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Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. Februar 2020 – 8 O 54/19 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Köln vom 26. Juli 2019 – 8 O 54/19 – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 21.859,56 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 22.089,36 vom 8. April 2019 bis zum 9. Juli 2020 und seit dem 10. Juli 2020 aus einem Betrag von EUR 21.859,56 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A4 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer A.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 63% und die Beklagte zu 37%.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Der Ehemann der Klägerin erwarb am 29.05.2009 bei einem Vertragshändler der Beklagten als Neuwagen einen Audi A 4 2.0l TDI zum Preis von EUR 42.900,01. Der Kilometerstand betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 1. Instanz 145.529 Km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 2. Instanz 147.136 Km.
4Das Fahrzeug wurde von der Beklagten hergestellt und ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der von der Volkswagen AG entwickelt und hergestellt und an die Beklagte geliefert worden ist. Im Zusammenhang mit diesem Motor wird eine Software verwendet, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimiert. Das Motorsteuerungsgerät ermöglicht zwei Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung: einen Stickstoff-optimierten Modus 1 mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und dadurch reduziertem Schadstoffausstoß sowie einen Partikel-optimierten-Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist. Die Software des Motorsteuerungsgerätes erkennt, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Während des Prüfstandtests betreibt die eingebaute Software den Motor im Modus 1, wodurch geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte wie auch die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen im Abgasrückführungs-Modus 0 betrieben.
5Nach Bekanntwerden des Einsatzes des in der Öffentlichkeit als Manipulationssoftware bezeichneten Motorsteuerungsprogrammes in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen verschiedener Herstellerfirmen, unter anderem der Beklagten, legte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Herstellerkonzernen im Herbst 2015 auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das KBA einen vorgelegten Maßnahmenplan und gab zeitlich gestaffelt die auf den jeweiligen Fahrzeugtyp abgestimmten Software-Updates frei. Auch ohne das Software-Update war das in Rede stehende Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Zudem wurde die EG-Typengenehmigung nicht entzogen, wenngleich das KBA das Aufspielen der jeweiligen Software als verpflichtend ansieht. Die Klägerin ließ das Software-Update am 19. Januar Juli 2017 aufspielen.
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenen Recht ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges aus § 826 BGB zu. Das Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit einer manipulierten Motorsteuerungssoftware stelle eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung dar. Sie hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn sie hiervon gewusst hätte. Die Beklagte habe auch vorsätzlich gehandelt. Die Entwicklung des Motors und der entsprechenden Steuerungssoftware sei eine gemeinschaftliche Entscheidung der Vorstände der Konzernunternehmen gewesen, zwischen denen teilweise auch Personenidentität bestanden habe. Ersatz für die Nutzung des Fahrzeuges schulde sie nicht. Demgegenüber könne sie eine Verzinsung des Kaufpreises seit Zahlung nach § 849 BGB beanspruchen sowie Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Weiterhin hat sie gemeint, die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug.
7Nachdem die Klägerin in einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung erster Instanz am 26. Juli 2019 keinen Antrag gestellt hat, ist die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Mit dem form- fristgerecht eingelegten Einspruch hat die Klägerin beantragt,
8das Versäumnisurteil aufzuheben und
91. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei EUR 42.900.01 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent seit dem 30. Mai 2009 bis zum 19. Februar 2019 und seither von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A4 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer A zu zahlen.
102. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 20.02.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziffer 1 bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet, sowie
113. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.613,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2019 zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
14Sie ist der Auffassung gewesen, ein Anspruch bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere sei sie nicht Entwicklerin des in dem Fahrzeug eingebauten Motors.
15Mit Urteil vom 14. Februar 2020 hat das Landgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils vom 26. Juli 2019 zur Zahlung von EUR 17.927,23 nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Dabei hat es zur Berechnung des anzurechnenden Nutzungsersatzes eine Gesamtlaufleistung von 250.000 Km angesetzt. Im Übrigen (Rückzahlung des gesamten Kaufpreises ohne Abzug von Nutzungsersatz, Deliktszinsen nach § 849 BGB, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) hat es die Klage abgewiesen. Soweit es die Beklagte verurteilt hat, hat es zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei unerheblich, dass die Klägerin nicht unter Beweis gestellt habe, dass die Beklagte und nicht die Volkswagen AG den Motor entwickelt habe. Es sei zu unterstellen, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten im Sinne des § 31 BGB von der manipulierten Motorsoftware gewusst hätten. Da die Klägerin keinen Einblick in die Entscheidungsvorgänge der Beklagten habe, genüge ihr Vortrag, dass Organe der Beklagten Kenntnis gehabt hätten. Die Klägerin sei nicht gehalten gewesen, konkrete Personen zu benennen. Aufgrund konzernrechtlicher Verbundenheit und personeller Überschneidungen spreche viel dafür, dass die Beklagte nicht lediglich darauf vertraut habe, dass die VW AG den Motor ordnungsgemäß zur Verfügung stelle, sondern das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung jedenfalls für möglich gehalten habe. Der Vortrag zur Kenntnis sei als zugestanden zu werten, da die Beklagte dies in der Sache unzulässig mit Nichtwissen bestritten habe, wenn sie ausführe, dass „der Vorstand der Beklagten nach dem jetzigen Ermittlungsstand weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software“ Kenntnis gehabt habe.
16Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin führt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages aus, ein Abzug von Nutzungsentschädigung sei nicht berechtigt. Jedenfalls aber sei eine Laufleistung von 350.000 Km anzusetzen. § 849 BGB sei anwendbar. Nachdem sie zunächst beantragt hat, die Beklagte ohne Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung zur Zahlung weiterer EUR 24.279,78 zu verurteilen, beantragt sie zuletzt,
17das am 14. Februar 2020 verkündete Urteil des LG Köln, 8 O 54/19, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 7.135,08 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2019 sowie Zinsen in Höhe von 4 % aus EUR 42.900,01 vom 30. Mai 2009 bis zum 19. Februar 2020 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das am 14. Februar 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Köln, 8 O 54/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
20Die Klägerin beantragt,
21die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
22Sie führt zur Begründung aus, es liege keine Verletzung materiellen Rechts vor. Der Klägerseite sei bereits kein Schaden entstanden; jedenfalls sei dieser durch das Software-Update entfallen. Zudem fehle der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einer unterstellten Schädigungshandlung und dem unterstellten Schaden. Auch im Übrigen seien die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Haftungsnormen nicht gegeben. Insbesondere fehle es an dem erforderlichen Vorsatz der Beklagten. Sie habe den verbauten Motor und dessen Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt und ihre Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinn hätten im Zeitpunkt des Kaufvertrages keine Kenntnis von der Umschaltlogik gehabt. Die Voraussetzungen einer Repräsentantenhaftung seien auch im Übrigen nicht dargetan. Der Motor sei nicht im Unternehmen der Beklagten sondern ausschließlich von der Volkswagen AG entwickelt worden. Die Beklagte habe den Motor lediglich von der Volkswagen AG bezogen und in ihren Fahrzeugen verbaut. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, welche Personen im Unternehmen der Beklagten eine sittenwidrige Schädigungshandlung vorgenommen haben sollten, die der Beklagten nach § 31 BGB zurechenbar wäre. Hierfür gebe es keine objektiven Anhaltspunkte und auch keinen Vortrag der Klägerin. Eine sekundäre Darlegungslast bestehe insoweit nicht. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25. Mai 2020 eine solche für die Volkswagen AG angenommen habe, sei dies auf die Beklagte nicht übertragen. Der Bundesgerichtshof habe gerade auf die Entwicklung des Motors und die damit befassten Personen abgestellt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil und den Inhalt der zu den Akten gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24II.
25Die zulässigen Berufungen der Parteien bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin war das erstinstanzliche Urteil lediglich insoweit zu berichtigen, als die anzurechnende Nutzungsentschädigung auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 300.000 Km zu berechnen ist. Im Übrigen bestehen über die erfolgte Verurteilung hinausgehende Ansprüche der Klägerin nicht. Insbesondere hat das Landgericht nach Grund und Höhe zutreffend berücksichtigt, dass die Klägerin sich die Gebrauchsvorteile aus der Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen muss und ein Anspruch auf Zahlung von Deliktszinsen nach § 849 BGB nicht besteht. Soweit das Landgericht die Klage darüber hinaus auch hinsichtlich der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat, hat die Klägerin dies nicht mit der Berufung angefochten. Die Berufung der Beklagten hat demgegenüber lediglich insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung des Annahmeverzuges wendet und die zwischenzeitlich erfolgte weitere Nutzung des Fahrzeuges bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen ist. Insbesondere dringt sie nicht mit ihrem Haupteinwand durch, sie hafte schon dem Grunde nach nicht, weil die manipulierte Motorsteuerungssoftware nicht von ihr sondern von der Volkswagen AG entwickelt worden sei. Im Einzelnen:
261. Soweit erstinstanzlich auch die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin streitig war, hat die Beklagte die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts mit der Berufung nicht angegriffen. Diese sind daher für den Senat bindend, der die Feststellungen allerdings auch in Sache teilt. Die Ansprüche der Klägerin bestehen jedenfalls aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes.
272. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des aufgewandten Kaufpreises abzüglich Ersatzes für die erlangten Gebrauchsvorteile und Zug um Zug gegen Übereignung des von ihrem Mann erworbenen Personenkraftwagens. Denn die Beklagte hat der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. Der Senat sieht sich mit Blick auf die insoweit zu beurteilenden Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Auffassung anderer Senate des Hauses (vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18, MDR 2019, 222, zitiert juris Rn. 27 ff; vom 27. Juni 2019 – 27 U 14/19, nv, zitiert juris Rn. 9 ff; Urteil vom 17. Juli 2019 – 16 U 199/18, nv, zitiert juris Rn. 7 ff) sowie anderer Oberlandesgerichte (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237, zitiert juris Rn. 22; KG Berlin, Urteil vom 26. September 2019 – 4 U 51/19, nv, zitiert juris Rn. 30 ff; OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Oktober 2019 – 13 U 73/19, MDR 2020, 28, zitiert juris Rn. 10 ff; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19, nv, zitiert juris Rn. 17; jeweils mwN; aA OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, ZIP 2019, 815, zitiert juris Rn. 186 ff). Diese Auffassung wird nun auch vom Bundesgerichtshof geteilt (Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1926, zitiert juris Rn. 13ff; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, zVb; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19, zVb).
