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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 20.11.2019 (28 O 110/19) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagten wegen zweier weitgehend inhaltsgleicher Berichterstattungen vom 10.2.2019 auf Internetadresse 1 bzw. vom 11.2.2019 in der Printausgabe, in welchen unter der Überschrift „A“ bzw. „B“ über ein gegen den Kläger geführtes Strafverfahren berichtet wird, auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Hinsichtlich der Einzelheiten sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die identifizierende Verdachtsberichterstattung rechtswidrig gewesen, weil es an einer ausreichenden Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger gefehlt habe. Da ihm die konkreten Veröffentlichungstermine der Berichterstattungen nicht bekannt gewesen seien, habe er mangels Reaktion der Beklagten davon ausgehen können, dass diese bis zu seiner angekündigten Stellungnahme zuwarten würden. Auch sei der Beklagte zu 1) passivlegitimiert, da er durch die Beschaffung des Materials an der Berichterstattung mitgewirkt habe und im Beitrag an exponierter Stelle genannt werde. Allerdings fehle es an einem unabweislichen Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung, da die Zulässigkeit der Berichterstattungen lediglich an der fehlenden Möglichkeit zur Stellungnahme für den Kläger scheitere. Wären diese unter Einschluss des klägerischen Vortrags veröffentlicht worden, hätte dies den Beiträgen in den Augen der Rezipienten kein wesentlich anderes Gepräge gegeben. Die Intensität der Beeinträchtigung des guten Rufs des Klägers wäre in diesem Fall nur unwesentlich geringer gewesen. Der Vortrag des Klägers dahingehend, dass Dritte ihn und seine Klienten auf den Beitrag angesprochen hätte, sei unsubstantiiert, da er lediglich einen Vorfall konkret benannt habe. Die vom Kläger behaupteten persönlichen (Rache-)Motive des Beklagten zu 1) seien aus dem Beitrag nicht erkennbar und die Beklagten hätten zeitnah eine Unterlassungsverpflichtung bzw. eine Abschlusserklärung abgegeben.
5Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiter.
6Er macht geltend, eine Geldentschädigung sei hier nicht nur wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung, sondern auch wegen des Präventionsgedankens erforderlich. Hierzu habe die Kammer keine Ausführungen gemacht, obwohl das Verhalten des Beklagten zu 1) im Nachgang der Berichterstattungen bemerkenswert gewesen sei. Auch wenn durch die Berichterstattungen nur seine Sozialsphäre betroffen sei, hätten sie schwerwiegende Konsequenzen für ihn gehabt, was er bereits in der Klageschrift und auch später in weiteren Schriftsätzen unter Benennung von Zeugen ausgeführt habe. Insofern habe das Landgericht seinen Vortrag zu Unrecht als unsubstantiiert eingestuft.
7Der Kläger beantragt,
8unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 20.11.2019 (28 O 110/19) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 20.000 Euro liegen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.2.2019 zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Der Kläger habe ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt und diese nicht wahrgenommen. Darauf komme es jedoch letztlich nicht an, weil ein Geldentschädigungsanspruch auch dann nicht gegeben sei, wenn man zugunsten des Klägers von einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung ausgehe. Denn wenn die Stellungnahme des Klägers – die gegen bestehende Forderung sei durch Aufrechnung erloschen – Eingang in die angegriffene Berichterstattung gefunden hätte, hätte sich die Sicht des unvoreingenommenen Durchschnittslesers auf den Kläger nicht wesentlich geändert. Für diesen spiele vor allem die zulässig mitgeteilte Betrugsanklage eine Rolle.
12Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
13II.
14Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg, da das Landgericht seinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu Recht verneint hat.
151. Der Kläger hat im Hinblick auf die streitgegenständliche Berichterstattung keinen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Denn im Hinblick darauf, dass die Veröffentlichung der persönlichen Daten des Klägers durch die Beklagten eine „Verarbeitung zu journalistischen Zwecken“ darstellt, wobei dieser Begriff wegen der Pressefreiheit und in europarechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts weit auszulegen ist (vgl. Erwägungsgrund Nr. 153 der DSGVO sowie EuGH, Urt. v. 16.12.2008 - C-73/07, EuZW 2009, 108; EuGH, Urt. v. 14.2.2019 – C-345/17, NVwZ 2019, 465), können sich die Beklagten hier auf das sog. Medienprivileg berufen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019 – 1 BvR 16/13, juris Rn. 74). Auch wenn in Art. 85 Abs. 2 DSGVO das Kapitel VIII der DSGVO, welches Art. 82 DSGVO enthält, gerade nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO für die journalistische Tätigkeit ausgenommen ist, hält der Senat die Schadensersatzpflicht zu Lasten der Medien bei einem – hier bei Anwendung der DSGVO im Übrigen allein in Betracht kommenden – Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO nicht für anwendbar, weil mangels Geltung der Pflichten aus Art. 6 DSGVO auch keine Verletzung dieser Vorschrift vorliegen kann.
162. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers ergibt sich dann auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
17Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine solche schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Dies kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Entschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, NJW-RR 2016, 1136; BGH, Urt. v. 21.4.2015 – VI ZR 245/14, juris Rn. 33 m.w.N.).
18a. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellen die beiden Berichterstattungen, die gegenüber dem Kläger den Verdacht einer Straftat äußern und ihn als Angeklagten eines Strafverfahrens durch Bild und Namensnennung identifizieren, zwar jeweils eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, die einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der ihn identifizierenden Wortberichterstattung bzw. aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG hinsichtlich der Veröffentlichung seines Bildnisses begründet.
19aa. Die Wortberichterstattung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Die Beklagten äußern in der Berichterstattung den Verdacht, dass der Kläger eine Straftat begangen hat („Von seinen einstigen Freunden … soll er sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mehrere Tausend Euro geliehen haben“) und identifizieren ihn durch Namensnennung als Angeklagten eines Strafverfahrens. Dies beeinträchtigt zwangsläufig das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil es sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2019 - VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 m.w.N.). Insofern ist aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 7 GrCh mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK, Art. 11 GrCh verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden.
20(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die Äußerung eines Verdachts, der eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, solange nicht untersagt werden, wie sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich gehalten werden darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – VI ZR 505/14, MDR 2016, 648).
21(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Wortberichterstattung schon deshalb unzulässig, weil im Zeitpunkt der Berichterstattung der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht vorlag, der es gerechtfertigt hätte, über den gegen den Kläger bestehenden Verdacht sowie das gegen ihn anhängige Strafverfahren unter Identifizierung zu berichten. Denn auch wenn das Strafverfahren hier über das Stadium der einleitenden Ermittlungen hinausgekommen und die Anklage zugelassen worden war, so war doch den Beklagten aufgrund der Ausführungen des Amtsgerichts Köln in dem gegen den Kläger geführten Zivilverfahren bekannt, dass er sich schon bei Auszahlung der Darlehen – dies im Wissen der Darlehensgeberin – im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren in einer prekären finanziellen Situation befunden hatte und damit durchaus Zweifel herrschten, ob der ihm vorgeworfene Betrug tatsächlich vorgelegen hat, zumal die Summe von Frau C in einer Vielzahl von Kleinbeträgen zur Verfügung gestellt wurde und diese um seine finanziellen Probleme wusste.
22Darüber hinaus ist die Berichterstattung auch in einem maßgeblichen Punkt unwahr: Der Kläger hatte bereits im Oktober 2018 gegen die damals noch zugunsten von Frau C bestehende Restforderung in Höhe von 2.127,91 Euro die Aufrechnung erklärt (vgl. Anlage K 5), so dass im Zeitpunkt der Berichterstattung gerade kein Betrag in Höhe von 1.300 Euro mehr zur Zahlung offen war. Dies stellt zwar keine bewusste Falschberichterstattung der Beklagten dar, da ihnen im Zeitpunkt der Berichterstattung unstreitig nicht bekannt war, dass der Kläger eine solche Aufrechnung erklärt hatte. Jedoch ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Beklagten bei der Recherche für die streitgegenständlichen Berichte ihre journalistischen Sorgfaltspflichten in grobem Maße verletzt haben und sich damit auf ihre Unkenntnis nicht berufen können. Sie haben dem Kläger mit E-Mail vom 8.2.2019 (10:44 Uhr, vgl. Anlage K7) eine nur gut vierstündige Frist zur Stellungnahme im Hinblick auf die geplante Berichterstattung über die Strafverhandlung gesetzt. Diese Frist war – selbst wenn man die Tätigkeit des Klägers als Berater für „Problematische Presseanfragen“ oder drohende „Negative Berichterstattung“ (vgl. Anlage B5) berücksichtigt – schon per se zu kurz, zumal die Verhandlung vor dem Amtsgericht erst für den 20.2.2019 terminiert war und die Beklagten damit mit der Veröffentlichung der Vorwürfe nicht unter Zeitdruck standen. Der Kläger hat durch seine Prozessbevollmächtigten bereits 1 ½ Stunden später reagiert (vgl. Anlage K7) und im Hinblick auf die wegen des laufenden Strafverfahrens verständlicherweise für erforderlich gehaltene Rücksprache mit seinem Strafverteidiger eine Stellungnahme bis zum 12.2.2019 (16:00 Uhr) angekündigt. Im Hinblick darauf, dass der 8.2.2019 ein Freitag war, hat er damit eine Fristverlängerung von lediglich zwei Werktagen erbeten, ohne dass die Beklagten in der Folgezeit auf diese Bitte reagiert hätten.
