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Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 296,40 €
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin mandatierte ihre nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten damit, die Beklagte abzumahnen und aufzufordern, es zu unterlassen, ihre urheberrechtlichen Schutzrechte zu verletzten und diesbezüglich eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. In dem vorprozessualen anwaltlichen Schreiben wurde die Beklagte des Weiteren bereits darauf hingewiesen, dass der Klägerin ein Schadenersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG zustehe. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach. Sodann erhob die Klägerin die diesem Kostenfestsetzungsverfahren zu Grunde liegende Klage, mit der sie Schadenersatz (6.348,00 €) gemäß § 97 Abs. 2 UrhG und Bereicherungsansprüche wegen der der Beklagten vorzuwerfenden Rechtsverletzung geltend machte. Des Weiteren begehrte sie im Wege des Schadenersatzes Ersatz der ihr durch die Abmahnung entstandenen Kosten als weiteren Hauptanspruch in Höhe von 911,80 €. Es erging die Klage zusprechendes Versäumnisurteil, das rechtskräftig geworden ist. Das Landgericht setzte den Streitwert auf 7.259,80 € fest. Die Geschäftsgebühr hat die Klägerin auf der Basis eines Gegenstandswertes von 25.000,00 € berechnet.
4Zur Festsetzung angemeldet hat die Klägerin insgesamt 860,80 €, u. a. eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 592,80 € nach einem Streitwert von 7.259,80 €. Der Rechtspfleger hat jedoch insoweit nur 296,40 € berücksichtigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, da die Abmahnkosten tituliert worden seien, liege ein Fall des § 15a Abs. 2, 2. Alt. RVG vor, weshalb die hälftige Anrechnung der für die Abmahnung angefallenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen sei.
5Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel. Sie verweist zur Begründung darauf, dass die 1,3 Geschäftsgebühr für die Abmahnung aus einem Gegenstandswert von 25.000,00 € berechnet worden sei und den Unterlassungsanspruch betroffen habe. Mit vorliegender Klage habe sie jedoch nicht Unterlassung, sondern Schadenersatz geltend gemacht. Da dies ein anderer Gegenstand sei, seien die Voraussetzungen für eine Anrechnung gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG nicht erfüllt.
6Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
7II.
8Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinerlei Erfolg. Die vom Rechtspfleger vorgenommene Kostenfestsetzung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
91.
10Gemäß Vorb. 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, falls sie wegen desselben Gegenstandes angefallen ist.
11a)
12Es war lange Zeit sehr umstritten, ob die Abmahnung und das sich daran anschließende Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung denselben Gegenstand betreffen.
13Nach einer Ansicht (so immer noch: Onderka/N. Schneider, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 8. Aufl., Vorb. 3 Rn. 253) ist dies zu verneinen. Zur Begründung wird angeführt, die Abmahnung beziehe sich auf die endgültige Bereinigung der Hauptsache, während das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung lediglich eine vorläufige Regelung zum Gegenstand habe.
14Nach inzwischen ganz herrschender Ansicht, insbesondere der des Bundesgerichtshofs (WRP 2009, 75; s. a. KG AGS 2009, 435; JurBüro 2009, 27; OLG Karlsruhe RVGreport 2010, 457; Hansens RVGreport 2010, 457; 470; ab 22. Aufl. auch: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u. a., RVG, 22. Aufl., Anh. II Rn. 133 f.) ist die für die Abmahnung eines behaupteten Verstoßes entstandene Geschäftsgebühr gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften oder gewerbliche Schutzrechte gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr für das nachfolgende Verfügungsverfahren anzurechnen.
15b)
16Wie in dem Fall, dass nach der vorgerichtlichen Abmahnung keine einstweilige Verfügung mit dem Begehren auf Unterlassung beantragt wird, sondern sofort Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, zu verfahren ist, ist – soweit ersichtlich – bisher weder höchst- noch obergerichtlich entschieden worden. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Anrechnung ist jedoch auch bei der vorliegenden Konstellation eine solche vorzunehmen.
