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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Einzelrichter – vom 10. Oktober 2018 (Az. 7 O 50/18) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des vorliegenden und des angefochtenen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die vom Kläger gegen die Beklagte als Schadensersatz geforderte Rückgängigmachung des Kaufs eines gebrauchten Dieselfahrzeugs der Marke Audi, das hinsichtlich des Abgasausstoßes eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung aufweisen soll.
4Der Kläger erwarb am 20. Juli 2016 – und damit fast ein Jahr nach Bekanntwerden von manipulierten Abgaswerten bei Dieselmotoren der Beklagten – von der Autohaus A GmbH & Co. KG den gebrauchten Audi B V6 3.0 l TDI, 230 kW (313 PS) mit der Fahrgestellnummer C zu einem Kaufpreis von 51.000 € (Anlage K1a, Anlagen-Ordner) sowie ein Rearset Entertainment System für weitere 400 € (Anlage K1b, Anlagen-Ordner). Der Kilometerstand betrug zum Zeitpunkt des Kaufes 28.300 km. Das Fahrzeug verfügt über eine – jedenfalls bislang – nicht widerrufene EG-Typengenehmigung der Abgasnorm Euro 5.
5Die Audi AG ist ein Tochterunternehmen der Beklagten. Fast alle Gesellschaftsanteile an der Audi AG werden von der Beklagten gehalten und zwischen der Audi AG und der Beklagten als herrschender Gesellschaft besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
6In dem vom Kläger gekauften Fahrzeug ist der Dieselmotor EA 896 Gen2 bzw. EA 897 verbaut, der von der Audi AG entwickelt und im Audi-Werk im ungarischen D hergestellt worden ist. Der Motorblock wurde dabei zuvor in einem Werk der Beklagten in E gegossen. Bauteile werden von der Audi AG ganz oder teilweise über den zentralen Einkauf bei der Beklagten bezogen.
7Der im Fahrzeug des Klägers verbaute Dieselmotor enthält nicht die beim Dieselmotor EA 189 von der Beklagten eingesetzte Abschalteinrichtung der F AG, die bei Erkennen einer Abgasprüfung nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus in einen besonderen Betriebsmodus umschaltet, sodass auf dem Prüfstand – anders als im gewöhnlichen Fahrbetrieb – die Grenzwerte der Euro-5-Abgasnormen eingehalten werden. Die Steuerung des im Fahrzeug des Klägers verbauten Motors schaltet aber temperaturgesteuert die zur Verringerung des Stickoxid-Ausstoßes eingesetzte Abgasrückführung in die Verbrennung des Motors außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs (sog. Thermofenster) herunter bzw. ganz ab.
8Im ersten Rechtszug hat der Kläger unter anderem behauptet, die Entwicklungsabteilung der Beklagten, namentlich Herr G, Leiter der Konzernmotorenentwicklung und H hätten entschieden, die „Erfolge“ der illegalen Abschaltvorrichtung vom EA 189 unter anderem auch auf den EA 897 EVO zu übertragen und die entsprechende F-Software serienmäßig in die Motorenserien aller konzernangehörigen 3.0 l- TDI-Fabrikate fortgesetzt und verfeinert weithin einzusetzen (Bl. 213 d.A.).
9Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ausweislich des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils ist in dem seitens des Klägers erworbenen Fahrzeug ein Dieselmotor des Typs EA 189 nicht verbaut. Vielmehr handele es sich um einen Dieselmotor des Typs EA 897. Dieser Motor sei – anders als der Dieselmotor des Typs EA 189 – nicht von der Beklagten, sondern von der Audi AG entwickelt worden. In den Entscheidungsgründen wird hierzu ergänzt, dass nach dem Vortrag des Klägers dabei die Entscheidungen jeweils durch vertretungsberechtigte Organe der Audi AG in eigener Verantwortung getroffen und nur Teile der Produktion seitens der Beklagten durchgeführt worden seien. Die Audi AG habe eigenständig die Entscheidung getroffen, den selbst entwickelten Motor mit einer Steuerungssoftware, bei der es sich im Rechtssinne um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln solle, auszustatten. Damit habe allenfalls die Audi AG hinsichtlich der von ihr entwickelten Motoren den Zugang zu einem aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes reglementierten Marktes erschlichen und sowohl die Behörden als auch die Käufer getäuscht. Eine nach § 31 BGB zurechenbare sittenwidrige Schädigung komme aber schon nach dem Klägervortrag nur im Verhältnis zur Audi AG in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand im ersten Rechtszug sowie der Begründung der Klageabweisung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 228 ff. d.A.).
