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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 11.05.2017 – 86 O 47/18 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem gescheiterten Outsourcing-Projekt in Anspruch.
4Die Klägerin ist eine Konzerngesellschaft der E AG und hat Bezahldienstleistungen angeboten. Im Jahre 2010 hatte sie die in London ansässige D-Unternehmung für einen knapp dreistelligen Millionenbetrag erworben. D funktionierte ähnlich wie der Branchenführer PayPal in der Weise, dass sich Internetkäufer registrierten und ihre Bankverbindung bei D hinterlegten. Bei anschließenden Online-Käufen wurden zur Übertragung von Geldguthaben vom Käufer an den Verkäufer nur noch Benutzername und Passwort angegeben, die Zahlungsmittelinformation lagen weiterhin bei D, die die weitere Zahlungsabwicklung übernahm. Mittlerweile ist der Geschäftsbetrieb eingestellt worden.
5Die Beklagte gehört zum Technologie- und Finanzdienstleistungsunternehmen des X-Konzerns, einem Anbieter von Outsourcing und white-label-Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, und erbringt IT- und Processing- Dienstleistungen.
6Nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens, mit dem die Klägerin ihre veraltete IT-Infrastruktur modernisieren wollte, welches sie dann aber aufgrund des Angebots der Beklagten abbrach, verhandelten die Parteien über ein Outsourcing der IT- und Processing-Leistungen und vereinbarten am 17.05.2013 ein Master-Services-Agreement (Anlage K 1, in deutscher Übersetzung Service-Rahmenvertrag), nach dem die Beklagte im Rahmen eines Outsourcings für die Klägerin Technologie-Dienstleistungen zu erbringen hatte. Der Vertrag sieht eine unbestimmte Laufzeit vor; eine ordentliche Kündigung sollte erst 5 Jahre nach Inkrafttreten möglich sein.
7Vor der eigentlichen Leistungserbringung war eine sog. „Transition“ bzw. Übergangsphase zu durchlaufen, in der zunächst eine Anpassung der Systeme und Standardprozesse und sodann eine Übernahme der Daten der Klägerin erfolgen sollte.
8Die Parteien vereinbarten dafür einen „Transition Plan“ (Anlage K 2), in deutscher Übersetzung: Übergangsplan des Lieferanten, der für den zeitlichen Ablauf bestimmte Termine (bzw. Meilensteine) vorsah. Insoweit wird auf Ziffer 2.4 des Übergangsplans des Lieferanten verwiesen. Als Vergütung für die Übergangsphase war ein Betrag von 2.500.000,- € vereinbart.
9Die Klägerin hat behauptet, allein der Projektstart am 02.05.2013 als erster Termin (Meilenstein) sei rechtzeitig erfolgt. Alle weiteren Termine seien von der Beklagten nicht eingehalten worden. So sei der für den 15.05.2013 vorgesehene 2. Meilenstein (Aufstellung des Projektteams) erst am 07.06.2013 erbracht worden. Auch die 3. bis 5. Meilensteine seien nicht erreicht worden. Dies habe sie zunächst mündlich gerügt.
10Am 23.08.2013 rügte sie die Verzögerung bei der Umsetzung der Übergangsphase per e-Mail (Anlage K 6). Eine Mahnung der Klägerin vom 30.08.2013 (Anlage K 7) wies die Beklagte unter Hinweis auf eine fehlende Mitwirkung der Klägerin, die dies bestritten hat, zurück (Anlage K 8).
11Im weiteren Verlauf verblieb es bei Abweichungen vom Umsetzungsplan. Die für den 13.11.2013 und 31.01.2014 zu erreichenden Meilensteine wurden nicht eingehalten, die Verantwortung dafür ist streitig. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 31.01.2014 zur Leistungserbringung bis zum 14.02.2014 auf (Anlage K 10). Mit Schreiben vom 07.02.2014 zeigte die Klägerin erneut das Nichterreichen eines Meilensteins an, kündigte die Geltendmachung eines Verzugsschadens an und bat um ein klärendes Gespräch (Anlage K 11). Nach weiteren Gesprächen bat die Klägerin unter dem 26.02.2014 um Vorlage eines Lösungsvorschlags bzw. Alternativkonzepts bis zum 19.03.2014 (Anlage K 12). Mit weiterem Schreiben vom 12.03.2014 (Anlage K 13) zeigte sie das Nichterreichen des für den 05.03.2014 vorgesehenen Meilensteins Nr. 9 „System switched“ (deutsche Übersetzung: System (ein)-geschaltet) an. Die Beklagte trat dem Vorbringen der Klägerin mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage K 14) entgegen, unterbreitete in der Folge einen neuen Vorschlag, den die Klägerin aber nicht annahm, sondern mit Schreiben vom 06.06.2014 die fristlose Kündigung des Vertrages aussprach (Anlage K 15) und eine Schadensersatzforderung in Höhe von 6.500.000,- € stellte. In den Jahren 2014 und 2015 wurden schließlich in Zusammenhang mit einer größeren Kooperation der Konzerne Gespräche geführt, die nicht zu einem Ergebnis führten. Zahlungen auf das Outsourcing-Projekt leistete die Klägerin keine.
12Die D Gruppe stellte ihren operativen Geschäftsbetrieb zum 30.09.2016 ein. Dies hat die Klägerin damit begründet, dass in einem schwieriger gewordenen Marktumfeld das Produktportfolio und die der D Gruppe zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten nicht ausreichend seien, um langfristig erfolgreich sein zu können. Eine Ursache dieser Entwicklung sei auch das gescheiterte Outsourcing an die Beklagte, weil die mit dem Projekt erstrebten Kosteneffekte sowie die von der Beklagten in Aussicht gestellte höhere technische Qualität und Flexibilität nicht zur Verfügung gestanden hätten.
13Mit der Klage hat die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.145.783,00 € als Vertragsstrafe bzw. Schadensersatz geltend gemacht.
14Zur Vertragsstrafe hat sie auf die Regelung in Ziffer 3.3 des „Exhibit 4 – charges and financial provisions“ (Anlage K 3) verwiesen, in der es heißt:
15„In the event that the above Key Milestones are not met D shall be entitled to Service Credits in the amount of 20 % (per week or part thereof) of the portion of the Transition Charges applicable to such relevant Key Milestone.”
16In der deutschen Übersetzung (Anlage 4 – Gebühren und finanzielle Bestimmungen):
17“Sofern die obenstehenden wichtigen Meilensteine nicht eingehalten werden, hat D Anspruch auf Servicegutschriften in Höhe von 20 % (pro Woche oder pro Teil der Woche) des Anteils der Servicegebühren, die für einen solchen relevanten wichtigen Meilenstein gelten.“
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 in der deutschen Übersetzung verwiesen.
19Aus dieser Bestimmung hat die Klägerin einen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 20 % auf den fälligen Teilbetrag der Transitionvergütung pro angefangener Woche der Verspätung abgeleitet. In einer Aufstellung hat sie die Verspätungen summiert und ist zu einem Anspruch auf Vertragsstrafe in Höhe von 6.650.000,- € gelangt
20Daneben hat sie ihren Anspruch auf Schadensersatz auf Ziffer 18.1.9 i.V.m. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages gestützt, wobei die Vertragsstrafe auf einen eventuell überschreitenden Schadensersatzanspruch anzurechnen sei. Die Klägerin habe den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt, da die Beklagte ihre wesentlichen Pflichten aus dem Vertrag, nämlich die fristgerechte Durchführung der Transition, nachhaltig und gravierend verletzt habe. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Beklagte mit dem Meilenstein „platform supports CAB specific features“ um mehr als 6 Monate in Verzug gewesen. Der Verzug mit dem Meilenstein 9 „System switched“, der für den 05.03.2014 vorgesehen gewesen sei, betrage mehr als 3 Monate.
21Als Schadensersatzpositionen hat die Klägerin zusätzliche Projektkosten ab März 2014 bis zur Kündigung am 06.06.2014, Kosten für zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen für ihre Systeme, entgangene Einsparungen auf Grund erhöhter Kosten des laufenden internen Betriebs im Vergleich zu den im Service-Rahmenvertrag vereinbarten laufenden Gebühren im Zeitraum vom 05.03.2014 bis zur Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs und schließlich entgangenen Gewinn, da das Business Case „Online Payments“ nicht habe umgesetzt werden können, geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Darstellung in der Klageschrift, Bl. 19 ff. d.A., im Schriftsatz vom 25.11.2016, Bl. 182 ff. d.A., und im Schriftsatz vom 07.02.2017, Bl. 285 ff. d.A., verwiesen.
22Die Klägerin hat beantragt,
23die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.154.783,- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins für den Zeitraum vom 06.06. 2014 bis zum 28.07.2014 und in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 29.07.2014 zu zahlen.
24Die Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Die Beklagte hat zunächst darauf verwiesen, dass das streitgegenständliche Outsourcing-Projekt in engem Zusammenhang mit weiteren Vertragsbeziehungen und vorvertraglichen Rechtsverhältnissen zwischen den Konzernen der Parteien stehe.
