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Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 21 O 129/18 – wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um eine Nichtabnahmeentschädigung, die die Klägerin von den Beklagten beansprucht, nachdem sie den Darlehensvertrag mit der End-Nr. xxx5 wegen falscher Angaben der Beklagten bei der Vermögensauskunft gekündigt hat.
4Das Landgericht hat mit Urteil vom 17.12.2020 (GA 212 ff.) auf das wegen der Einzelheiten seiner Begründung, der Anträge und der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und einen Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses abgewiesen. Die Klägerin habe den Darlehensvertrag wirksam gemäß Ziff. 9.4 der Darlehensbedingungen gekündigt. Nach dieser Regelung sei die Klägerin berechtigt gewesen, den Darlehensvertrag zu kündigen, wenn die Beklagten zu einem wesentlichen Umstand wissentlich oder grob fahrlässig unrichtig Auskunft erteilt hätten. § 499 Abs. 3 S. 2 BGB stehe der Wirksamkeit der Klausel nicht entgegen. Die hiernach für die Kündigung erforderlichen Voraussetzungen lägen vor. Nach erfolgter Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten im Rahmen der Antragstellung wissentlich relevante unrichtige Angaben zu ihrem Nettoeinkommen und damit ihrer Kreditwürdigkeit gemacht hätten. Überdies begründeten die gefälschten Gehaltsabrechnungen einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch die Klägerin. Die Fälschung der Unterlagen (Gehaltsabrechnungen) durch den Zeugen A sei den Beklagten zuzurechnen. Der Zeuge A sei Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen.
5Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Die Kündigungsklausel in den Darlehensbedingungen sei als AGB-Klausel unwirksam. Sie benachteilige die Beklagten unangemessen, da sie die Verantwortung für Falschangaben im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung gegenüber § 499 Abs. 3 BGB von Vorsatz auf grobe Fahrlässigkeit erweitere.
6Die unterlassene Lektüre des Antrags sei im Übrigen aber auch nicht grob fahrlässig gewesen. Die Beklagten hätten über Monate hinweg diverse Anträge und Unterlagen jeweils zügig unterschrieben. Ihnen sei zugesagt worden, dass sie die Unterlagen auch ausgehändigt bekämen. Sie hätten keinen Anlass dazu gehabt, an den vom Zeugen B in den Finanzierungsantrag eingetragenen Angaben zu zweifeln. Auch das Landgericht gehe davon aus, dass der Zeuge A ohne Wissen und Wollen der Beklagten die Manipulationen vorgenommen habe. Vor diesem Hintergrund stelle sich die unterlassene Lektüre des Finanzierungsantrags nicht als grob fahrlässig dar.
7Die Manipulationen durch den Zeugen A seien ihnen auch nicht nach § 278 BGB zuzurechnen. Mit der Vermittlung der Immobilie sei dessen Tätigkeit für die Beklagten abgeschlossen gewesen. Der Zeuge A habe ab dem Zeitpunkt, in dem die zu finanzierende Immobilie festgestanden habe, nicht mehr gehandelt, um Verpflichtungen der Beklagten zu erfüllen. Er habe ab diesem Zeitpunkt vielmehr für die Klägerin gehandelt.
8Die Würdigung der Aussage des Zeugen B sei fehlerhaft. Das Landgericht habe nicht überzeugend begründet, warum es der Aussage des Zeugen B das größere Gewicht beigemessen habe.
9Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass die Beklagten den Darlehensvertrag wirksam widerrufen hätten. Zwar hätten die Zeugen hinsichtlich des Versands der Unterlagen bekundet, dass dieser ordnungsgemäß erfolgt sei. Hinsichtlich des Zugangs sei jedoch keine sichere Feststellung getroffen worden, dieser sei vielmehr lediglich vermutet worden.
10Die Beklagten beantragen,
11unter Abänderung des am 17.12.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln – 21 O 129/18 - die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
15Ziffer 9.4. der Darlehensbedingungen sei wirksam, wie das Landgericht zu Recht angenommen habe. § 499 Abs. 3 S. 2 BGB finde zwar auf den streitgegenständlichen Darlehensvertrag Anwendung, stehe aber der Regelung der Ziffer 9.4., nach der die Kündigung auch im Falle grob fahrlässig unrichtig erteilter Angaben möglich sei, nicht entgegen. Die grob fahrlässige Erteilung unrichtiger Angaben stelle eine wissentliche Vorenthaltung relevanter Informationen dar.
16Zu Recht habe das Landgericht auch festgestellt, dass die Beklagten grob fahrlässig gehandelt hätten, als sie den Finanzierungsantrag vor der Unterschrift nicht gelesen hätten.
17Nicht zu beanstanden sei auch die Beurteilung des Landgerichts, dass sich die Beklagten das Verhalten des Zeugen A zurechnen lassen müssten. Die Anwendung des § 278 BGB weise keine Rechtsfehler auf. Auch Würdigung der Aussagen der Zeugen A und B weise keine Fehler auf.
18Der Widerruf sei von den Beklagten nicht wirksam erklärt worden. Die von den Zeugen vorgenommene Schilderung des Versandvorgangs lasse den sicheren Schluss zu, dass die versandten Unterlagen und damit auch die zweite Ausfertigung des Darlehensvertrags auch bei den Beklagten eingegangen seien.
19Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
20II.
211. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die folgende Hinweisverfügung seines Vorsitzenden vom 13.07.2020 Bezug:
22„1.
23Der Widerruf der Beklagten hat nicht zur Umwandlung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis geführt. Sie stützen ihren Widerruf nur noch da-rauf, kein Exemplar des Darlehensvertrags erhalten zu haben. Das überzeugt aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht. Der dagegen erhobene Einwand, festgestellt sei nur der Versand, nicht aber der Zugang, trägt nicht. Es steht fest, dass die Sendung den Beklagten zugegangen ist, da sie ein unterschriebenes Exemplar zurückgesandt haben.
242.
25Die Klägerin hat den Darlehensvertrag wirksam gekündigt. Ob sie sich auf ein Kündigungsrecht aus Ziffer. 9.4 S. 2 erster Punkt der Darlehensbedingungen berufen kann, kann dahinstehen. Die Beendigungssperre des § 499 Abs. 3 S. 1 BGB nach S 2 der Vorschrift findet keine Anwendung, weil sich die Beklagten die vom Landgericht berufungsrechtlich beanstandungsfrei festgestellte vorsätzliche Fälschung der Einkommensunterlagen durch den Zeugen A gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müssen.
26Die Beklagten haben den Zeugen A zur Erfüllung einer ihnen obliegenden Pflicht eingeschaltet. Mit der Kontaktaufnahme der Beklagten zur Klägerin ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB zustande gekommen. Im Rahmen dieses Schuldverhältnisses traf die Beklagten nach § 505 b Abs. 2 BGB eine Mitwirkungspflicht bei der Kreditwürdigkeitsprüfung (Palandt/Weidenkaff, BGB, 79 Aufl., § 505 b BGB Rdn 4). Zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht haben die Beklagten den Zeugen A eingeschaltet, indem sie ihm für die Klägerin bestimmte Einkommensunterlagen übergaben. Damit ist ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten der Hilfsperson, der Einreichung von gefälschten Einkommensunterlagen durch den Zeugen und den Aufgaben gegeben, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Die Beklagten haben für vorsätzliches Verhalten ihrer Hilfsperson selbst dann zu haften, wenn diese den Weisungen vorsätzlich zuwiderhandelt, um eigene Vorteile zu erzielen (BGH, Urteil vom 15.03.2012 - BGH, Urt. v. 15. 3. 2012, III ZR 148/11 Rdn. 19). Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn für eigenmächtiges Verhalten seines Gehilfen ist nur dann zu verneinen, wenn dessen Verfehlung sich von dem ihm übertragenen Aufgabenbereich so weit entfernt, dass aus der Sicht eines Außenstehenden ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln der Hilfsperson und dem allgemeinen Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben nicht mehr zu erkennen ist (BGH, NJW-RR 1989, 723, 725). Diese Voraussetzung liegt hier ersichtlich nicht vor. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Beklagten Kenntnis von der Einreichung der gefälschten Unterlagen hatten und sie diese billigten. Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Zeugen A und B die Abrede getroffen hatten, dass der Zeuge A an einer vom Zeugen B verdienten Provision partizipieren sollte. Diese Abrede macht den Zeugen A nicht zum Erfüllungsgehilfen der Klägerin.
273.
28Da die Beendigungssperrre des § 499 Abs. 1 S.1 BGB nicht eingriff, war die Klägerin berechtigt, den Darlehnsvertrag aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 BGB zu kündigen. Der Beklagten war ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar. Das folgt ohne weiteres aus der gesetzlichen Wertung, dass ein Darlehensvertrag mit den Beklagten wegen mangelnder Kreditwürdigkeit nicht hätte geschlossen werden dürfen. Dass ein Vertragsschluss trotz mangelnder Kreditwürdigkeit nicht die Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB zur Folge hat, steht dem nicht entgegen. Die § 505 d Abs. 1, 2 BGB zugrundeliegenden, zum Schutz des Darlehensnehmers führenden Erwägungen greifen hier nicht ein, da die Beklagten als Darlehensnehmer den Kündigungsgrund zu verantworten haben.
294.
30Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten auch gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Dass die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstieße, zeigen die Beklagten nicht auf. Das Landgericht hat nicht feststellen können, dass der Zeuge B im Zeitpunkt des Finanzierungsantrags oder des Darlehensvertragsschlusses Kenntnis von der Arbeitslosigkeit der Beklagten und/oder dem Vorliegen gefälschter Einkommensnachweise hatte. Die dagegen mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen sind nicht begründet. Die Beklagten setzen insoweit lediglich ihre Würdigung der erhobenen Beweise an die Stelle der Bewertung des Landgerichts. Zu Unrecht machen sie geltend, die Aussage des Zeugen B sei widersprüchlich. Sie verkennen, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung für den Finanzierungsantrag zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war, wie sich ohne Weiteres aus dem auf den 13.03.2017 datierten Angebot zum Abschluss eines Zwischendarlehensvertrags und eines Bauspardarlehensvertrags ergibt. Dass dem Zeuge B am 07.02.2017 Einkommensunterlagen der Beklagten vorlagen, ergibt sich aus der Mail des Zeugen A an ihn vom 03.02.2017 („Gehalt Fam. C“), der Gehaltsnachweise für Dezember 2016 beigefügt waren.
31Auch im Übrigen greifen die Angriffe gegen die Beweiswürdigung nicht durch. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Zeuge A suggeriert habe, dass der Zeuge B die Gehaltsabrechnungen gefälscht habe.
325.
33Die Beklagten erhalten Gelegenheit, zu den vorstehend erteilten Hinweisen innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.“
34An diesen Rechtsansichten hält der Senat fest. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 25.08.2020, die im Wesentlichen die Argumentation aus der Berufungsbegründung wiederholen, veranlassen keine abweichende Beurteilung und geben lediglich zu folgenden Ausführungen Anlass:
35Der Senat hält daran fest, dass das Landgericht zu Recht von einem Zugang des zweiten Exemplars des Darlehensvertrages bei den Beklagten ausgegangen ist. Vor dem Hintergrund der präzisen Schilderung des Zeugen D zum technischen Ablauf der Versendung und der Darstellung zur Bedeutung des E-Codes (Anl. K 4) ist keine andere Schlussfolgerung möglich.
36Nach Ziffer. 9.4 der Darlehensbedingungen der Klägerin soll ein wichtiger Grund, der zu Kündigung nach § 314 BGB berechtigt, insbesondere vorliegen, wenn der Darlehensnehmer für die Darlehensgewährung wesentliche Informationen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig erteilt oder vorenthält. Auch wenn der Senat dazu neigt, hierin eine gemäß § 512 BGB aufgrund einer Ausweitung des Haftungsmaßstabes für die Beklagten nachteilige und damit unwirksame Abweichung von § 499 Abs. 3 S. 2 BGB zu sehen, bedarf diese Frage keiner abschließenden Entscheidung. Die Kündigungssperre des § 499 Abs. 3 S.1 BGB greift im vorliegenden Fall nicht ein, da sich die Beklagten das vorsätzliche Verhalten ihres Erfüllungsgehilfen A zurechnen lassen müssen. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob die Beklagten bei der Unterzeichnung des Darlehensantrages grob oder nur leicht fahrlässig gehandelt haben.
37Darauf, ob dem Zeugen B, wie die Beklagten meinen, die Fälschungen hätten auffallen können oder müssen, kommt es ebenfalls nicht an. Selbst wenn man dies zu Gunsten der Beklagten unterstellt, führt die den Beklagten zurechenbare vorsätzliche Täuschung der Beklagten durch den Zeugen A nach Sinn und Zweck der Regelung des § 499 Abs. 3 S. 2 BGB zu dem darin angeordneten Entfall der Kündigungssperre. Der Darlehensgeber muss nicht damit rechnen, dass Einkommensnachweise gefälscht sind. Ihn trifft auch keine Verpflichtung, eine Überprüfung auf eine etwaige Fälschung durchzuführen.
38Der Auffassung der Beklagten, der Klägerin sei bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ein Fehler unterlaufen, weil jedenfalls nicht festgestellt sei, dass sie den Beklagten nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB schriftlich mitgeteilt habe, welche Informationen sie benötige, um eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen, es stelle sich deshalb die Frage, ob überhaupt ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zum einen muss der Hinweis nicht in schriftlicher Form erteilt werden, er kann vielmehr auch mündlich erteilt werden (BT-Drs 18/5922 S. 111). Zum anderen verkennen die Beklagten, dass § 491 a Abs.1 BGB seinerseits ein vorvertragliches Schuldverhältnis voraussetzt (Nietsch in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 491a BGB, Rn. 4). Das vorvertragliche Schuldverhältnis kommt bereits mit der Kontaktaufnahme zum Zweck der Darlehensaufnahme zustande. Am Vorliegen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Sinne des § 311 BGB bestehen keine Zweifel.
39Dass der Zeuge A von den Beklagten als Erfüllungsgehilfe eingeschaltet war, hat der Senat bereits in der Hinweisverfügung ausgeführt. Aus einer wiederholten Zusammenarbeit der Zeugen A und B im Rahmen von Finanzierungsvorhaben folgt nicht anderes.
402. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
413. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000,00 EUR festgesetzt.