28a) Schädigungshandlung ist das Inverkehrbringen des mit der in Rede stehenden Umschaltlogik versehenen Fahrzeugs.
29aa) Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen KBA erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung - keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
30bb) Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 - 27 U 10/18, nv, zitiert juris Rn. 4 f.; vom 29. November 2018 - 18 U 70/18, MDR 2019, 222, zitiert juris Rn. 43).
31cc) Im Streitfall verfügte das Fahrzeug indes entgegen dem konkludenten Erklärungswert bei Inverkehrgabe gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133, zitiert juris Rn. 5 ff.).
32b) Durch das Verhalten der Beklagten ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der bereits im Abschluss des Kaufvertrags zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 44ff).
33aa) Schaden im Sinne von § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, zitiert juris Rn. 41; vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275, zitiert juris Rn. 19). Letzteres ist im Streitfall gegeben. Der Schaden der Klägerin als Käuferin eines Kraftfahrzeugs liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, weil der konkret abgeschlossene Vertrag beziehungsweise die Eigenschaften des Kaufgegenstands nicht seinen berechtigten Erwartungen entsprach und überdies die Leistung für seine Zwecke – Einsatz im Straßenverkehr - nicht ohne Einschränkung brauchbar war, nachdem wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung, also bei Verbleib des Fahrzeugs im Auslieferungszustand, die Stilllegung drohte.
34bb) Dieser der Klägerin entstandene Schaden wird auch nicht dadurch kompensiert, dass die Klägerin zwischenzeitlich das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Software-Update hat installieren lassen, so dass das streitgegenständliche Fahrzeug wieder die in der Typengenehmigung ausgewiesene Schadstoffklasse aufweist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin durch ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zum Abschluss eines Vertrags verleitet wurde, den sie ohne dieses Verhalten nicht geschlossen hätte. Dementsprechend kommt es allein auf die Umstände im Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs durch die Klägerin an. Denn § 826 BGB schützt auch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Geschädigten, ohne dass es darauf ankäme, ob sich ein Wertverlust bereits realisiert hat (vgl. MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 43).
35c) Die Täuschung war auch ursächlich für den Kaufvertragsabschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 48ff).
36aa) Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Klägerin – wie sie dies auch geltend gemacht hat – vom Kauf des Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass das Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohten. Zwar mag die Entscheidung für den Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugmodells von einem ganzen Motivbündel getragen sein. Vorliegend geht es aber um die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs und, soweit diese in Frage steht, um die drohende Stilllegung. Die weiteren Motive für die Wahl des konkreten Modells treten demgegenüber in den Hintergrund, weil dieser Mangel den elementaren Zweck des Autokaufs, nämlich die Fortbewegung auf öffentlichen Straßen, gefährdet. Im Hinblick auf diesen klaren Bezug zur Kaufentscheidung droht hier auch keine dem Zweck der Haftungsnorm widersprechende, uferlose Ausweitung der Haftung nach § 826 BGB (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19, nv, zitiert Rn. 36).
37bb) Das Vorgehen der Beklagten, die mit einer Software wie der streitgegenständlichen ausgerüsteten Motoren in den Verkehr zu bringen, war auch nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet, den Schaden herbeizuführen. Vielmehr war es so, dass die Motoren gerade für den Einbau in die zur Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass die zuständigen öffentlichen Stellen, Händler, Kunden und Letzterwerber nicht in Kenntnis gesetzt werden sollten. Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie die Klägerin erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten.
38d) Diese Täuschungshandlung ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 13ff).
39aa) Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt; in diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 248/08, zitiert juris Rn. 13; vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550, zitiert juris Rn. 25; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, zitiert juris Rn. 16; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 4). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann und die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, zitiert juris Rn. 8; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, zitiert juris Rn. 16; jeweils mwN).
40bb) Hiernach ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 - 27 U 10/18, nv, zitiert juris Rn. 20). Auch die Beklagte selbst trägt keinen anderen Grund vor. Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel ist das Handeln im Streitfall jedoch verwerflich. Bereits das Ausmaß der (konkludenten) Täuschung rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren und zwischenzeitlich auch allgemein bekannt (§ 291 ZPO) ist, wurde die unzulässige Abschalteinrichtung in einer hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer.
41Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren. Zwar ist die Haftung beschränkt auf die Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen, das heißt in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1985 - II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, zitiert juris Rn. 15; MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 22). Die Haftung aus § 826 BGB knüpft indes nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 - 17 U 160/18, MDR 2019, 1189, zitiert juris Rn. 85 ff).