17In der bereits angeführten Entscheidung (WRP 2009, 75 Tz. 11 – juris -) ist Folgendes ausgeführt: „Die Geschäftsgebühr bezieht sich hier auf denselben Gegenstand i. S. der Vorb. 3 Abs. 4 zur Nr. 3100 VV RVG. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im kostenrechtlichen Sinn wird nach allgemeiner Auffassung durch das Recht oder das Rechtsverhältnis definiert, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des ihm von seinem Mandanten erteilten Auftrags bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050 Tz. 15 m.w.N.). Gegenstand der Abmahnung wie eines anschließenden Verfügungs- und Hauptsacheverfahrens ist demnach im vorliegenden Zusammenhang der durch den vermeintlichen Wettbewerbsverstoß begründete Unterlassungsanspruch. Dagegen kommt es für die Anwendung der Anrechnungsregelung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG nicht darauf an, ob die Geschäfts- und die Verfahrensgebühr dieselbe Angelegenheit oder unterschiedliche kostenrechtliche Angelegenheiten betreffen.“
18In dem vorstehend vom Bundesgerichtshof angeführten Urteil aus dem Jahre 2007 ist die vormals seit langem streitige Frage entschieden worden, ob der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der mit der Beratung des Vermieters über das Kündigungsrecht und den Ausspruch der Kündigung beauftragt ist, und das Räumungsverlangen sowie eine spätere gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen einer Räumungsklage denselben Gegenstand betrifft. Der Bundesgerichtshof (NJW 2007, 2050) hat diese Frage bejaht, und zwar mit folgender Begründung (Tz. 15 – juris -): „Gegenstand einer vom Anwalt erklärten Kündigung ist dementsprechend das Mietverhältnis, auf dessen Beendigung die Kündigung zielt. Dies legt zwar nach dem Wortlaut eher die Annahme nahe, dass es sich um zwei unterschiedliche Gegenstände handelte; das Begehren eines Vermieters, der einen Rechtsanwalt wegen aufgelaufener Mietrückstände mit der außergerichtlichen Wahrnehmung seiner Interessen, insbesondere der Beratung über eine Kündigung und mit deren Ausspruch beauftragt, ist aber bei lebensnaher Betrachtung darauf gerichtet, dass der Mieter die Wohnung räumt und sie dem Vermieter zurückgibt. Die Beendigung des Mietverhältnisses durch den Ausspruch einer Kündigung ist insoweit lediglich das Mittel zur Verwirklichung des von dem Mandanten des Rechtsanwalts verfolgten Rechtsschutzziels. Dies zeigt sich auch daran, dass der Mieter in einem anwaltlichen Kündigungsschreiben regelmäßig – wie auch hier – ausdrücklich zur Räumung der Wohnung aufgefordert wird. Überdies betrifft die vom Anwalt zu entfaltende Tätigkeit in beiden Fällen dieselben rechtlichen und tatsächlichen Punkte, so dass, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein enger inhaltlicher Zusammenhang besteht. Für den im Räumungsprozess vom Vermieter beauftragten Rechtsanwalt reduziert sich der mit der Prozessführung verbundene Aufwand in der Regel wesentlich, wenn er zuvor schon mit der außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten beauftragt war und die Kündigung erklärt oder ausdrücklich den Räumungsanspruch im Auftrag seines Mandanten geltend gemacht hat. Die vom Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehene (teilweise) Anrechnung der Gebühren für denselben Gegenstand betreffende vorgerichtliche Tätigkeit beruht gerade auf der Erwägung, den in diesen Fällen typischerweise geringeren Aufwand des Rechtsanwalts bei der Höhe der insgesamt verdienten Gebühren zu berücksichtigen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/1971, S. 209). Deshalb ist der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die Kündigung und Räumungsverlangen als einen Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit wertet, hier der Vorzug einzuräumen.“ Abschließend heißt es, eine formale Betrachtungsweise werde dem gesetzgeberischen Anliegen, die dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren - wenn auch in generalisierender Weise - an dem Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit auszurichten, im Ergebnis nicht gerecht.
192.
20Hiernach besteht kein Zweifel, dass die Voraussetzungen für eine Anrechnung auch im vorliegenden Fall gegeben sind, da gegen die Beklagte hinsichtlich der durch die vorgerichtliche Abmahnung entstandene Geschäftsgebühr bereits ein Vollstreckungstitel besteht und damit § 15a Abs. 2, 2. Alt. RVG erfüllt ist. Der Klägerin ist zwar grundsätzlich einzuräumen, dass die Abmahnung (primär) auf eine Unterlassung durch die Beklagte gerichtet war. Allerdings wurde in dem entsprechenden Schreiben bereits angekündigt, dass ihr, der Klägerin, auch ein Schadenersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG zustehe und diesbezüglich bereits ein Vergleichsvorschlag gemacht. Diesen Schadenersatzanspruch nebst der ihr durch die Abmahnung entstandenen Kosten hat die Klägerin durch das zu ihren Gunsten ergangene Versäumnisurteil gegen die Beklagte tituliert bekommen. Die hinter der Anrechnung stehende Ratio, nämlich dass verhindert werden soll, dass die gleiche – oder annähernd gleiche – Tätigkeit des Rechtsanwalts zweimal in voller Höhe honoriert wird, wenn sie wegen unterschiedlicher Angelegenheiten anfällt, nämlich zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche, ist damit einschlägig.
213.
22Gegen die Anrechnung kann sich die Klägerin auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die titulierte 1,3-Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 25.000,00 € geltend gemacht und tituliert wurde, während der Streitwert für das Hauptsacheverfahren auf lediglich 7.259,80 € festgesetzt wurde, so dass die 1,3-Verfahrensgebühr nach dem letztgenannten Betrag zu berechnen ist. Ist der Wert für die Verfahrensgebühr niedriger als der für die Geschäftsgebühr, so ist die Anrechnung wie folgt vorzunehmen (s. Müller-Rabe, Vorb. 3 Rn. 285; Onderka/N. Schneider, a.a.O., Rn. 242).
231,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG
24nebst Pauschale (Streitwert 25.000,00 €): 911,80 €
251,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG
26(Streitwert 7.259,80 €): 592,80 €
27abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr (Streitwert: 7.259,80 €): 296,40 €
28insoweit festzusetzen: 296,40 €
29Damit erweist sich die Kostenfestsetzung des Rechtspflegers als in jeder Hinsicht zutreffend.
304.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
32