27Die Beklagte hat behauptet, Ursache des Scheiterns des Outsourcing-Projekts sei der geschäftliche Misserfolg der Klägerin, das fehlende Interesse der Mitarbeiter der D-Gruppe an einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Beklagten und schließlich die Intervention der Muttergesellschaft der Klägerin, der E AG, gewesen. Der Hauptkunde der Klägerin Apple (iTunes) habe sich im Mai 2013 – unmittelbar nach Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung vom 17.05.2013 – entschlossen, nunmehr in Deutschland für seinen Online-Store PayPal als Bezahlmöglichkeit anzubieten. Dies habe Einfluss auf die subjektive Einschätzung der Klägerin im Hinblick auf ihre geschäftliche Zukunft gehabt. Es sei schon zu Beginn der Zusammenarbeit mit der Beklagten die Einstellung von D erwogen worden. Im Mai 2015 habe der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Herr Höttges, die Übernahme von D als Fehler bezeichnet; bereits Ende 2015 sei in der Presse von der geplanten Betriebseinstellung berichtet worden. Zum 30.04.2016 habe D seinen Bezahldienst eingestellt. Das von der Klägerin angegebene Datum 30.09.2016 sei irreführend und könne lediglich die Abwicklung des früheren operativen Geschäftsbetriebs betreffen.
28Der gesamte Projektverlauf sei vor dem Hintergrund der späteren Einstellung des Geschäftsbetriebs zu sehen.
29Die Beklagte hat ihre Verantwortung für die eingetretenen Verzögerungen bestritten. Diese seien nicht von der Beklagten, sondern von der Klägerin zu vertreten. Die Mitarbeiter der Klägerin, deren Arbeitsplätze durch das Outsourcing-Projekt bedroht gewesen seien, hätten die Daten nicht rechtzeitig und im erforderlichen Umfang an die Beklagte übertragen. Der Service-Rahmenvertrag sehe nämlich gerade keine Übernahme von Arbeitnehmern der Klägerin durch die Beklagte vor, weil die Beklagte die Leistungen mittels ihrer bereits vorhandenen IT-Systeme erbringen sollte und nicht die IT-Infrastruktur der Klägerin übernehmen sollte.
30Die Zusammenarbeit sei zudem dadurch belastet worden, dass die Klägerin bzw. die Konzernmutter Telekom AG die Strategie „Mobile First“ herausgegeben habe. Es sollten alle Anwendungen in erster Linie für Handy oder andere mobile Endgeräte und nicht für PC etc. gefertigt werden. Das habe weitere Apps etc. erforderlich gemacht. Aus diesem Grunde seien verschiedene Gespräche geführt worden und es sei in der Folge vereinbart worden, die Migration vom 05.03.2013 auf den 30.09.2014 zu verschieben. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 29.02.2017, Bl. 65 ff. d.A, verwiesen.
31Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Klausel in Ziffer 3.3 der Anlage 4 zum Service-Rahmenvertrag gerade keine Vertragsstrafe beinhalte. Der Begriff „service credit“ bezeichne eine Dienstleistungsgutschrift, der als reiner Abzugsposten von Rechnungen der Beklagten geltend gemacht werden könne. Die Klägerin habe jedoch keinerlei Zahlungen geleistet.
32Die Kündigung vom 06.06.2014 sei unwirksam. Es fehle nicht nur an einem wichtigen Grund, sondern die auf die Verzögerungen gestützte Kündigung sei auch nicht rechtzeitig erklärt worden. Die Klägerin behaupte Verzögerungen etwa für den bis zum 13.11.2013 zu erbringenden Meilenstein Nr. 5, dessen Verspätung erst zum 31.01.2014 gerügt worden sei. Nachdem man sich in Gesprächen auf eine Fristverlängerung bis zum 19.03.2014 geeinigt habe, sei die erst am 06.06.2014 ausgesprochene Kündigung verspätet. Die Beklagte hat behauptet, die Kündigung sei allein unter dem Eindruck der beabsichtigten Einstellung des Geschäftsbetriebs erfolgt, um auf diese Weise weit höhere Kosten in Höhe von mehr als 11 Mio. € einzusparen.
33Die Beklagte ist ferner den geltend gemachten Schadensersatzpositionen im Einzelnen entgegen getreten.
34Mit der Widerklage hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 743.750,- € für die Lieferung des Meilensteins Nr. 2 „Projektteam ist aufgestellt“ gem. Rechnung vom 30.09.2013 (Anlagenkonvolut K 4 am Ende) geltend gemacht. Die Fertigstellung dieses für den 15.05.2013 vorgesehenen Meilensteins sei am 08.05.2013 erfolgt und gelte gem. Ziffer 2.8 des Anhangs 16-A (Übergangsplan des Lieferanten) als abgenommen.
35Dazu hat die Beklagte behauptet, sie habe der Klägerin am 08.05.2013 eine Datei (Anlage B 18) übersandt, in der die für die jeweiligen Bereiche verantwortlichen Personen in einem Organigramm namentlich aufgeführt gewesen seien. Auf einer weiteren Seite seien die Mitglieder des „Project Steering Panels“ aufgeführt worden. Diese Übersichten seien vollständig gewesen, es seien alle wesentlichen Aspekte der Projektorganisation und des Projektteams abgebildet worden. Die Angabe weiterer Details sei nicht gefordert.
36Erstmals mit Mail vom 03.06.2013 habe die Klägerin ein Abnahmeformular vom 22.05.2013 übersandt, in dem die Abnahme verweigert wurde, weil das Organigramm keine Projektorganisation zeige und Arbeitsstränge wie „Relocation“, „Test“ und „Migration“ fehlten. Diese Beanstandungen hätten sich aber auf eine Vorabversion vom 06.05.2013 bezogen, die wegen der am 08.05.2013 übersandten Datei obsolet sei.
37Die von der Beklagten daraufhin am 06.06.2013 „um des lieben Frieden willen“ übersandte ergänzte Fassung des Organigramms (Anlage B 21) sei im Wesentlichen identisch mit der am 08.05.2013 übersandten Fassung.
38Sie hat die Ansicht vertreten, nach dem Vertrag sei eine im Ergebnis erfolgreiche Transition nicht Voraussetzung für den Vergütungsanspruch, so dass das Scheitern des Projekts den Vergütungsanspruch nicht habe entfallen lassen.
39Die Beklagte und Widerklägerin hat beantragt,
40die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte 743.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2013 zu zahlen.
41Die Klägerin und Widerbeklagte hat beantragt,
42die Widerklage abzuweisen.
43Die Klägerin ist den Behauptungen der Beklagten entgegen getreten. Die allgemeinen Ausführungen der Beklagten zur wirtschaftlichen Entwicklung der D-Unternehmung seien überwiegend unzutreffend und dienten nur dazu, von der Verantwortung der Beklagten für die Verzögerungen abzulenken.
44Die Beklagte habe den Meilenstein 2 „Projektteam ist aufgestellt“ nicht fristgerecht, sondern mit mehrwöchiger Verspätung erfüllt, so dass sich der in Rechnung gestellte Betrag schon um 500.000,- € (vier angefangene Verspätungswochen) reduziere.
45Das vollständige Setup des Projektteams der beiden Parteien und die Festlegung und Niederschrift einer verbindlichen Projektorganisation habe die Beklagte erst am 07.06.2013 geliefert. Denn gegenüber dem am 08.05.2013 übersandten Organigramm seien erst dort die Bereiche „Internal Consulting“, „Data Migration“, „Test“ und „Relocation“ mit den dazugehörigen Verantwortlichen genannt.
46Der Anspruch entfalle aber insgesamt, weil die Transition gescheitert sei. Nur bei erfolgreicher Abnahme der Transition bestehe ein Anspruch auf die Vergütung. Die Vereinbarung von Abschlagszahlungen habe allein der Unterstützung der Liquidität der Beklagten gegolten.
47Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klage sei nicht begründet, da der Klägerin weder ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 6.650.000 € nach Ziff. 3.3 der Anlage 4 – Gebühren und finanzielle Bestimmungen – des Service-Rahmenvertrages noch ein Schadensersatzanspruch zustehe. Bei der Regelung in Ziff. 3.3 der Anlage 4 handele es sich nicht um ein Strafversprechen im Sinne der §§ 339 ff. BGB, sondern die Bestimmung regele den Anfall und die Höhe von Servicegutschriften, um die die Rechnungen der Beklagten von der Klägerin bei Nichteinhalten der wichtigen Meilensteine gekürzt werden könnten.
48Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin folge auch nicht aus Ziff. 18.1.9 i.V.m. Ziff. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages vom 17.05.2013 oder aus den §§ 280, 281, 286 BGB. Denn die von der Klägerin am 06.06.2014 ausgesprochene fristlose Kündigung sei nicht gerechtfertigt gewesen. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte für die Verzögerung bei der Erfüllung des Meilensteins Nr. 9 verantwortlich sei und deshalb ein Grund für eine fristlose Kündigung bestanden habe. Denn jedenfalls sei die Kündigung nicht rechtzeitig innerhalb angemessener Frist, nachdem die Klägerin von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt habe, erfolgt. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei eine Frist von nicht mehr als zwei Monaten angemessen. In dieser Zeit sei es der Klägerin möglich gewesen zu entscheiden, ob sie die nach ihrem Vorbringen bereits in der Vergangenheit sich andeutenden Verzögerungen weiter hinnehmen könne oder ob sie das Vertragsverhältnis deswegen beenden müsse. Die zweimonatige Frist habe am 19.03.2014 begonnen, nachdem auch innerhalb der bis zum 18.03.2014 verlängerten Frist der für den 05.03.2014 vorgesehene Meilenstein nicht erfüllt worden sei. Die erst am 06.06.2014 ausgesprochene Kündigung sei daher verspätet. Dass die Parteien in der Zeit bis zum Ausspruch der Kündigung noch weitere Gespräche auf Management-Ebene geführt hätten, führe nicht zu einer Verlängerung der Frist. Denn die Gespräche bewirkten gerade, dass die Beklagte auf den Fortbestand des Vertrages habe vertrauen dürfen.
49Die Beklagte und Widerklägerin habe gegen die Klägerin und Widerbeklagte einen Vergütungsanspruch i.H.v. 743.750,- € für die Lieferung des Meilensteins 2 “Projektteam ist aufgestellt“. Die am 08.05.2013 von der Beklagten übersandte Version des Organisationsplans gelte als abgenommen, da die Klägerin nicht innerhalb der Frist von sieben Arbeitstagen die Abnahme verweigert habe. Dies ergebe sich aus Ziff. 2.8, 2. Absatz, letzter Satz der Anlage 16. Dass die Klägerin später die Abnahme verweigert habe und die Beklagte daraufhin am 07.06.2013 noch eine überarbeitete Version verschickt habe, sei deshalb unerheblich. Der Vergütungsanspruch entfalle auch nicht, weil das Projekt letztlich nicht durchgeführt worden sei. Denn die Parteien hätten mit der Vereinbarung von Teilbeträgen für so genannte relevante Meilensteine zum Ausdruck gebracht, dass diese Teilleistungen separat zu vergüten seien. Dies folge aus Ziff. 3.2 der Anlage 4 (Gebühren und finanzielle Bestimmungen).
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angegriffene Urteil und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
51Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
52Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Kündigung der Klägerin nicht innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund im Sinne von § 314 Abs. 3 BGB erfolgt sei. Soweit das Landgericht den Beginn der Kündigungsfrist auf den 18.03.2014 angesetzt habe, habe es ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 31.03.2017 und die dort zitierte Kommentarliteratur in gehörsverletzender Weise ausgeblendet und übersehen, dass eine Kündigungsfrist erst mit Ablauf einer Abhilfefrist beginnen könne. Sie verweist auf die Vorschrift in Ziff. 18.1.1 lit. (i) des Service-Rahmenvertrages, nach der die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund voraussetze, dass die Beklagte gegen eine ihrer Verpflichtungen aus dem Service-Rahmenvertrag verstoßen habe, ein solcher Verstoß erhebliche nachteilige Auswirkung auf die vertragsgegenständlichen Services hatte und die Beklagte einen derartigen Verstoß nicht innerhalb von 30 Tagen nach schriftlicher Mitteilung behebe. Die Nichterfüllung der Verpflichtung, den Meilenstein 9 zum 05.03.2014 zu erreichen, stelle die für die Klägerin erhebliche nachteilige Vertragsverletzung dar. Dies habe die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 12.03.2014 (Anlage K 13) mitgeteilt. Daraufhin habe die Beklagte 30 Tage Zeit gehabt, Abhilfe zu schaffen. Die Kündigung habe daher frühestens am 15.04.2014 ausgesprochen werden dürfen. Die Zweimonatsfrist des § 314 Abs. 3 BGB sei daher frühestens mit dem 15.06.2014 abgelaufen, so dass die am 6. Juni ausgesprochene Kündigung fristwahrend gewesen sei.
53Auch sei das landgerichtliche Urteil unklar insoweit, als nicht erkennbar sei, auf welche Kenntnis von welchem Kündigungsgrund es abstelle. Soweit das Verfehlen früherer Meilensteine anklinge, könne dies nicht für den Fristenlauf maßgeblich sein, da die Klägerin nicht vor Ablauf des 05.03.2014 gewusst habe, dass der Meilenstein 9 verfehlt werden würde. Sie möge dies allenfalls befürchtet haben.
54Rechtsfehlerhaft sei auch die Erwägung des Landgerichts, wonach der Umstand, dass in dem Zeitraum nach dem Schreiben der Klägerin vom 12.03.2014 (Anlage K 13) noch Gespräche auf Managementebene geführt worden seien, nicht zu einer Verlängerung der Kündigungserklärungsfrist geführt habe, sondern dass dieser Umstand ein Vertrauen der Beklagten darauf begründet habe, dass der Service-Rahmenvertrag fortbestehen werde. Das Landgericht überdehne schon den Parteivortrag, da die Beklagte noch nicht einmal behauptet habe, aufgrund der Gespräche auf Managementebene auf den Fortbestand des Vertrages vertraut zu haben. Zudem verstoße die Rechtsauffassung des Landgerichts gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, wonach von jeder Vertragspartei gefordert werde, zunächst alle zu Gebote stehenden wirtschaftlichen und organisatorischen Maßnahmen, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung vermeiden würden, zu prüfen und ggfs. umzusetzen.
55Es habe keinen Anhaltspunkt gegeben, aus dem die Beklagte darauf hätte schließen können, dass es der Klägerin letztlich nicht auf die Einhaltung des Meilensteins 9 ankomme und sie wegen des Versäumens oder wegen einer signifikanten Verschiebung des Meilensteins 9 keine Kündigung aussprechen werde. Es habe sich aus den Gesprächen auch nichts ergeben, aus dem die Beklagte hätte schließen können, dass die Klägerin ein Festhalten an dem Vertrag als zumutbar erachte. Gerade weil die Beklagte die Transitionsphase selbst Ende Mai 2014 noch nicht abgeschlossen gehabt habe und es auch Anfang Juni 2014 nicht absehbar gewesen sei, dass diese überhaupt irgendwann einmal erfolgreich beendet werden könne, habe nichts dafür gesprochen, dass die Klägerin weiter an dem Vertrag festhalten wolle. Dabei habe das Landgericht auch eine Gesamtschau vermissen lassen und verkannt, dass es sich bei der Vertragsverletzung der Beklagten nicht um einen singulären Vorgang gehandelt habe, sondern um einen Dauerverstoß. Die Rechtsansicht des Landgerichts führe zu dem absurden Ergebnis, dass die Transitionsphase hätte ewig fortgesetzt werden müssen.
56Das Landgericht habe sich zudem nicht mit allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen auseinandergesetzt. Denn der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergebe sich jedenfalls zum Teil auch daraus, dass sich die Beklagte mit den Meilensteinen 5, 6 und 9 in Verzug befunden habe. Soweit man die Rechtsverteidigung der Beklagten, dass sie die Nichterfüllung der verschiedenen Meilensteine nicht zu vertreten habe, als erheblich ansehe, hätte das Landgericht eine Beweisaufnahme durchführen müssen. Einzelne Schadenspositionen bezögen sich auf den Verzugszeitraum März bis Mai 2014 und hätten vom Landgericht berücksichtigt werden müssen.
57Auch der Widerklage habe das Landgericht zu Unrecht stattgegeben. Die Transition sei als Einheit zu sehen. Da spätestens durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin die Vertragsdurchführung unmöglich geworden sei, seien die Teilleistungen für die Klägerin sinnlos geworden. Eine nur teilweise Durchführung einer Übergangsphase bewirke eben nicht das Stadium, das nach der Übergangsphase erreicht werden sollte. Die Bildung eines Projektteams habe auch für sich genommen keine Relevanz für die Klägerin gehabt. Dass die Transitionsphase nur als einheitliches Gebilde zu sehen sei, ergebe sich auch aus der Anlage 16, dort Anhang 16 a, Ziff. 1.2, und den dort umrissenen Zielen der Transition sowie aus der in Ziff. 2.8 Abs. 5 vorgesehenen Gesamtabnahme. Entsprechend sehe Ziff. 3.1 der Anlage 4 auch ein Gesamthonorar für die Transitionsphase i.H.v. 2.500.000,- € vor. Die Tabelle unter Ziff. 3.2 der Anlage 4 des Service-Rahmenvertrages enthalte nur prozentuale Angaben und „Zahlungsbeträge“, spreche aber nicht von „Teilvergütung“. Es handele sich insoweit um Abschlagszahlungen auf das Gesamthonorar. Dies werde auch daraus deutlich, dass der zu zahlende Betrag von 625.000 € zzgl. MwSt in keinem Verhältnis zu den für den Meilenstein zu erbringenden Leistungen (Aufsetzen eines Projektteams) stehe.
58Die Klägerin beantragt,
59unter Abänderung des am 11.05.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln - 86 O 47/16 – die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.154.783,- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins für den Zeitraum vom 06.06.2014 bis zum 28.07.2014 und in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 29.07.2014 zu zahlen sowie die Widerklage abzuweisen.
60Die Beklagte beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen.
62Sie hält das Urteil im Ergebnis für richtig. Die Klage sei schon unschlüssig, weil der Beklagten die Transitionsleistungen jedenfalls auch deshalb unstreitig unmöglich gewesen seien, weil die Klägerin nicht sämtliche Händler aus dem Altsystem in das System „M1“ bis zum 05.03.2014 übertragen habe. Insofern habe der Klägerin kein Recht zur außerordentlichen Kündigung zugestanden.
63Anders als das Landgericht meine, scheitere ein fristlose Kündigung zudem schon daran, dass die Klägerin in ihrem Schreiben vom 12.03.2014 (Anlage K 13) kein, erst recht kein unmissverständliches, Abhilfeverlangen in Bezug auf den Meilenstein 9 ausgesprochen habe und sie auch keine Abhilfefrist gesetzt habe. Vielmehr habe die Klägerin im vorgenannten Schreiben lediglich ihre vermeintlichen finanziellen Ansprüche aus dem Verfehlen des Meilensteins 9 dargelegt. Die Voraussetzungen des § 314 Abs. 2 S. 1 BGB lägen also nicht vor. Soweit die Klägerin am Ende des Schreibens an die Übermittlung eines Vorschlages für eine Alternativlösung und Kompensationsregelung bis zum 19.03.2014 erinnere, zeige dies, dass es der Klägerin gerade nicht darum gegangen sei, das Vertragsverhältnis zu beenden, sondern dass sie vielmehr als Alternativlösung den Abschluss eines neuen Vertrages angestrebt habe, der an die Stelle des ursprünglichen Vertrages treten sollte, und dass es ihr ansonsten darum gegangen sei, die umfangreichen Leistung der Beklagten, welche diese über einen Zeitraum von knapp einem Jahr bereits erbracht hatte, nicht bezahlen zu müssen.
64Soweit das Landgericht angenommen habe, dass sich die Parteien auf eine Abhilfefrist bis zum 19.03.2014 geeinigt hätten, sei dies fehlerhaft. Es sei vielmehr unstreitig, dass sich die Frist nicht auf die Fertigstellung des Meilensteins 9 oder sonst auf die Erbringung einer vertraglich geschuldeten Leistung bezogen habe, sondern auf die Übersendung eines Lösungsvorschlags, und zudem einseitig von der Klägerin gesetzt worden sei. Zudem habe die Beklagte die Frist eingehalten. Auch Ziff. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages enthalte keine Fristsetzung im Sinne von § 314 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Vorschrift modifizierende § 314 BGB lediglich dahingehend, dass für die Abmahnung die Schriftform vereinbart sei und die Abhilfefrist mindestens 30 Tage betragen müsse. Die abstrakte Vereinbarung einer Mindestdauer einer Abhilfefrist in einer Vertragsklausel stelle keine Bestimmung einer Abhilfefrist im Sinne von § 314 Abs. 2 S. 1 BGB dar und könne diese nicht ersetzen. Die Voraussetzungen des § 314 Abs. 2 S. 1 BGB seien durch Ziff. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages auch nicht abbedungen worden, was wegen des zwingenden Charakters von § 314 BGB auch unzulässig sei. Die Abhilfefrist sei also nicht durch das Schreiben der Klägerin vom 12.03.2014 (Anlage K 13) in Gang gesetzt worden. Zudem sei die Fristberechnung der Klägerin auch fehlerhaft.
65Jedenfalls habe das Landgericht aber zu Recht angenommen, dass die angemessene Frist im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abgelaufen gewesen sei. Maßgeblich für die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 314 Abs. 3 BGB sei der Zugang der Kündigungserklärung beim Erklärungsempfänger, der hier erst am 14.06.2014 erfolgt sei. Da der 14.06.2014 ein Samstag gewesen sei, das Kündigungsschreiben also außerhalb der Geschäftszeiten der Beklagten eingegangen sei, habe die Beklagte dieses erst am Montag, den 16.06.2014, vorgefunden. Die Kündigung sei mithin also drei Monate und elf Tage nach dem 05.03.2014 erfolgt. Die Klägerin habe die außerordentliche Kündigung ausdrücklich sowohl darauf gestützt, dass die Beklagte angeblich mehr als drei Monate mit der Erfüllung des für den 05.03.2014 vorgesehenen Meilensteins 9 in Verzug gewesen sei, als auch darauf, dass die Beklagte angeblich noch länger mit der Erfüllung früherer Meilensteine in Verzug gewesen sei. Es sei mithin nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht bei der Bemessung einer angemessenen Frist berücksichtigt habe, dass der Klägerin ein (vermeintlicher) Kündigungsgrund nicht erst seit dem 05.03.2014, sondern im Grunde genommen schon sehr viel länger bekannt gewesen sei. Denn die Meilensteine bauten logisch aufeinander auf. Insofern hätte die Klägerin gewusst, was sie z.B. auch in ihrem Schreiben vom 26.09.2013, Anlage K 9, zum Ausdruck gebracht habe, dass der vertraglich fixierte Fertigstellungstermin bei Nichteinhalten früherer Meilensteine unrealistisch gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es nicht zu beanstanden, dass das (bestrittene) Vorbringen der Klägerin, in der Zeit bis zum Ausspruch der Kündigung seien noch weitere Gespräche auf Managementebene geführt worden, keine Verlängerung der Kündigungsfrist bewirke. Die Beklagte habe auf Grundlage des Schreibens vom 12.03.2014 (Anlage K 13) nicht mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen müssen. Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt nach dem 05.03.2014 angedeutet habe, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel stehe, habe das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte auf den Fortbestand des Vertrages vertraut habe. Der entsprechende Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 31.03.2017 sei verspätet gewesen. Zudem habe die Beklagte den Vortrag im Schriftsatz vom 09.05.2017 richtiggestellt. Entgegen der Behauptung der Klägerin seien auf Geschäftsführerebene nach dem 21.03.2014 keine Verhandlungen mehr geführt worden. Vielmehr habe der Geschäftsführer der Beklagten auf seine als Anlage K 40 vorgelegte E-Mail vom 21.03.2014 keine Antwort mehr erhalten. Andere Gespräche sei nur noch auf operativer Ebene geführt worden. Die Klägerin habe nicht signalisiert, dass sie den Vertrag nicht weiterführen wolle und es ihr auf die erfolgreiche Durchführung des Outsourcing-Projekts in unveränderter Form ankomme. Dazu verweist die Beklagte auf ihren Vortrag erster Instanz, nachdem die Klägerin spätestens nach Bekanntwerden, dass ihr Hauptkunde Apple iTunes auch den Bezahldienst PayPal zulasse, das Projekt nicht ernsthaft weiter betrieben habe. Es sei also jedenfalls eine angemessene Kündigungsfrist verstrichen.
66Bezüglich des fehlenden Kündigungsgrundes verweist sie auf ihr Vorbringen erster Instanz, insbesondere dazu, dass die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Verpflichtung, sämtliche Händler aus dem Altsystem in das System M 1 zu übertragen, nicht eingehalten habe.
67Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe die Klage auch zu Recht unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes abgewiesen. Detaillierte Ausführungen des Landgerichts seien schon deshalb entbehrlich gewesen, weil die Klägerin in erster Instanz einen Verzögerungsschaden schon nicht schlüssig dargelegt habe; vielmehr habe sich der Sachvortrag der Klägerin zu ihren angeblichen Schäden allein auf die vermeintlichen Kündigungsfolgen bezogen. Abgesehen davon habe die Klägerin auch die Verzugsvoraussetzung in Bezug auf die einzelnen Meilensteine nicht dargelegt. Es fehle an entsprechenden Mahnungen und die Beklagte müsse auch nicht darlegen, dass sie den Verzug nicht im Sinne von § 286 Abs. 4 BGB zu vertreten habe. Sie habe sich vielmehr darauf berufen, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Deren Nichterfüllung führe bereits dazu, dass die Beklagte nicht in Verzug geraten sei. Aus der fehlenden Mitwirkung des Auftraggebers folge, dass die vertraglich festgelegten Fertigstellungstermine ihre Verbindlichkeit verlören. Dass die Klägerin ihre zentrale Mitwirkungspflicht, nämlich die Migration sämtlicher Händler aus dem Alt-System in das System M1, nicht erfüllt habe, sei unstreitig. Zudem behauptet die Beklagte, die Klägerin habe auch ihre Mitwirkungspflicht, die aktuellen Benutzergeschichten und alle aktuellen Testfälle zu übergeben, nicht erfüllt. Sie ist der Ansicht, die Beweislast für die Erfüllung der Mitwirkungspflichten liege bei der Klägerin, da sie Anspruchsvoraussetzung für die vertraglichen Leistungsansprüche der Klägerin sei.
68Das Urteil sei auch rechtsfehlerfrei, soweit das Landgericht der Widerklage stattgegeben habe. Die Abnahmefiktion sei eingetreten. Ein nachträglicher Wegfall der in Ziff. 3.2 der Anlage 4 vereinbarten Teilvergütungen für den Fall, dass das Gesamtprojekt aus irgendeinem Grund nicht fertig gestellt werde, sei dem Vertrag nicht zu entnehmen. Die Parteien hätten gerade im Gegenteil vereinbart, dass eine Leistungsstörung bezüglich einer (späteren) Teilleistung nicht auf die anderen (zu einem früheren Zeitpunkt) ordnungsgemäß erbrachten Teilleistungen durchschlagen sollte. Eine Teilunmöglichkeit läge nicht vor. Die Klägerin argumentiere ausschließlich mit ihrem eigenen Interesse, wenn sie vorbringe, dass für sie nur die vollständige Erbringung der Transition verwertbar gewesen sei. Sie blende aus, dass die Beklagte auch einen großen Aufwand habe betreiben müssen und es in ihrem Interesse liege, nicht mit dem gesamten Projekt in Vorleistung gehen zu müssen. Die Vergütung für den Meilenstein 2 sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sie allein der externe Mitarbeiter Michael Engblom pro Tag 1.100,- € zuzüglich Mehrwertsteuer gekostet habe. Sie verlange eine Vergütung für eine Teilleistung gemäß § 641 Abs. 1 S. 2 BGB und nicht eine bloße Abschlagszahlung gemäß § 632 a BGB. Dies zeige sich insbesondere darin, dass vorliegend eine Teilabnahme vorgesehen gewesen sei.
69Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.04.2018 als Anlage K 43, Bl. 625 GA, eine E-Mail des Herrn Erich Schulze, Legal Counsel der Klägerin, vom 06.06.2014 an die Beklagte vorgelegt, in deren Anlage „zur Vorabinformation“ der Text der (nicht unterschriebenen) Kündigungserklärung beigefügt war. Weiter ist in der E-mail ausgeführt: „Eine rechtsverbindlich unterzeichnete Ausfertigung des Schreibens wird ihnen unverzüglich per Einschreiben übersandt“. Die Klägerin ist der Auffassung, dass, auch wenn die E-Mail vom 06.06.2014 nicht die Schriftform der Ziff. 18.3 des Service-Rahmenvertrages gewahrt habe, der Zugang der E-Mail am 06.06.2014 insofern maßgeblich, sei als die Beklagte jedenfalls spätestens ab diesem Zeitpunkt kein Vertrauen in den Fortbestand des Vertragsverhältnisses gehabt habe. Die Beklagte hält demgegenüber weiterhin den 16.06.2014 (Zugang der unterschriebenen Kündigungserklärung während ihrer Geschäftszeit) für maßgeblich.
70Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen.
71II.
72Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
731. Zutreffend - und von der Berufung auch nicht angegriffen - hat das Landgericht zunächst einen Anspruch der Klägerin auf Vertragsstrafe in Höhe von 6.650.00,- € verneint. Aus der Regelung in Ziff. 3.3. der Anlage 4 „Gebühren und finanzielle Bestimmungen“ zum Service-Rahmenvertrag, die vorsieht „ … Sofern die vorgenannten wichtigen Meilensteine nicht eingehalten werden, hat D einen Anspruch auf Servicegutschriften in Höhe von 20 % (pro Woche oder Teil der Woche) des Anteils der Servicegebühren, die für einen solchen relevanten wichtigen Meilenstein gelten.“, kann ein Anspruch auf Zahlung nicht hergeleitet werden. Vielmehr geht aus der Regelung hervor, dass die für das Erreichen bestimmter wichtiger Meilensteine vorgesehenen prozentualen Teilbeträge der Übergangsgebühren von insgesamt 2.500.000,- € reine Abzugsposten sind bis zu maximal 100 % der gesamten Vergütung für die Übergangsphase. Die Beklagte hätte im schlechtesten Fall (Verzug mit allen fünf teilzahlungsrelevanten Meilensteinen gem. der Tabelle in Ziff. 3.2. um mehr als 4 Wochen) ihren Vergütungsanspruch verwirkt, wobei allerdings der Verzug mit früheren Meilensteinen bei erfolgreicher Umsetzung des letzten Meilensteins geheilt gewesen wäre, da die Beklagte dann alle zuvor erteilten Servicegutschriften „zurückgewonnen“ hätte.
742. Die Berufung wendet sich auch ohne Erfolg dagegen, dass das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus den Ziff. 8.1.1 und 8.1.9 des Service-Rahmenvertrages in Höhe von 8.154.783,- € wegen Kündigung aus wichtigem Grund verneint hat.
75Das Landgericht hat zu Recht dahinstehen lassen, ob der Klägerin ein wichtiger Grund zur Kündigung des Service-Rahmenvertrages zur Seite stand, ob sich also die Beklagte aus von ihr zu vertretenden Gründen - und ohne dass der Zeitpunkt für das Erreichen bestimmter Schritte innerhalb der Übergangsphase einvernehmlich hinausgeschoben wurde - mit der Umsetzung des Projekts in Rückstand befand. Denn die Klägerin hat die fristlose Kündigung, die sie insbesondere darauf stützt, dass sich die Beklagte mit der Umsetzung des wichtigsten Meilensteins der Übergangsphase (Meilenstein 9 „System switched“), der für den 05.03.2014 vorgesehen war, mehr als drei Monate in Verzug befand, nicht innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB erklärt. Die angemessene Frist hat das Landgericht zutreffend mit maximal zwei Monaten seit Mitte März 2014 bemessen. Diese Frist war Mitte Mai 2014 abgelaufen.
76a) Insofern kommt es nicht darauf an, ob hinsichtlich des Wirksamwerdens der Kündigungserklärung auf den 16.06.2013 (Zugang der rechtsgültig unterschriebenen Kündigungserklärung zu den Geschäftszeiten der Beklagten) oder den 06.06.2013 (Zugang des Textes der Kündigungserklärung per-Emal als Vorabinformation) abgestellt wird. Denn auch eine am 06.06.2013 der Beklagten zugegangene Kündigung wäre nicht mehr innerhalb angemessener Frist erfolgt.
77b) Die Bestimmung der angemessenen Frist hat sich im Einzelfall am Vertragstyp und dem Regelungszweck des § 314 Abs. 3 BGB auszurichten und die darin niedergelegten gegenläufigen Interessen der Vertragsparteien zum Ausgleich zu bringen. Die Regelung verfolgt ein doppeltes Ziel: Sie soll einerseits der beschleunigten Herbeiführung klarer Verhältnisse dienen, insbesondere dem anderen Teil Klarheit darüber verschaffen, ob von einer Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird; zum anderen liegt der Regelung die Erwägung zugrunde, dass der Kündigungsberechtigte durch längeres Zuwarten zu erkennen gibt, dass ihm trotz vorliegendem Kündigungsgrund die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar ist (BGH NJW 2011, 1438 Rn. 28; Gaier in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rz. 20). Die Frist darf die Zeit nicht wesentlich überschreiten, die erforderlich ist für die Abklärung der Kündigungsmöglichkeit und die Vorbereitung eigener Entscheidung über die Beendigung des Schuldverhältnisses durch die Kündigung aus diesem Grund (Böttcher in Erman, Kommentar zur BGB, 15. Aufl. 2017, § 314 Rz. 10). Entscheidend für den Zeitlauf ist auch, ob dem Kündigungsgegner schutzwürdige Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung zur Seite stehen (BGH, Urteil vom 21.03.2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886).
78c) Zwar verweist die Klägerin zutreffend darauf, dass für den Fristbeginn der Kündigungserklärungsfrist in dem Fall, dass wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag einen Abhilfefrist im Sinne des § 314 Abs. 2 BGB gesetzt wird, das Verstreichen der Abhilfefrist maßgeblich ist und nicht die Kenntnis vom Kündigungsgrund (BGH, Urteil vom 07.03.2013, III ZR 231/12, juris Rz. 24; Böttcher in Erman, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2017, § 314 BGB; Teichmann in Soergel, Kommentar zur BGB, 13. Aufl. 2014, § 314 Rz. 49). Denn erst das Verstreichenlassen der gesetzten Frist zur Behebung eines Fehlers ist dann der wichtige Grund, der zur Kündigung berechtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt dies hier aber nicht dazu, dass die angemessene Kündigungsfrist erst mit Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Schreibens der Klägerin vom 12.03.2014 (Anlage K 13) in Gang gesetzt wurde. Denn die Klägerin hat der Beklagten in Bezug auf das Nichterreichen des Meilensteins 9 keine Abhilfefrist im Sinne des § 314 Abs. 2 BGB gesetzt und der Ablauf der in Ziff. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages vorgesehenen Frist von 30 Tagen hat nicht die gleiche Bedeutung wie der fruchtlose Ablauf einer ausdrücklich gesetzten Abhilfefrist:
79aa) Mit Schreiben vom 12.03.2014 hat die Klägerin die Beklagte nicht zum Erreichen des Meilensteins 9 innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert, sondern nur festgestellt, dass der für den 05.03.2014 vorgesehene Meilenstein 9 nicht eingehalten worden sei. Sie nimmt Bezug auf frühere Hinweise auf die sich abzeichnende Nichteinhaltung dieses - als Fertigstellungstermin für die Übergangsphase vereinbarten – Termins und weist auf die Folgen der Fristversäumung gem. Ziffer 3.3. des Anhangs 4 zum Service-Rahmenvertrag hin, nämlich dass bislang vorgenommene Einbehalte von Rechnungen von der Beklagten nicht zurückverdient werden könnten und weitere Teilleistungen von der Klägerin nicht zu bezahlen seien. Ferner bittet sie unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 26.02.2014 um die Übermittlung eines Vorschlags für eine Alternativlösung und Kompensationsregelung bis zum 19.03.2014. Mit Schreiben vom 26.02.2014 (Anlage K 12) hatte sie nach einem auf Führungsebene geführten Gespräch vom 17.02.2014 eine zuvor für die Unterbreitung einer Lösungsmöglichkeit bis zum 07.02.2014 gesetzte Frist bis zum 19.03.2014 verlängert. Die Klägerin hat demnach – wie bereits mit Schreiben vom 07.02.2014 (Anlage K 11) in Bezug auf den Meilenstein 6 („System steht bereit zum Test“) - die Nichtlieferung eines Meilensteins förmlich angezeigt, wie dies gem. Ziff. 18.1.1 des Service-Rahmenvertrages als Kündigungsvoraussetzung vorgesehen ist. Nach Ziff. 18.1.1 kann „D den Vertrag ganz oder teilweise beenden, sofern der Lieferant grundlegend gegen seine Pflichten oder Verpflichtungen aus diesem Vertrag verstößt, eine derartiger Verstoß erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Services, Dienste oder Dienstleistungen hat und falls der Lieferant einen derartigen Verstoß nicht innerhalb von 30 Tagen nach schriftlicher Mitteilung behebt.“
80bb) Die Klägerin war aufgrund dieser Regelung in Ziff. 18.1.1 zwar nicht gem. § 314 Abs. 2 BGB verpflichtet, der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung eine Frist zur Abhilfe zu setzten. Die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung scheitert also nicht bereits daran, dass die Klägerin die Beklagte nicht zuvor unter Androhung der fristlosen Kündigung erfolglos eine Frist zur Beendigung der Transitionsphase gesetzt hat. Vielmehr haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass die Mitteilung einer wesentlichen Pflichtverletzung, die hier in dem Nichterreichen eines Meilensteins besteht, ausreichend ist, was angesichts der Konsequenzen für den Dienstverpflichteten bei Nichteinhalten bestimmter Meilensteine (ganz oder teilweiser Wegfall ihrer Übergangsvergütung) als Warnung genügend ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abmahnung, hier also eine Fristsetzung von 30 Tagen verbunden mit der Androhung der Kündigung, nicht als ungeschriebenes Merkmal in die – sehr detailliert gefasste - Kündigungsregelung im Service-Rahmenvertrag hineinzulesen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Kündigung aus wichtigem Grund insbesondere zwischen Unternehmen individualvertraglich nicht abweichend von § 314 Abs. 2 BGB gefasst werden können. Bedenklich könnte allenfalls sein, wenn die Kündigungsmöglichkeit wesentlich erschwert würde. Hier soll sie aber gerade – was die Warnfunktion der Abmahnung anbelangt - erleichtert werden, was allenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Bedenken stoßen kann (Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 314 BGB, Rz. 44).
81cc) Die nach dem Service-Rahmenvertag einzuhaltende 30-Tage-Frist hat – auch wenn sie als „Behebungsfrist“ formuliert ist (vgl. auch die Bezeichnung in den Ziff. 18.1.2 bis 18.1.5 für die Kündigungsmöglichkeiten der Klägerin „ohne Behebungsfrist“) – in Bezug auf den Beginn der nach § 314 Abs. 2 BGB einzuhaltenden angemessener Frist nicht die gleiche Bedeutung wie eine gem. § 314 Abs. 2 BGB gesetzte Abhilfefrist. Vielmehr stellt sich das Abwarten der 30-Tage-Frist vorliegend in Bezug auf das Nichterreichen des Meilensteins 9 („system switched“) als reine Formalie dar.
82Denn die Klägerin hatte, was sich bereits aus dem Nichterreichen maßgeblicher früherer vergütungsrelevanter Meilensteine ergibt, bei Abfassung des Schreibens vom 12.03.2014 Kenntnis davon, dass die Beklagte die Übergangsphase auch nicht in 30 Tagen abgeschlossen haben würde. Da die Meilensteine unstreitig aufeinander aufbauen und die Beklagte auch die vorherigen Meilensteine bis auf den Meilenstein 2 („Zusammenstellung des Teams“) nicht (vollständig) geliefert hatte, war die Beendigung der Transitionsphase auch bis Mitte April 2014 nicht möglich. Entsprechendes hat die Klägerin selbst im Schreiben vom 07.02.2014 (Anlage K 11) angedeutet, indem sie in Bezug auf den Fertigstellungtermin vom 05.03.2014 ausführt „…. Nunmehr zeichnet sich deutlich ab, dass sich unsere Befürchtungen hinsichtlich einer nicht fristgerechten Fertigstellung in vollem Umfang bewahrheiten werden….“. Sie hat zudem selbst vorgetragen, dass bis zum 05.03.2014 allenfalls 50 % der Transitionsphase durchlaufen gewesen seien (Bl. 333 GA). In Kenntnis der Nichterreichbarkeit der zeitnahen Umsetzung des ursprünglich vereinbarten Übergangsplans (innerhalb von 30 Tagen) hatte die Klägerin daher auf einen Vorschlag, wie das Projekt noch anders zum Abschluss geführt werden könne, und eine Kompensationsregelung gebeten. Dieses Alternativkonzept hatte die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vortag am 18.03.2014, in überarbeiteter Form erneut am 21.03.2014, übersandt (vgl. Anlagen K 40, K 41; Anlagenkonvolut B 41).
83Nachdem die Beklagte bereits seit Herbst 2013 auf ein „Re-Scoping“ gedrungen hatte, aus dem die Klägerin entnehmen konnte, dass die Beklagte in Bezug auf das parallele Projekt „Mobile App“ das Outsourcing-Projekt „abspecken“, jedenfalls zeitlich hinausschieben wollte, war der Klägerin also klar, dass die Beklagte auch nach dem 12.03.2014 nicht mit voller Kraft an dem Outsourcing Projekt weiterarbeiten würde, um es noch innerhalb der „Behebungsfrist“ von 30 Tagen fertigzustellen. Dies hatte die Beklagte zudem im Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage K 14) zum Ausdruck gebracht.
84Der vorliegende Fall ist daher völlig anders zu bewerten als der von der Klägerin zitierte Fall, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013, III ZR 231/12, zugrunde lag. Dort hatte ein Verbraucher einer Telefongesellschaft eine einwöchige Abhilfefrist gesetzt, die es im Interesse des Kündigenden abzuwarten galt, bevor die angemessene Kündigungsfrist anlief. Denn erst durch die Nichtabhilfe in der kurzen Frist hatte sich die etwa drei Wochen zuvor festgestellte Pflichtverletzung der Telefongesellschaft (Nichterreichbarkeit des Anschlusses des Kunden aus anderen Netzen) konkretisiert. Demgegenüber wohnte der hier von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzung bereits eine gewichtige zeitliche Komponente inne (Nichteinhalten der Frist für einen vergütungsrelevanten Meilenstein); zudem wusste die Klägerin – und die Beklagte hatte dies auch mit Schreiben vom 18.03.2014 erklärt, dass sie den Meilenstein 9, d.h. das Ende der Übergangsphase, auch nicht in 30 Tagen nach dem 12.03.2014 erreichen wird. Insofern musste vorliegend nicht das ergebnislose Verstreichenlassen der weiteren Frist von 30 Tagen hinzukommen, um – aus Sicht des Kündigenden – Kündigungsmöglichkeiten aus wichtigem Grund abzuklären und eine Entscheidung über den Ausspruch der Kündigung herbeizuführen..
85Aufgrund der Regelung in Ziff. 8.1.1 des Service Rahmenvertrages kann es der Klägerin zwar nicht zum Nachteil gereichen, dass sie die Kündigung nicht vor Ablauf von 30 Tagen nach Zugang der Mitteilung vom 12.03.2014 erklärt hat. Es sind aber auch keine Gründe ersichtlich, dass man den Beginn der angemessenen Frist im Sinne des § 314 Abs. 2 BGB über den 19.03.2014 (Zugang des Alternativkonzepts) hinausschieben müsste. Vielmehr war danach wieder die Klägerin „am Zug“.
86dd) Soweit die Klägerin der Ansicht ist, es liege ein Dauerverstoß vor, der sich täglich erneuere, so dass die Kündigungsmöglichkeit nicht verwirken könne und die Kündigungsfrist erst gar nicht beginne, überzeugt dies nicht. Gerade bei einem gleichförmigen Fortwirken des Verstoßes kann erwartet werden, dass sich der Kündigende unmissverständlich und zeitnah positioniert, ob eine weitere Vertragsdurchführung für ihn zumutbar ist. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und Stimmen in der Kommentarliteratur verweist, wonach bei einem Dauerverhalten die Kündigungserklärungsfrist trotzt Kenntnis erst mit der Beendigung des Dauerverhaltens beginne, so sind die dem zugrunde liegenden Erwägungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In den höchstrichterlich entschiedenen, auf die Beendigung von Arbeitsverträgen oder Geschäftsführerverträgen im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB abstellenden Fällen kam jeweils hinzu, dass sich das pflichtwidrige Verhalten während der Zwei-Wochenfrist des § 626 BGB durch weitere Handlungen erneuerte bzw. manifestierte (vgl. BAG, Urteil vom 17.08.1972 – 2 AZR 359/71 –, BAGE 24, 383-400: immer wieder in Erscheinung tretendes vertragswidriges Verhalten; bzw. BGH, Urteil vom 20.06.2015, II ZR 18/03, fortgesetzte Insolvenzverschleppung). Insofern ist ausgehend vom Regelungszweck des § 314 Abs. 3 BGB von einem hinausgeschobenen Beginn der Kündigungsfrist mit Beendigung der vertragswidrigen Handlung bei Dauerverstößen nur dann auszugehen, wenn sich die Grundlage für die Entscheidung, ob das Vertragsverhältnis beendet werden soll, während der Dauer des Vertragsverstoßes fortlaufend verändert (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2009, 5 U 52/09, juris Rz. 75; generell gegen das Herausschieben des Beginns der Kündigungserklärungspflicht bei Dauerverstößen: Weth in jursiPK-BGB, Band 2, 8. Aufl. 2017, § 314 Rz. 41; Teichmann in Soergel, Kommentar zum BGB13. Aufl. 2014, § 314 Rz. 49). Soweit die Klägerin anführt, hier hätte es im Zeitraum von Mitte März 2014 bis zum Ausspruch der Kündigung noch eine Reihe von Veränderungen gegeben (Vergleichsgespräche, IT-Audit), so ist nicht jede Veränderung der Entscheidungsgrundlage für den Beginn der angemessenen Frist, maßgeblich. Bei Dauerverstößen geht es vielmehr in den zitierten Entscheidungen darum, ob sich die Pflichtverletzung nach dem ersten Verstoß ändert oder insofern erneuert, dass sie immer neue Bewertungen erfordert. Hier stand aber – wie ausgeführt - bereits Mitte März 2014 fest, dass der Meilenstein 9 nicht – auch nicht in einem veränderten Umfang - vor Ende 2014 fertiggestellt werden würde. Soweit es danach noch Gespräche gegeben hat, um das Outsourcing-Projekt noch irgendwie zu retten, so ist dieser Aspekt bei der Ermittlung der angemessenen Kündigungsfrist zu würdigen; er hindert aber nicht den Beginn der Kündigungserklärungsfrist. Dass das Verständnis der Klägerin nicht zutreffend ist, ergibt sich z.B. auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2007 – XII ZR 36/05 = NJW-RR 2007, 886. Dort lag die Pflichtverletzung in der Nichtzahlung der Kaution durch einen gewerblichen Mieter; der Bundesgerichtshof stellt für den Beginn der Frist des § 314 Abs. 3 BGB trotz Fortwirken des Verstoßes auf die Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund (Nichtleistung der Kaution trotz Mahnung) ab.
87d) Eine allgemeingültige Frist gibt es – wie angeführt – aufgrund der Verschiedenartigkeit der Dauerschuldverhältnisse zur Bestimmung der „angemessenen Frist“ nicht. Eine Frist von maximal 2 Monaten erscheint hier auch in Anbetracht der Komplexität des Vertragsverhältnisses ausreichend. Ein Abwarten bis zum 06.06.2014 war bei Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des § 314 Abs. 3 BGB unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu lange.
88Was die zu beachtenden Interessen der Beklagten am Fortbestand des Vertrages anbelangt, ist zu sehen, dass die Klägerin bis zur Kündigungserklärung in Bezug auf das Outsourcing-Projekt noch keinerlei Zahlung an die Beklagte geleistet hatte, diese aber nach Vortrag der Klägerin jedenfalls ca. 50 % der Transition durchlaufen hatte, für die insgesamt eine Vergütung von 2.500.000,- € vorgesehen war. Sie war also in Vorleistung getreten und musste Mitarbeiter für das Outsourcing-Projekt weiter vorhalten. Sie hatte zudem ein Alternativkonzept erarbeitet, ein Aufwand, der sich nur bei Fortsetzen des Projekts amortisieren würde. Gleichzeitig hatte die Klägerin mit Schreiben vom 07.02.2014 einen Verzugsschaden von 348.000,- € pro Monat angekündigt. Insofern konnte die Beklagte damit rechnen, dass die Klägerin zeitnah nach Erhalt des Alternativkonzepts reagiert und – wenn ihr dies inakzepabel erscheint - die Kündigung ausspricht. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Schreiben der Beklagten vom 18.03.2014 (Anlage K 14), mit dem sie auf die vorherigen Schreiben der Klägerin reagiert, nicht entnommen werden, dass die Beklagte an einer zeitnahen Entscheidung über den Fortbestand des Service-Rahmenvertrages kein Interesse hatte, sondern es ihr darauf ankam, Zeit zu gewinnen. Vielmehr drängt sie auf eine Entscheidung und bringt als Druckmittel eine eigene Kündigung ins Gespräch.
89Auf Seiten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung aus wichtigem Grund „ultima ratio“ ist, ihr also ausreichend Zeit einzuräumen ist, zu prüfen, ob der Erfolg des Projekts doch noch gesichert werden kann, bzw. um die Konsequenzen der Kündigung auszuloten. Auch insofern erscheint ein Zeitraum von 2 Monaten nach dem 19.03.2014 schon großzügig bemessen. Denn die Frist darf die Zeit nicht wesentlich überschreiten, die erforderlich ist für die Abklärung der Kündigungsmöglichkeit und die Vorbereitung einer eigenen Entscheidung über die Beendigung des Schuldverhältnisses durch die Kündigung aus diesem Grund (Böttcher in Erman, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2017, § 314 BGB Rz.10). Hier hat die Klägerin der Beklagten nach dem 19.03.2014 nicht mitgeteilt, dass sie weitere Zeit benötigt, das Alternativkonzept zu prüfen. Sie hat allerdings – wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - durch die T-Systems International GmbH ein internes IT-Audit über den Grund der Störungen im Projekt und deren Abhilfemöglichkeiten durchführen lassen, deren Ergebnis die T-Systems in einer Präsentation vom 28.04.2014 (Anlage B 42) darstellte. Soweit die Klägerin dem Audit entnimmt, dass die Beklagte organisatorisch zur Umsetzung des Projekts nicht in der Lage gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 25.11.2016, S. 8, Bl. 164 d.A.), hätte es nahegelegen, spätestens dann (unverzüglich) die Kündigung auszusprechen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte der Präsentation von T-Systems, Anlage B 42, z.B. Folie 24, mit guten Gründen entnehmen konnte, dass T-Systems die Fortführung des Outsourcing Projekts befürwortet hatte („Neuverhandlung Scope/ Vertrag, vollständige Spezifikation als Vertragsgrundlage, Projektlieferung eo214 & H1-2015“). Die Klägerin hat nichts Substanzielles vorgetragen, was sie nach Ende April noch prüfen oder abstimmen musste, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob das Projekt fortgeführt werden soll oder nicht. Sie hat auch nicht näher dazu vorgetragen, dass von der Beklagten noch weitere Vorschläge unterbreitet wurden, um das Projekt abzuschließen.
90Soweit die Klägerin anführt, es sei für sie nicht zumutbar gewesen, an einem Vertrag weiter festgehalten zu werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nicht absehbar war, dass das Outsourcing überhaupt irgendwann abgeschlossen werden könne, so übersieht sie, dass sie zuvor gegenteilige Signale ausgesendet hat. Dass für sie die Zusammenarbeit trotz des Verzugs mit wesentlichen Meilensteinen nicht unzumutbar ist, hat sie selbst dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie den Verzug zwar in ihren Schreiben feststellte, aber zum Teil weit nach den vertraglich vorgesehenen Terminen (vgl. z.B. Anlage K 10, Rüge vom 30.1.2014 mit Fristsetzung bis zum 14.02.2014, dass der für den 13.11.2013 vorgesehene Meilenstein 5 nicht erreicht sei) und sich die angedrohten Konsequenzen bis zum Schreiben vom 07.02.2014 im Wesentlichen darauf beschränkten zu erklären, dass ein Vergütungsanspruch der Beklagten wegen der Service-Gutschriften entfalle. Zudem hat die Beklagte – für die Klägerin aufgrund der unterbreiteten Alternativvorschläge erkennbar - an dem Outsourcing Projekt festhalten wollen. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Klägerin sich auf das von der Beklagten vorgeschlagene Alternativszenario hätte einlassen müssen. Der Alternativvorschlag der Beklagten war aber so konkret (vgl. Anlagenkonvolut B 41, 27 Seiten) und entsprach auch in weiten Teilen dem zwischen den Parteien schon in der Vergangenheit immer wieder diskutierten „Re-scoping“, dass die Beklagte jedenfalls nach dem IT-Audit eine schnelle Reaktion erwarten konnte.
91Dass die Klägerin andernfalls „in perpetuum“ an einem Schwebezustand bzw. in einer Übergangsphase des Outsourcing-Projekts festgehalten worden wäre, wie sie einwendet, ist kein tragfähiges Argument dafür, vorliegend keine Verfristung des außerordentlichen Kündigungsrechts wegen Verfehlens des Meilensteins 9 anzunehmen. Es nicht ersichtlich, dass ihr durch das (formale) Festhalten am Vertrag allein irgendwelche Nachteile erwachsen wären. Eine fortlaufende Vergütung musste sie nicht an die Beklagte zahlen; vergütungsrelevante Meilensteine waren bis auf den Meilenstein 2 unstreitig nicht erreicht. Die Beklagte hatte - bis auf die Rechnung für den Meilenstein 2 - keine Rechnung an die Klägerin gestellt und vor der seitens der Klägerin ausgesprochenen Kündigung auch keine weitere Forderung angekündigt. Dass sie sich einer Aufhebung verweigert hätte, ist nicht ersichtlich.
92e) Da die Klägerin demnach den Vertrag nicht wirksam durch Kündigung aus wichtigem Grund beendet hat, ist sie auch nicht für den Zeitraum nach der Kündigung so zu stellen, als wenn die Beklagte den Vertrag durchgeführt hätte. Sie kann nicht gem. den Ziffern 18.1.1, 18.1.9 bzw. § 281 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung statt der Leistung verlangen.
933. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht auch nicht teilweise in Höhe eines Betrages von 2.012.807,- € unter dem Gesichtspunkt des Verzuges mit Meilensteinen bis zum Zeitpunkt der Kündigung gem. den §§ 280, 286 BGB.
94a) Soweit die Klägerin in der Berufung auf den Zeitraum zwischen den im Übergangsplan bestimmten Zeitpunkten für das Erreichen der Meilensteine 5, 6 und 9 bis zum Ausspruch der Kündigung abstellt, lässt sie zwar zutreffend den Zeitraum nach der Kündigung für die Bemessung des Schadens außer Acht. Denn nach Erhalt der Kündigung musste die Beklagte an dem Projekt nicht weiterarbeiten, auch wenn sie mit Schreiben vom 15.06.2014 (Anlage K 16) der fristlosen Kündigung widersprochen hatte. Denn ohne Bereitschaft der Klägerin, das Outsourcing-Projekt weiterzuführen, machte eine Weiterarbeit der Beklagten keinen Sinn. Sie hat dies mit Schreiben vom 25.06.2014 allerdings angeboten, ohne dass die Klägerin darauf eingegangen ist.
95b) Einzelne Schadenpositionen lassen sich auch dem Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung zuordnen, z.B. - Projektkosten für die Weiterbetreuung der Services der Klägerin durch die Paymint AG (Mitarbeiter Klaeser und Hontheim) in den Monaten März bis Juni 2014 in Höhe von 74.100 €;
96- teilweise Kosten für Stabilisierungsmaßnahmen für die IT-Infrastruktur der Klägerin
97a) Consulting (Anlagenkonvolut K 20): 595.943 €: Rechnungen Networkers AG für den Zeitraum Januar bis Juli 2014), Rechnung triplement AG von Dezember 2013 bis Juli 2014;
98b) Hardware (Anlagenkonvolut K 19): 206.501 €: Rechnungen Fa. Networkers AG von Februar bis Juli 2014; nicht: Rechnung Fa. Ultra Consulting aus Februar 2015;
99- Erhöhte Kosten des laufenden Betriebs von 283.000,- € (abzüglich Gebühr für den laufenden Service von 75.000,- € monatlich) = 208.000,- € pro Monat von März 2014 bis Mai 2014 = 624.000,- €).
100Nicht diesem Zeitraum zuordnen lassen sich Kosten für ein Upgrade für ERP System Navision 4.0 (2006) auf die Version 2015 in Höhe von 718.854,- €. Die vorgelegten Rechnungen stammen sämtlich aus dem Jahr 2015; die Kosten sind also nicht auf einen Verzug im Zeitraum März bis Juni 2014 zurückzuführen.
101c) Es kann auch dahinstehen, ob die Klägerin die ihr im Zeitraum März bis Mai 2014 entstandenen Aufwendungen der Höhe nach ausreichend substantiiert dargelegt hat. Denn selbst wenn man unterstellt, der Klägerin seien durch die verzögerte Umsetzung von Meilensteinen in der Übergangsphase im Zeitraum März bis Mai 2014 Kosten von 74.100 € + 595.943 € + 206.501 € + 624.000 € (zusammen 1.500.544,- €) entstanden, die ihr bei fristgerechtem Abschluss der Transitionsphase nicht mehr entstanden wären, müsste sie sich anrechnen lassen, dass sie bei fristgerechtem Abschuss des Meilensteins 9 dann jedenfalls 90 % des Honorars für die Übergangsservices hätte zahlen müssen (= 2.250.000,- €, vgl. Tabelle S. 4 der Anlage 4 zum Service-Rahmenvertrag „Gebühren und finanzielle Bestimmungen“). Soweit die Klägerin meint, sie müsse sich die Transitionsvergütung nicht anrechnen lassen, da bei Erfolg des Projekts ihr durch die Transition ein Mehrwert zugeflossen wäre, ist dies nicht nachvollziehbar. Ein Mehrwert, der allein in der Übertragung des Systems auf die Beklagte ohne Ausführung der daran anschließenden eigentlichen Abwicklung der Bezahlvorgänge durch die Beklagte besteht, ist weder mit Substanz vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Ebenfalls kann die Vergütung für die Übergangsdienste nicht im Rahmen der Differenzhypothese ausgeblendet werden, weil sie keinen Vorteil darstelle, der durch den Verzug entstanden sei. Vorliegend war der teilweise Wegfall des Vergütungsanspruchs durch zu erteilende Service-Gutschriften an den Verzug mit bestimmten vergütungsrelevanten Meilensteinen gebunden, vgl. Tabelle S. 4 der Anlage 4 zum Service-Rahmenvertrag. Vergütungsrelevant waren insbesondere die Meilensteine 5, 6 und 9, auf deren Nichteinhaltung die Klägerin nun ihren Verzögerungsschaden stützt. Durch die Verfehlung dieser Meilensteine um mehr als 4 Wochen ist aber bereits ein Anspruch von 65 % der gesamten Vergütung für die Übergangsservices von 2.500.000,- € (= 1.625.000,- €) entfallen. Diesen Vorteil muss sich die Klägerin anrechnen lassen, so dass kein überschießender Verzögerungsschaden der Klägerin verbliebe.
1024. Die Berufung der Klägerin hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung auf die Widerklage wendet. Vielmehr steht der Beklagten für ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Erreichen des Meilensteins 2 („Zusammenstellung des Teams“) gem. Ziff. 3.2. der Anlage 4 zum Service-Rahmenvertrag ein Anspruch auf 25 % der Übergangsgebühr = 625.000,- € zzgl. MwSt. zu.
103a) Die Klägerin tritt der Annahme des Landgerichts, dass die Beklagte sich schon deshalb keinen Abzug von ihrer Rechnung für den Meilenstein 2 wegen verspäteter Fertigstellung des Meilensteins gefallen lassen müsse, weil sie den am 08.05.2013 von der Beklagten rechtzeitig übersandten Projektplan nicht unverzüglich gem. Ziff. 2.8. 2. Absatz letzter Satz der Anlage 16 zum Service-Rahmenvertrag als unzureichend gerügt und die Abnahme verweigert habe, in der Berufung nicht entgegen. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Leistung daher als abgenommen gilt, so dass es nicht darauf ankommt, dass die Beklagte danach – geringfügig – nachbesserte und am 06.06.2013 eine überarbeitete Version übersandte.
104b) Soweit die Klägerin meint, es handele sich bei der nach Meilensteinen gestaffelten Vergütung für die Übergangs-Services nur um Abschlagszahlungen, die zurückzuerstatten seien, bzw. entfielen, wenn das Gesamtprojekt nicht umgesetzt werde, so kann dem nicht gefolgt werden. Die gestaffelte Vergütung für die Übergangsservices nach der Tabelle in Ziff. 3.2 der Anlage 4 zum Service-Rahmenvertrag ist nicht als Anzahlung ausgestaltet, sondern als Teilvergütung im Sinne von § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB, da für den Vergütungsanspruch die Abnahme der Teilleistung Voraussetzung ist. Für die Annahme, dass der Teilvergütungsanspruch wegfallen soll, wenn das Gesamtprojekt aus irgendeinem Grund nicht durchgeführt wird, findet sich im Vertrag kein Anhaltspunkt. Eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall der Nichtdurchführung des Outsourcings nach Erreichen bestimmter vergütungsrelevanter Teilschritte ist gerade nicht vorgesehen.
105Anders als in den in der Berufung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geht es hier auch nicht um Teilunmöglichkeit und eine daraus unter Umständen folgende Gesamtunmöglichkeit (BGHZ 116, 334: Fehlende Verpflichtung des Verpächters zum Wiederaufbau mehrerer durch Brand zerstörter landwirtschaftlicher Gebäude, wenn der verbliebene Teil nutzbar bleibt, oder BGH NJW-RR 1995, 853: Gesamtunmöglichkeit der Leistungen des Verkäufers, wenn er ein Drittel der verkauften Fläche wegen fehlender Teilungsgenehmigung nicht verschaffen kann und die Teilübereignung keinen Sinn macht). Vielmehr hat die Beklagte hier einen Teil der Leistung erbracht und die dafür vertraglich vereinbarte Teilvergütung verdient. Soweit die Klägerin meint, es sei im weiteren Vertragsverlauf spätestens durch ihre Kündigung Unmöglichkeit eingetreten, und dass diese Teilunmöglichkeit die Gesamtunmöglichkeit bewirke, weil die Teilleistung für den Gläubiger sinnlos sei und nur die vollständige Leistung dem Vertragszweck entspreche, überzeugt dies nicht. Es ist nicht allein maßgeblich, dass das Interesse der Klägerin an der Teilleistung weggefallen ist. Vielmehr setzt der Wegfall des Teilvergütungsanspruchs voraus, dass die Beklagte die Nichtdurchführung (Unmöglichkeit) des Gesamt-Projekts zu vertreten hat. Dass die Beklagte aber nicht in der Lage gewesen ist, das Projekt durchzuführen, hat die Klägerin nicht mit Substanz behauptet. Sie stützt sich in erster Linie auf die nicht fristgerechte Umsetzung des Projekts. Sie hat auch nicht behauptet, dass Scheitern des Outsourcing-Projekts allein Grund für die spätere Einstellung ihres Geschäftsbetriebs gewesen ist.
106Weil die Klägerin die Nichtdurchführung des Projekts durch die - unwirksame - fristlose Kündigung selbst mit herbeigeführt hat, kann sie die Nachteile aus der endgültigen Nichtdurchführung des Projekts der Widerklageforderung nicht entgegenhalten.
107III.
108Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
109IV.
110Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung geboten. In Bezug auf den Fristbeginn und die Bemessung der angemessenen Frist im Rahmen des § 314 Abs. 3 ZPO ist der Senat nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Vielmehr liegt den von der Berufung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2015 – III ZR 231/12 - und vom 20.05.2005 - II ZR 18/03 - ein jeweils anderer Sachverhalt zugrunde, der auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist.