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Ein Zahnarzt muss den Patienten grundsätzlich nicht darüber aufklären, welches Material er im Falle der Notwendigkeit von Knochenaufbaumaßnahmen verwenden möchte (hier bovignes statt künstliches Knochenersatzmaterial). Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage unterschiedlicher Behandlungsalternativen.
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 28. November verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 425/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe:
2I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
3Die von der Klägerin mit der Berufung weiter verfolgten Anträge hat das Landgericht zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von dem Beklagten wegen der am 12.6.2012 von der angestellten Ärztin Dr. A durchgeführten Wurzelspitzenresektion an Zahn 11 gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB die Zahlung eines Schmerzensgeldes, das über den vom Landgericht zuerkannten Betrag von 500 € hinaus geht, und den Ersatz weitergehender materieller Schäden nicht verlangen.
4Soweit es nicht um die Fehlpositionierung des Lippenbändchens nach rechts und die Wundnaht geht, hat das Landgericht dem Beklagten zurechenbare Behandlungsfehler nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Prof. Dr. Dr. B zutreffend verneint.
51. Die Wurzelspitzenresektion war indiziert. Der Sachverständige hat dies nach Auswertung der Behandlungsunterlagen, eigener Befundung des Röntgenbildes vom 1.6.2012 und klinischer Untersuchung der Klägerin schlüssig damit begründet, dass der mit einer Krone versorgte Zahn 11 endodontisch vorbehandelt gewesen sei, der Zahnarzt Dr. C einen Schmerz im apikalen Bereich habe auslösen können und nach der Röntgenaufnahme einer periapikale Osteolyse vorgelegen habe. Intraoperativ sei ein entzündlicher Prozess bestätigt worden, denn es sei ein Knochendefekt dokumentiert. Eine Revision der seit vielen Jahren vorhandenen Wurzelfüllung wäre sehr riskant gewesen. Ohne Wurzelspitzenresektion habe die Entwicklung eines Abzesses gedroht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat Prof. Dr. Dr. B die im schriftlichen Gutachten vorgenommene Befundung dahin ergänzt, dass auf dem Röntgenbild vom 1.6.2012 die Entzündung an der Wurzelspitze zu sehen sei. Dort befinde sich ein Schatten, der auf eine Minderverkalkung hindeute und diese wiederum auf einen entzündlichen Prozess.
6Die Einwendungen, die die Klägerin gegenüber dieser überzeugenden Begründung erhebt, greifen nicht durch. Soweit der Zahnarzt Dr. D den Zahn 11 bei Auswertung der Röntgenaufnahme vom 1.6.2012 in seinem Gutachten vom 19.11.2012 als apikal unauffällig beschrieben hat, gebührt der Beurteilung von Prof. Dr. Dr. B der Vorrang. Denn Dr. D hatte, anders als Prof. Dr. Dr. B, keinen Anlass, dem Zahn 11 besondere Aufmerksamkeit zu widmen und den Zustand der Wurzelspitze genau zu bewerten. Sein Gutachten betraf die Behandlung des Zahnarztes Dr. C, nicht aber die des Beklagten. Das von der Klägerin noch angeführte, von Dr. D ausgewertete OPG vom 26.8.2010 ist fast zwei Jahre vor der streitgegenständlichen Behandlung angefertigt worden und kann schon wegen dieses zeitlichen Abstands nicht herangezogen werden. Die Behandlungsunterlagen des Zahnarztes Dr. C streiten ebenfalls nicht gegen die Richtigkeit der Befundung des Röntgenbildes des Zahns 11 durch Prof. Dr. Dr. B. Auch wenn der Zahnarzt Dr. C in seinen Behandlungsunterlagen unter dem 1.6.2012 zunächst „apikal ohne Befund“ vermerkt hat, hat er in der nächsten Zeile „Röntgen unklar“ eingetragen und ausreichenden Anlass gesehen, die Klägerin an einen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen zur Abklärung einer Wurzelspitzenresektion zu überweisen. Der intraoperative Befund spricht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen, sondern maßgeblich für die Richtigkeit der Beurteilung der Röntgenaufnahme durch den Sachverständigen und das Bestehen einer Entzündung. Die Klägerin übersieht insoweit, dass in der elektronisch geführten Karteikarte im Rahmen der Beschreibung der Operation vom 12.6.2012 ein Knochendefekt dokumentiert ist, worauf Prof. Dr. Dr. B gegen Ende der Anhörung vor dem Landgericht hingewiesen hat. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die im Zeitpunkt der Wurzelspitzenresektion vorhandenen Schmerzen auf der im Mai 2012 vorgenommenen Eingliederung der Oberkieferversorgung beruhen konnten, lässt sie den vom Zahnarzt Dr. C erhobenen und vermerkten Lokalbefund „Druckdolenz vest. apical 11“ außer Acht.
72. Es lässt sich nicht annehmen, dass die Operateurin Dr. A mit dem überhitzten Griff des Ultraschallgeräts die Lippe der Klägerin verbrannt und auf diese Weise den von Prof. Dr. Dr. B festgestellten etwa 3 x 6 mm großen, leicht erhabenen, depigmentierten Narbenbereich im äußeren Drittel der Oberlippe rechts verursacht hat. Der Sachverständige ist nach Einsicht in die zur Akte gereichten Fotos und klinischer Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Ursache für die Entstehung der Narbe nicht klären lässt. In Betracht kämen insbesondere eine Verbrennung durch ein zu heiß gewordenes rotierendes Instrument oder einen zu heißen Instrumentengriff sowie eine Bissverletzung.
8Die Beurteilung, dass sich die Ursache nicht klären lässt, ist schlüssig. Eine Bissverletzung ist nach dem Ablauf am 12.6.2012 und der Lokalisation der Narbe konkret möglich. Auch wenn die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass sie während des Eingriffs wegen der in ihrem Mund befindlichen Schläuche diesen nicht habe schließen können, folgte nach dem Eingriff im Hinblick auf die Sedierung mit Dormicum eine Beobachtungsphase, in der es zu einer Bissverletzung gekommen sein kann. Dementsprechend ist bei der Kontrolluntersuchung am 15.6.2012, bei der eine kleine Verletzung an der rechten Oberlippe bestand, der Verdacht auf eine traumatische Bissverletzung durch die Patientin vor Abklingen der Lokalanästhesie in der elektronisch geführten Karteikarte dokumentiert worden. Prof. Dr. Dr. B hat – unter zusätzlichem Hinweis auf einen Selbstversuch – dargelegt, dass es sich um eine typische Stelle für eine Bisswunde handele, erst recht wenn die Lippe taub sei. Dies ist insbesondere im Hinblick darauf nachvollziehbar, dass die Narbe im Bereich der Eckzähne liegt.
9Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es weder der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme noch erlauben die Karteieintragungen des Hautarztes Dr. E ihr günstige, sichere Schlüsse. Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie, wie von ihr behauptet und Beweis gestellt, die Praxis des Beklagten am 12.6.2012 ohne Verletzung aufgesucht, jedoch mit einer Wunde an der rechten Oberlippe verlassen hat. Dieser Darstellung ist der Beklagte schon nicht entgegen getreten. Nach den Eintragungen von Dr. E in seiner Karteikarte hat die Operateurin Dr. A ihm am 28.8.2012 in einem Telefonat erklärt, dass die Verletzung an der Lippe rechts entweder durch ein warm gewordenes Ultraschallgerät oder durch Hakenzug, um das Operationsgebiet frei zu halten, verursacht worden sein könne. Danach handelt es sich nicht um eine Wahrnehmung der Ärztin Dr. A, sondern um eine Schlussfolgerung aus dem Ablauf der Operation und der Art der Verletzung, die andere nach den Erläuterungen des Sachverständigen mögliche Ursachen wie eine Bissverletzung nicht ausschließt. Soweit die Klägerin die Vernehmung des Zahnarztes Dr. C als Zeugen beantragt, kann ihr Vortrag als wahr unterstellt werden, dass der Beklagte Dr. C in einem Telefonat erklärt habe, ihre Lippe sei durch Verbrennungen während der Operation beschädigt worden. Dies entspricht dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten E-Mail von Dr. C vom 15.10.2015. Da der Beklagte die Wurzelspitzenresektion nicht durchgeführt hat, kann seine Angabe gegenüber Dr. C ebenfalls nur eine Schlussfolgerung darstellen, die andere mögliche Ursachen der Bissverletzung nicht ausschließt.
103. Das Ausfüllen des Knochendefekts mit Knochenersatzmaterial war nach den klaren und eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen nicht fehlerhaft. Prof. Dr. Dr. B hat darauf hingewiesen, dass ein entsprechendes Vorgehen derzeit zwar noch nicht Teil der Leitlinie sei, aber von vielen Ärzten mit dem Ziel, die Verknöcherung zu beschleunigen, durchgeführt werde. Einer weiteren Begründung des Sachverständigen bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb nicht, weil er den konkreten Grund genannt, der ein von der Leitlinie abweichendes Vorgehen rechtfertigt und zu dessen Bewertung als fachgerecht führt.
114. Soweit es um die – von der Klägerin behauptete und nach dem Inhalt der Behandlungsunterlagen unklare – Verwendung von bovinem statt synthetischem Knochenersatzmaterial geht, kommt weder eine Behandlungsfehler noch ein Aufklärungsmangel in Betracht. Es handelt sich nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. B um gleichwertige Materialien und Methoden, die keine unterschiedlichen Risiken oder Nachteilen haben. Der von der Klägerin gerügte Umstand, dass der Sachverständige diesen Punkt nicht weiter vertieft hat, begründet für sich genommen keinen weiteren Aufklärungsbedarf. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Erläuterungen unzutreffend sind.
12II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.