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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.10.2019 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 8 O 332/18 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.139,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Klägerin 15%, die Beklagte 85% zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe:
2I.
3Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die eine Partnervermittlungsagentur betreibt, Rückzahlungen aus einem Partnervermittlungsvertrag.
4Die Klägerin wurde im Jahr 1942 geboren und ist seit Jahren alleinstehend. Auf eine Zeitungsannonce vom 27.05.2018, die sie sehr ansprach, meldete sie sich telefonisch am selben Tag bei der Beklagten. Bei dem persönlichen Besuch eines Mitarbeiters am 28.05.2018 schloss sie mit der Beklagten einen Partnervermittlungsvertrag zu einem Preis von 8.500 Euro. Wegen eines Nachlasses von 3% zahlte sie 8.330,00 Euro in bar am 29.05.2018. Im Gegenzug sollte sie binnen vier Wochen ein Depot mit 21 Partnervorschlägen erhalten, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten abrufbar sein sollten, sowie ein eigenes Partnerschaftsprofil. Zeitgleich mit dem Vermittlungsvertrag wurde der „einvernehmliche Ausschluss des Kündigungsrechts“ vereinbart (Anlage 2 der Beklagten). Außerdem wurde die Klägerin über ihr Widerrufsrecht belehrt und unterzeichnete folgende Angabe (Anlage 7 der Beklagten):
5„Ich wünsche ausdrücklich, dass die Partnervermittlung A GmbH mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginnt.
6Mir ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Partnervermittlung vollständig erfüllt ist.“
7Mit vom 29.05.2018 datierendem Schreiben wurden der Klägerin zunächst drei vollständige Kontakte übermittelt, an die sie sich wandte, die jedoch nicht erfolgreich waren. Sie „kündigte“ daraufhin am 04.06.2018 den Vertrag schriftlich. Unmittelbar danach, nämlich mit Schreiben datierend vom 5.6.2018, erhielt sie noch 17 weitere Kontaktvorschläge.
8Die Klägerin hat erstinstanzlich Rückzahlung des gesamten an die Beklagte entrichteten Betrages in Höhe von 8.330,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 20.06.2018 begehrt.
9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, nach den ihres Erachtens wirksamen vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Rückzahlung verpflichtet zu sein.
10Mit Urteil vom 23.10.2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es ist dabei der Argumentation der Beklagten gefolgt, wonach der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung des für die Partnervermittlung gezahlten Betrages aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehe.
11Ein Anspruch aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 312 g Abs. 1 BGB bestehe nicht, da das Widerrufsrecht der Klägerin nach § 356 Abs. 4 S. 1 BGB dadurch erloschen sei, dass sie als Unternehmerin die Dienstleistung bereits vollständig erbracht und mit der Erbringung der Ausführung erst begonnen habe, nachdem die Klägerin als Verbraucherin nach Aufklärung ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben habe (siehe Anlage 7 der Beklagten). Nach dem Wortlaut des Vertrages sei Hauptschuld die Erstellung des Partnerdepots bestehend aus 21 Partnervorschlägen binnen vier Wochen. Die Klägerin habe dann die Möglichkeit gehabt, innerhalb der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten die Vorschläge jederzeit abzurufen. Es sei gerade nicht notwendig gewesen, dass die Klägerin selbst schon alle 21 Namen und Adressen erhalten habe. Ausreichend sei die Erstellung des Depots gewesen. Damit habe sie, die Beklagte, ihre Leistungsplicht im Sinne des § 356 Abs. 4 S. 1 BGB vollständig erfüllt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Depot insgesamt schon zum 29.05.2018 erstellt gewesen sei – also vor Absendung der „Kündigung“.
12Ein Anspruch aus § 628 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. §§ 627 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB bestehe ebenfalls nicht, da der Klägerin weder ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB noch nach § 626 BGB zustehe. Ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB sei durch die Zusatzvereinbarung zum Ausschluss des Kündigungsrechts (Anlage 2 der Beklagten) wirksam ausgeschlossen worden. Bei § 627 BGB handele es sich um eine dispositive Regelung, die zwar nicht durch AGB, doch aber durch einzelvertragliche Abrede abbedungen werden könne. Eben dies sei hier geschehen. Die Klägerin habe mehrere Möglichkeiten zur Auswahl gehabt. Sie hätte auch insgesamt einen Kündigungsausschluss ablehnen können, ohne dass dies nachteilig für sie gewesen wäre. Der Text der Vereinbarung sei für jeden Laien leicht verständlich gewesen. Darüber hinaus habe die Klägerin unterzeichnet, dass ihr die Möglichkeiten ausführlich erläutert worden seien. Ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB scheitere daran, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht bestehe. Darüber hinaus wirke die Kündigung ohnehin nur ex nunc. Bereits erbrachte Leistungen seien nicht zurückzugewähren. Die Beklagte habe durch Erstellung des Partnerdepots ihre Leistung bereits vollständig erbracht.
13Schließlich hat das Landgericht auch einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 818 BGB abgelehnt. Der zwischen den Parteien geschlossene Partnervermittlungsvertrag sei weder sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB noch wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Auch § 142 BGB sei nicht einschlägig, da ein Anfechtungsgrund nicht vorliege, insbesondere sei die Klägerin nicht arglistig getäuscht worden, die Zeitungsannonce sei insbesondere kein „Lockvogelangebot“ gewesen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Begründung des Landgerichts wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (Bl. 158 ff. d.A.) verwiesen.
15Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Widerrufsrecht zum Zeitpunkt der Absendung ihres „Kündigungsschreibens“ noch immer zugestanden habe. Sie habe dieses nicht nach § 356 Abs. 4 BGB verloren, da es sich bei der von der Klägerin zusätzlich unterschriebenen Aufforderung zum sofortigen Beginn mit der Dienstleistung (Anlage 7 der Beklagen) um eine unzulässige AGB gehandelt habe. Der Klägerin sei nicht klar gewesen, dass nach der Definition der Beklagten deren Hauptleistung bereits die Erstellung des Partnerdepots sein sollte, ohne dass sie selbst als Kunde die Vorschläge tatsächlich alle vollständig erhalten habe, das Widerrufsrecht praktisch also bereits nach wenigen Tagen mit Erstellen des Depots erlösche.
16Darüber hinaus habe die Beklagte ohnehin ihre Leistungspflicht noch nicht vollständig erfüllt. Diese bestehe nicht allein in der Erstellung des Partnerdepots, sondern in der Vermittlung potentieller Partner. Dies sei erst mit der Übermittlung aller 21 Vorschläge samt Adressen und Kontaktdaten erfüllt. Das sei aber bei Zugang des Widerrufs noch nicht der Fall gewesen. Auch habe sie, die Klägerin, das Recht gehabt, die 21 Vorschläge über einen Zeitraum von zwölf Monaten und aufgrund der Zusatzvereinbarung (Anlage 7 der Beklagten) darüber hinaus noch weitere Vorschläge abzurufen. Dies gehöre ebenfalls zur Leistungspflicht der Beklagten, so dass sie zum Zeitpunkt des Widerrufs keinesfalls vollständig erfüllt worden sei.
17Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB nicht wirksam ausgeschlossen worden sei. Bei der Zusatzvereinbarung (Anlage 2 der Beklagten) handele es sich nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um eine unwirksame AGB. Aus der Vielzahl anderer Verfahren der Beklagten sei klar, dass sie diese Vereinbarung standardmäßig verwende. Auch sei die formularmäßige Regelung von der Beklagten nicht ernsthaft zur Disposition gestellt worden. Das Formular sei insgesamt irreführend und einseitig parteiisch zugunsten der Beklagten als Verwenderin gestaltet. Die Klägerin habe tatsächlich kein aktives Mitbestimmungsrecht gehabt.
18Aufgrund ihrer wirksamen Kündigung sei ihre Leistung von der Beklagten zurück zu gewähren. Dieser Anspruch bestehe auch in vollem Umfang; zwar habe sie zunächst drei vollständige Partnervorschläge erhalten, diese seien aber allesamt wertlos gewesen.
19Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin daher ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter und beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.330,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.06.2018 zu zahlen.
21Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
22die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 18.05.2020 Bezug genommen.
24II.
25Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache überwiegend begründet.
26Das Landgericht hat zwar zu Recht und mit zutreffender ausführlicher Begründung sowohl einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 628 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB, als auch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 818 BGB abgelehnt.
271.)
28Der Klägerin steht jedoch gegen die Beklagte ein Anspruch aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 d BGB i.V.m. § 312 g Abs. 1 BGB auf Rückzahlung eines Teiles der von ihr gezahlten Vergütung in Höhe von 7.139,00 € zu.
29Zwischen den Beteiligten wurde am 28.05.2018 ein Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Ihre auf den Abschluss des Partnervermittlungsvertrages gerichtete Willenserklärung vom 28.05.2018 hat die Klägerin indes durch Schreiben vom 04.06.2018, das die Beklagte am 05.06.2018 erreichte, wirksam widerrufen.
30Dabei schadet es nicht, dass die Klägerin in diesem Schreiben tatsächlich erklärt, den Vertrag zu „kündigen“. Für eine wirksame Widerrufserklärung genügt eine Äußerung, aus der sich eindeutig ergibt, dass der Verbraucher den Vertrag nicht mehr gelten lassen will (BGH NJW 2017, 2337). Er muss dazu das Wort „widerrufen“ nicht gebrauchen.
31Der Widerruf ist auch fristgerecht im Sinne des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB erfolgt. Das Widerrufsrecht der Klägerin war zum Zeitpunkt des Widerrufs auch nicht gemäß § 356 Abs. 4 S. 1 BGB erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
32Zwar hat die Klägerin eine den Voraussetzungen des § 356 Abs. 4 BGB entsprechende Erklärung am 28.05.2018 (Anlage 7 der Beklagten) unterzeichnet. Die Verwendung des von der Klägerin vorformulierten Schriftstücks begegnet keinen Bedenken. Die Erklärung orientiert sich genau am Gesetzeswortlaut und ist auch für den Laien übersichtlich und gut verständlich. Es handelt sich nicht um eine kleingedruckte Klausel, die versteckt in einen Vertrag eingebaut wurde, sondern um ein eigenes Schriftstück, groß bedruckt, das die Klägerin eigens unterschrieben hat.
33Zum Zeitpunkt des Widerrufs der Klägerin hatte die Beklagte aber ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht, so dass ein Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 BGB nicht angenommen werden kann.
34Nach dem Wortlaut des zwischen den Parteien geschlossenen Partnervermittlungsvertrages (Anlage 1 der Beklagten) bestand die Hauptleistungspflicht der Beklagten in der Erstellung des Partnerdepots mit 21 Vorschlägen. Mindestens ein Partnervorschlag war dem Auftraggeber unaufgefordert zu übermitteln. Die Partnervorschläge konnten danach jederzeit während der Vertragslaufzeit von der Beklagten geliefert oder der Klägerin abgerufen werden (Leistungsbeschreibung unter c)).
35Entgegen der Argumentation der Beklagten, der auch das Landgericht gefolgt ist, besteht die Hauptleistungspflicht der Beklagten nicht lediglich in der – internen - Erstellung des Partnerdepots innerhalb von vier Wochen und der unaufgeforderten Übermittelung eines Vorschlages sowie der Bereithaltung aller anderen Vorschläge nur zum Abruf. Bereits aus der Leistungsbeschreibung der Beklagten und insbesondere der Aufschlüsselung der Vergütung (Abschnitt unter Punkt c) des Vertrages) ergibt sich, dass die Leistungspflicht nicht bereits mit der Erstellung des Partnerdepots vollständig erbracht ist. Diesen Leistungsteil bewertet die Beklagte selbst (nur) mit 90%. Restliche 10% entfallen hiernach auf die Verwaltung und Aktualisierung des Depots. Danach ist nach der eigenen Definition der Beklagten mit Erstellung des Depots allein ihre Leistung noch nicht vollständig erfüllt. Das jedoch ist Voraussetzung eines Verlustes des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 BGB.
36Darüber hinaus schließt sich der Senat der Argumentation des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 25.07.2014 (24 U 235/13, in: MDR 2015, 75 f.) an, wonach die überproportionale Berücksichtigung der Erstellung des Partnerdepots durch die Beklagte in ihrer Vertragsgestaltung einen Verstoß gegen § 308 Nr. 7 a BGB darstellt. Die Vorschrift verbietet eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die bei vorzeitiger Beendigung eines Vertrages eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen vorsieht. Eben dies ist hier der Fall. Bei der Hauptleistungsdefinition sowie der Verteilung der Vergütung in der vertraglichen Regelung handelt es sich nicht um eine einer Inhaltskontrolle entzogene (Preis-)Vereinbarung (vgl. zur Abgrenzung BGH, Urteil vom 8.10.2009, III ZR 93/09), sondern um einen gemäß § 306a BGB unzulässigen Versuch, das dem Kunden zustehende Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht sowie das Recht, nach Widerruf bzw. Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern, zu entwerten. Durch die Bewertung der Erstellung des Partnerdepots (plus Übersendung nur eines Vorschlages) als Hauptleistung, die 90 % der Leistung darstellen soll, wird eine interne Vorbereitungshandlung, die nach Aussage der für die Depoterstellung zuständigen Zeugin Voßkämpfer am zweiten Tag nach Vertragsschluss bereits abgeschlossen ist, überproportional gewichtet.
37Die Erstellung des Depots ist mithin lediglich als Vorbereitungshandlung zu werten, auf deren Basis die Beklagte ihre vertraglich geschuldeten Leistungen zukünftig erbringen kann. Das Depot selbst hat für den Kunden keinen eigenen Wert, solange er darauf nicht zugreifen kann. Für den Kunden ist allein die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Soweit die Beklagte über diese Vertragsklauseln ihre (Haupt-) Leistung ihrer eigenen Disposition unterstellen will, indem sie Leistungsbestandteile willkürlich gewichtet, ist dies unzulässig.
38Nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Ist die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistung ihrer Natur nach ausgeschlossen, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer gemäß § 357d BGB Wertersatz. Nach Abs. 1 Satz 2 ist dafür grundsätzlich die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen. Sollte diese unverhältnismäßig hoch sein, bestimmt Satz 3, dass der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Leistung zu berechnen ist.
39Nach der vertraglichen Vereinbarung fallen allein für die Erstellung des Partnerdepots 90% der Vergütung an. Da diese überproportionale Berücksichtigung des Partnerdepots wegen Verstoßes gegen §§ 308 Nr. 7 a, 306a BGB unwirksam ist, kann diese nicht als Grundlage einer Wertersatzberechnung dienen. Vielmehr ist darauf abzustellen, welchen Teil der Leistung der Kunde bereits erhalten hat. Für den Kunden der Partnervermittlung hat die Erstellung des Depots keinen eigenen Wert. Allein an der Übersendung der konkreten Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten hat er Interesse. Der Wertersatz bemisst sich danach, wie viele konkrete Vorschläge ihm bereits übermittelt worden sind.
40Bis zum Widerruf der Klägerin hatte die Klägerin von der Beklagten drei solcher konkreter Vorschläge erhalten. Aufgrund der insgesamt vereinbarten 21 Vorschläge standen noch 18 Vorschläge aus. Der zu erstattende Wertersatz entspricht 3/21 der gezahlten 8.330,00 €, also 1.191,00 €. Nach Abzug dieses Betrages hat die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.139,00 Euro zurück zu zahlen.
412.)
42Selbst wenn man ein Widerrufsrecht der Klägerin verneinen sollte, so steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung von 7.139,00 Euro der geleisteten Vergütung aus §§ 627 Abs. 1, 628 Abs. 1 Satz 3, 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB wegen Kündigung zu.
43Bei dem von den Parteien geschlossenen Partnervermittlungsvertrag handelt es sich gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um einen Vertrag im Sinne des § 627 BGB, der Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden, zum Gegenstand hat (vgl. zur Rechtsprechungsübersicht: BGH, Urteil vom 08.10.2009, III ZR 93/09). Diese Vorschrift ermöglicht es dem Kunden, grundsätzlich jederzeit das Dienstverhältnis zu kündigen. Als solche Kündigung ist das Schreiben vom 04.06.2018, welches die Beklagte am folgenden Tag erhielt, jedenfalls zu werten.
44Die Klägerin war zur Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB berechtigt. Dieses Recht ist nicht durch die von der Beklagten als Anlage 2 zum Vertrag vorgelegte „Zusatzvereinbarung über den einvernehmlichen Ausschluss des Kündigungsrechtes“ wirksam abbedungen worden.
45Anders als das Landgericht in Übereinstimmung mit einer großen Anzahl anderer Gerichte (vgl. u.a. OLG Koblenz, Beschluss vom 13.11.2019, 6 U 960/19; LG Koblenz, Urteil vom 18.05.2018, 15 O 335/17 LG Kleve, Urteil vom 15.05.2015, 5 S 117/14 LG Essen, Urteil vom 11.04.2019, 6 O 305/18) annimmt, geht der Senat – ebenso wie das OLG Düsseldorf (Urteil vom 25.07.2014, 24 U 235/13) – davon aus, das der Ausschluss des Kündigungsrechts nicht durch eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien erfolgt ist, sondern die Klägerin in unwirksamer Weise sich einer allgemeinen Geschäftsbedingung bedient hat.
46Gemäß § 305 Satz 1 BGB sind Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss eines Vertrages stellt. Unstreitig hat die Beklagte das unter Anlage 2 vorgelegte Formular für eine Vielzahl von Verträgen verwendet. Dies ergibt sich bereits aus der großen Anzahl an gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Auch das optische Erscheinungsbild lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen, da es sich um einen Vordruck der Beklagten handelt, der nur wenige Lücken zum Ausfüllen lässt. Ausgefüllt wurden diese unstreitig nicht von der Klägerin, sondern vom Mitarbeiter der Beklagten. Bereits prima facie handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 305, Rn. 23), so dass die Beklagte das Gegenteil darzulegen und zu beweisen gehabt hätte.
47Dies ist ihr vorliegend nicht geschehen. Hierzu hätte es des Vortrags bedurft, dass die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Dabei hätte es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen sein müssen. Dies bedeutet mehr als bloßes Verhandeln (vgl. BGH, NJW 2014, 1725). Es sind strenge Maßstäbe anzulegen, d.h. der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. Der Kunde muss also die reale Möglichkeit haben, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 305, Rn. 20).
48Eine solche Fallgestaltung kann dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden. Aus der vorgelegten „Vereinbarung“ selbst ergibt sie sich nicht. Zwar enthält das Formular mehrere Alternativen, die der Kunde im Gegenzug zum Verzicht auf das Kündigungsrecht auswählen darf. Das Formular eröffnet dem Kunden sogar die Möglichkeit eines eigenen Vorschlages. Ein solcher liegt hier aber nicht vor. Das Formular enthält nur die vorgeschlagenen Alternativen der Beklagten sowie den durch den Mitarbeiter der Beklagten aufgenommenen Zusatz, dass das Angebot mit der Klägerin eingehend besprochen worden sei und sie dieses mit Alternative 1 A annehme. Dieser Zusatz wurde unter „3. Alternative: Eigener Vorschlag des Kunden zur Gestaltung einer Zusatzvereinbarung betreffend das Kündigungsrecht:“ aufgenommen. Um einen eigenen Vorschlag des Kunden handelt es sich dabei aber gerade nicht. Die Anmerkung des Mitarbeiters ist hier inhaltlich an der falschen Stelle notiert worden. Bezeichnend ist, dass es aber ein weiteres Feld zum Ausfüllen in dem Formular gar nicht gibt. Die durch den Mitarbeiter der Beklagten angeführte Auswahl des Kunden kann er an keiner anderen Stelle notieren, so dass dem Kunden praktisch kaum eine eigene Wahlmöglichkeit bleibt.
49Dass die Parteien hiervon abweichend individuelle Verhandlungen über den Ausschluss des Kündigungsrechts geführt hatten, hat auch die Beweisaufnahme nicht ergeben. Der Zeuge B, der die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin für die Beklagte geführt hat, konnte sich in seiner Vernehmung an die Klägerin selbst nicht erinnern und hatte auch keine Erinnerung an das mit ihr geführte Gespräch. Er konnte nur sagen, wie solche Termine „üblicherweise“ ablaufen. Selbst dabei machte er aber keine Angaben, die auf ein „Aushandeln“ hinsichtlich des Kündigungsverzichts schließen lassen würden.
50Im Übrigen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O.) im Anschluss an das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 27.09.2013, 11 O 31/13) zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ausschluss des Kündigungsrechts für den Kunden tatsächlich kaum einen Vorteil hat und dieser ausschließlich auf Seiten der Beklagten liegt. Auch eine fehlende Transparenz der Klauseln wird zu Recht beanstandet, da sie den Kunden nicht verständlich und nachvollziehbar über die Tragweite der Vereinbarung belehren.
51Folge der wirksamen Kündigung der Klägerin ist, dass die Beklagte der Klägerin nach §§ 628 Abs. 1 Satz 3, 812 ff. BGB den Anteil der von ihr bereits geleisteten Vergütung zu erstatten hat, der auf den noch nicht erbrachten Anteil ihrer Leistung entfällt. Diesbezüglich wird auf die zum Erstattungsanspruch aufgrund Widerrufs gemachten Ausführungen verwiesen. Noch nicht erhalten hat die Klägerin 18 von 21 Partnervorschlägen, so dass sich der Anspruch ebenfalls auf 7.139,00 € beläuft.
523.)
53Neben der Hauptforderung hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 286 Abs. 1, 2, 288 Abs. 1 BGB seit dem 20.06.2018.
54III.
55Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
56Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 10, 711 ZPO.
57Die Revision wird zugelassen, weil es im Hinblick auf die von der Beklagten in Bezug genommene abweichende Rechtsprechung der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf (§ 543 Absatz 2 Nr. 2 ZPO).
58Der Streitwert wird auf 8.330,00 EUR festgesetzt.