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Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Oktober 2017 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 90/176 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2Die Berufung des Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
3Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Hierzu wird auf den Senatsbeschluss vom 4.7.2018 verwiesen. Die Stellungnahmen des Beklagten vom 30.8.2018 und 31.8.2018 rechtfertigen keine andere Beurteilung.
41. Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsbegründung behauptet hat, dass er mit der Klägerin bei Aufnahme des Pferdes mündlich vereinbart habe, dass eine Operation nur nach Rücksprache mit ihm erfolgen solle, ist das neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen, unter denen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel ausnahmsweise berücksichtigt werden können, sind vom Beklagten auch in den Schriftsätzen vom 30.8.2018 und 31.8.2018 unter 3 und 5 nicht dargetan worden. Auf fehlende Nachlässigkeit kann er sich nicht berufen. Aus der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) war für den Beklagten jedenfalls bei Durchsicht während des Rechtsstreits erkennbar, dass in dieser eine Rücksprachepflicht der Klägerin nicht festgelegt war, so dass es aus seiner Sicht auf eine über den schriftlichen Inhalt der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) hinausgehende mündliche Abrede ankommen musste. Eine notwendige Rücksprache ist in dem vorgedruckten Klammerzusatz nur als Beispiel für eine Einschränkung der Zustimmung zur Kolikoperation genannt und anschließend nicht handschriftlich angeführt. Eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht aus § 139 ZPO ist gleichfalls nicht dargetan oder ersichtlich. Es geht nicht um einen im ersten Rechtszug unklaren oder unsubstantiierten Vortrag des Beklagten, der Hinweise erfordert hätte, sondern um eine dem Gericht in erster Instanz nicht im Ansatz bekannte mündliche Abrede. Vor diesem Hintergrund fehlte jeder Anlass und Ansatzpunkt für einen Hinweis.
52. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 4 und 9 bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass die Erklärung des Beklagten, durch die er bereits in einem Zeitpunkt, in dem noch eine konservative Kolikbehandlung möglich und vorgesehen war, einer künftig notwendig werdenden Operation zustimmte und sie beauftragte, nicht gegen § 307 Abs. 2 BGB verstößt, auch sonst einer inhaltlichen Überprüfung stand hält und daher wirksam ist.
6Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die Erklärung bestimmte, welche Hauptleistung in welchem Fall zu erbringen war. Die Vereinbarung der Hauptleistung unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 BGB keiner Überprüfung nach § 307 Abs. 2 BGB. Diesem Argument des Senats ist der Beklagte in seinen Stellungnahmen nicht entgegen getreten.
7In der Sache weist der Beklagte vor allem darauf hin, dass einer Kolik bei einem Pferd zahlreiche unterschiedliche Ursachen und Krankheitsverläufe zugrunde liegen können, die bei im Detail unterschiedlicher Diagnose unterschiedliche Therapien erfordern können. Dieser Sachverhalt kann es sicherlich sinnvoll machen, dass der Eigentümer des Tieres erst unmittelbar vor einer Operation über seine Einwilligung in diese entscheidet. Gleichwohl hat die Klägerin in dem Bogen Kolik Stationäre Aufnahme Schlachtpferd (Anlage B 6) einen sachlichen Grund angeführt, der es rechtfertigt, vom Eigentümer des Pferdes vorab eine Entscheidung zwischen einer Zustimmung zur Kolikoperation, einer Zustimmung mit Einschränkungen oder ihrem Ausschluss zu verlangen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sich die Notwendigkeit einer Kolikoperation kurzfristig herausstellen und schnelles Handeln für das Pferd überlebenswichtig sein kann. Diesen Sachverhalt hat der Beklagte in seinen Stellungnahmen nicht bestritten. Sein Vortrag, dass es sich um ein vielschichtiges Krankheitsbild mit vielen möglichen Entwicklungen handelt, bestätigt im Gegenteil, dass rasches ärztliches Handeln geboten sein kann.
83. Der Senat hält an der Beurteilung fest, dass es im Streitfall keiner mündlichen Aufklärung des Beklagten bedurfte und die für seine ordnungsgemäße Unterrichtung maßgeblichen Gesichtspunkte in den von ihm unterzeichneten Bögen Kolik Stationäre Aufnahme Schlachtpferd (Anlage B 6) und der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) enthalten waren. Die Vorschrift des § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB, die für die Humanmedizin eine mündliche Aufklärung vorschreibt, ist bei der Behandlung von Tieren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da es nicht um die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts geht. Das im Schriftsatz vom 30.8.2018 unter 1 angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.5.2016 – VI ZR 247/15, iuris, abgedruckt in BGHZ 210, 195 ff., betrifft allein die Frage, ob die von der Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler entwickelten und nunmehr in § 630h Abs. 5 BGB übernommenen Grundsätze für die Behandlung von Tieren durch einen Tierarzt gelten. Dies hat der Bundesgerichtshof bejaht. Dazu, ob weitere Bestimmungen der §§ 630a ff. BGB bei einer tierärztlichen Behandlung anwendbar sind, verhält sich das Urteil nicht. Soweit es um die Aufklärung des Eigentümers des Tieres geht, führt der Bundesgerichtshof ausdrücklich an, dass für deren Inhalt – anders als in der Humanmedizin – wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen (aaO Rdn. 5), was für eine Fortgeltung der im Senatsbeschluss vom 4.7.2018 wieder gegebenen bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Umfang der tierärztlichen Aufklärungspflicht spricht.
9Da es keiner mündlichen Aufklärung des Beklagten bedurfte, war und ist entgegen der vom Beklagten im Schriftsatz vom 30.8.2018 unter 2 und im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 10 vertretenen Auffassung keine Vernehmung der benannten Zeugen zum Inhalt des Gesprächs bei Aufnahme des Pferdes N zwischen den Tierärztinnen Dr. N2 und Dr. Q sowie dem Beklagten erforderlich.
10Anders als es der Beklagte im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 8 geltend macht, ist der Senat im Beschluss vom 4.7.2018 nicht davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Aufklärung über das Risiko einer Ataxie schuldete. Er hat vielmehr angenommen, dass eine entsprechende Aufklärung erfolgt ist, allerdings die Klägerin den Fachbegriff Ataxie nicht verwenden musste, da sie nur eine Aufklärung im Großen und Ganzen schuldete und kein medizinisches Wissen zu vermitteln brauchte. An diesen Feststellungen hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 6 zum Krankheitsbild der Ataxie bei Pferden fest. In der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) heißt es unter III, dass es zu Muskeldurchblutungsstörungen, Muskelquetschungen oder Lähmungen der Gliedmaßen und Gesichtsnerven kommen könne, die sich erst nach dem Beenden des operativen Eingriffs insbesondere als Unfähigkeit, aufzustehen und im Stehen die Gliedmaßen zu belasten, zeigten. In vielen Fällen sei das nur ein vorübergehender, reversibler Zustand; in selteneren Fällen könne dies zum Tod des Pferdes führen. Diese Erläuterungen der Klägerin schließen das von dem Beklagten nochmals dargestellte Krankheitsbild der Ataxie, dessen Folgen mit dem Ausfall von Gliedmaßen und möglichen Stürzen sowie einer Prognose bis hin zum Tod des Tieres ein. Eine weitere gerichtliche Sachaufklärung ist im vorliegenden Zusammenhang nicht geboten. Es geht nicht um die – sachverständig zu beurteilende – Frage, ob eine Ataxie eine typische Folge einer Kolikoperation ist, sondern darum, ob das bekannte und von dem Beklagten nochmals beschriebene Krankheitsbild in der Operations- und Narkoseaufklärung aus Sicht des Adressaten der Aufklärung hinreichend beschrieben ist. Dies ist eine vom Tatrichter zu beurteilende Frage.
11Auf das Alter des Tieres und Vorerkrankungen des Pferdes als risikoerhöhende Faktoren hat die Klägerin entgegen den Ausführungen unter 9 im Schriftsatz vom 31.8.2018 in der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) unter III im ersten Absatz hingewiesen. Es liegt für den Eigentümer eines Pferdes auf der Hand, dass hierdurch das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Eingriffs beeinflusst werden kann.
124. Der Beklagte ist für seine Behauptung, dass er im Fall einer weitergehenden Aufklärung davon abgesehen hätte, in eine Kolikoperation einzuwilligen und diese zu beauftragen, weiterhin beweisfällig. Durch die im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 5 hierzu benannten Zeuginnen T und C vermag er den Beweis nicht zu führen. Dass ein 28 Jahre altes Pferd nur noch eine begrenzte Lebenserwartung hat und bei einer Kolikoperation höheren Risiken ausgesetzt ist als ein junges und ansonsten gesundes Pferd, lag – wie der Senat im Beschluss vom 4.7.2018 dargelegt hat – für einen jeden Pferdeeigentümer in der Lage des Beklagten auf der Hand. Trotz des rein wirtschaftlich gesehen ungünstigen Verhältnisses von Nutzen und Kosten war er bereit, einen Betrag von bis zu 8.000 € für eine Kolikoperation mit Resektion zuzüglich weiterer Behandlungskosten auszugeben. Nichts spricht daher dafür, dass er sich, wären ihm die bestehenden Risiken zusätzlich mündlich genannt, eingehender geschildert oder verdeutlicht worden, gegen einen indizierten Eingriff entschieden hätte. Indizien oder sonstige Tatsachen, die für eine den Eingriff ablehnende hypothetische Verhaltensweise sprechen, hat der Beklagte in den Schriftsätzen vom 30.8.2018 und 31.8.2018 nicht dargelegt und nicht in das Wissen der Zeuginnen T und C gestellt. Nur zu solchen Indizien und Umständen können indessen in Fällen der vorliegenden Art Zeugen vernommen werden. Eine hypothetische Verhaltensweise eines Dritten als solche ist kein vergangener oder gegenwärtiger Zustand und damit nach § 373 ZPO nicht unmittelbar einem Zeugenbeweis zugänglich. Für eine Parteivernehmung des Beklagten sieht der Senat mangels Sachvortrags zu Umständen, die eine andere Entscheidung nahe gelegt hätten, weiterhin keinen Grund und Anlass.
135. Soweit es um einen Schadensersatzanspruch geht, der auf Freistellung von den Behandlungskosten gerichtet ist, die nach dem Auftreten der Bewegungsstörung nach der Operation vom 10.8.2016 angefallen sind, ist der Beklagte der Auffassung des Senats, dass die eine Aufklärungspflichtverletzung begründenden, erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Tatsachen – das heißt vor allem die Aussichtlosigkeit der Prognose ab dem 10.8.2016 – gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zuzulassen sind, in den Schriftsätzen vom 30.8.2018 und 31.8.2018 nicht entgegen getreten. Gründe für die Zulässigkeit des neuen Angriffs- und Verteidigungsmittels hat er nicht vorgetragen. Der Vortrag, der sich in den Schriftsätzen vom 30.8.2018 und 31.8.2018 unter 5 und 7 zu diesem Anspruch verhält, betrifft die weitere, für sich genommen nicht entscheidungserhebliche Frage, ob sich der Beklagte bei Kenntnis einer sehr ungünstigen Prognose zu einem vor dem 15.8.2016 liegenden Zeitpunkt für eine Euthanasie entscheiden hätte.
146. Konkrete Bedenken gegen die Durchführung bestimmter Rechnungspositionen hat der Beklagte, wie es nach den vom Senat im Beschluss vom 4.7.2018 dargelegten Grund-sätzen erforderlich wäre, auch im Schriftsatz vom 31.8.2018 unter 11 nicht dargelegt, so dass sein Bestreiten unbeachtlich ist. Es kommt daher nicht einmal darauf an, dass ein qualifiziertes Bestreiten jedenfalls nach Kenntnis des landgerichtlichen Urteils geboten gewesen wäre und daher seinerseits nunmehr nach §§ 530, 520, 296 Abs. 1 ZPO präkludiert wäre. Soweit der Beklagte nunmehr erstmals bestreitet, dass die Leistungen der Klägerin, insbesondere die Kolikoperation, erforderlich und nach den Vorgaben der GOT der Höhe nach abrechenbar gewesen seien, ist das neue Vorbringen nach § 530 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zuzulassen. Für die Zulässigkeit des neuen Angriffs- und Verteidigungsmittels ist nichts dargetan oder erkennbar.
157. Der in der Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) genannte Kostenrahmen von bis zu 8.000 € für die Operation, den der Beklagte im Schriftsatz vom 31.8.2008 unter 12 anführt, ist eingehalten. Dies ergibt sich daraus, dass die Rechnung vom 23.8.2016 über 8.529,12 € zahlreiche weitere, nicht die Operation betreffende Leistungen enthält.
168. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
17Die Rechtsfrage, ob die §§ 630 a ff. BGB, insbesondere § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB, für tierärztliche Behandlungsverträge entsprechend gelten, hat im Streitfall schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil es aus den unter 4 dargelegten Gründen an der Schadensursächlichkeit einer unterstellten mangelhaften Aufklärung fehlt. Von dem im Beschluss des OLG Koblenz vom 14.4.2005 – 5 U 1610/04 (iuris, abgedruckt in NJW-RR 2005, 1111 ff.) aufgestellten, vom Beklagten angeführten Rechtssatz, dass sich eine schriftliche Einverständniserklärung auf die schadensursächliche Operation beziehen muss, weicht der Senat nicht ab. Die am 9.8.2016 unterzeichnete Operations- und Narkoseaufklärung (Anlage B 7) bezog sich – auch wenn sie bereits bei noch offenem künftigen Verlauf der Kolikerkrankung erteilt war – auf den Eingriff vom 11.8.2016. In dem dem Beschluss des OLG Koblenz zugrunde liegenden Fall bestand die Besonderheit, dass in zeitlichem Abstand verschiedene Eingriffe mit unterschiedlicher Zielrichtung vorgenommen worden waren und unklar war, auf welchen sich die allgemein gehaltene Einverständniserklärung bezog.
18Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
19Berufungsstreitwert: 8.081,70 €