42e) Bei der Beklagten lagen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 29ff, 60ff). Sie kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie an der Entwicklung des Motors und der in diesem eingesetzten Motorsteuerungssoftware nicht beteiligt gewesen sei und den Motor lediglich von der Volkswagen AG zugekauft und in den von ihr hergestellten Fahrzeugen in Unkenntnis der Motorsteuerungssoftware eingesetzt habe. Der Senat geht insoweit im Gegenteil von einer Kenntnis der Beklagten und einem kollusiven Zusammenwirken mit der Volkswagen AG aus. Zumindest aber hielt die Beklagte das Vorhandensein einer entsprechenden Abschaltlogik für möglich und handelte bedingt vorsätzlich, als sie den Motor gleichwohl einsetzte. Den entsprechenden Behauptungen der Klägerin ist die Beklagte im Rahmen der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend entgegengetreten.
43aa) In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.
44(1) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, zitiert juris Rn. 12; vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1488, zitiert juris Rn. 22; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404, zitiert juris Rn. 10; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, zitiert juris Rn. 25; jeweils mwN). Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinn des § 826 BGB nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage genügt, einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko (BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, zitiert juris Rn. 38; vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, zitiert juris Rn. 47). Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550, zitiert juris Rn. 33; vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404, zitiert juris Rn. 11).
45(2) Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, zitiert juris Rn. 36).
46(3) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause" der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 240, zitiert juris Rn. 13, 23, 25 f.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters" weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter" sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, zitiert juris Rn. 18; vom 30. Oktober 1967 - VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, zitiert juris Rn. 11; auch in der neueren Rechtsprechung zu § 826 BGB verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30. Oktober 1967 auf die weite Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßig berufener Vertreter“, vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 541/15, juris Rn. 14; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 240, zitiert juris Rn. 13).
47bb) Bei der Beklagten lagen die dargestellten subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020- VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 29ff). Nach dem Sach- und Streitstand steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Vorstand der Beklagten, jedenfalls aber die Mitarbeiter des oberen Managements der Beklagten über umfassende Kenntnisse von dem Einsatz der Software zur Motorsteuerung in den von der Volkswagen AG zugekauften Motoren verfügten und diese gleichwohl unverändert und ohne entsprechenden Hinweis in den von ihr hergestellten Fahrzeugen verbauten, obwohl die materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen fehlten und dies für die Käufer wesentlich war.
48(1) Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen von §§ 826, 31 BGB grundsätzlich beim Geschädigten und damit bei der Klägerseite (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58, zitiert juris Rn. 21; vom 4. Dezember 2012 – VI ZR 378/11, WM 2013, 306, zitiert juris Rn. 13). Die Klägerin hat damit grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzunegn des § 826 BGB verwirklicht hat. In bestimmten Fällen ist es indes Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine derartige sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, juris Rn. 35ff mwN).
49Nach diesen Maßstäben trifft die Beklagte im Streitfall eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Sie hat dargelegt, der Vorstand der Beklagten habe von dem Einsatz der manipulierten Motorsteuerungssoftware in dem Motor gewusst und diesen gleichwohl in ihre Fahrzeuge einbauen und in Verkehr lassen. Auch wenn der Motor von der Volkswagen AG entwickelt worden sei, seien die maßgeblichen Entscheidungen zur Verwendung der Motorsteuerungssoftware auch vom Vorstand der Beklagten getroffen und gebilligt worden. Es habe Überkreuzregelungen im Vorstand der Beklagten und der Volkswagen AG gegeben und entsprechend Personenidentität bestanden, aufgrund derer die wesentlichen Entscheidungen von denselben Entscheidungsträgern getroffen worden seien. So sei B vor seiner Tätigkeit als Vorstand der Volkswagen AG Vorstand der Beklagten und zugleich als leitender Entwicklungschef bei der Volkswagen AG verantwortlich für die Entwicklung der Software gewesen. Er habe diese in Auftrag gegeben. Herr C sei zeitgleich Chef der Motorenentwicklung bei der Beklagten und der Volkswagen AG sowie Vorstand der Porsche AG gewesen und habe Kenntnis von den Vorgängen gehabt. Herr D sei als leitender Ingenieur der Beklagten im Bereich Emissionen von der Beklagten zu der Volkswagen AG und zurück gewechselt; er sei maßgeblich an der Weiterentwicklung der Software und deren Markteinführung beteiligt gewesen. Damit hat die Klägerin den Vorsatz der Beklagten hinreichend dargelegt. Hierfür spricht überdies der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war. Weitergehender Vortrag war der Klägerin nicht möglich. Sie steht außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, während die Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kennt. Dann genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast ein einfaches Bestreiten des Anspruchsgegners indes nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - V ZR 45/13, NJW 2015, 619, zitiert juris Rn. 22; vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, NJW 2017, 886, zitiert juris Rn. 18 f.; jeweils mwN). Aus diesem Grund wird in Fällen der Haftung des Herstellers im Abgasskandal vom Bundesgerichtshof sowie in der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Volkswagen AG mit Recht eine sekundäre Darlegungslast angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 39; OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18, MDR 2019, 222, zitiert juris Rn. 28 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 - 27 U 10/18, nv, zitiert juris Rn. 25 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19, nv, zitiert juris Rn. 79 ff.). Nichts anderes kann vor dem Hintergrund der aufgezeigten Grundsätze für die Beklagte gelten. Auch insoweit steht die Klägerin außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs, während die Beklagte bzw. deren Repräsentanten diesen nach dem Vortrag der Klägerin wesentlich mitgestaltet haben. Ohne dass es nach Vorgenanntem hierauf noch ankommt, ist es bezeichnend, dass – wie allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen ist (vgl. etwa Süddeutsche Zeitung vom 8 Juni 2020 „E und die Tricks der Ingenieure“) – vor dem Landgericht München II wegen des sogenannten Abgasskandals ab voraussichtlich 30. September 2020 gegen den Audi Chef E sowie weitere Audi Techniker ein Strafverfahren wegen des Vorwurfes des Betruges geführt wird. Auch vor diesem Hintergrund hätten sich weitere Darlegungen der Beklagten aufgedrängt, die sich stattdessen auf den bloßen Hinweis zurückgezogen hat, es handele sich um einen von der Konzernmutter Volkswagen zu verantwortenden Motor.
