Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 5 O 127/18 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 12.454,10 € abzüglich einer weiteren Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,06 € für jeden bis zur Rückgabe des Fahrzeugs über den Tachostand von 147.950 km hinaus gefahrenen Kilometer zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 12.454,10 € seit dem 14.11.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Skoda A RS, FIN: B.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beklagten zu 2) in 1. Instanz tragen der Kläger und die Beklagte zu 2) zu je 50 %; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2).
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger hat mit der Klage gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten „VW-Abgasskandal“ geltend gemacht. Die Beklagte zu 1) ist Importeurin von Skoda Neufahrzeugen in Deutschland und übernimmt den Skoda Kundenservice in Deutschland. Der Kläger erwarb am 07.04.2016 den im Klageantrag zu 1) näher bezeichneten PKW Skoda A RS Diesel (Erstzulassung 03.04.2013) von privat gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 17.900 EUR (brutto). Das Fahrzeug wies bei seiner Übergabe an den Kläger eine Laufleistung von 56.678 Kilometern auf. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – dem 09.04.2019 – wies es eine Laufleistung von 147.950 km auf. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 der Beklagten zu 2) ausgestattet. Die im Zusammenhang mit dem streitbefangenen Motor EA 189 verwendete Software kannte ursprünglich zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung. Im Modus 1, der ausschließlich auf dem Prüfstand aktiv war, kam es zu einer höheren Abgasrückführung und somit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxiden als im Modus 0. Im normalen Straßenverkehr war ausschließlich der Modus 0 aktiv.
4Am 22.09.2015 informierte die Beklagte zu 2) die Öffentlichkeit in einer ad hoc Mitteilung über vorgefundene Auffälligkeiten bei den Abgaswerten von Dieselfahrzeugen. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt den Rückruf von Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 an und wies die Fahrzeughersteller an, Maßnahmen zu entwickeln und zu ergreifen, um die betroffenen Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Am 05.10.2015 teilte Skoda im Rahmen einer Presseerklärung mit, auch Skoda-Fahrzeuge mit Drei- und Vierzylinder-Dieselmotoren mit den Hubräumen 1,2 l, 1,5 l und 2,0 l Aggregaten seien vom Dieselskandal betroffen. Dies betreffe mehrere Skoda Modelle, u.a. auch den A II (Baujahre 2009 bis 2013) (Bl. 425 d.A.). Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wurde in der Presseerklärung auf die Internetseite von Skoda verwiesen. Daraufhin entwickelte die Beklagte zu 2) Software Updates für die betroffenen Fahrzeuge und die Beklagten forderten die betroffenen Kunden nach Freigabe der Software Updates durch das Kraftfahrtbundesamt auf, das entsprechende Software Update kostenfrei aufspielen zu lassen. Das Software Update bewirkt, dass die Motoren durchgängig in einem angepassten Modus 1 betrieben werden.
5Der Kläger weigerte sich außergerichtlich, das angebotene Software Update aufspielen zu lassen. Er nahm mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2018 die Beklagte zu 1) außergerichtlich auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges in Anspruch. Dies lehnte die Beklagte zu 1) ab. Im Verlauf des Rechtsstreits – am 17.05.2018 – ist das Software Update auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgespielt worden.
6Der Kläger hat zunächst deliktische Ansprüche nur gegen die Beklagte zu 1) geltend gemacht und insoweit behauptet, durch die Beklagte zu 1) vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt worden zu sein. Er hat weiter behauptet, das Fahrzeug nicht erworben zu haben, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte. Insoweit hat er die angebotene Nachbesserung durch ein Software-Update zur Schadenskompensation nicht für geeignet gehalten und auf von diesem ausgehende schädliche Auswirkungen auf den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeuges verwiesen. Im Verlaufe des Rechtsstreits hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2) als Herstellerin des Fahrzeugmotors erweitert und auch dieser gegenüber den Vorwurf der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung erhoben.
7Der Kläger hat beantragt, 1) die Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei 17.900 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2018 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Skoda A RS, FIN: B und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten noch dazulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW, 2) festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Skoda A RS, FIN: B durch die Beklagtenpartei resultieren, 3) festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziffer 1 genannten PKW im Annahmeverzug befindet, 4) die Beklagten zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 € freizustellen. Die Beklagten sind dem entgegen getreten und haben die Abweisung der Klage beantragt.