10Mit Antrag vom 25. Oktober 2018 auf Berichtigung des Tatbestandes (Bl. 269 ff. d.A.) wollte der Kläger erreichen, dass im Tatbestand nicht als unstreitig dargestellt wird, dass der im Fahrzeug des Klägers verbaute Motor nicht von der Beklagten, sondern von der Audi AG entwickelt worden ist, und der entsprechende Satz aus dem Tatbestand gestrichen wird. Vielmehr sollte nach dem Berichtigungsantrag als streitige Behauptung des Klägers im Tatbestand nunmehr aufgenommen werden, der verbaute Motor sei von der Beklagten und der Audi AG gemeinsam entwickelt und von der Beklagten hergestellt und in Verkehr gebracht worden. Mit Beschluss vom 21. November 2018 (Bl. 278 d.A.) hat das Landgericht den Berichtigungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung unter anderen angeführt, der Kläger habe auf Seite 9 seines Schriftsatzes vom 24. August 2018 (Bl. 243 d.A.) selbst vorgetragen, der Motor sei von der Audi AG entwickelt worden.
11Gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts, das seinen Prozessbevollmächtigten am 11. Oktober 2018 (Bl. 263 d.A.) zugestellt worden ist, hat der Kläger mit am 23. Oktober 2018 beim Oberlandesgericht Köln per Fax eingegangenem Schriftsatz (Bl. 281 d.A.) Berufung eingelegt und diese mit am 8. Februar 2019 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 305 ff. d.A.) begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist zuletzt bis zu diesem Tag verlängert worden war (Bl. 302 d.A.).
12Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen das abweisende Urteil des Landgerichts und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Zu Unrecht habe das Landgericht die Klage mangels Passivlegitimation zurückgewiesen. Entscheidende Gesichtspunkte wie unter anderem der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen der Beklagten und der Audi AG, die Gemeinschaftsentwicklungen bei Audi-Modellen, der zentrale Einkauf von Bauteilen über die Beklagte und der Einsatz des Motors EA 897 in Modellen verschiedener Unternehmen des Konzerns seien unberücksichtigt geblieben. Die Entscheidung der Konzernleitung in allen konzernangehörigen 3.0 l-TDI-Fabrikaten – wie im EA 189 – eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, stelle eine eigene Schadenshandlung der Beklagten dar, sodass es insofern nicht einmal einer Zurechnung bedürfe. Die Haftung der Beklagten folge im Übrigen aber auch aus § 322 AktG. Unerheblich sei, ob das Kraftfahrt-Bundesamt bereits in einem Bescheid das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung festgestellt habe. Dies sei vielmehr von den Gerichten selbstständig zu prüfen. Außerdem sei auf die Unzulässigkeit des in der Motorsteuerung einprogrammierten „Thermofensters“ hinzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Berufungsvorbringen des Klägers verwiesen.
13Der Kläger beantragt,
14unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 10. Oktober 2018 (Az. 7 O 50/18)
151. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.400 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2017 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer C zu zahlen;
162. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 5. Dezember 2017 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) bezeichneten Gegenstandes im Annahmeverzug befindet;
173. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2017 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
21II.
221. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
232. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
24Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gerichtet auf Rückgängigmachung des Kaufs seines gebrauchten Dieselfahrzeugs Audi B mit der Fahrgestellnummer C zu.
25a) Ein mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien allenfalls in Betracht kommender Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung § 263 StGB scheitert schon daran, dass die Beklagte jedenfalls nicht Schuldnerin eines etwaigen Schadensersatzanspruchs ist, weil eine eigene Schadenshandlung der Beklagten nicht feststellbar ist (aa), eine Zurechnung einer etwaigen Schadenshandlung der Audi AG über § 31 BGB analog nicht möglich ist (bb) und die Beklagte für eine Schadensersatzverbindlichkeit der Audi AG nicht haftet (cc).
26aa) Weder das Fahrzeug als Ganzes noch der Motor einschließlich Motorsteuerung sind von der Beklagten entwickelt, hergestellt oder vertrieben worden.