50(2) Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Soweit die Beklagte umfangreich vorträgt, dass sie den Motor und die Motorsteuerungssoftware nicht selbst entwickelt, sondern von der Volkswagen AG zugekauft habe, ist dies für sich betrachtet unerheblich, da es allein darauf ankommt, ob maßgebliche Repräsentanten der Beklagten Kenntnis von der Verwendung der Software hatten. Diesbezüglich aber genügt das Vorbringen der Beklagten den an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen angesichts der Behauptungen der Klägerin hierzu nicht. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Aussage, über keine Erkenntnisse zu verfügen, „dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt waren oder die Entwicklung und Verwendung der Umschaltlogik für den EA 189 seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben.“ Ihr Vorstand habe „nach dem derzeitigen Ermittlungsstand im relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Kenntnis“ gehabt. Insbesondere sei die Motorsteuerung nicht unter der Führung von Herrn B entwickelt worden. Herr C sei nicht Vorstand der Beklagten gewesen und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse vor, dass Herr C an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder von dieser gewusst habe. Demgegenüber geht sie nicht konkret auf die von der Klägerin behaupteten personellen Verflechtungen zwischen der Beklagten und der Volkswagen AG und der Kenntnis von bzw. Beteiligung an der Entwicklung der Motorsteuerungssoftware dieser als Repräsentanten der Beklagten im Sinne des § 31 BGB zu bewertenden Personen ein, sondern beschränkt sich auch insoweit im Wesentlichen auf einfaches Bestreiten. Dies genügt indes den zu stellenden Anforderung nicht. Das Argument, es sei nicht zielführend zu den an der Entwicklung des Motors bei der Volkswagen AG beteiligten Personen vorzutragen, verfängt insofern nicht, als nach der Behauptung der Klägerin eben auch Entscheidungsträger der Beklagten aufgrund von Mehrfachfunktionen in den Konzernunternehmen an den maßgeblichen Entscheidungen beteiligt gewesen seien. Da die Beklagte nicht konkret darlegt, dass und wie ihre Vorstandsmitglieder in der Vergangenheit mit der Volkswagen AG verbunden und in die Entscheidungen um den konzernweiten Einsatz des Motors EA 189 eingebunden waren, kann sie sich nicht auf ihre mangelnde Kenntnis berufen. Die bloße Behauptung, der Vorstand im aktienrechtlichen Sinne sei nach den Ermittlungen der Beklagten weder informiert noch involviert gewesen, erschöpft sich insoweit letztlich in einem nicht ausreichenden einfachen Bestreiten der Behauptungen der Klägerin.
51(3) Demgegenüber verfängt der Einwand, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast könnten nicht eingreifen, weil die Klägerin schon nicht substantiiert vorgetragen habe, nicht. Richtig ist, dass es auf den Umfang der sekundären Darlegungslast nur ankommt, wenn der Anspruchsteller der ihn treffenden primären Darlegungslast überhaupt nachgekommen ist. Da die Klägerin hier jedoch außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihr entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, so dass sie letztlich nur aufgrund öffentlich zugänglicher Quellen und der Äußerungen der Beklagten selbst Behauptungen in Bezug auf die streitgegenständliche Vorgänge aufstellen kann, sind insoweit bereits allgemeine Behauptungen ausreichend und eine weitere Substantiierung nicht erforderlich. Es ist anerkannt, dass im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen gerade trotz ihrer mangelnden Substantiierung als zugestanden gilt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1982 – VIII ZR 279/81, BGHZ 86, 23, zitiert juris Rn. 26; vom 7. Dezember 1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, zitiert juris Rn. 11; vom 20. Oktober 2005 – IX ZR 276/02, NJW-RR 2006, 552, zitiert juris Rn. 11; jeweils mwN).
52(4) Der Beklagten ist es auch zumutbar, dazu vorzutragen, welche Funktionen ihre Vorstandsmitglieder der Vergangenheit zugleich bei der Volkswagen AG hatten und inwieweit sie mit der Entwicklung des Motors EA 189 und dessen konzernweiten Einsatz befasst waren. Bei der gebotenen Abwägung im Einzelfall ist das diesbezügliche Interesse der Beklagten, keine näheren Angaben zu machen, geringer zu gewichten als das Interesse der Klägerin am Erhalt der entsprechenden Auskünfte. Ausschlaggebend ist, dass die der Sphäre der Beklagten zuzuordnende Manipulation ein erhebliches Ausmaß hatte und die Beklagte sich deshalb veranlasst sah, die Angelegenheit intern umfassend aufklären zu lassen. Damit ist es der Beklagten aber unschwer möglich, jedenfalls näher zu den maßgeblichen Ereignissen vorzutragen, während die Klägerin, ohne dass ihr dies vorzuwerfen wäre, in Unkenntnis über die internen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz der streitgegenständlichen Software ist. Unzweifelhaft wäre es der Beklagten zudem möglich, jedenfalls allgemein darzulegen, wie bei ihr entsprechende Entscheidungsabläufe organisiert sind. Richtig ist im Übrigen, dass die Beklagte hiermit der Klägerin unter Umständen entscheidende Informationen liefern könnte. Eine von der Beklagten befürchtete Ausforschung ist hierin aber nicht zu sehen. Zum einen hat die Klägerin greifbare Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten auf der Vorstandsebene oder jedenfalls des oberen Managements der Beklagten vorgetragen. Zum anderen steht ohnehin fest, dass ein konkretes, im Verantwortungsbereich der Beklagten liegendes Fehlverhalten zu einer Schädigung der Klägerin geführt hat. Fraglich ist allein, welchen konkreten Personen dieses Fehlverhalten anzulasten ist. Die Beklagte verkennt zudem, dass sie nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast nicht etwa gehalten ist, der Klägerin im Sinne einer allgemeinen Aufklärungspflicht Informationen zu erteilen, die ihrer Klage erst zum Erfolg verhelfen. Zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast muss der Prozessgegner vielmehr die vom Anspruchsteller dargelegten anspruchsbegründenden Umstände qualifiziert und substantiiert bestreiten. Es hätte der Beklagten also – unter Beachtung der im Zivilprozess im Interesse einer geordneten Rechtspflege beide Parteien nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO treffenden Pflicht, sich vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären – gerade nicht zwingend oblegen, im Einzelnen zu offenbaren, dass und weshalb die von der Klägerin dargelegten Personenidentitäten in Schlüsselfunktionen der Volkswagen AG und der Beklagten gleichwohl nicht den Schluss auf eine Kenntnis und Billigung des Vorstandes der Beklagten von dem Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware zulassen.
53(5) Der Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte eine negative Tatsache darzulegen hätte. Denn es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich, dazu vorzutragen, warum die von der Klägerin vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine Beteiligung ihres Vorstandes nicht zulassen sollten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 90/13, NJW 2015, 947, zitiert juris Rn. 17 ff). Zwar setzt die Zumutbarkeit weiteren Vortrags seitens der nicht beweisbelasteten Partei stets besondere Anknüpfungspunkte voraus. Vorliegend hat die Klägerin aber – teils unter Hinweis auf allgemein zugängliche Quellen – Anhaltspunkte vorgetragen, zu denen die Beklagte sich hätte erklären können. Der Beklagten wird damit auch nichts Unmögliches abverlangt. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es nach dem Gesagten, sich mit den von der Klägerin angeführten Indizien auseinanderzusetzen und darzulegen, warum trotz dieser Indizien keine Kenntnis ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter vorgelegen haben soll.
54(6) Als Rechtsfolge des nicht ausreichenden Vortrags der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast ist der Vortrag der Klägerin dazu, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis vom Einsatz der in Rede stehenden Software zur Motorsteuerung und der hieraus folgenden Unwägbarkeiten bezüglich der Typengenehmigung und der Zulassung der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge hatte und diese gleichwohl bewusst und unter Inkaufnahme einer Schädigung einer Vielzahl von Enderwerbern in Verkehr bringen wollte, als zugestanden anzusehen.
55(7) Die Beklagte kannte nach alledem auch die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände. Aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands ist nicht nur davon auszugehen, dass die Installation der Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands der Beklagten bzw. eines oder mehrerer Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB erfolgt und somit der Beklagten zuzurechnen ist, sondern auch davon, dass der Vorstand oder sonstige verfassungsmäßig berufene Vertreter in der Vorstellung handelten, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeugen der Beklagten oder der Tochterunternehmen eingebaut würden und für diese die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann in den Verkehr gebracht werden würden.
56f) Dem geltend gemachten Zahlungsanspruch steht in der hier zu beurteilenden Konstellation auch nicht das Gebot von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB entgegen. Es stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich dar, dass die Klägerin begehrt, so gestellt zu werden, als hätte sie das Fahrzeug nicht erworben.
57g) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind auf den Schadensersatzanspruch in Höhe des Kaufpreises im Wege des Vorteilsausgleichs indes die erlangten Gebrauchsvorteile anzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 64ff).
58aa) Wenn wie im Streitfall der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu, also Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, zitiert juris Rn. 41; vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275, zitiert juris Rn. 28). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist außerdem geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12. März 2009 - VII ZR 26/06, NJW 2009, 1870, zitiert juris Rn. 16; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., Vor § 249 Rn. 71). Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an. Insbesondere bedarf es anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160, zitiert juris Rn. 23 f.).