23In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts geht der Senat davon aus, dass durch die zu kurze Fristsetzung der Beklagten auch nicht eine angemessene Frist in Gang gesetzt wurde. Denn unabhängig von der Frage, ob im Rahmen der dem Betroffenen zustehenden Möglichkeit zur Stellungnahme der Gedanke aus §§ 281, 323 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153; BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 176/14, NJW 2015, 2564; BGH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, juris) überhaupt Anwendung finden kann, sind die entsprechenden Voraussetzungen hier schon nicht erfüllt. Denn die Beklagten haben dem Kläger gerade nicht mitgeteilt, dass die Berichterstattung bereits am Sonntag erfolgen würde und die von ihm erbetene Fristverlängerung bzw. eine als angemessen anzusehende Frist damit „ins Leere“ laufen würde. Insofern ist weder von Seiten der Beklagten vortragen noch sonst erkennbar, warum die Berichterstattung ausrechnet am 10.2.2019 erfolgen musste, wenn doch die Verhandlung vor dem Amtsgericht erst am 20.2.2019 terminiert war und man seitens der Beklagten auch wusste, dass der Kläger sich bis zum 12.2.2019 – und damit noch rechtzeitig vor dem Termin – mit einer Stellungnahme zu den Vorwürfen melden würde. Hier hätte es sowohl im Hinblick auf die zu kurz gesetzte Frist als auch im Hinblick auf die generelle journalistische Sorgfalt einer Mitteilung an den Kläger bedurft, bis zu welchem Zeitpunkt seine Stellungnahme vorliegen muss, um noch in die Berichterstattung aufgenommen werden zu können. Aus dem Schweigen der Beklagten konnte der Kläger zulässigerweise den Schluss ziehen, man würde bis zu dem von ihm erbetenen Zeitpunkt zuwarten, womit sich für ihn nicht die Notwendigkeit ergab, noch kurzfristiger mit seinem Strafverteidiger Kontakt aufzunehmen bzw. eine Stellungnahme durch seinen Prozessbevollmächtigten erstellen zu lassen.
24Schließlich sind die Berichterstattungen der Beklagten auch insofern unwahr bzw. im Hinblick auf die identifizierende Berichterstattung über den Kläger als Betroffenen eines Strafverfahrens ersichtlich unausgewogen, als es im letzten Satz heißt: „D“. Denn diese Formulierung wird – was bei der Frage der Ausgewogenheit ausreicht – ein nicht unbedeutender Teil der Leser dahin verstehen, dass der Kläger sich auf die Nachfrage der Beklagten überhaupt nicht gemeldet hat. Das hinterlässt ein deutlich anderes Bild eines seine Schuld eingestehenden bzw. zumindest inhaltlich desinteressierten Betroffenen von dem Kläger, als wenn zutreffend mitgeteilt worden wäre, dass er (vergeblich) um eine Fristverlängerung von wenigen Tagen gebeten hat, um sich zur Sache äußern zu können.
25bb. Hinsichtlich der Bildberichterstattung über den Kläger liegt ebenfalls eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
26(1) Nach dem abgestuften Schutzkonzept dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG), die hier nicht vorliegt. Denn auch wenn es sich offenkundig um ein Bildnis des Klägers aus der E-Serie „F“ handelt, erstreckt sich die bei Anfertigung erteilte Einwilligung des Klägers nicht darauf, einen Beitrag über ein gegen ihn anhängiges Strafverfahren zu bebildern. Erforderlich ist damit gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, dass es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und die berechtigten Interessen des Abgebildeten nach § 23 Abs. 2 KUG nicht verletzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2019 - VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 m.w.N.).