27(1) Schon aufgrund der Tatbestandswirkung des § 314 ZPO steht für das Berufungsgericht bindend fest, dass der Motor mit allen seinen Bestandteilen von der Audi AG und nicht ganz oder teilweise von der Beklagten entwickelt worden ist. Der Tatbestand des Urteils liefert gemäß § 314 S. 1 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nach § 314 S. 2 ZPO nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden. Im Tatbestand seines Urteils hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass der Motor von der Audi AG entwickelt worden ist. Eine etwaige Unrichtigkeit einer tatbestandlichen Darstellung kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden (BGH, Urteil vom 08.01.2007 – II ZR 334/04, juris Rn. 11), wobei der auf den Berichtigungsantrag ergangene Beschluss gemäß § 320 Abs. 4 S. 4 ZPO unanfechtbar ist. Der Antrag des Klägers, wonach der Tatbestand dahingehend abgeändert werden sollte, dass der Satz, der Motor sei nicht von der Beklagten, sondern der Audi AG entwickelt worden, gestrichen und die angebliche Behauptung des Klägers aufgenommen werden sollte, der Motor sei von der Beklagten und der Audi AG „gemeinsam entwickelt“ worden, hat das Landgericht abgelehnt. Das Berufungsgericht muss schon aus diesem Grunde davon ausgehen, dass die Beklagte auch nicht an der Entwicklung der Motorsteuerung als Teil der Entwicklung des Gesamtmotors mitgewirkt hat, sondern eine möglicherweise unzulässige Motorsteuerung nur von der Audi AG entwickelt worden ist.
28(2) Das Landgericht hat des Weiteren im Urteil ausdrücklich festgestellt, dass die Audi AG nach dem Vortrag des Klägers eigenständig die Entscheidung getroffen hat, den selbst entwickelten Motor mit einer Steuerungssoftware, bei der es sich im Rechtssinne um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln solle, auszustatten.
29(a) Damit steht für das Berufungsgericht schon gemäß § 314 ZPO bindend fest, dass die Audi AG nicht auf Weisung der Beklagten eine möglicherweise unzulässige Motorsteuerung entwickelt oder übernommen und eingebaut hat, sondern es sich um eine eigenständige Entscheidung der Audi AG gehandelt hat. Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen „tatbestandlichen“ Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der „Tatbestand“ vor (BGH, Urteil vom 08.01.2007 – II ZR 334/04, juris Rn. 11). Der Beweis durch den Urteilstatbestand kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht aber durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Vorher eingereichte Schriftsätze sind durch den Tatbestand, der für das Vorbringen am Schluss der mündlichen Verhandlung Beweis erbringt, überholt. Bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der Wiedergabe des Parteivorbringens im Urteilstatbestand sind die Ausführungen im Tatbestand maßgeblich (BGH, Versäumnisurteil vom 28.06.2005 – XI ZR 3/04, juris Rn. 17).
30(b) Unabhängig davon erfolgte die Behauptung des Klägers auf Seite 7 im Schriftsatz vom 24. September 2018 (Bl. 241 d.A.), die Entwicklungsabteilung der Beklagten, namentlich Herr G, Leiter der Konzernmotorenentwicklung und H hätten entschieden, die „Erfolge“ der illegalen Abschaltvorrichtung vom EA 189 unter anderem auch auf den EA 897 EVO zu übertragen und die entsprechende F-Software serienmäßig in die Motorenserien aller konzernangehörigen 3.0 TDI-Fabrikate fortgesetzt und verfeinert weithin einzusetzen, ersichtlich ins Blaue hinein. Der Beweisführer ist zwar grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die er keine genauen Kenntnisse hat, die er aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt erst dann vor, wenn der Beweisführer ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür ist dabei Zurückhaltung geboten. In der Regel liegt sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vor (BGH, Urteil vom 07.02.2019 – III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 ff., juris Rn. 37).
31Für die Behauptung des Klägers gibt es aber keine greifbaren Anhaltspunkte. Bei einem von der Audi AG selbst entwickelten Motor liegt die Annahme näher bzw. ist es zumindest ebenso wahrscheinlich, dass die Entscheidung, in welcher Weise die Motorsteuerung ausgestaltet wird, allein innerhalb der Audi AG getroffen worden ist. Vor allem aber kann die auf Seite 7 im Schriftsatz vom 24. September 2018 enthaltene Behauptung in dieser Form nicht richtig sein. Jedenfalls im Berufungsverfahren ist unstreitig, dass im Audi B gerade nicht dieselbe Abschalteinrichtung wie beim EA 189 verbaut worden ist. Auf Nachfragen des Senats in der Sitzung haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers ausdrücklich erklärt, dass nicht behauptet wird, dass im Fahrzeug des Klägers dieselbe oder gleiche Abschalteinrichtung wie beim EA 189 vorhanden sei. Für die Behauptung, die Beklagte habe beschlossen, in die Motorenserien aller konzernangehörigen 3.0 TDI-Fabrikate entsprechende F-Software wie im EA 189 serienmäßig einzusetzen und dies auch umgesetzt, besteht danach von vornherein keine Grundlage.