59bb) Danach kann die Klägerin im Streitfall Erstattung der für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kosten abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte verlangen. Bei Berechnung der Entschädigung für die gezogenen Nutzungen ist der für jeden gefahrenen Kilometer in Abzug zu bringende Betrag in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte Bruttokaufpreis durch die im Kaufzeitpunkt zu erwartende Rest- (beim Gebrauchtwagenkauf) bzw. Gesamtlaufleistung (beim Neuwagenkauf) geteilt wird und mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 196/14, Schaden-Praxis 2015, 277, zitiert juris Rn. 3). Auch wenn die Beklagte die Gesamtfahrleistung ihrer Dieselfahrzeuge regelmäßig lediglich mit 200.000 Kilometer angibt, schätzt der Senat diese in seiner ständigen Rechtsprechung analog § 287 ZPO auf 300.000 Kilometer. Dieser Wert hält sich nicht nur innerhalb des üblichen Schätzungsrahmens, der inzwischen bei Personenkraftwagen zwischen 150.000 und 350.000 Kilometern liegt (vgl. beispielhaft OLG Köln, Beschluss vom 18. Mai 2018 – 27 U 13/17, NJW-RR 2018, 1141, zitiert juris Rn. 63; vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18, MDR 2019, 222, zitiert juris Rn. 43; KG Berlin, Urteil vom 23. Mai 2013 – 8 U 58/12, NJW-RR 2014, 57, zitiert nach juris; Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 346 Rn. 261). Er entspricht auch den aus allgemein zugänglichen Quellen bekannten und gemäß § 291 ZPO zu berücksichtigenden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 25. Mai 2016 - 1 W 6/16, MDR 2016, 1266, zitiert juris Rn. 19 mwN) Erfahrungswerten verschiedener Nutzer zu den von der Beklagten überdies als langlebig und hochwertig beworbenen Fahrzeugen, die Laufleistungen zwischen 150.000 km und mehr als 400.000 km angeben (vgl. etwa Internetadresse 1). Nach der für Neuwagen üblichen Formel: Bruttokaufpreis * gefahrene Kilometer / voraussichtliche Gesamtlaufleistung im Erwerbszeitpunkt beläuft sich mithin die vom Kaufpreis abzuziehende Nutzungsentschädigung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf EUR 21.040,45 (= EUR 42.900,01 * 147.136 km / 300.000 km).
603. Die Zahlungsansprüche der Klägerin sind ab Rechtshängigkeit gemäß § 291 BGB zu verzinsen.
61a) Ist die Pflicht zur Herausgabe einer Sache an den Schädiger lediglich Folge des im Vorteilsausgleich zum Ausdruck kommenden schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots, ist der Schadensersatzanspruch des Gläubigers in seinem Umfang zwar von vorneherein beschränkt, insoweit aber fällig, durchsetzbar und daher auch nach § 291 BGB zu verzinsen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03, NJW-RR 2005, 170, zitiert juris Rn. 6 f.; vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11, NJW-RR 2013, 825, zitiert juris Rn. 11). Bei einer Zuvielforderung im Klageantrag findet § 291 BGB auf den tatsächlich geschuldeten Betrag uneingeschränkt Anwendung.
62Für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Schadensersatzbetrag für die Verzinsung maßgebend, der zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht begründet war. Für den Zeitraum danach ist die weitere Nutzung des Fahrzeugs und die im Hinblick auf die Vorteilsausgleichung damit einhergehende Reduzierung der zu verzinsenden Schadensersatzforderung zu berücksichtigen.
63b) Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin indes keine Verzinsung ab Kaufpreiszahlung gemäß § 849 BGB fordern. Diese Bestimmung gilt allein für Fälle der ersatzlosen Sachentziehung. Ein derartiger Fall ist hier nicht gegeben, da die Klägerin im Gegenzug zur Hingabe des Geldes ein werthaltiges und in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat (so auch BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 354/19, zVb).
64aa) Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut der Bestimmung der Verletzte, wenn wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen kann, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird. § 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt; auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm (BGH, Urteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084, zitiert juris Rn. 4; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 849 Rn. 1; jeweils mwN). Zu den Sachen im Sinne der vorgenannten Bestimmung gehört mit Blick auf deren Sinn und Zweck auch Geld beziehungsweise Buchgeld (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1953 – VI ZR 9/52, BGHZ 8, 288, zitiert juris Rn. 21; vom 26. November 2007, aaO). Hieraus wird zum Teil geschlossen, dass der im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal gegebene Kaufpreis nach § 849 BGB zu verzinsen ist (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 2. Oktober 2019 - 5 U 47/19, nv, zitiert juris Rn. 42; OLG Köln, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 27 U 14/19, nv, zitiert juris Rn. 33 ff).
65bb) Demgegenüber lässt sich aus § 849 BGB kein allgemeiner Grundsatz entnehmen, wonach alle Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung stets und unabhängig vom Vorliegen des Verzuges vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an zu verzinsen sind; bereits dem Wortsinn des § 849 BGB ist zu entnehmen, dass im Falle der Entziehung (nur) der als Wertersatz geschuldete Betrag zu ersetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1962 - III ZR 17/61 -, Ziff. II. 1, 2, BeckRS 1962, 31183446; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019 – 17 U 290/18, nv, zitiert juris Rn. 40). Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten vielmehr diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (BGH, Urteil vom 15. November 1967 – VIII ZR 150/65, BGHZ 49, 56, zitiert juris Rn. 15; vom 28. April 2015 – XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117, zitiert juris Rn. 85; jeweils mwN). Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 30. September 2014 - X ZR 126/13, NJW 2015, 553, zitiert juris Rn. 14; vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83, zitiert juris Rn. 18; vom 6. August 2019 – X ZR 165/18, MDR 2019, 1437, zitiert juris Rn. 9; jeweils mwN).
66Gemessen hieran hat sich der durch den Abgasskandal betroffene Fahrzeugeigentümer auch bei einer noch eröffneten Pauschalierung im Gegenzug auf den Nutzungsverlust der Kaufpreissumme den Fahrzeugwert anrechnen zu lassen; zwischen beiden besteht ein aus den Hauptleistungspflichten des Kaufvertrages herzuleitender adäquat kausaler Zusammenhang im Sinne einer Rechnungseinheit (vgl. nur OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 - 12 U 61/19, WM 2019, 1929, zitiert juris Rn. 69 ff.; KG Berlin, Urteil vom 26. September 2019 - 4 U 51/19, nv, zitiert juris Rn. 158 ff; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, NJW-RR 2019, 1428, zitiert juris Rn. 99; OLG Schleswig, Urteil vom 22. November 2019 – 17 U 44/19, SchlHA 2019, 473, zitiert juris Rn. 77; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019 – 17 U 290/18, nv, zitiert juris Rn. 46). Eine Anwendung der Zinsregelung des § 849 BGB verstößt in einem solchen Fall demgegenüber gegen das schadensrechtlichen Bereicherungsverbot. Hiernach soll der Geschädigte nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83, zitiert juris Rn. 18; vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200, 350, zitiert juris Rn. 20; jeweils mwN). Im Kaufrecht führt dies dazu, dass der Käufer einer mangelhaften Sache grundsätzlich nicht besser stehen darf, als er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde (BGH, Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11, NJW-RR 2013, 825, zitiert juris Rn. 13, 16; vom 4. April 2014, aaO).
67cc) Hiergegen kann die Klägerin im Streitfall schließlich auch bei wertender Betrachtung nicht einwenden, sie sei im Gegenzug zur Zahlung von Nutzungsersatz verpflichtet. Sie unterliegt durch die Berücksichtigung des Fahrzeugwertes nicht etwa einer (ungerechtfertigten) zweifachen Benachteiligung, weil ihr die durch die spätere Nutzung des Fahrzeuges erwachsenen Nutzungsvorteile - wie auch immer - ebenfalls anzurechnen sind und zugleich Deliktzinsen gemäß § 849 BGB versagt werden; infolge der bestimmungsgemäßen Nutzung des Fahrzeuges erwächst ihr vielmehr ein (weiterer) Vorteil, der den zugrundeliegenden Leistungsaustausch unberührt lässt. Unterließe sie die Nutzung des Fahrzeugs, so entfiele notwendigerweise die Anrechnung des ihr durch die Nutzung zugeflossenen Vermögensvorteils (OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019, aaO).
68c) Ein weitergehender Zinsanspruch folgt auch nicht aus § 286 BGB. Die Voraussetzungen des Zahlungsverzuges sind nicht dargetan.
694. Soweit sich die Berufung der Beklagten gegen die Feststellung des Annahmeverzuges wendet, hat sie Erfolg. Zwar hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.02.2019 (Anlage K 11, Bl, 176 AH) der Beklagten das Fahrzeug zur Abholung angeboten und sie zugleich aufgefordert, den Kaufpreis zu ersetzen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges und unter Abzug einer Nutzungsentschädigung. Dies entspricht der Verpflichtung der Beklagten und stellt entsprechend ein annahmefähiges Angebot dar. Die Klägerin hat mithin keine deutlich zu hohe Leistung verlangt (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848, zitiert juris Rn. 30; OLG Köln, Urteil vom 17. Juli 2019 – 16 U 199/18, nv, zitiert juris Rn. 27). Allerdings ist davon auszugehen, dass sie dieses Angebot zwischenzeitlich zurückgenommen hat und der Annahmeverzug mithin geendet ist. Denn mit der Berufung begehrt die Klägerin den vollen Kaufpreis ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung. Dies aber kann sie nicht beanspruchen. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (BGH, Urteil vom 25.Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris Rn. 85).
70III.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war für die Berechnung der Kostenquote ein fiktiver Streitwert zu bilden, um dem wirtschaftlichen Gewicht der als Nebenforderung erfolglos eingeklagten Deliktszinsen gerecht zu werden (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 92 Rn. 11). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
72IV.
73Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Die wesentlichen Streitfragen sind durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, zitiert juris) sowie vom 30. Juli 2020 (VI ZR 354/19 und VI ZR 397/19, jeweils zVb) zwischenzeitlich geklärt.
74V.
75Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO wie folgt festgesetzt:
76- bis zum 10. Juli 2020: EUR 42.900,01
77- sodann: EUR 25.062,31