27Erfordert schon die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 7 GrCh einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK, Art. 11 GrCh andererseits, ist bei dem hier vorliegenden Fall einer identifizierenden Bildberichterstattung über ein Strafverfahren zu berücksichtigen, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert. Andererseits gehört eine Straftat zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Bei der rechtlichen Prüfung der Bildberichterstattung ist in die Abwägung einzustellen, dass die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen und dass bei schweren Gewaltverbrechen in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information auch über die Person des Täters anzuerkennen ist. Bei Straftaten besteht häufig ein legitimes Interesse an der Bildberichterstattung über den Täter, weil sie oft durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind und Bilder unmittelbar und prägnant über die Person des Täters informieren können. Auch hier kommt es maßgeblich auf die Bedeutung der Straftat für die Öffentlichkeit an, die sich aus der Schwere oder Art der Tat, den Besonderheiten des Tathergangs oder der Person oder Stellung des Täters ergeben kann. Mag oftmals bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch das Recht auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse an einer Abbildung des Straftäters überwiegen, kann schon mit dem erstinstanzlichen Urteil - auch vor Eintritt der Rechtskraft - dem Informationsinteresse der Vorrang gebühren (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2019 – VI ZR 80/18, NJW 2020, 45).
28(2) Nach diesen Grundsätzen stellt das Foto des Klägers kein Bildnis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar.
29Zwar erscheint zweifelhaft, ob dies schon aus den Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 18.6.2019 (VI ZR 80/18, NJW 2020, 45) abgeleitet werden kann, wonach davon auszugehen ist, dass bis zu einem – hier nicht vorliegenden – erstinstanzlichen Schuldspruch das Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit das Interesse an einer Abbildung überwiegt. Denn vorliegend handelt es sich zum einen nicht um einen der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Betroffenen, sondern vielmehr um einen Prominenten, der sein Privat- und Berufsleben in erheblichem Umfang der Öffentlichkeit präsentiert. Zum anderen handelt es sich auch nicht um ein Sexual-, sondern um ein Vermögensdelikt, welches schon als solches und zusätzlich im Hinblick auf die Tatumstände (verhältnismäßig geringe Summe) mit einer deutlich geringen sozialen Abqualifizierung durch die Öffentlichkeit verbunden sein dürfte. Allerdings ist hier zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass eine Verdachtsberichterstattung unter Verwendung (auch) eines Lichtbildes als Identifizierungsmerkmal schon wegen der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks (dazu grundlegend BVerfG, Beschl. v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202) deutlich weitgehender als eine reine Namensnennung geeignet ist, besondere öffentliche Aufmerksamkeit an der Person zu erregen und damit auch eine Prangerwirkung zu erzeugen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 21.2.2019 – 15 U 132/18, juris Rn. 29). Letztlich kann damit sowohl die Prominenz des Klägers als auch der Umstand dahinstehen, dass das Foto keinen über die mit seiner Identifizierung als Angeklagtem hinausgehende Beeinträchtigung enthält und damit keinen eigenständigen Verletzungsgehalt hat. Denn entscheidend ist, dass es vorliegend an einem Mindestbestand an Beweistatsachen für die konkrete identifizierende Verdachtsberichterstattung fehlt und dass die im Gesamtkontext mit zu berücksichtigende Wortberichterstattung – wie bereits oben ausgeführt – teilweise unwahr und unausgewogen ist. Damit darf das Bildnis des Klägers im Kontext gerade dieser Wortberichterstattung nicht veröffentlicht werden; insofern bringt die Rechtswidrigkeit der Verdachtsberichterstattung auch die Bildberichterstattung mit zu Fall (vgl. Senat a.a.O. zur Inzidentprüfung).
30b. Der Senat hat jedoch schon Bedenken, ob diese Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers hinreichend schwerwiegend ist, um die Zubilligung einer Geldentschädigung zu rechtfertigen.
31aa. Ob eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwerwiegend ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers (LG Berlin, Urt. v. 27.6.2006 – 27 O 250/06, AfP 2006, 388). Ein Anspruch kann insbesondere bestehen, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet oder wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt oder ein Gefühl des Ausgeliefertseins verursacht (LG München, Urt. v. 2.10.2013 – 9 O 13087/13, ZUM-RD 2014, 172). Regelmäßig wird der Anspruch nur dann gewährt, wenn über die Persönlichkeit an ihrer Basis verfügt wird, also etwa bei schweren Eingriffen in die Intim- und die Privatsphäre oder bei unwahren Behauptungen von besonderem Gewicht für die Persönlichkeit oder bei gewichtiger Diffamierung in der Öffentlichkeit. Bejaht wurde ein solcher schwerwiegender Eingriff bei der Berichterstattung über Krankheiten, über einen Suizid (OLG Dresden, Urt. v. 12.7.2011 – 4 U 188/11, AfP 2012, 168), über den Austausch von Zärtlichkeiten in örtlicher Abgeschiedenheit (LG Hamburg, Urt. v. 10.7.2009 – 324 U 840/07, ZUM-RD 2009, 676), für Verwendung von Fotos im sexuellen Zusammenhang, bei Veröffentlichung von Nacktfotos (LG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2014 – 3 O 189/13; LG Hamburg, Urt. v. 29.5.2009 324 O 951/08; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 5. Auflage, Rn. 274) oder auch für das Zur-Schau-Stellen der Religiosität bzw. einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung (OLG Hamburg, Urt. v. 10.10.2000 – 7 U 138/99, juris).
32bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es zunächst unerheblich, welche konkreten Folgen die identifizierenden Berichterstattungen für das Privat- und Berufsleben des Klägers gehabt haben, so dass es auf die Frage, ob das Landgericht seinen diesbezüglichen Vortrag zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen hat, im Ergebnis nicht ankommt. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die streitgegenständliche Berichterstattung – wie der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat – Auswirkungen auf den von ihm angestrebten Posten in der Karnevalsgesellschaft „G“ hatte. Entscheidend ist vielmehr, welche Qualität dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht abstrakt zukommt, was das Gericht aufgrund der Lebenserfahrung oder gerichtsbekannter Umstände beurteilen kann (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14 Rn. 128). Insofern hat der Senat allerdings im konkreten Fall Bedenken, ob die rechtswidrige Identifizierung des Klägers als Angeklagter eines Strafverfahrens bereits die notwendige Schwere für die Zubilligung einer Geldentschädigung aufweist:
33Es handelt es sich nicht um einen Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre des Klägers, sondern im Hinblick auf die Außenwirkung eines Strafverfahrens um einen, der ihn lediglich in seiner Sozialsphäre betrifft. Weiter beziehen sich die Berichterstattungen nicht auf ein Delikt der Schwer- oder Schwerstkriminalität, sondern auf eine Tat im Freundes-/Bekanntenkreis mit einem verhältnismäßig geringen Schaden (1.300 Euro) und ohne Auswirkungen des vermeintlichen Delikts auf andere Personen. Mit der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.1.1996 (VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13), die den Vorwurf zum Gegenstand hatte, der dortige Kläger habe als leitender Polizeibeamter für einen Bordellbesitzer "gearbeitet", ist mit dem hier von der Beklagten veröffentlichten Tatvorwurf in keiner Weise zu vergleichen, wie im Termin erörtert worden ist.
34Die Beklagten stellen zudem die Genese der Forderung gegen den Kläger im Wesentlichen zutreffend und vollständig dar. Gegen den Kläger ist tatsächlich Anklage wegen gewerbsmäßigen Betruges beim Amtsgericht Köln erhoben worden, er hat sich unstreitig vom Ehepaar C „mehrere Tausend Euro“ geliehen und wurde auch 2016 in einem Zivilverfahren zur Rückzahlung von 4.150 Euro verurteilt, nachdem es zu Problemen mit der Rückführung gekommen war. Der Kläger wird in dem Beitrag weder als bereits der Tat endgültig überführter noch als verurteilter Straftäter dargestellt, sondern vielmehr wird zutreffend geschildert, dass „das Gericht auch noch klären (muss), ob H das Ehepaar absichtlich betrogen hat“. Letztlich bleibt es beim zutreffenden Kern der Berichterstattungen, dass sich der Kläger trotz seiner Privatinsolvenz von seinen treuen Fans, zu denen eine so enge persönliche Bindung bestand, dass sie ihn sogar adoptieren wollten, Geld geliehen und dieses in der Folgezeit trotz einer zivilgerichtlicher Verurteilung nicht vollständig zurückgezahlt hat.
35Weiter spricht gegen die Annahme einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrecht des Klägers, dass es sich bei ihm um einen Prominenten ("public figures/personnes publiques") handelt, der zwar nicht den höchsten Bekanntheitsgrad genießt, jedoch seit geraumer Zeit gerade auch sein Privat- und Berufsleben über die sozialen Medien und ähnliche Kanäle in detaillierter Form vor der Öffentlichkeit darstellt und kommerzialisiert. Angefangen bei der Teilnahme an fünf Staffeln der E-Show „F“ ab dem Jahre 2012 lässt der Kläger daneben über ein I-Profil und einen J-Account seine Fans an sämtlichen Einzelheiten seines täglichen Lebens teilhaben. Darüber hinaus ist er regelmäßiger Berichtsgegenstand in den Boulevardmedien und präsentiert dort unter anderem seine Diätbemühungen, Behandlungen mit Botox, Hochzeiten/Scheidungen, den Tod seiner Eltern und vieles mehr, womit eine umfassende Kommerzialisierung privater Angelegenheiten erfolgt.