32(3) Die Endfertigung des Motors fand auch nicht in einem Werk der Beklagten statt. Jedenfalls im Berufungsverfahren ist unstreitig, dass die Motoren des Audi B nicht in einem Werk der Beklagten, sondern im Audi-Werk im ungarischen D hergestellt werden und lediglich der Motorblock zuvor in einem Werk der Beklagten in E gegossen wird (Bl. 317 d.A.). Das Gießen des Motorblocks steht aber in keinem irgendwie relevanten Zusammenhang mit einer etwaigen unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Abgasrückführung in den Brennbereich des Motors.
33(4) Ohne Bedeutung ist auch, ob von der Audi AG benötigte und bestellte Einzelteile über einen Zentraleinkauf bei der Beklagten bezogen worden sind. Dass bestimmte Einzelteile, die über den Zentraleinkauf der Beklagten bezogen worden sind, ausschließlich zu Erstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verwendet werden können, ist schon nicht konkret vorgetragen worden.
34(5) Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Umstand, dass der von der Audi AG entwickelte und hergestellte Motor EA 897 auch in einigen Fahrzeugen der Beklagten eingesetzt wird, eine Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall begründen sollte.
35(6) Für die Behauptung, die Beklagte habe die von der Audi AG entwickelten und hergestellten Fahrzeuge Audi B bzw. zumindest denjenigen, der später vom Kläger erworben worden ist, vertrieben, gibt es keinerlei konkreten Vortrag oder Belege.
36bb) Das Handeln der Vorstandsmitglieder der Audi AG, das möglicherweise als unerlaubte Handlung nach §§ 823 ff. BGB zu werten ist, kann analog § 31 BGB auch nur der Audi AG zugrechnet werden. Selbst wenn einzelne Mitglieder des Vorstandes zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten waren, führt dies nicht dazu, dass die Beklagte auch für eine Schadenshandlung haftet, die ein solches Vorstandsmitglied in Ausübung seiner Tätigkeit für die Audi AG begangen hat.
37cc) Die Beklagte haftet auch nicht gemäß § 322 AktG für eine etwaige Schadensersatzverbindlichkeit der Audi AG. Für eine solche gesamtschuldnerische Haftung müsste die Audi AG in die Beklagte gemäß §§ 319, 320 AktG eingegliedert worden sein, was jedoch nicht der Fall ist. Eine Eingliederung im Sinne von § 319 AktG scheidet aus, weil sich nach dem Wortlaut „alle Aktien der Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden“ müssen. Die Beklagte hält aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht sämtliche Aktien der Audi AG. Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann zwar gemäß § 320 Abs. 1 AktG die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland auch dann beschließen, wenn sich Aktien der Gesellschaft, auf die zusammen 95 % des Grundkapitals entfallen, in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. Dass ein solcher – nach dem Gesetz ausdrücklicher erforderlicher – Beschluss zustande gekommen ist, trägt der Kläger jedoch nicht vor. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach eine juristische Person organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers „eingegliedert“ ist, wenn der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (BFH, Urteil vom 10. Mai 2017 – V R 7/16 –, BFHE 258, 181, BStBl II 2017, 1261, Rn. 15), ist nicht übertragbar. Die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtshofs betrifft die Auslegung des Wortes „eingegliedert“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Ein völlig anderer Regelungszusammenhang und Normzweck kann dazu führen, dass ein Begriff unterschiedlich ausgelegt werden muss, zumal im AktG die Anforderungen an die „Eingliederung“ ausdrücklich gesetzlich geregelt sind.
38b) Der Kläger hat aber auch das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs als solches, unabhängig von der Frage, ob (auch) die Beklagte richtiger Anspruchsgegner wäre, nicht hinreichend vorgetragen, weil die im ersten Rechtszug vorgetragene Abschalteinrichtung wie beim EA 189 unstreitig nicht vorhanden ist und der neue Vortrag des Klägers im zweiten Rechtszug zu einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters gemäß § 531 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung nicht zugelassen werden kann (aa) und im Übrigen auch unzureichend wäre (bb).
39aa) Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren zur unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters ist „neu". Um neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO handelt es sich auch dann, wenn dieses sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substanziiert und nicht bloß ein bereits schlüssiges Vorbringen aus dem ersten Rechtszug durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, Urteil vom 01.12.2009 – VI ZR 221/08, NJW-RR 2010, 839 ff., juris Rn. 22).
