Abs. 5 VVG in Lauf gesetzt. Die Prämienerhöhungen für die Jahre 2008, 2009, 2013 und 2016 sind ab November 2018 wirksam geworden.
107d) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch allein aufgrund der formell unwirksamen Prämienerhöhungen in Höhe von 7.899,84 Euro für den Zeitraum Januar 2015 bis Dezember 2017 bzw. betreffend die erfolgte Prämienerhöhung zum 01.01.2016 für den Zeitraum von Januar 2016 bis Dezember 2017. Aufgrund dieser formell unwirksamen Prämienerhöhungen kommt es auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Erhöhungen nicht an.
108Die Rückzahlung weiterer Beitragszahlungen, die bis Ende 2014 auf unwirksame Erhöhungen erfolgt sind, kann der Kläger nicht verlangen, da insoweit Verjährung eingetreten ist. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 27.08.2018 die Einrede der Verjährung erhoben. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung war mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden. Der Kläger hatte mit Erhalt der Anpassungsschreiben zu den formell unwirksamen Erhöhungen zum 01.01.2008, 01.01.2009, 01.04.2013 und zum 01.01.2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.
109Für den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, deren Beginn sich nach § 199 Abs. 1 BGB bzw. § 199 Abs. 3 BGB richtet. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
110Für die Entstehung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs gemäß § 199 Abs.1 Nr. 1 BGB ist auf die jeweilige monatliche Prämienzahlung abzustellen, weil frühestens mit der jeweiligen monatlichen Zahlung der vermeintlich überhöhten Prämie der Rückforderungsanspruch fällig wird und entsteht. Die Rückzahlungsforderung ist jeweils frühestens mit der Zahlung der vermeintlich überhöhten Prämie fällig geworden, also entstanden (LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, - 1 O 338/16 -, VersR 2018, 469 ff. in juris Rn. 40; OLG Köln, Urteil vom 20 U 128/16 -, in juris Rn 14 f.).
111Die Verjährung beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist. Der Gesetzgeber hat nicht ähnliche Regelungen wie bei dem Widerrufsrecht nach Verbraucherschutznormen oder z.B. § 5a Abs. 1 VVG a.F. getroffen, sondern den Wirksamkeitszeitpunkt der Beitragserhöhung bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem der Versicherungsnehmer eine ordnungsgemäße Mitteilung über die Beitragserhöhung erhalten hat (LG Neuruppin, a.a.O.).
112Mit Zugang des Mitteilungsschreibens des Versicherers hat der Gläubiger – hier der Versicherte – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. musste diese ohne grob fahrlässige Unkenntnis erlangt haben. Ab diesem Zeitpunkt ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass er seine Beiträge in einer Höhe entrichtet, die auf einer unwirksamen Beitragserhöhung beruht. Es genügt die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, die den Berechtigten in die Lage versetzt, wenn auch nicht ohne Risiko, eine Feststellungsklage zu erheben (LG Neuruppin, a.a.O., in juris Rn. 42, BGH NJW 2013, 1801). Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend bewertet (LG Neuruppin, a.a.O, juris Rn. 42; BGH NJW 2008, 1729 ff. in juris Rn. 26).
113Der Versicherungsnehmer hat im Hinblick auf das Fehlen der formellen Voraussetzung der Mitteilung der wesentlichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Kenntnis von der Unwirksamkeit dann grob fahrlässig nicht erlangt, wenn er den Mitteilungen der in Anspruch genommenen Versicherung über die jeweilige Prämienerhöhung ganz offensichtlich nichts entnehmen konnte, was ihn die Richtigkeit der von der beklagten Versicherung aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit der Beitragserhöhung überprüfen ließ. (LG Neuruppin, a.a.O., in juris Rn. 43). Denn als gesetzliche Voraussetzung für eine Beitragsanpassung ist nach §§ 203 Abs. 2 VVG, 155 VAG eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit“ erforderlich und muss außerdem für die Rechtsgrundlage „Leistungsausgabe“ der gesetzliche bzw. tarifliche Schwellenwert überschritten sein. Soweit diese aus dem Gesetz ersichtlichen Voraussetzungen für die jeweils erhöhten Tarife der Krankheitskosten- oder Krankentagegeldversicherung in einer Anpassungsmitteilung nicht enthalten sind, ist daraus für den betroffenen Versicherten offensichtlich erkennbar, dass er die ihm mitgeteilte Beitragsanpassung nicht einmal aufgrund der Behauptung des Versicherers anhand der gesetzlich dafür erforderlichen Voraussetzungen überprüfen kann.
114Von einer solchen grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherten vom Fehlen einer ausreichenden Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG und einer daraus folgenden – zeitweisen – formellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung bis zur Vorlage einer ausreichenden Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG durch den Versicherer ist vorliegend auszugehen. Die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers lag mit Erhalt der Anpassungsschreiben aus November 2008, November 2009, Februar 2013 und aus November 2015 vor. Diesen konnte der Kläger nichts entnehmen, was ihm die Prüfung der durch die Beklagte aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit der Beitragsanpassung ermöglicht hätte. In den betreffenden Anpassungsmitteilungen der Versicherung sind nicht einmal die maßgebliche Rechnungsgrundlage (Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit), die für die Prämienanpassung verantwortlich war, und die Überschreitung des gesetzlichen Schwellenwertes (> 10 %) oder des in den AVB vereinbarten geringeren Schwellenwertes (> 5 %) angegeben.
115Zwar können bei besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslage ausnahmsweise erhebliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen (BGH NJW 1999, 2041; Palandt/Ellenberger a.a.O. § 199 Rn. 27). Eine solche hat der Bundesgerichtshof im Falle der Widerspruchsfälle gemäß § 5a VVG verneint und hierzu ausgeführt, für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügt es nicht, dass über die Richtlinienkonformität des § 5a VVG a.F. ein Meinungsstreit bestand, über den der Senat im Jahr 2010 noch nicht abschließend entschieden hatte. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Bei einer solchen Konstellation sei dem Gläubiger die Erhebung der Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (BGH, Urteil vom 21.02.2018, - IV ZR 385/16 -, VersR 2018, 404 f. in juris Rn. 17). Genau dies tat der Kläger.
116Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es aufgrund unklarer Rechtslage im Hinblick auf die Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG an einer Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB fehle. Ihm war eine Klageerhebung trotz des bis heute noch bestehenden Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur über die Anforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG nicht unzumutbar, nachdem er inzwischen trotz fortbestehenden Meinungsstreits Klage erhoben und sich u.a. auch auf den unzureichenden Inhalt der Anpassungsschreiben sowie die daraus folgende fehlende Wirksamkeit der Prämienanpassung berufen hat. Angesichts dessen hätte die Klage auch schon früher erhoben werden können, weil der Meinungsstreit bis heute nicht höchstrichterlich entschieden ist.
117e) Ein Rückzahlungsanspruch der bis Ende 2014 gezahlten erhöhten Prämien ist danach verjährt. Erst mit Zustellung der Klageschrift am 30.07.2018 (Bl. 30 d.A.) ist die laufende Verjährung wirksam gehemmt worden. Der von der Beklagten an den Kläger zu erstattende Betrag in Höhe von 7.899,84 Euro setzt sich daher wie folgt zusammen:
118Erhöhung zum 01.01.2008 um 49,00 Euro 36 Monate 1.764,00 Euro
11901.01.2009 um 55,44 Euro 36 Monate 1.995,84 Euro
12001.04.2013 um 79,00 Euro 36 Monate 2.844,00 Euro
12101.01.2016 um 54,00 Euro 24 Monate 1.296,00 Euro
122Insgesamt 7.899,84 Euro
123f) Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs greifen nicht durch.
124aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger auf der Rechtsfolgenseite des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB nicht etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen anrechnen lassen, weil die Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Bereicherungsrecht grundsätzlich keine Anwendung finden. Der Bereicherte – hier die Beklagte – kann sich nicht darauf berufen, dass der Entreicherte – hier der Versicherte – durch den Bereicherungsvorgang – hier Zahlung der erhöhten Prämienbeiträge – auch Vorteile gehabt hat. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf die nur auf objektiven Ausgleich gerichteten Ansprüche aus unberechtigter Bereicherung nicht anwendbar (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 812 Rn. 72; BGH, Urteil vom 05.11.2002, - XI ZR 381/01 -, NJW 2003, 582 ff. in juris Rn. 26 m.w.N.; BGH, Kartellsenat, Urteil vom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW 2014, 3089 ff. in juris Rn. 43). Zwar können nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen (BGH, Kartellsenat, Urteil vom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW 2014, 3089 ff. in juris Rn. 43), den der Bundesgerichtshof beim Rückforderungsanspruch nach § 3 HWiG angenommen und eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleich in entsprechender Anwendung der dafür geltenden Grundsätze vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 24.04.2007, - XI ZR 17/06, NJW 2007, 2401 ff. in juris Rn. 24). Ein solcher Ausnahmefall ist allerdings vorliegend nicht gegeben.
125bb) Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Fällen, in denen Lebens- oder Rentenversicherungen nach § 5 a VVG a.F. nach einem wirksamen Widerspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB rückgewickelt werden mussten. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesen Fällen entschieden, dass die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. sich nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken sind, sondern nur eine Rückwirkung dem Effektivitätsgebot entspreche (BGH, Urteil vom 11.11.2015, IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 ff. in juris Rn. 29) und dass der Anspruch auf Prämienrückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien umfasse und dem Kläger bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der jedenfalls faktisch bis zum Widerspruch genossene Versicherungsschutz anzurechnen sei (BGH, Urteil vom 11.11.2015, IV ZR 513/14 VersR 2016, 33 ff. in juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 , VersR 2014, 817 ff. in juris Rn. 45).
126Diese Fälle sind mit den vorliegenden Fällen eines Rückgewähranspruchs des Versicherten nach unwirksamer Prämienerhöhung insoweit nicht vergleichbar, als eine etwaige Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit und den Fortbestand des Krankenversicherungsschutzes sowie die Höhe der vereinbarten Prämien bis zum Zeitpunkt der unwirksamen Prämienerhöhung hat. Infolge dessen erfolgt bei Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung – anders als in den Widerspruchsfällen gem. § 5a VVG a.F. – keine Rückabwicklung des Krankenversicherungsvertrags mit Rückwirkung. Vielmehr bleibt die beklagte Versicherung nach wie vor zur Versicherungsleistung bei Vorliegen eines Versicherungsfalles verpflichtet und der Versicherte hat jedenfalls die Prämien in der bisherigen Höhe zu zahlen.
127cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die sog. Saldotheorie nicht anzuwenden. Die Saldotheorie findet dogmatisch nur bei rechtsunwirksamen Verträgen Anwendung, was bei einer unwirksamen Prämienerhöhung nicht der Fall ist. Der Krankenversicherungsvertrag bleibt im Übrigen mit der bisherigen, geringeren Prämie wirksam. Der vertraglich zugesagte Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers erhöht sich nicht aufgrund einer Prämienanpassung.
128dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind als anzurechnende Vermögensvorteile des Versicherungsnehmers nicht in Abzug zu bringen die Sparprämie (= zur Bildung von Rückstellungen für die im Alter steigenden Versicherungsleistungen), die Risikoprämie und der gesetzliche Beitragszuschlag (= Erhebung gem. § 149 VAG und Zuführung zur Alterungsrückstellung), die anteilig aus den Prämienbeiträgen gebildet werden. Denn es ist keineswegs sicher und auch nicht absehbar, ob und ggf. in welchem Umfang der jeweilige Versicherte überhaupt in den Genuss dieser Leistungen kommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherte die dafür geltende Altersgrenze noch nicht erreicht hat. Insofern erscheint es angemessen, dass allein das Versicherungsunternehmen das rechtliche Risiko trägt, eine Prämienanpassung rechtswirksam durchzusetzen (Ossyra, VuR 2018, 373/380 Ziff. II.).
129ee) Die Beklagte kann sich gegenüber dem bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch des Klägers wegen erhöhter Prämien nicht mit Erfolg auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen.
130Soweit die Beklagte die vereinnahmten erhöhten Prämien zur Erbringung von Versicherungsleistungen verwendet hat, ist sie schon deswegen nicht entreichert, weil sie durch diese Leistung die ihr aufgrund der jeweiligen Krankenversicherungsverträge obliegende Verpflichtung zur Erstattung der versicherten Krankheitskosten erfüllt hat und sie damit von einer Verbindlichkeit befreit worden ist. Diese Leistungsverpflichtung der Beklagten bei Vorliegen eines Versicherungsfalles besteht unabhängig davon, ob die Prämienanpassung wirksam ist oder nicht, denn der Krankenversicherungsvertrag besteht fort. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit mit Hilfe des rechtsgrundlos Erlangten durch den Bereicherungsschuldner stellt eine fortbestehende Bereicherung dar, der Bereicherungsschuldner kann sich grundsätzlich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen (Palandt/Sprau a.a.O. § 818 Rn. 45, BGH NJW 1985, 2700).
131Soweit die Beklagte nach ihrem Vortrag aus den eingenommenen erhöhten Prämien anteilig Sparprämien, Risikoprämien und den gesetzlichen Beitragszuschlag gebildet haben will, entspricht auch dies ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag. Dabei verkennt der Senat nicht, dass ein Unterschied zu der Verwendung der erhöhten Prämien zur Erbringung der versicherungsvertraglich geschuldeten Leistungen insofern bestehen dürfte, als eine Verpflichtung zur Bildung entsprechender anteiliger Sparprämien, Risikoprämien und des gesetzlichen Beitragszuschlags erst aufgrund der Prämienerhöhung entstanden sein wird. Indes hat die Beklagte trotz ihres umfangreichen Vortrages bisher nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht möglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen Beitragszuschlägen verwendeten erhöhten Prämienanteile wieder zurück zu buchen oder mit späteren auf diese Prämienanteile zu erbringenden Aufwendungen zu verrechnen. Bei der Möglichkeit einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung scheidet eine Entreicherung der Beklagten von vornherein aus. Hierzu verhält sich der Vortrag der Beklagten nicht.
1322. Der Feststellungsantrag zu 2) ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
133Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages zu 2) bestehen nicht (BGH, Urteil vom 19.12.2018 - IV ZR 255/17 - VersR 2018, 283 ff., zitiert nach juris).
134Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage betreffend die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen – hier Feststellungsantrag zu 2) – angenommen und insbesondere eine Unzulässigkeit wegen Vorrangs der Leistungsklage verneint. Eine Unzulässigkeit wegen Vorrangs der Leistungsklage scheitert daran, dass die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Ansicht des Klägers rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen für ihn nur teilweise bezifferbar sind und es daher an der Zumutbarkeit der Erhebung einer Leistungsklage fehlt. Ein Versicherungsnehmer, der vom beklagten Versicherer die Herausgabe von Nutzungen aus rechtsgrundlos geleisteten Beitragszahlungen verlangt, ist für Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen darlegungs- und beweisbelastet. Dies verlangt ihm einen Tatsachenvortrag ab, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung bestimmter Höhe gestützt werden kann. Ein derartiger Tatsachenvortrag ist aber dann nicht möglich, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung veröffentlichte Geschäftsberichte der beklagten Versicherung für den betroffenen Zeitraum gefehlt haben. Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Bezifferung teilweise möglich wäre, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (BGH, Urteil vom 19.12.2018, - IV ZR 255/17 -, VersR 2018, 283 ff. in juris Rn. 19/20).
135Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe der bis zum 15.06.2018 gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten Prämienerhöhungen in dem aus dem Tenor zu Ziffer 2 a) ersichtlichen Umfang. Der Kläger macht den Herausgabeanspruch bis zum 15.06.2018 und damit bis zu einem Zeitpunkt geltend, zu dem die Prämienerhöhungen noch formell unwirksam waren. Soweit der Kläger weitergehende Ansprüche auf Nutzungsherausgabe geltend macht, unterliegen diese der Verjährung.
1363. Der Zinsanspruch in erkanntem Umfang folgt aus §§ 286, 288 BGB, soweit Zinsen aufgrund der vorgerichtlichen Mahnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der darin enthaltenen Fristsetzung wegen Verzugs der Beklagten ab dem 15.06.2018 geltend gemacht werden, und im Übrigen aus § 291 BGB, soweit der Kläger eine Verzinsung nach Rechtshängigkeit geltend macht. Die Geltendmachung von Rechtshängigkeitszinsen auf die herauszugebenden Nutzungen verstößt nicht gegen das Zinseszinsverbot gemäß § 289 BGB.
1374. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
138Ein Anspruch aus Verzug ist nicht schlüssig dargelegt. Dem klägerischen Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte sich bei Übersendung und Zugang des vorgerichtlichen anwaltlichen Mahnschreibens vom 29.05.2018 (Anlage D 28, AH) schon in Verzug befunden hat. Die Kosten eines verzugsbegründenden anwaltlichen Mahnschreibens sind nicht erstattungsfähig, da sie nicht infolge des Verzugs der Beklagten entstanden sind.
1395. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
1406. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
1417. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.666,52 Euro (entsprechend des Antrags zu 1) auf Zahlung dieses Betrages) festgesetzt. Der Feststellungsantrag zu 2) sowie der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.