36c. Geht man hier entgegen der Bedenken des Senats zugunsten des Klägers noch von einer schwerwiegenden Verletzung seines Persönlichkeitsrechts aus, so wäre zwar das für die Zubilligung einer Geldentschädigung erforderliche Verschulden der Beklagten zu bejahen. Zwar war den Beklagten im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht bekannt, dass der Kläger die gegen ihn gerichtete Restforderung durch Aufrechnung bereits zum Erlöschen gebracht hatte. Diese Unkenntnis beruht jedoch auf einer groben Verletzung ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht, da sie die angekündigte Stellungnahme des Klägers weder abgewartet noch diesem eine weitere Frist gesetzt, sondern vielmehr durch die Formulierung „D“ ein unzutreffendes Bild des Klägers dahingehend gezeichnet haben, dass er keine valide Entkräftung der Vorwürfe vornehmen könne, was aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten einem Schuldeingeständnis nahekommt.
37Verstärkt wird dieser Verschuldensvorwurf auch durch die völlig unprofessionelle und niveaulose Äußerung des Beklagte zu 1) auf seiner J-Seite, auf welcher er den Beginn des Beitrages mit der Einleitung „K!“ eingestellt und ihn mit „L!“ kommentiert hat. Schon dieses „Nachtatverhalten“ macht deutlich, dass es den Beklagten nicht um eine sachgerechte Information der Öffentlichkeit, sondern in erster Linie um die Fortführung einer Privatfehde mit dem Kläger ging. Allerdings kann dies nach Ansicht des Senats nicht – wie es der Kläger tut – herangezogen werden, um eine vorsätzliche bzw. zielgerichtete Verletzung anzunehmen. Denn mag es dem Beklagten zu 1) angesichts des wohl unstreitig bestehenden Zerwürfnisses mit dem Kläger auch durchaus darum gegangen sein, diesen durch Mitteilung der erhobenen Anklage in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu rücken, so ist dies allein aber noch kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass er schon im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Beiträge positiv davon wusste, dass von der erhobenen Anklage aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Aufrechnung „nichts übrig bleiben“ würde. Gleiches gilt auch für das weitere Verhalten des Beklagten zu 1), der dem Kläger kurz nachdem der erste Beitrag online gestellt wurde, ein Kussmund-Emoji per SMS geschickt hat (Bl. 31) und auf der von ihm verantworteten J-Seite „M“ ehemalige Klienten des Klägers auf das Verfahren angesprochen hat („N!“), auch wenn der Senat dabei nicht verkennt, dass der Beklagte zu 1) zumindest damit den erfolgten Eingriff und seine Folgen vorsätzlich vertieft hat.
38d. Letztlich kommt der Senat allerdings im Rahmen der Gesamtabwägung der hier vorliegenden Umstände dennoch zu dem Ergebnis, dass trotz der zutage getretenen bedenklichen Gesinnung der Beklagten kein Fall gegeben ist, in welchem es ohne die Zahlung einer Geldentschädigung an einem befriedigenden Ausgleich für die erfolgte Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlen würde (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 2.4.2017 – 1 BvR 2194/15, NJW-RR 2017, 879; BGH, Urt. v. 20.3.2012 – VI ZR 123/11, AfP 2012, 216 m.w.N.). Anders als beim Schmerzensgeldanspruch stehen beim Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Aspekte der Genugtuung des Opfers sowie der Prävention im Vordergrund. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann insbesondere ein erwirkter Unterlassungstitel den Anspruch auf Geldentschädigung berühren oder diesen sogar gänzlich zum Wegfall bringen (BGH, Beschl. v. 30.6.2009 – VI ZR 340/08, juris; BGH, Urt. v. 24.11.2009 – VI ZR 219/08, AfP 2010, 74; BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, AfP 2014, 135; BGH, Urt. v. 15.9.2015 – VI ZR 175/14, AfP 2015, 564; BGH, Urt. v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, MDR 2016, 1086; ebenso: OLG Hamburg, Urt. v. 4.11.2008 – 7 U 71/08 n.v.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.8.2015 – 16 U 121/14, BeckRA 2016, 02919; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.9.2009 – 1 BvR 1742/09, juris; BVerfG, Beschl. v. 2.4.2017 – 1 BvR 2194/15, AfP 2017, 228; EGMR, Urt. v. 17.3.2016 – 16313/10, AfP 2016, 527; kritisch dagegen Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14 Rn. 125).
39aa. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Genugtuungsbedürfnis des Klägers hier zwar durchaus hoch anzusetzen. Denn er wird im auflagenstärksten Blatt der Bundesrepublik sowie im entsprechenden Online-Auftritt der Öffentlichkeit als Angeklagter eines Strafverfahrens präsentiert. Darüber hinaus wird gerade durch das der Veröffentlichung nachfolgende Verhalten des Beklagten zu 1) deutlich, dass die Berichterstattung vornehmlich auf eine Verunglimpfung des Klägers und eher nachrangig auf eine Information der Leserschaft abzielte. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass diese Motive des Beklagten zu 1) aus der Berichterstattung selbst äußerlich nicht erkennbar seien, steht dies einer solchen Bewertung nicht entgegen. Denn mag auch das Kussmund-Emoji als SMS allein dem Kläger zur Kenntnis gelangt sein, so waren die beiden Äußerungen des Beklagten zu 1) auf J an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet bzw. dieser zugänglich und dürften die Beeinträchtigung zu Lasten des Klägers durchaus verstärkt haben; hinzu kommt – wie bereits dargelegt – dass sie die überschießende subjektive Gesinnung der Beklagten als Abwägungskriterium belegen.
40Die dem Kläger zustehende Genugtuung entfällt auch nicht allein dadurch, dass die Berichterstattungen der Beklagten eine Missbilligung des Presserates erfahren haben. Der Senat hält es schon für zweifelhaft, ob dies überhaupt grundsätzlich der Fall sein kann, da die Beschwerde beim Presserat und die von diesem angeordneten Sanktionen der Sicherung von ethischen Standesregeln dienen sollen (vgl. Groß, AfP 2005, 142, 144) und nicht den jeweiligen persönlichen Interessen des Betroffenen. Insofern ist anerkannt, dass einem Betroffenen im umgekehrten Fall auch nicht vorgehalten werden kann, er habe die Anrufung des Presserates unterlassen und damit gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen (vgl. Tillmanns, in: Götting, Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2. Auflage 2019, § 49 Rn. 48). Jedenfalls im vorliegenden Fall kommt ein Wegfall des klägerischen Genugtuungsbedürfnisses durch die vom Presserat verhängte Sanktion auch schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagten die gegen ihre Berichterstattungen ausgesprochene – unterhalb der Stufe der Rüge angesiedelte – Missbilligung nicht veröffentlicht haben, womit sie gerade nicht demjenigen Publikum zur Kenntnis gelangt ist, welches durch die Berichterstattung der Beklagten von dem gegen den Kläger anhängigen Strafverfahren erfahren hat. (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.1998 – 15 U 232/97, juris Rn. 24, juris, welches einen Entschädigungsanspruch bejaht hat, obwohl der Presserat sogar eine Rüge mit Bitte um Veröffentlichung ausgesprochen hatte).
41bb. Letztlich kommt der Senat im Rahmen der Abwägung allerdings dennoch zu dem Ergebnis, dass vorliegend weder das Genugtuungsbedürfnis des Klägers noch der Präventionsgedanke die Zubilligung einer Geldentschädigung zur Schaffung eines befriedigenden Ausgleichs erfordern: Zwar war die identifizierende Verdachtsberichterstattung rechtswidrig. Die von den Beklagten dargestellten Geschehnisse sind nichtdestotrotz weitgehend wahr, da der Kläger sich von seinen treuen Fans, zu denen immerhin eine so enge persönliche Beziehung bestand, dass sie ihn sogar adoptieren wollten, Geld geliehen hat und im Hinblick auf die bereits zwei Jahre zuvor eröffnete Insolvenz erhebliche Zweifel daran bestanden, ob er zum damaligen Zeitpunkt in der Lage war, seine Schulden im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen zurückzuzahlen. Letztlich hat er die Schulden auch tatsächlich nicht zeitnah zurückgezahlt, wurde im Rahmen eines Zivilverfahrens erfolgreich auf Rückzahlung in Anspruch genommen, ist der Ratenzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen, obwohl sich – wie dann im Rahmen der Kontenpfändung offensichtlich wurde – durchaus ein Betrag auf seinen Konten befand, der ihm für die Rückzahlung zur Verfügung gestanden hätte. Zudem hat er sich schließlich der Restforderung nur durch Aufrechnung mit einer zwischenzeitlich durch eine Abmahnung begründeten Anwaltskostenforderung entziehen können. In der Gesamtschau ist dabei aus Sicht des Senats, der sich in die Rolle des durchschnittlichen Rezipienten begibt, auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger die gegen ihn bestehende Restforderung Ende Oktober 2018 durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht hat, zumal dies eher als „juristischer Trick“ anzusehen ist, der nichts an der ursprünglichen Einschätzung des Klägers durch die Leser und seine damit verbundene soziale Abwertung ändert; dies insbesondere auch deshalb, weil die Abmahnung gerade die Darlehensgeberin im Zusammenhang mit dem Darlehen betraf. Mag die Verdachtsberichterstattung somit auch angreifbar und der Strafvorwurf erheblichen Bedenken ausgesetzt gewesen sein, wäre eine Darlegung nur dieses wahren tatsächlichen Geschehens für den Kläger mit ähnlichen Beeinträchtigungen seines sozialen Geltungsanspruchs verbunden gewesen, die er im Zweifel aber hätte hinnehmen müssen; schon dies streitet deutlich gegen die Erforderlichkeit einer Ausgleichszahlung.
42Darüber hinaus haben die haben die Beklagten als Reaktion auf die Abmahnung des Klägers vom 12.2.2019 (Anlage K10) und 15.2.2019 (Anlage K12) am 5.3.2019 sowohl eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage K13) als auch hinsichtlich der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom 12.2.2019 (28 O 53/19) eine Abschlusserklärung abgegeben. Insofern ist dem Präventionsgedanken genüge getan, da der Kläger sich vor einer erneuten kerngleichen Berichterstattung effektiv mithilfe des Unterlassungstitels schützen konnte und kann. Soweit der Bundesgerichtshof trotz eines bereits ergangenen Unterlassungstitels einen Entschädigungsanspruch zuerkannt hat, bezog sich dies auf Fallgestaltungen, in denen der Unterlassungstitel die weitere Abrufbarkeit der streitgegenständlichen (dort: unbewiesenen und in hohem Maße ehrenrührigen) Äußerungen nicht zuverlässig verhindern konnte, weil die Ursprungsmeldung ins Internet eingestellt gewesen war und dort, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Weiter wurde dies in Fällen bejaht, in denen der Unterlassungstitel die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen vermochte, weil es um schwere Angriffe ging, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richteten (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger hat zwar – wie sich aus dem Anlagenheft ergibt – auch bei Dritten die Löschung des geteilten Beitrags im Internet veranlassen müssen. Er hat aber nicht geltend gemacht und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass es weitere Fälle gibt, in denen der Beitrag im Internet geteilt wurde und weiterhin dort veröffentlicht ist.
43Soweit der Kläger geltend macht, der Präventionsgedanke erfordere schon deshalb die Zahlung einer Entschädigung, weil die Berichterstattung der Beklagten erhebliche Auswirkungen auf seine berufliche Tätigkeit gehabt habe und zum Beleg dieses Umstands diverse Nachrichten seiner Kunden vorlegt, greift auch dies letztlich nicht durch: Der Senat stellt zwar die vorgetragenen Auswirkungen der Berichterstattung auf die unternehmerische Tätigkeit des Klägers nicht in Abrede und ist sich auch bewusst, dass diese Auswirkungen den Kläger aufgrund seiner Stellung als Alleinunternehmer immer auch in gewissem Sinne persönlich treffen. Dennoch bleibt es dabei, dass die Geldentschädigung allein einen Ausgleich für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schaffen soll und eventuell daneben verursachte materielle Einbußen des Betroffenen aufgrund einer Rufschädigung im Geschäftsbetrieb oder schadensmindernde Aufwendungen (vgl. dazu Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14 Rn. 37 ff.) von einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz erfasst werden, den der Kläger hier nicht geltend macht. Allein der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass materielle Schäden, die kausal auf einer Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhen, für den Betroffenen nur schwer nachzuweisen bzw. zu beziffern sind, ist keine Rechtfertigung dafür, in solchen Fällen die Anforderungen an den Anspruch auf Ausgleich der immateriellen Schäden durch einen Geldentschädigung aufzuweichen und dieses Institut bei Einzelunternehmern so im Anwendungsbereich zu überdehnen.
443. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
454. Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat insofern grundsätzliche Bedeutung und es erfordern die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, als die Frage, ob ein Anspruch des Betroffenen auf Zahlung einer Geldentschädigung aus Art. 82 DSGVO am Medienprivileg scheitert, bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist und in einer Vielzahl weiterer Fälle von Bedeutung sein wird.
46Berufungsstreitwert: 20.000 Euro