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Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.2016 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 321/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Bei dem am 13.1.1962 geborenen Kläger wurde im November 2004 im St. F-Krankenhaus in L unter der Diagnose einer Sigmadivertikulitis laparoskopisch eine Sigmaresektion vorgenommen. Im November 2008 erfolgte eine offene Revision mit Appendektomie. Wegen eines Subileus wurde der Kläger im November 2009 konservativ behandelt.
4Am 8.2.2011 stellte er sich ambulant im Krankenhaus der Beklagten zu 1) bei dem Beklagten zu 2) vor. Er berichtete über intermittierende, teils kolikartige Schmerzen im linken Abdomen und einen Gewichtsverlust von 7 kg in vier Monaten. Wie vereinbart wurde er am 23.2.2011 zur weiteren Diagnostik im Krankenhaus der Beklagten zu 1) aufgenommen. Er unterzeichnete einen Aufklärungsbogen über eine explorative Laparoskopie. Unter den hierauf von der Ärztin B handschriftlich vermerkten Risiken ist eine „Erweiterung des Eingriffs“ eingetragen. Ein schriftlicher Befund der am 23.2.2011 durchgeführten Computertomografie befindet sich nicht bei den Behandlungsunterlagen. Am 24.2.2011 erfolgten eine Magen- und eine Darmspiegelung, die keinen die Beschwerden erklärenden Befund erbrachten. Am 25.2.2011 nahm der Beklagte zu 2) die geplante laparoskopische Operation vor. Dabei zeigten sich Adhäsionen, die der Beklagte zu 2) löste, sowie eine vorher nicht bekannte Narbenhernie und eine Nabelhernie, die der Beklagte zu 2) mit einem IPOM-Netz (15 x 20 cm) verschloss, das er mit Spiraltackern aus Titan an der Bauchwand befestigte. Am 8.3.2011 wurde der Kläger entlassen.
5Am 17.3.2011, 31.3.2011, 12.5.2011 und 9.6.2011 stellte sich der Kläger ambulant beim Beklagten zu 2) vor und berichtete jeweils über anhaltende Bauchschmerzen sowie teils über Übelkeit. Der Beklagte zu 2) führte Sonografien mit unauffälligem Befund durch und empfahl ein abwartendes Verhalten.
6Im August 2011 suchte der Kläger Prof. Dr. K im Ekrankenhaus in X auf. Dieser führte am 22.8.2011 eine diagnostische Laparoskopie und nach Umstieg auf eine offene Operation eine Adhäsiolyse durch, bei der gelöste Tacker und ein Teil des Netzes entfernt wurden. Am 18.10.2011 nahm er eine Relaparotomie vor, löste die vorhandenen Verwachsungen und explantierte das Netz sowie alle Tacker. Weitere Operationen mit Adhäsiolyse führte Prof. Dr. K am 22.2.2012, 21.8.2012 und 7.4.2012 durch. Nach der Bescheinigung des Arztes Dr. L2 vom 14.10.2014 liegt bei dem Kläger eine schwere chronische Schmerzstörung vor.
7Der Kläger hat die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 240.000 € sowie für den Zeitraum vom 1.7.2011 bis 31.10.2014 auf Ersatz von Haushaltsführungsschaden von 24.000 €, von Verdienstausfall von 52.000 € und von Pflegeaufwand von 16.000 € in Anspruch genommen. Ferner hat er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten begehrt. Er hat ihnen vorgeworfen, dass das Netz zu groß gewählt und fehlerhaft mit Tackern befestigt worden sei. Stattdessen hätten selbstauflösende Fäden verwendet werden müssen. Die Nachbehandlung sei unzureichend gewesen. Der Beklagte zu 2) habe abklären müssen, ob sich Tacker gelöst hätten. Über die Erweiterung des Eingriffs sei er nicht aufgeklärt worden. In die Anbringung des Netzes mit den gewählten Tackern habe er nicht eingewilligt. Nach der Operation im Krankenhaus der Beklagten zu 1) und erneut nach den Operationen durch Prof. Dr. K hätten starke bis massive Schmerzen bestanden. Er nehme deshalb Opiate ein und könne kaum mehr als 100 m gehen. Bei ihm habe sich eine reaktive Depression entwickelt.