40Im ersten Rechtszug wurde vom Kläger lediglich beiläufig die Existenz einer Abschalteinrichtung durch ein Thermofenster bei Fahrzeugen der Daimler AG erwähnt (Seite 10 der Klageschrift), die ebenfalls laut dem Vortrag des Klägers durch eine von Prof. Dr. I von der J entwickelten Software festgestellt werden kann. Allerdings wurde nicht geltend gemacht, dass gerade im Fahrzeug des Klägers eine solche Vorrichtung vorhanden ist. Ebenso wenig wurde die Funktionsweise erläutert oder dargelegt, warum es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung und nicht eine technisch notwendige Maßnahme zum Schutz des Motors bei bestimmten Temperaturen handelt.
41Eine solche Abschalteinrichtung ist auch nicht bloß eine Variante der unzulässigen Motorsteuerung, die im EA 189 zum Einsatz gekommen ist. Die manipulierte Motorsteuerung des EA 189 erkennt, dass sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet, und schaltet in diesem Fall in einen Modus, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert eine solche Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet. Wenn die Motorsteuerung speziell bei einem erkannten Prüfzyklus einen besonderen Betriebsmodus mit geringerem Stickoxid-Ausstoß auslöst, ist offenbar, dass diese Einrichtung nicht zum Schutz des Motors und des sicheren Betriebs notwendig ist (Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG), sondern allein der Vortäuschung der Einhaltung der Grenzwerte dient (BGH, Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, ZIP 2019, 467 ff., juris Rn. 13).
42Bei einer temperaturgesteuerten Verminderung oder Abschaltung der Abgasrückführung in die Verbrennung des Motors bei Verlassen eines sog. Thermofensters ist es dagegen möglich, dass die Abschaltung allein dem Schutz des Motors dient und technisch notwendig ist, weil die Abgasrückführung bei zu geringen oder zu hohen Außentemperaturen zu Schäden beim Motor führen kann. Eine Schaltung, die nicht speziell den Prüfzyklus erkennt und daran anknüpfend die Abgasrückführung erhöht, sondern die Abgasrückführung entsprechend der Außentemperatur regelt, ist nicht von vornherein offenbar unzulässig. Eine Unzulässigkeit kommt in diesem Fall erst in Betracht, wenn die Abschaltung über das technisch notwendige Maß hinausgeht oder der Motor konstruktionsbedingt ein derart enges Thermofenster benötigt, dass die Abgasrückführung im gewöhnlichen Betrieb zu selten zum Einsatz kommt.
43Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Nichtgeltendmachung einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters im ersten Rechtszug beruhe nicht auf einer Nachlässigkeit der Partei (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Über die Frage, ob der Umfang der Verminderung oder Abschaltung der Abgasrückführung entsprechend einem Thermofenster unzulässig ist, wird schon seit Jahren diskutiert. Schon aus der beiläufigen Erwähnung der Problematik des Thermofensters in der Klageschrift - wenn auch ohne konkreten Bezug zum vorliegenden Fall - ergibt sich, dass dem Kläger diese Diskussion bekannt war. Aus dem Messbericht der Deutschen Umwelthilfe vom 19. März 2019 für einen Audi B TDI, Euro 5 bei Außentemperaturen von +6 C° bis +9 C° (Bl. 1289 ff. d.A.) können sich für den Kläger auch keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, weil er auch zuvor davon ausgegangen ist, dass der Ausstoß von Stickoxide deutlich überhöht ist. Spezielle Erkenntnisse zu einem Thermofenster ergeben sich aus dem Messbericht nicht, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum erst nach Vorlage dieses Messberichts ein Vortrag zum Thermofenster möglich gewesen sein soll.
44bb) Unstreitig verfügt der vom Kläger erworbene Wagen über eine Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters, was im Berufungsverfahren dementsprechend zugrundezulegen ist (BGH, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08, NJW 2008, 3434 ff., juris Rn. 10). Dass diese Abschalteinrichtung aber auch unzulässig ist und die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung zudem auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung schließen lässt, wäre auch bei Zulassung des Vortrags zum Thermofenster nicht hinreichend vorgetragen. Anders als bei der Abschalteinrichtung beim EA 189 folgt aus der grundsätzlichen Funktionsweise der temperaturabhängigen Verringerung oder Abschaltung der Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters noch nicht ohne Weiteres, dass diese unzulässig ist und erst recht nicht, dass mit dem Einsatz dieser Abschalteinrichtung automatisch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen worden sein muss.
453. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
464. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf den Besonderheiten des Vortragsverhaltens des Klägers im vorliegenden Fall.
47Streitwert für das Berufungsverfahren: 51.400 € (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG)