Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 20.08.2019 gegen den am 13.08.2019 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 12.08.2019 – 700K VI 2754/18 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1. zu tragen.
Gründe:
21.
3Der Beteiligte zu 1) begehrt die Erteilung eines ihn als Alleinerben des Erblassers ausweisenden Europäischen Nachlasszeugnisses auf der Grundlage eines handschriftlichen Testaments (Bl. 15 Testamentsakte), worin es heißt:
4„ Testament 01. Oktober 2007
5Mein letzter Wille
6Hiermit gebe ich C., geb. am xx. xx 1949 in Deutschland – Xdorf, wohnhaft in den Niederlande xxx (…) meinen letzten Willen bekannt.
7Nach meinem Tod, verfüge ich, das mein Neffe A geb. am xx. xx 1974 z. Zt. Wohnhaft in Deutschland (…) mein Haus und Grundstück, in den Niederlande (Adresse wurde entffernt) erben soll. Außerdem verfüge ich, das meine Lebensgefährtin J., geb. K., (…), ein lebenslanges Wohn und Nutzungsrecht, in meinem Haus (….) hat. Weiterhin verfüge ich, sollte zu diesem Zeitpunkt, Barvermögen vorhanden sein, das dies meine Lebensgefährtin J. erhält.
8Alle schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen, die ich vor dem jetzigen Zeitpunkt 01. Oktober 2007 niedergelegt habe, sind hiermit nichtig.
9xxx, den 01 Oktober 2007
10(Unterschrift C) Zeuge
11(Unterschrift)“
12Am 22.06.2017 hatte ein Notar in X eine Erbrechtsbescheinigung (verklaring van erfrecht) erteilt, welche die Beteiligte zu 2), die Ehefrau des Erblassers, als dessen Alleinerbin ausweist (Bl. 100 f.d.A.).
13Der Beteiligte zu 1) hat einen Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses mit Schriftsatz vom 27.09.2018 (Bl. 3) bei dem Amtsgericht Schöneberg eingereicht. Beigefügt hat er ein Schreiben des Notars W. in xxx vom 26.09.2018, in dem es gemäß der deutschen Übersetzung (Bl. 11) heißt: „ Aufgrund des Gutachtens von U. vom xxx Bureau und ihrer Stellungnahme vom 21.9.18 komme ich zu dem Ergebnis, dass Herr C nach deutschem Erbrecht beerbt worden ist. Da ich darauf nicht spezialisiert bin und die deutschen Behörden besser in der Lage sind, die erbrechtlichen Folgen von Herrn C eigenhändigem Testament (ein solches wäre nach niederländischem Recht nicht möglich) zu beurteilen, erkläre ich mich gemäß Art. 6 a EU-Erbrechtsverordnung für unzuständig, ein Nachlasszeugnis auszustellen.“
14Mit Beschluss vom 18.10.2018 (Bl. 47) hat sich das Amtsgericht Schöneberg nach § 343 Abs. 1 FamFG für unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Aachen mit der Begründung verwiesen, der Erblasser habe seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in dem Bezirk des Amtsgerichts Aachen gehabt, bevor er diesen in das Ausland verlegt habe. Mit Schriftsatz vom 05.12.2018 (Bl. 53 ff.) hat der Antragsteller Formblatt IV zum Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses eingereicht und am 14.03.2019 zur Niederschrift des Amtsgerichts Aachen die Versicherung an Eides statt abgegeben und ergänzende Angaben zum Antrag gemacht (Bl. 75 f.). Am 08.05.2019 ist das Testament vom Amtsgericht Aachen eröffnet worden.
15Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 12.06.2019 (Bl. 89 ff.) entgegengetreten. Sie macht geltend, am 20.02.2001 in xxx mit dem Erblasser die Ehe geschlossen zu haben. Sie sei aufgrund niederländischen Rechts Alleinerbin geworden und habe die Erbschaft zu notarieller Beurkundung angenommen. Sie stellt die Zuständigkeit des Amtsgerichts Aachen und die Anwendung deutschen Erbrechts in Abrede. Der Erblasser habe spätestens seit dem 01.11.1999 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in xxx, Niederlande, gehabt. Das handschriftliche Testament sei (scheinbar) in xxx errichtet worden und enthalte keine Rechtswahl. Es habe eine völlige Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht bestanden. Mit der Eheschließung sei eine hälftige Eigentümergemeinschaft an dem vom Erblasser erworbenen Hausgrundstück entstanden, sodass der Erblasser ohnehin nur über einen hälftigen Anteil an der Eigentümergemeinschaft hätte verfügen können. Sie äußert weiterhin Zweifel an der Echtheit des Testaments. Handschrift und Unterschrift würden nicht vom Erblasser stammen, es werde eine Schriftbegutachtung angeregt.
16Durch den 13.08.2019 erlassenen Beschluss vom 12.08.2019 (Bl. 121 ff.) hat der Nachlassrichter des Amtsgerichts Aachen den Antrag des Beteiligten zu 1) als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, eine Zuständigkeit gemäß Art. 6 EuErbVO sei nicht begründbar. Zwar dürfte gemäß Art. 84 Abs. 4 EuErbVO eine konkludente Rechtswahl anzunehmen sein, dies könne aber letztlich dahinstehen, da der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bis zuletzt weder konkret dargelegt habe noch aus der Verfahrensakte ersichtlich sei, dass ein Antrag auf Unzuständigkeitserklärung gegenüber dem niederländischen Notar durch den Antragsteller gestellt worden sei. Dementsprechend sei eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Aachen nach Art. 7 a EuErbVO nicht gegeben, da weder eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO noch eine wirksame Unzuständigkeitserklärung nach Art. 6 EuErbVO gegeben sei. Die Unzuständigkeitserklärung des niederländischen Notars entfalte keine Bindungswirkung. Sie sei willkürlich, da sie mangels eines entsprechenden Antrages weder nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften des Art. 6 EuErbVO noch aufgrund der in dieser Vorschrift geforderten Berücksichtigung der konkreten Umstände der Erbsache erfolgt sei. Für letztere genüge insbesondere nicht die Erklärung des Notars, er sei nicht auf das anzuwendende deutsche Erbrecht spezialisiert. Insgesamt verbleibe es daher bei der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art. 4 EuErbVO, wobei der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden gehabt habe.
17Gegen den ihm zu Händen seines Verfahrensbevollmächtigten am 15.08.2019 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit einem am 22.08.2019 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 20.08.2019 Beschwerde eingelegt (Bl.129 ff. ). Er macht geltend, die Unzuständigkeitserklärung des niederländischen Notars sei für die deutschen Gerichts nach Art. 7 lit a EuErbVO bindend. Das Verfahren im Erststaat werde daher im Zweitstatt nicht überprüft, dies gelte insbesondere für das Vorliegen eines Unzuständigkeitsantrages. Ebenso wenig sei Raum für die Annahme von Willkür, was aus dem Vertrauensgrundsatz des Unionsrechts folge. Er beantragt, die Sache dem EuGH zu der Frage vorzulegen, ob die nach Art. 7 lit a EuErbVO angerufene Ausstellungsbehörde an die Unzuständigkeitserklärung der zunächst angerufenen Ausstellungsbehörde eines anderen Mitgliedsstaates gebunden sei. Im Übrigen habe die Beteiligte zu 2) seiner Behauptung, einen Unzuständigkeitsantrag gestellt zu haben, nicht widersprochen. Auch sei die Entscheidung des niederländischen Notars nicht willkürlich. Sein Hinweis, er kenne sich mit dem deutschen Recht nicht aus, stehe mit dem Gedanken des „forum-non-conveniens“ im Einklang, der Art. 6 EuErbVO zugrunde liege. Abgesehen davon sei das Kriteriumsbeispiel „gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien“ erfüllt, da er – der Antragsteller – im Bezirk des Amtsgerichts Aachen wohne.
18Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Vertiefung seines im angefochtenen Beschluss geäußerten Standpunkts nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
192.
20Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
21In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
22Es mangelt im vorliegenden Fall an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte für die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses nach dem Erblasser, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 4 EuErbVO in den Niederlanden hatte.
23Eine solche Zuständigkeit ergibt sich nicht aus Art. 7 lit. a) EuErbVO. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte eines Mitgliedsstaates, dessen Recht nach Art. 22 gewählt hat, für die Entscheidungen in einer Erbsache zuständig, wenn sich ein zuvor angerufenes Gericht nach Artikel 6 in derselben Sache für unzuständig erklärt hat. Die Bestimmung knüpft die Begründung der Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedsstaates, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, damit an eine Unzuständigkeitserklärung unter den Voraussetzungen des Art. 6 EuErbVO an. Bei dem Schreiben des niederländischen Notars vom 26.09.2018 handelt es sich danach nicht um eine wirksame und bindende Unzuständigkeitserklärung nach Art. 6 lit. a) EuErbVO, weil die Voraussetzungen, unter denen das Ermessen („kann“) für eine Unzuständigkeitserklärung nach dieser Bestimmung eröffnet ist, aus dem Schreiben des Notars nicht ersichtlich sind. Nach dieser Bestimmung setzt die in das Ermessen gestellte Unzuständigkeitserklärung einen entsprechenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten voraus, der weder vom Beteiligten zu 1. auf Hinweis des Amtsgerichts vom 07.11.2018 (Bl. 51) hin mitgeteilt worden ist, noch sich aus dem Schreiben des Notars ergibt. Weiterhin setzt die Bestimmung eine Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 EuErbVO voraus, die sich aufgrund des schlichten, nicht konkretisierten Verweises auf ein "Gutachten von U. vom xxx Bureau und ihre Stellungnahme vom 21.9.18" nicht nachvollziehen lässt. Mangels Entscheidungserheblichkeit kann hier daher offenbleiben, ob das Verfahren nach Art. 6, 7 EuErbVO auf – wie hier – auf vor Inkrafttreten der EuErbVO errichtete letztwillige Verfügungen Anwendung finden kann, bei denen sich die Rechtswahl - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - nicht aus Art. 22 EuErbVO, sondern allenfalls aus den Übergangsvorschriften (Art. 83 Abs. 2, 4 EuErbVO) ergeben kann.
24Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) sind nicht erfüllt. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist im Streitfall nicht veranlasst, da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum verbleibt.
25Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 122.734,-- €
26(gemäß den Angaben im Antrag vom 27.09.2018)
273.
28Für künftige Verfahren betreffend Anträge auf Erteilung von Erbscheinen oder Europäischen Nachlasszeugnissen weist der Senat das Amtsgericht darauf hin, dass es nicht angezeigt ist, im Rubrum Beteiligte bereits als „Erben“ zu bezeichnen, soweit die Erbenstellung – wie hier – nicht feststeht.