8Der Kläger hat beantragt,
91. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 240.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2014,
102. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Schadensersatzanspruch zu zahlen wegen vermehrter Bedürfnisse (Haushaltsführungsschäden) in Höhe von 24.000 € (im Zeitraum vom 1.7.2011 bis 31.10.2014), nebst 5 Prozentpunkten Zinsen auf diese Summe über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
113. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Verdienstausfall zu zahlen nach § 842 BGB in Verbindung mit § 823 BGB in Höhe von 52.000 € im Zeitraum vom 1.7.2011 bis zum 31.10.2014,
124. die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Schadensersatz zu zahlen wegen weiterer vermehrter Bedürfnisse (Pflegeleistungen der Ehefrau) in Höhe von 16.000 € und zwar im Zeitraum vom 1.7.2011 bis einschließlich 31.10.2014,
135. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm weiteren zukünftigen materiellen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher ihm aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom 23.2.2011 bis zum 12.5.2011 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
14Die Beklagten haben beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie sind dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers entgegen getreten. Die Aufklärung sei durch die Ärztin B und – wenn auch nicht dokumentiert – durch den Beklagten zu 2) vorgenommen worden. Die Computertomografie habe keine klare Ursache für die Beschwerden des Klägers gezeigt und sei im Hinblick auf die Operation ohne Einfluss geblieben. In vergleichbaren Fällen kläre die Ärztin B, die keine konkrete Erinnerung habe, über die laparoskopische Behandlung von Adhäsionen, entzündlichen Erkrankungen sowie Tumoren und weiteren Erkrankungen auf, die bei einer Laparoskopie gesehen werden könnten. Auch der Beklagten zu 2) habe mit dem Kläger besprochen, dass bei einem relevanten Befund dieser möglichst in der gleichen Sitzung beseitigt werden solle. Er habe auch die Differentialdiagnose einer Narbenhernie angesprochen. Hilfsweise haben die Beklagten den Einwand einer hypothetischen Einwilligung erhoben.
17Das Landgericht hat ein viszeralchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. Q (Bl. 92 ff. d.A.) nebst zwei Ergänzungen (Bl. 186 ff. und 279 ff. d.A.) eingeholt und den Sachverständigen angehört (Bl. 350 ff. d.A.).
18Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Der Sachverständige habe einen Behandlungsfehler überzeugend verneint. Dies gelte insbesondere für die Größe des Netzes und die zur Befestigung verwendeten Tacker. Die Aufklärungsrüge sei unbegründet. Die Anbringung des Netzes mit den konkret gewählten Tackern sei nicht aufklärungspflichtig gewesen. Im Übrigen könnten der Operation keine dem Kläger nachteiligen Folgen zugeordnet werden.
19Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Hilfsweise beantragt er die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Dieses habe sich mit der Aufklärungsrüge nicht ausreichend befasst. Über die Operationserweiterung sei er nicht aufgeklärt worden. Ein formularmäßiges Einverständnis mit einer Erweiterung reiche nicht aus. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er der Operationserweiterung nicht zugestimmt. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass er darüber unterrichtet worden wäre, dass das Netz mit Tackern befestigt werde und nicht mit selbst auflösenden Fäden. Er hätte eine Zweitmeinung eingeholt. Auch nach den Ausführungen von Prof. Dr. Q habe die Möglichkeit bestanden, die Brüche unbehandelt zu lassen, wofür er sich entschieden hätte, um sich nicht einer weiteren schweren Operation auszusetzen. Außerdem sei eine totale extraperitoneale Hernioplasik (TEP) als Alternative in Betracht gekommen. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. Q sei auf der CD mit den Daten der Computertomografie eine Nabelhernie zu erkennen. Seiner Empfehlung, ein radiologisches Zusatzgutachten einzuholen, sei das Landgericht ohne Grund nicht gefolgt. Prof. Dr. Q habe auf seine schriftliche Empfehlung bei seiner Anhörung nicht hingewiesen, was seine Begutachtung widersprüchlich mache. Ferner habe das Landgericht die Nachbehandler Prof. Dr. K und Dr. L2 nicht im Beisein des Sachverständigen vernommen. Auch habe das Landgericht die behandelnden Ärzte nicht befragt, warum die Narbenbrüche präoperativ nicht diagnostiziert worden seien. Wegen der anatomische Verhältnisse des Klägers und der Voroperationen habe man mit Narbenhernien rechnen müssen, was – worauf der Sachverständige nicht eingegangen sei – präoperativ bildgebende Verfahren erforderlich gemacht hätte. Das Landgericht habe sich nicht damit befasst, dass die Computertomografie nicht dokumentiert worden sei. Die postoperativen Maßnahmen der Beklagten seien fehlerhaft gewesen. Es hätte Möglichkeiten gegeben, die Schmerzen zu lokalisieren und ihre Ursache festzustellen. Soweit es um die Ursache der andauernden Schmerzen gehe, sei ein schmerztherapeutisches Gutachten einzuholen.
20Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
21Der Senat hat die den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich angehört und die Ärztin B als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotkoll vom 6.11.2017 verwiesen (Bl. 486 ff. d.A.).
22II.
23Die Berufung ist unbegründet.
24Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu. Den Beklagten fällt weder ein schadensursächlicher Behandlungsfehler zur Last noch haften sie wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung.
251. Das Landgericht hat schadensursächliche Behandlungsfehler der Beklagten auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Q in nicht zu beanstandender Weise verneint.
26Soweit es um die Größe des Netzes, dessen Positionierung und die Verwendung von Spiraltackern aus Titan geht, wird dies vom Kläger in der Berufungsbegründung nicht mehr in Frage gestellt. Aber auch im Übrigen sind Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts begründen würden, weder dargetan noch erkennbar.
27Aus den Ausführungen von Prof. Dr. Q, der Behandlungsfehler insgesamt verneint hat, ergibt sich schlüssig, warum vor der Operation vom 25.2.2011 keine weitergehende bildgebende Diagnostik erforderlich war. Der Kläger blendet bei seinem Vorwurf schon aus, dass die Beklagten am 23.2.2011 eine Computertomografie des Abdomens durchgeführt haben, deren Ergebnis – durch Aufzeichnung und Speicherung der Daten auf einer bei den Behandlungsunterlagen befindlichen CD – dokumentiert ist. Die vom Kläger geschilderten Schmerzen waren, wie Prof. Dr. Q dargelegt hat, für einen Narbenbruch nicht typisch, wenn auch mit ihm vereinbar. Der Sachverständige hat ferner darauf erläutert, dass die vorgenommenen umfangreichen körperlichen Untersuchungen keine Hinweise auf eine Narbenhernie oder eine Nabelhernie gegeben hätten. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass präoperativ eine weitere Diagnostik zur Abklärung möglicher Hernien unterbleiben konnte, zumal die explorative Laparoskopie ohnehin wegen des im Raum stehenden Verdachts von Verwachsungen vorgesehen war.
28Sofern die Beklagten bei Auswertung der Computertomografie fehlerhaft die Narbenhernie oder die Nabelhernie nicht diagnostiziert haben sollten, hätte dies, soweit es um die Frage standardgerechten ärztlichen Handelns geht, keinen Einfluss auf den Verlauf gehabt und nicht zu einem Schaden des Klägers geführt. Auf einen entsprechenden Fehler, der nur bei einer nicht vertretbaren Diagnose angenommen werden kann, könnten die Ausführungen von Prof. Dr. Q hindeuten, dass die Nabelhernie bei Betrachtung der Bilder erkennbar sei und zumindest diese hätte bekannt sein sollen (Bl. 103, 121 d.A.). Bei präoperativer Diagnose einer Hernie wäre allerdings die tatsächlich durchgeführte Operation, das heißt ein laparoskopischer Verschluss mittels eines Netzes, indiziert gewesen. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen von Prof. Dr. Q. Die Erkennbarkeit der Nabelhernie hätte jedoch zu einem anderen Inhalt der Aufklärung führen müssen, worauf weiter unten eingegangen wird.
29Im Hinblick auf die Nachbehandlung hat Prof. Dr. Q einen Behandlungsfehler ausdrücklich verneint. Insbesondere sei bei den vier ambulanten Vorstellungen des Klägers zwischen dem 17.3.2011 und dem 9.6.2011 keine weitergehende bildgebende Diagnostik als die durchgeführten Sonografien erforderlich gewesen. Auch diese Beurteilung hat der Sachverständige überzeugend begründet. Er hat dargelegt, dass nach laparoskopischer Versorgung von Hernien mittels Netzes regelhaft abwartende Maßnahmen und eine primäre Schmerztherapie empfohlen und durchgeführt würden, wenn es keine Hinweise auf einen Abszess, ein infiziertes Netz oder sonstige intraabdominelle Komplikationen gebe. Vorliegend seien ein Serom oder ein Hämatom durch die mehrfach vorgenommenen Sonografien ausgeschlossen gewesen. Die vom Kläger berichteten anhaltenden Bauchschmerzen seien als nach entsprechenden Operationen immer wieder auftretende Beschwerden zu erklären gewesen. Postoperative Schmerzzustände träten nach der Einbringung eines IPOM-Netzes in bis zu 30 bis 40 % der Fälle auf und könnten mehrere Monate dauern. Als Ursache würden üblicherweise eine Affektion von Nerven durch das Setzen der Spiraltacker angesehen, nicht aber eine Dislokation der Spiraltacker, die eine seltene, in Einzelfällen berichtete Komplikation darstelle. Eine mit weiteren Risiken verbundene Operation sei vor einer Wartezeit von mindestens einem halben Jahr nur in seltenen Fällen hilfreich und angezeigt. In einem frühen Zeitpunkt vorgefundene Verwachsungen seien physiologisch und hätten keinen Krankheitswert.
30Gegenüber den vorstehend wieder gegebenen Ausführungen und Beurteilungen von Prof. Dr. Q erhebt der Kläger keine durchgreifenden Einwendungen. Auf das beantragte radiologische Gutachten zur Nachbefundung der Computertomografie kommt es nicht an. Selbst wenn die Verkennung der Narben- und der Nabelhernie nicht vertretbar und damit fehlerhaft gewesen wäre, hätte sich dies, was das Handeln nach ärztlichem Standard angeht, nicht ausgewirkt. Hierzu wird auf die vorstehenden Darlegungen verwiesen. Dass Prof. Dr. Q die Möglichkeit eines radiologischen Gutachtens in seinem schriftlichen Gutachten angesprochen, diese aber in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erwähnt hat, stellt keinen Widerspruch dar. Die Ausführungen in einem schriftlichen Gutachten werden durch die mündliche Anhörung ergänzt und gelten fort, sofern sich im Einzelfall aus den Erläuterungen eines Sachverständigen nichts anderes ergibt. Dies ist hier nicht der Fall. Die nachbehandelnden Ärzte, insbesondere Prof. Dr. K, waren und sind entgegen der Ansicht des Klägers nicht als Zeugen zu vernehmen. Die Frage, ob die von den Beklagten durchgeführte Behandlung dem ärztlichen Standard entsprach oder nicht, ist allein durch einen Sachverständigen zu beurteilen. Gegenstand des Zeugenbeweises sind demgegenüber vergangene oder gegenwärtige Tatsachen oder Zustände. Dementsprechend ist ein Nachbehandler im Arzthaftungsprozess dann als Zeuge zu vernehmen, wenn die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit seiner Behandlungsunterlagen konkret behauptet wird und deren Inhalt für die Beurteilung der Behandlung des verklagten Arztes erheblich ist. Dies macht der Kläger nicht geltend.
312. Die Beklagten haften dem Kläger nicht wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung. Sie haben zwar nicht bewiesen, dass sie den Kläger über die Möglichkeit einer Erweiterung des Eingriffs durch eine Versorgung von Hernien mittels eines Netzes aufgeklärt haben. Es greift aber der von den Beklagten erhobene Einwand einer hypothetischen Einwilligung durch.
32a) Das Landgericht hat die vom Kläger erhobene Aufklärungsrüge seinem Vorbringen widersprechend auf die Frage verengt, ob die Beklagten den Kläger über die Art und Weise der Befestigung des Netzes, das heißt die Verwendung von Spiraltackern aus Titan, hätten aufklären müssen. Dies hat es – wie unten auszuführen sein wird – zutreffend verneint. Auch wenn man die protokollierte Erklärung des Bevollmächtigten des Klägers im Termin berücksichtigt, dass Gegenstand der Aufklärungsrüge sei, dass mit dem Kläger die Anbringung des Netzes mit den außergewöhnlich komplikationsträchtigen Ankern nicht abgesprochen worden sei, bezieht sich der Vorwurf auf die Anbringung des Netzes als solches und zusätzlich auf die Art der Befestigung. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger in seinen Schriftsätzen stets die Erweiterung der Operation als nicht aufgeklärt und nicht von seiner Einwilligung gedeckt gerügt hat.
33b) Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht geführt.
34aa) Im rechtlichen Ausgangspunkt muss ein Arzt über vorhersehbare Operationserweiterungen aufklären (BGH, Urteil vom 13.12.1988 – VI ZR 22/88, Iuris Rdn. 13, abgedruckt in VersR 1979, 289 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht 7 Aufl. Teil C Rdn. m.w.Nachw.). Je nahe liegender eine bestimmte Operationserweiterung ist, desto konkreter muss der Patient über Art, Umfang und besondere Risiken der in Betracht kommenden weiteren Behandlungsmaßnahme aufgeklärt werden. In Fällen, in den präoperativ keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete intraoperative Operationserweiterung vorhanden sind, ist dagegen der pauschale Hinweis auf das Risiko von Operationserweiterungen ausreichend (OLG Naumburg, Urteil vom 10.6.2003 – 1 U 4/02, iuris Rdn. 29, abgedruckt in NJW-RR 2004, 315 f.).
35Gemessen hieran hätten die Beklagten den Kläger über die Möglichkeit einer Hernie, deren Versorgung mit einem IPOM-Netz, die wesentlichen Risiken und, sofern vorhanden, aufklärungspflichtige Alternativen unterrichten müssen. Hierin lag eine vorhersehbare und nahe liegende Operationserweiterung. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Q ist die Nabelhernie bei Betrachtung der Bilder der Computertomografie erkennbar und hätte zumindest den Beklagten bekannt sein sollen (Bl. 103, 121 d.A.). Die Beklagten haben eingeräumt, dass im Bereich des Nabels die Bauchwandfaszie nicht sicher abgrenzbar sei, so dass eine Nabelhernie nicht ausgeschlossen werden könne (Bl. 348 d.A.). An wesentlichen Risiken der Eingriffserweiterung ergeben sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. Q die Gefahr eines Rezidivs, einer Infektion des Netzes und von postoperativen Schmerzen.
36Das Risiko einer Dislokation von zur Netzbefestigung eingesetzten Spiraltackern war entgegen der vom Kläger insbesondere im nachgelassenen Schriftsatz vom 30.11.2017 vertretenen Auffassung nicht gesondert aufklärungspflichtig. Prof. Dr. Q hat es überzeugend als ausreichend bewertet, dass über das hierdurch ausgelöste Symptom, nämlich postoperative Schmerzen, aufgeklärt wird (Bl. 202 d.A.). Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Arzt nur eine Aufklärung im „Großen und Ganzen“ schuldet und daher nicht über alle denkbaren Ursachen einer Komplikation aufklären muss. Medizinisches Wissen muss er dem Patienten nicht vermitteln.
37Aufklärungspflichtige Alternativen bestanden nicht. Eine Versorgung des Bruchs durch Naht, insbesondere durch Fasziendopplung, hat Prof. Dr. Q wegen des dann höheren Rezidivrisikos schlüssig nicht als gleichwertig angesehen (Bl. 351 d.A.). Andere Einbringungsmöglichkeiten des Netzes wie die Sublay- und die Inlay-Technik neben der IPOM-Methode (intraperitoneale Onlay-Meshplastik) hat Prof. Dr. Q erwähnt, aber ebenfalls nicht als aufklärungspflichtig bewertet. Dies wird durch das Vorbringen des Klägers nicht in Frage gestellt. Hieraus ergibt sich nicht, dass die genannten Techniken zu unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen. Auch die Art der Befestigung des Netzes durch Spiraltacker aus Metall oder selbstauflösende Materialen war entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. Q nicht aufklärungspflichtig. Für wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen und aus dem Vorbringen der Parteien nichts. Vielmehr hat Prof. Dr. Q auf verschiedene Arbeiten und Untersuchungen hingewiesen, nach denen Spiraltacker aus Metall trotz des bekannten, aber seltenen Risikos einer Dislokation gegenüber einer Naht oder absorbierbaren Materialen zu einer kürzeren Operationszeit, geringeren Schmerzen nach einigen Wochen und zur besten Fixierung führen (Bl. 192, 286 f. d.A.).
38bb) Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Beklagten den Kläger darüber unterrichtet und aufgeklärt haben, dass möglicherweise eine Hernie vorlag und, sofern dies der Fall war, im Rahmen der explorativen Laparoskopie versorgt werden würde.
39Nach den Bekundungen des Klägers ist der Begriff Hernie weder bei seiner ambulanten Vorstellung bei dem Beklagten zu 2) am 8.2.2011 noch in dem Aufklärungsgespräch mit der Zeugin B gefallen. Dies deckt sind mit den Behandlungsunterlagen, insbesondere der Dokumentation der Aufklärung über die explorative Laparoskopie, die keinen Hinweis auf eine Behandlung einer Hernie und die Möglichkeit einer entsprechenden Eingriffserweiterung enthalten. Weder der Beklagte zu 2) noch die Zeugin B hatten eine konkrete und sichere Erinnerung an das, was sie mit dem Kläger über den Inhalt des Eingriffs besprochen haben, was angesichts des Zeitablaufs und der Vielzahl von ihnen behandelter Patienten nachvollziehbar ist.
40Der Beklagte zu 2) hat zwar angegeben, dass es sein übliches Vorgehen darstelle, bei unklaren Bauchschmerzen vor einer explorativen Laparoskopie angesichts der häufigsten Differentialdiagnosen Verwachsungen, Hernie und Divertikel die Möglichkeit einer Hernie und deren Verschluss mit einem Netz anzusprechen. Es bleiben aber erhebliche Zweifel, ob der Beklagte zu 2) nach der am 23.2.2011 erfolgten Durchführung der Computertomografie noch ein eingehenderes Gespräch mit dem Kläger geführt hat. Nur in diesem Fall hätte er entsprechend der von ihm bekundeten üblichen Praxis vorgehen können. Bei der ambulanten Vorstellung des Klägers am 8.2.2011 war angesichts der weiter im Raum stehenden diagnostischen Maßnahmen – Bildgebung sowie Magen- und Darmspiegelung – noch unklar, ob es zu einer explorativen Laparoskopie kommen würde. Der Kläger hatte an ein derartiges Gespräch, das nicht dokumentiert ist, keine Erinnerung. Aus seinen sonstigen Angaben ergibt sich, dass er bestrebt war, seine Erinnerungen umfassend und wahrheitsgemäß wiederzugeben. Insbesondere hat er Umstände bekundet, die für ihn im vorliegenden Rechtsstreit nachteilig sind, wie eine Aufklärung über die üblichen Risiken der Laparoskopie durch die Zeugin B und – am Ende der Anhörung – seine grundsätzliche Bereitschaft, eine Hernie versorgen zu lassen. Gegen eine eingehendere Unterredung zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Kläger nach der Durchführung der Computertomografie streitet auch, dass sich kein schriftlicher Befund des Radiologen und kein Vermerk des Beklagten zu 2) über eine Auswertung der Computertomografie in den Behandlungsunterlagen befinden. Ein Anlass für ein Gespräch mit dem Patienten ist daher jedenfalls nach dem Inhalt der Dokumentation nicht nachvollziehbar.
41Soweit es um die Zeugin B geht, lässt sich eine übliche Praxis, vor einer explorativen Laparoskopie bei unklaren Bauchschmerzen eine Hernie und deren Behandlung als mögliche Operationserweiterung zu erläutern, nicht feststellen. In diesem Punkt waren ihre Bekundungen nicht eindeutig und teils widersprüchlich. Gegen Ende ihrer Aussage hat sie erklärt, dass sie sich schon recht sicher sei, einen Tumor oder auch Verwachsungen anzusprechen. Ob sie wirklich alle sonstigen möglichen Operationserweiterungen anspreche, wisse sie nicht. Hierunter fällt insbesondere eine Hernie. Die Unsicherheiten hinsichtlich der üblichen Aufklärungspraxis der Zeugin werden nicht dadurch beseitigt, dass sie auf Nachfrage des Bevollmächtigten der Beklagten sodann wieder erklärte, über eine Hernie oder Bruchpforte normalerweise zu sprechen.
42c) Die Beklagten berufen sich mit Erfolg auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz vom 30.11.2017.
43Der Kläger hat den Einwand nicht entkräftet. Er hat nicht plausibel gemacht, dass er im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Soweit er es bei seiner Anhörung zunächst als Alternative bezeichnet hat, einen vorhandenen Bruch zu belassen und mit regelmäßigen Befundkontrollen zu leben, hat er an dieser Aussage im weiteren Verlauf des Verhandlungstermins selbst nicht festgehalten. Gegen Ende der Anhörung hat er erklärt, dass er, sofern ihm konkret aufgezeigt worden wäre, dass sich eine Hernie finden könnte, die versorgt hätte werden müssen, der Operationserweiterung wohl zugestimmt hätte. Dies entspricht dem Umstand, dass es dem Kläger Anfang des Jahres 2011 darum ging, die Ursache seiner Beschwerden zu finden und beseitigen zu lassen. Vor dem Senat hat er sinngemäß erklärt, dass er die Schmerzen loswerden wollte. Diese konnten, wie aus den Ausführungen von Prof. Q folgt und wie es der Kläger selbst gesehen und bekundet hat, auf einer vorhandenen Hernie und einer Einklemmung von Gewebe beruhen. Wenn es durch die Hernien zu einer dauerhaften Einklemmung des Darms und dessen Verschluss oder einer Störung seiner Durchblutung gekommen wäre, hätte sich der Kläger sogar zu eine späteren Zeitpunkt notfallmäßig operieren lassen müssen.
44Darüber hinaus hat der Kläger erklärt, dass er über die Art der Befestigung des Netzes, etwa durch Tacker oder selbstauflösende Fäden, hätte nachdenken und mitentscheiden wollen. Er hätte gerne eine entsprechende Wahlmöglichkeit gehabt. Dieser Wunsch des Klägers ist vom heutigen Standpunkt aus verständlich, weil er – anders als der Sachverständige Prof. Dr. Q – die Ursache seiner andauernden Schmerzen in den verwendeten Tackern sieht, die sich nach den vom nachbehandelnden Arzt Prof. Dr. K intraoperativ erhobenen Befunden später zu einem großen Teil gelöst haben und im Übrigen von diesem entfernt worden sind. Vor der explorativen Laparoskopie hätte der Kläger jedoch keinerlei Anlass gehabt, die Art der Befestigung des Netzes zu hinterfragen und sich darüber Gedanken zu machen. Die Art der Befestigung einschließlich der Verwendung von Tackern und des Risikos einer Dislokation war nach den vorstehenden Darlegungen des Senats nicht aufklärungspflichtig. Sie wird vom Beklagten zu 2) nach dessen Angaben in der Verhandlung ohne konkrete Nachfrage des Patienten üblicherweise auch nicht angesprochen. Aus den Bekundungen des Klägers ergibt sich auch nicht, dass die Beschwerden, die nach der Versorgung der Leistenhernie im Jahr 2004 aufgetreten waren und weiter Probleme bereiteten, auf der Art der Befestigung beruhten oder dass der Kläger hiervon im Februar 2011 ausging. Ferner hat der Kläger, der unstreitig über die allgemeinen Komplikationen einer explorativen Laparoskopie aufgeklärt worden ist, deutlich höhere Risiken als eine selten vorkommende Dislokation von Spiraltackern nicht zum Anlass genommen, die Durchführung des Eingriffs in Zweifel zu ziehen und eine zweite Meinung einzuholen. Handschriftlich hat die Zeugin D. als aufgeklärte Risiken beispielsweise Embolie, Perforation von Magen und Darm, Peritonitis, Sepsis, Infektion und Tod vermerkt. Auch dieses Verhalten spricht gegen einen echten Entscheidungskonflikt bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Erweiterung der Operation um eine Hernienversorgung.
453. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls.
46Berufungsstreitwert: 350.000 €