8Sie haben die Auffassung vertreten, dem Kläger nicht deliktisch auf Schadensersatz zu haften. Die Beklagte zu 1) hat primär ihre fehlende Passivlegitimation gerügt und darauf verwiesen, lediglich die Importeurin und nicht die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu sein. Beide Beklagten haben darüber hinaus die Auffassung vertreten, es handele sich bei der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten Motorsteuerungssoftware nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Sie sind darüber hinaus der Behauptung entgegen getreten, den Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt zu haben. Schließlich haben sie einen Schaden des Klägers in Abrede gestellt und darauf verwiesen, dieser habe angesichts des von ihm erworbenen voll funktionsfähigen Fahrzeuges keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten. Jedenfalls sei ein etwaiger Schaden mit dem Aufspielen des Software Updates auf das streitgegenständliche Fahrzeug entfallen. Die Beklagten haben bestritten, beim Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeuges Kenntnis von der Installation der in Rede stehenden Motorsteuerungssoftware und ihrer Funktionsweise gehabt zu haben. Sie haben behauptet, der Kläger habe seinerseits beim Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeuges positive Kenntnis von dessen Ausstattung mit der fraglichen Motorsteuerungssoftware gehabt, und dies damit begründet, dass der Fahrzeugerwerb weit nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals und auch weit nach den Pressemitteilungen von Skoda und der Beklagten zu 2) erfolgt sei. Es sei angesichts der breiten medialen Berichterstattung nicht denkbar, dass der Kläger sich dieses Umstandes nicht bewusst gewesen sei. Sie haben die Auffassung vertreten, diese Kenntnis schließe die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Kläger aus. Darüber hinaus führe die ad hoc Erklärung der Beklagten zu 2) vom 22.09.2015 zu einem Wegfall einer etwa gegebenen Sittenwidrigkeit, respektive eines etwa gegebenen Schädigungsvorsatzes der Beklagten.
9Das Landgericht hat mit am 07.05.2019 verkündeten und der Beklagten zu 2) am 09.05.2019 zugestellten Urteil die Klage gegen die Beklagte zu 1) wegen mangelnder Passivlegitimation abgewiesen und ihr im übrigen in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus §§ 826, 31 BGB seien gegeben. Die Beklagte zu 2) habe den Kläger durch das Inverkehrbringen des von ihr hergestellten Motors vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Der Schaden des Klägers liege im Abschluss eines ungewollten und daher nachteiligen Vertrages. Der Kläger müsse sich – entsprechend seinem Klageantrag zu 1) – Gebrauchsvorteile für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeuges auf der Grundlage einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km anrechnen lassen. Die Beklagte zu 2) befinde sich auch jedenfalls seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Annahmeverzug, was festzustellen sei. Sie hafte dem Kläger darüber hinaus auch für weitere aus der Manipulation resultierende Schäden, weshalb auch insoweit die begehrte Feststellung zu treffen sei. Schließlich müsse die Beklagte zu 2) den Kläger von seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten freistellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die am 05.06.2019 bei Gericht eingegangene und nach Fristverlängerung bis zum 09.08.2019 unter dem 08.08.2019 begründete Berufung der Beklagten zu 2).
10Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte zu 2) ihr Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens fort. Sie rügt, das Landgericht habe sich mit keinem Wort mit dem von ihr bereits erstinstanzlich erhobenen Einwand der Kenntnis des Klägers von der Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit der in Rede stehenden Motorsteuerungssoftware auseinandergesetzt. Hierzu habe angesichts der zeitlichen Abläufe jedoch Veranlassung bestanden.
11Die Beklagte zu 2) beantragt,
12das am 7. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Köln, Az. 5 O 127/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
13Der Kläger beantragt,
14die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
15Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung. Er bestreitet eine Kenntnis von der in Rede stehenden Motorsteuerungssoftware zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs und vertritt die Auffassung, die ad hoc Mitteilung der Beklagten zu 2) sei nicht geeignet, ihm eine entsprechende Kenntnis zu vermitteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
17II.
18Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg, weshalb das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern ist. Darüber hinaus war eine Anpassung des Tenors zu Ziffer 1) geboten einerseits mit Rücksicht auf die weitere Nutzung des Fahrzeuges durch den Kläger seit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und andererseits mit Rücksicht auf die vorzunehmende Saldierung der wechselseitig zu erbringenden Leistungen. Im Einzelnen:
191.
20Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, die der Senat sich zu eigen macht, hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus § 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Höhe des aufgewandten Kaufpreises unter Anrechnung der erlangten Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Übereignung des von ihm erworbenen Personenkraftwagens bejaht. Der Senat tritt dem Landgericht in der Einschätzung bei, dass die Beklagte zu 2) dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat. Dabei sieht sich der Senat mit Blick auf die insoweit zu beurteilenden Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Auffassung anderer Senate des Hauses (vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18; OLG Köln Beschluss vom 27.06.2019 – 27 U 14/19; Urteil vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, jeweils zitiert nach juris; OLG Köln Urteil vom 21.11.2019 – 28 U 21/19 n.v.) sowie anderer Oberlandesgerichte (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18; KG Berlin, Urteil vom 26.09.2019 – 4 U 51/19; OLG Oldenburg, Urteil vom 21.10.2019 – 13 U 73/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19; a.A. indes OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019 – 7 U 134/17, jeweils zitiert nach juris).
21a. Schädigungshandlung ist das Inverkehrbringen des mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik versehenen Motors bzw. mit dem Motor ausgestatteten Fahrzeuges.
22aa. Mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen KBA erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Gemäß § 3 I 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 I 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 I FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
23bb. Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei ihrer Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2018 - 18 U 70/18, BeckRS 2018, 36568; OLG Köln, Urteil vom 21.11.2019 – 28 U 21/19 n.v.).
24cc. Vorliegend verfügte das Fahrzeug indes entgegen dem konkludenten Erklärungswert bei Inverkehrbringen gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 I und II VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (vgl. hierzu BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, zitiert nach juris).
25dd. Die vorstehenden Erwägungen gelten entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) ungeachtet des Umstandes, dass es vorliegend nicht um ein von der Beklagten zu 2) selbst hergestelltes und in den Verkehr gebrachtes Fahrzeug geht, sondern um einen Skoda A RS. Denn dieses Fahrzeug wird von einem Unternehmen des VW-Konzerns hergestellt und von diesem in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Beklagten zu 2) in den Verkehr gebracht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeuges, dessen Steuerung nach den vorstehenden Erwägungen gerade der Gegenstand der Beanstandung ist, nicht von der Herstellerin des Fahrzeuges, sondern vielmehr von der Beklagten zu 2) entwickelt, hergestellt und zum Zwecke des Einbaus in diverse Fahrzeuge unterschiedlicher Konzernunternehmen in den Verkehr gebracht worden ist.
26b. Durch das Verhalten der Beklagten zu 2) ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden, der bereits im Abschluss des am 07.04.2016 geschlossenen Kaufvertrags zu sehen ist.
27aa. Schaden im Sinne von § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage des Geschädigten, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14, zitiert nach juris). Letzteres ist hier gegeben. Der Schaden des Klägers als dem Käufer eines Kraftfahrzeugs liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, weil der konkret abgeschlossene Vertrag beziehungsweise die Eigenschaften des Kaufgegenstands nach den vorstehenden Erwägungen nicht seinen berechtigten Erwartungen entsprachen und überdies die Leistung für seine Zwecke – Einsatz im Straßenverkehr – nicht ohne Einschränkung brauchbar war, nachdem wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung, also bei Verbleib des Fahrzeugs im Auslieferungszustand, die Stilllegung drohte.
28bb. Dieser dem Kläger entstandene Schaden wird entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) auch nicht dadurch kompensiert, dass der Kläger zwischenzeitlich das von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellte Software-Update hat installieren lassen, so dass das streitgegenständliche Fahrzeug wieder die in der Typengenehmigung ausgewiesene Schadstoffklasse aufweist. Entscheidend ist aus Sicht des Senates vielmehr, dass der Kläger durch ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zu 2) zum Abschluss eines Vertrags verleitet wurde, den er ohne dieses Verhalten nicht geschlossen hätte. Dementsprechend kommt es allein auf die Umstände im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger an. Denn § 826 BGB schützt auch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Geschädigten, ohne dass es darauf ankäme, ob sich ein Wertverlust bereits realisiert hat (vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB 7. Auflage 2017, § 826 Rn. 43).
29c. Die Täuschung war auch kausal für den vorliegend in Rede stehenden Kaufvertragsschluss.
30aa. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass der Kläger – wie er dies auch geltend gemacht hat – vom Kauf des Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass das Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohten. Zwar mag die Entscheidung für den Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugmodells von einem ganzen Motivbündel getragen sein. Vorliegend geht es aber um die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs und, soweit diese in Frage steht, um die drohende Stilllegung. Die weiteren Motive für die Wahl des konkreten Modells treten demgegenüber in den Hintergrund, weil dieser Mangel den elementaren Zweck des Autokaufs, nämlich die Fortbewegung auf öffentlichen Straßen, gefährdet. Im Hinblick auf diesen klaren Bezug zur Kaufentscheidung droht hier auch keine dem Zweck der Haftungsnorm widersprechende, uferlose Ausweitung der Haftung nach § 826 BGB (s.a. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, zitiert nach juris).
31bb. Dass der Kläger das Fahrzeug nicht neu und unmittelbar von der Beklagten zu 2) und über ihr Vertriebssystem, sondern gebraucht von privat erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang nicht in Frage. Denn durch das Inverkehrbringen des von ihr hergestellten Motors durch die Beklagte zu 2), respektive das gemeinschaftliche Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit diesem Motor im Zusammenwirken mit der Herstellerin des Fahrzeuges hat die Beklagte zu 2) den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkt auch fort, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch die Hersteller von Fahrzeug und Motor vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer insoweit auf die Herstellerangaben sowie auf die Seriosität des Herstellers vertraut. Diese Täuschung wirkt bei allen weiteren Verkäufen in der Käuferkette im Grundsatz fort (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 29.04.2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris).
32cc. Der Kausalzusammenhang ist vorliegend auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug erst am 07.04.2016 und damit mehr als ½ Jahr nach dem Aufdecken des Diesel-Abgasskandals und der Veröffentlichung der ad hoc Mitteilung sowie der von der Beklagten zu 2) abgegebenen Presseerklärungen zum Thema VW-Dieselabgasskandal erworben hat, somit zu einer Zeit, als die Dieselabgasproblematik bereits durch die umfängliche Berichterstattung in den Medien weiten Teilen der Bevölkerung bekannt war. Die bloße generelle Kenntnis breiter Bevölkerungsschichten von der Dieselabgasproblematik als solcher aus der Medienberichterstattung kann entgegen der beklagtenseits vertretenen Rechtsauffassung aus Sicht des Senates nicht als ausreichend angesehen werden, um den Kausalzusammenhang in Zweifel zu ziehen. Abzustellen ist vielmehr auf den konkreten Kenntnisstand des Klägers zum Zeitpunkt des konkreten Kaufvertragsschlusses, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Frage der Kausalität einer Täuschung für die Abgabe einer Willenserklärung um einen Umstand handelt, der in hohem Maße von individuellen Umständen in der Person des Getäuschten sowie von dessen Kenntnissen und Vorstellungen abhängig ist. Der Kausalzusammenhang zwischen der Täuschung und dem Kaufvertragsschluss kann aus Sicht des Senates vielmehr nur dann verneint werden, wenn dem Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zumindest positiv bekannt gewesen wäre, dass das von ihm erworbene konkrete Fahrzeug von der Dieselabgasproblematik betroffen war. Allenfalls wenn dies bejaht werden könnte, ließe der Erwerb des Fahrzeuges den belastbaren Rückschluss darauf zu, dass diesem Umstand für die Kaufentscheidung des Klägers keine Bedeutung zukam mit der Folge, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der in dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors liegenden konkludenten Täuschung über die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeuges und dem Abschluss des als Schaden in Betracht kommenden Kaufvertrages nicht gegeben wäre (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – Az. 13 U 149/18, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 16.04.2019 – Az. 19 U 4356/18 n.v.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.08.2018 – Az. 25 U 72/18, zit. nach juris; OLG Braunschweig Beschluss vom 28.11.2018 – Az. 7 U 52/18 n.v.; diese konkrete Kenntnis in Ermangelung eines substantiierten Vortrags des Geschädigten zu seinem Kenntnisstand ab der ad hoc Mitteilung der Beklagten unterstellend OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.11.2017 – Az. 7 U 69/17 n.v.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.11.2017 – Az. 7 U 172/1 n.v.7; Schleswig-Holsteinisches OLG, Verfügung vom 11.06.2019 – Az 1 U 32/19 n.v.; OLG Bamberg, Beschluss vom 28.05.2019 – Az. 4 U 199/18 n.v.; den Verdacht einer konkreten Betroffenheit ausreichen lassend OLG Braunschweig Urteil vom 20.06.2019 – Az. 7 U 185/18, zit. nach juris; zu diesem Problemkreis auch Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge NJW 2019, 257; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – Az. 13 U 149/18, zit. nach juris). Vorliegend hat der für den Kausalzusammenzwang zwischen der inkriminierten Handlung und dem Schaden nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastete (allg.M. vgl. nur Palandt-Sprau, BGB 79. Auflage, § 826 Rn. 18) Kläger aber im Rahmen seiner informatorischen Anhörung schlüssig und substantiiert dargetan, dass er zum Erwerbszeitpunkt keine Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges von dem Diesel-Abgasskandal hatte. Er hat sich im Gegenteil glaubhaft dahingehend eingelassen, er habe sich vor dem Erwerb des Fahrzeuges von der privaten Verkäuferin bei einem Vertragshändler der Beklagten zu 2) ein Fahrzeug desselben Fahrzeugtyps angesehen und dort entsprechend nachgefragt, ob dieser von der Diesel-Abgasproblematik betroffen sei. Auf seine Nachfrage hin sei ihm dort mitgeteilt worden, dies sei nicht der Fall. Darauf habe er vertraut. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck, den er in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat, keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung zu zweifeln. Sie ist in sich stimmig und nachvollziehbar und fügt sich zu der zu den Akten gereichten schriftlichen Kaufvertragsurkunde, in der sich ein Hinweis auf eine Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges von dem Abgasskandal nicht findet. Ohnehin ist aus Sicht des Senates die Gewähr für einen ordnungsgemäßen Hinweis hierauf bei einem Fahrzeugerwerb von einer Privatperson als geringer einzustufen als bei einem Erwerb von einem KfZ-Händler. Es kommt hinzu, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Fahrzeug des Herstellers „Skoda“ handelt, bei dem sich dessen mögliche Betroffenheit von dem VW-Diesel-Abgasskandal aus Sicht des Senates jedenfalls nicht in gleicher Weise aufdrängt wie bei Fahrzeugen der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) ist dieser Einlassung des Klägers abseits der abstrakten Erwägungen zur generellen Kenntnis breiter Bevölkerungsschichten von dem Diesel-Abgasskandal bereits nicht rechtserheblich entgegen getreten. Hierzu hätte es aus Sicht des Senates angesichts der dezidierten mündlichen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aber spätestens ab diesem Zeitpunkt eines qualifizierten Bestreitens bedurft. Erfolgt ist ein solches nicht.
33dd. Das Vorgehen der Beklagten zu 2), mit einer Software wie der streitgegenständlichen ausgerüstete Motoren in den Verkehr zu bringen, war auch nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet, den Schaden herbeizuführen. Vielmehr war es so, dass die von ihr hergestellten Motoren gerade für den Einbau in zur Veräußerung bestimmte Fahrzeuge vorgesehen waren und das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass die zuständigen öffentlichen Stellen, Händler, Kunden und Letzterwerber nicht darüber in Kenntnis gesetzt werden sollten. Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie der Kläger konkret erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern im Gegenteil sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten.
34d. Diese Täuschungshandlung ist auch als sittenwidrig im Sinn des § 826 BGB zu qualifizieren.
35aa. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann und die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15, zitiert nach juris).
36bb. Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2) auszugehen.
37(1) Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt aus Sicht des Senates allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte zu 2) das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Urteil vom 21.11.2019 – 28 U 21/19 n.v.). Auch die Beklagte zu 2) selbst trägt keinen anderen Grund vor.
38(2) Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht per se als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel ist das Handeln hier aber verwerflich: Bereits das Ausmaß der (konkludenten) Täuschung rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren und zwischenzeitlich auch allgemein bekannt ist, wurde die unzulässige Abschalteinrichtung in einer hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut, mit der Folge einer entsprechend hohen Anzahl getäuschter Käufer.
39(3) Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren. Zwar ist die Haftung beschränkt auf die Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen, das heißt in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84, juris Rn. 15; Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 826 Rn. 22). Die Haftung aus § 826 BGB knüpft indes nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 II 1 VO (EG) 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Motors sowie des mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019, 17 U 160/18, zitiert nach juris).
40e. Bei der Beklagten zu 2) lagen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB vor.
41aa. In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.
42(1) Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinn des § 826 BGB nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage genügt, einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko (st. Rspr., BGH, Urteil vom 13.09.2004 - II ZR 276/02, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, zitiert nach juris). Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, zitiert nach juris).
43(2) Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 - II ZR 276/02, zitiert nach juris).
44(3) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause" der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15, zitiert nach juris). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters" weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter" sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urteil vom 05.03.1998 - III ZR 183/96, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 30.10.1967 - VII ZR 82/65, zitiert nach juris). Auch in der neueren Rechtsprechung zu § 826 BGB verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30.10.1967 auf die weite Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 541/15, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15, zitiert nach juris).
45bb. Bei der Beklagten zu 2) lagen die dargestellten subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB vor. Denn nach dem Sach- und Streitstand steht fest, dass der Vorstand der Beklagten zu 2), jedenfalls aber die Mitarbeiter des oberen Managements der Beklagten zu 2) nicht nur über umfassende Kenntnisse von dem Einsatz der Software zur Motorsteuerung verfügten, sondern die Herstellung und das Inverkehrbringen der entsprechend ausgerüsteten Motoren in der Vorstellung veranlasst haben, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis weiter veräußert werden würden, obwohl die materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen fehlten und dies für die Käufer wesentlich war.
46(1) Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen von §§ 826, 31 BGB grundsätzlich beim Kläger. Allerdings trifft die Beklagte zu 2) vorliegend eine sekundäre Darlegungslast. Denn der Kläger, der bereits in erster Instanz vorgetragen hat, dass die Beklagte zu 2) ihn vorsätzlich getäuscht habe, wobei der Vorstand der Beklagten zu 2) von der Manipulation gewusst und mit entsprechendem Schädigungsvorsatz gehandelt habe, steht außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, während die Beklagte zu 2) alle wesentlichen Tatsachen kennt. Dann genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast ein einfaches Bestreiten des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 24.10.2014 - V ZR 45/13, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 03.05.2016 - II ZR 311/14, zitiert nach juris; eine sekundäre Darlegungslast in den Abgas-Manipulationsfällen befürwortend: OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18, BeckRS 2019, 498; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, zitiert nach juris).
47(2) Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte zu 2) nicht hinreichend nachgekommen. Insbesondere genügt das Vorbringen der Beklagten zu 2) zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der streitgegenständlichen Software zur Motorsteuerung den zu stellenden Anforderungen nicht. Da die Beklagte zu 2) nicht konkret darlegt, dass und wie einzelne, nicht von § 31 BGB erfasste Mitarbeiter unter Ausschluss ihres Vorstandes über einen immerhin nicht unerheblichen Zeitraum die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden konnten und weshalb sie dies hätten tun sollen, kann sich die Beklagte zu 2) hierauf nicht berufen. Ihre Rechtsverteidigung erschöpft sich insoweit letztlich in einem nicht ausreichenden einfachen Bestreiten der Behauptungen des Klägers.
48(3) Demgegenüber verfängt der Einwand, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast könnten nicht eingreifen, weil der Kläger schon nicht substantiiert vorgetragen habe, nicht. Richtig ist, dass es auf den Umfang der sekundären Darlegungslast nur dann ankommt, wenn der Anspruchsteller der ihn treffenden primären Darlegungslast überhaupt nachgekommen ist. Da der Kläger hier aber außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihm entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, so dass er letztlich nur aufgrund öffentlich zugänglicher Quellen und der Äußerungen der Beklagten zu 2) selbst Behauptungen in Bezug auf die streitgegenständliche Vorgänge aufstellen kann, sind insoweit bereits eben diese allgemeinen Behauptungen für einen schlüssigen Klagevortrag ausreichend und eine weitere Substantiierung nicht erforderlich. Es ist anerkannt, dass im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen gerade trotz ihrer mangelnden Substantiierung als zugestanden gilt (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2005 – IX ZR 276/02, zitiert nach juris).
49(4) Der Beklagten zu 2) ist es auch zumutbar, dazu vorzutragen, wer, wann und weshalb den Einsatz der streitgegenständlichen Software zur Motorsteuerung veranlasst hat. Bei der gebotenen Abwägung im Einzelfall ist das diesbezügliche Interesse der Beklagten zu 2), keine näheren Angaben zu machen, geringer zu gewichten als das Interesse des Klägers am Erhalt der entsprechenden Auskünfte. Dabei ist ausschlaggebend, dass die der Sphäre der Beklagten zu 2) zuzuordnende Manipulation ein erhebliches Ausmaß hatte und die Beklagte zu 2) sich deshalb veranlasst sah, die Angelegenheit intern umfassend aufklären zu lassen. Damit ist es der Beklagten zu 2) aber unschwer möglich, jedenfalls näher zu den maßgeblichen Ereignissen vorzutragen, während der Kläger, ohne dass ihm dies vorzuwerfen wäre, in Unkenntnis über die internen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz der streitgegenständlichen Software ist. Unzweifelhaft wäre es der Beklagten zu 2) zudem möglich, jedenfalls allgemein darzulegen, wie bei ihr entsprechende Entscheidungsabläufe organisiert sind. Richtig ist im Übrigen, dass die Beklagte zu 2) hiermit dem Kläger unter Umständen entscheidende Informationen liefern könnte. Eine von der Beklagten zu 2) befürchtete Ausforschung ist hierin aber nicht zu sehen. Zum einen hat der Kläger greifbare Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten auf der Vorstandsebene oder jedenfalls des oberen Managements der Beklagten zu 2) vorgetragen. Zum anderen steht ohnehin fest, dass ein konkretes, im Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2) liegendes Fehlverhalten zu einer Schädigung des Klägers geführt hat. Fraglich ist allein, welchen konkreten Personen dieses Fehlverhalten anzulasten ist. Die Beklagte zu 2) verkennt zudem, dass sie nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast nicht etwa gehalten ist, dem Kläger im Sinne einer allgemeinen Aufklärungspflicht Informationen zu erteilen, die seiner Klage erst zum Erfolg verhelfen. Zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast muss der Prozessgegner vielmehr die vom Anspruchsteller dargelegten anspruchsbegründenden Umstände qualifiziert und substantiiert bestreiten. Es hätte der Beklagten zu 2) also – unter Beachtung der im Zivilprozess im Interesse einer geordneten Rechtspflege beide Parteien nach § 138 I, II ZPO treffenden Pflicht, sich vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären – gerade nicht zwingend oblegen, im Einzelnen zu offenbaren, von welchen Mitarbeitern das inkriminierte Fehlverhalten ausging, sondern darzulegen, dass und weshalb ihr Vorstand hierüber entgegen den Vorbringen des Klägers nicht unterrichtet war.
50(5) Der Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu 2) steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2) eine negative Tatsache darzulegen hätte, denn es wäre ihr ohne weiteres möglich, dazu vorzutragen, warum die vom Kläger vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine Beteiligung ihres Vorstandes nicht zulassen sollten (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13, zitiert nach juris). Zwar setzt die Zumutbarkeit weiteren Vortrags seitens der nicht beweisbelasteten Partei stets besondere Anknüpfungspunkte voraus. Vorliegend hat der Kläger aber – unter Hinweis auf allgemein zugängliche Quellen – Anhaltspunkte vorgetragen, zu denen die Beklagte zu 2) sich hätte erklären können. Der Beklagten zu 2) wird damit auch nichts Unmögliches abverlangt. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es nach dem Gesagten, sich mit den Indizien auseinanderzusetzen und darzulegen, warum trotz dieser Indizien keine Kenntnis ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter vorgelegen haben soll.
51(6) Als Rechtsfolge des nicht ausreichenden Vortrags der Beklagten zu 2) im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast ist der Vortrag des Klägers dazu, dass der Vorstand der Beklagten zu 2) Kenntnis vom Einsatz der streitgegenständlichen Software zur Motorsteuerung und der hieraus folgenden Unwägbarkeiten bezüglich der Typengenehmigung und der Zulassung der mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeuge hatte und diese gleichwohl bewusst und unter Inkaufnahme einer Schädigung einer Vielzahl von Enderwerbern in Verkehr bringen wollte, als zugestanden anzusehen.
52(7) Die Beklagte zu 2) kannte nach alledem auch die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände. Aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands ist nicht nur davon auszugehen, dass die Installation der Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 2) bzw. eines oder mehrerer Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB erfolgt und somit der Beklagten zu 2) zuzurechnen ist, sondern auch davon, dass der Vorstand oder sonstige verfassungsmäßig berufene Vertreter in der Vorstellung handelten, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeugen der Beklagten zu 2) und der anderen Konzernunternehmen eingebaut würden und für diese die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann in den Verkehr gebracht werden würden.
53f. Dem geltend gemachten Zahlungsanspruch steht in der hier zu beurteilenden Konstellation auch nicht das Gebot von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB entgegen. Es stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich dar, dass der Kläger begehrt, so gestellt zu werden, als hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben.
542.
55Allerdings muss der Kläger sich – wovon er selbst ausgeht und was er im Rahmen seiner Klageanträge berücksichtigt – im Wege des Vorteilsausgleichs einen Ersatz für die erlangten Gebrauchsvorteile anrechnen lassen.
56a. Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu, also auf Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14, zitiert nach juris). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist außerdem geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben seinem Ersatzanspruch nicht diejenigen Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12.03.2009 - VII ZR 26/06, zitiert nach juris; Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., vor § 249 Rn. 71). Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an. Insbesondere bedarf es anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, Urteil vom 23.06.2015 - XI ZR 536/14, zitiert nach juris; Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., vor § 249 Rn. 71).
57b. Danach kann der Kläger vorliegend Erstattung des für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte zu 2) verlangen. Soweit das landgerichtliche Urteil keine Saldierung vornimmt, sondern auch die Nutzungsentschädigung in das Zug um Zug Verhältnis stellt, ist dies durch den Senat entsprechend der obigen Erwägungen zu korrigieren. Bei Berechnung der Entschädigung für die gezogenen Nutzungen hat das Landgericht den für jeden gefahrenen Kilometer in Abzug zu bringenden Betrag zutreffend in der Weise ermittelt, dass es den vereinbarten Bruttokaufpreis durch die im Kaufzeitpunkt zu erwartende Restlaufleistung geteilt hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 09.12.2014 - VIII ZR 196/14, zitiert nach juris). Dass es die Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges analog § 287 ZPO in diesem Zusammenhang auf 300.000 km geschätzt hat, hält sich dies innerhalb des üblichen Schätzungsrahmens, der inzwischen bei Personenkraftwagen zwischen 150.000 und 350.000 Kilometern liegt (vgl. beispielhaft OLG Köln, Beschluss vom 18.05.2018 – 27 U 13/17, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2018 – 18 U 70/18, zitiert nach juris; KG Berlin, Urteil vom 23.05.2013 – 8 U 58/12, zitiert nach juris; sowie die Übersicht bei Kaiser in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, Neubearbeitung 2012, § 346, Rdnr. 261). Nach der üblichen Formel: Bruttokaufpreis * gefahrene Kilometer / noch zu erwartende Laufleistung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses beläuft sich mithin die vom Kaufpreis abzuziehende Nutzungsentschädigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auf vom Landgericht zutreffend berechnete 5.445,90 € (= 17.900 * 91.272/300.000). Weitere Vorteile nach dieser Formel muss der Kläger sich für die weitere Nutzung über den im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht unstreitig bestehenden Tachostand von 147.950 hinaus mit gerundet weiteren 0,06 € pro gefahrenem Kilometer anrechnen lassen, was entsprechend im Tenor auszusprechen war.
583.
59Keinen Anspruch hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2) entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung des Landgerichts auf Zahlung von Zinsen aus dem von ihm für den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeuges aufgewandten Betrag bereits seit dem 15.02.2018. Zinsen sind aus Sicht des Senates vielmehr lediglich aus den um die Gebrauchsvorteile bereinigten Kaufpreis zu zahlen und dies auch erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klageerweiterung, § 291 BGB. Die Klage ist der Beklagten zu 2) aber erst unter dem 14.11.2018 zugestellt worden. Ein früherer Verzug der Beklagten zu 2) ist nicht schlüssig dargetan, § 286 BGB. Ungeachtet der Frage, ob das vorgerichtliche Anspruchsschreiben des Klägers vom 15.02.2018 überhaupt inhaltlich geeignet war, einen Verzug des Schuldners zu begründen, war es jedenfalls nicht an die Beklagte zu 2), sondern an die Beklagte zu 1) gerichtet. Dass der Kläger die Beklagte zu 2) überhaupt vorprozessual in Anspruch genommen hat, ggf. zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt, ist weder ersichtlich noch klägerseits dargetan.
60Es ist aus Sicht des Senates auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) nach § 286 II Nr. 4 BGB ohne Mahnung in Verzug gekommen ist. Nach § 286 II Nr. 4 BGB ist eine Mahnung des Schuldners entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Verzugseintritt gerechtfertigt ist. Die Norm erfasst Fälle, in denen es Treu und Glauben widersprechen würde, zur Annahme der Verzugsvoraussetzungen vom Gläubiger eine Mahnung zu verlangen. Soweit der Bundesgerichtshof dies für den Fall der direkten Entziehung von Geldbeträgen etwa durch einen alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH durch Überweisung an sich selbst (BGH, Urteil vom 13.12.2007 - IX ZR 116/06, zitiert nach juris) oder hinsichtlich der Rückforderung eines durch einen Raubüberfall erlangten Geldbetrages (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 - 2 StR 190/08, zitiert nach juris) angenommen hat, rechtfertigt sich dies daraus, dass sich der Schuldner in diesen Fällen von vornherein darüber im Klaren sein muss, dass er den von ihm entzogenen Geldbetrag von Rechts wegen wieder zurückführen muss und ihm die Höhe des zu zahlenden Betrages im Zeitpunkt der Tat auch positiv bekannt ist. Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagte zu 2) ist gerade nicht zur Rückgewähr eines ihr unmittelbar von dem Kläger zugeflossenen Betrages verpflichtet, sondern zur Rückgängigmachung der Folgen des mit einem Dritten aufgrund einer Täuschung abgeschlossenen Vertrags. Der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung war daher auch im Hinblick auf die Zinsentscheidung teilweise abzuändern.
614.
62Abzuändern war das landgerichtliche Urteil darüber hinaus, soweit in ihm die klägerseits beantragte Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) getroffen worden ist. Besteht der Schaden des Klägers nach den vorstehenden Erwägungen allein in dem auf Täuschung beruhenden Abschluss eines ungewollten Kaufvertrages, den er ohne die Täuschung nicht abgeschlossen hätte, besteht der zu ersetzende Schaden auch lediglich in der Rückgängigmachung des Kaufvertrages selbst, nicht aber darüber hinausgehend in dem Ersatz von dem Kläger durch die Nutzung der Kaufsache entstandenen sonstigen Aufwendungen welcher Art auch immer. Diese stellen sich nicht als kausale Folge des ungewollten Kaufvertrages dar, sondern allein als solche der fortdauernden Nutzung der Kaufsache durch den Kläger. Letztere beruht aber auf seiner eigenverantwortlichen Entscheidung, hätte er die Nutzung doch jederzeit einstellen können. Sie ist daher allein dem Kläger zuzurechnen. Ein Ersatz der durch die Nutzung der Kaufsache bedingten Aufwendungen stellte sich wiederum als Überkompensation dar, die dem Schadensersatzrecht fremd ist. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat über den bereits zuerkannten Ersatzbetrag hinaus weitere ersatzfähige, aus der Verletzungshandlung der Beklagten zu 2) resultierende drohende Schäden nicht zu erkennen.
635.
64Die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten zu 2) spätestens mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz ist in der angefochtenen Entscheidung dagegen aus Sicht des Senates zu Recht getroffen worden.
65a. Annahmeverzug tritt ein, wenn der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Dabei muss die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden (§ 294 BGB). Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde (§ 295 BGB).
66b. Hier hat der Kläger der Beklagten zu 2) die von ihm im Wege der Vorteilsausgleichung zurück zu gewährende Nutzungsentschädigung wie auch das Fahrzeug zwar vorgerichtlich überhaupt nicht angeboten. Solche an die Beklagte zu 2) gerichteten wörtlichen Angebote sind indes im Klageerweiterungsschriftsatz und nachfolgend in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfolgt. Diese waren auch ordnungsgemäß, da der Kläger der Beklagten zu 2) die von ihm geschuldete Gegenleistung vollständig, insbesondere einschließlich der geschuldeten Herausgabe des Fahrzeuges wie auch der gezogenen Nutzungen bzw. des Wertersatzes angeboten hat (vgl. zu letzterem OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 2016 – Az. 23 U 50/15, zit. nach juris; KG Berlin, Urteil vom 12.11.2019 – Az. 4 U 9/19, zit. nach juris; OLG Koblenz, Urt. v. 16.09.2019 – Az. 12 U 61/19, zit. nach juris). Die Beklagte zu 2) hat mit dem in der Klageerwiderung angekündigten Klageabweisungsantrag ihren fehlenden Annahmewillen unzweideutig erkennen lassen (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 295 Rn. 4 m.w.N.).
676.
68Eine weitere Abänderung war im Hinblick auf die vom Landgericht zuerkannte Freistellung des Klägers von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geboten. Diese stellen keine notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung gegen die Beklagte zu 2) dar, weil die Beklagte zu 2) – soweit ersichtlich – vorgerichtlich überhaupt nicht in Anspruch genommen ist. Es fehlt somit an einer vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Hinblick auf die Beklagte zu 2). Das vorgelegte vorgerichtliche Anwaltsschreiben vom 15.02.2018 richtete sich allein gegen die Beklagte zu 1). Insoweit ist der Kläger aber unterlegen und kann eine Freistellung von den Kosten nicht verlangen.
69III.
70Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 II Nr. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
71IV.
72Gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO ist die Revision zuzulassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert aus Sicht des Senates angesichts der Vielzahl gleich gelagerter Verfahren eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den sich in ihnen gleichermaßen stellenden Rechtsfragen.
73Der Streitwert des Rechtsstreits in beiden Instanzen beträgt 12.954,10 €. Der vom Landgericht festgesetzte Streitwert war vom Senat von Amts wegen auf diesen Betrag zu korrigieren, § 63 III Nr. 2 GKG. Das gemäß § 3 ZPO zu schätzende wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem von ihm formulierten Klageantrag zu 1) beläuft sich nicht auf den vollen Kaufpreis, sondern mit Rücksicht auf die auch von ihm zugestandene Anrechnung der Gebrauchsvorteile lediglich auf 12.454,10 €, da insoweit eine automatische Saldierung erfolgt und der Anspruch von vorneherein auf das Saldo begrenzt ist. Für den Klageantrag zu 2) ist ein Streitwert von (geschätzt) 500 € anzusetzen, § 3 ZPO. Der Feststellungsantrag zu 3) hat keinen eigenständigen Streitwert; der Klageantrag zu 4) bleibt gemäß § 4 ZPO als Nebenforderung bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht.