Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Das am 7. 1. 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 15 O 23/15 – wird auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. 6007697847 zum 20. 9. 2017 nur noch einen Betrag von 35.977,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,75 % ab dem 27. 2. 2015 abzüglich von im Zeitraum vom 1. 3. 2015 bis zum 30. 9. 2017 jeweils zum Monatsersten gezahlter 1.048,48 EUR schuldet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts in der Fassung, die es durch dieses Urteil erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 95.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
3I.
4Der Kläger schloss mit der Beklagten am 17. 3. 2003 zwei Darlehensverträge (Nr. 6011628721 und 6012025750) sowie am 30. 4. 2008 zwei weitere Darlehensverträge (Nr. 6007697847 und Nr. 6007697850); die Darlehen dienten der Finanzierung von Immobilien. Die Darlehen mit den Endnummern -721 und -750 führte der Kläger vorzeitig zum 31. 3. 2011 zurück, das Darlehen Nr. -850 zum 30. 4. 2013. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Rückabwicklung der Darlehensverträge, nachdem der Kläger seine Vertragserklärungen widerrufen hat.
5Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung eines Betrages von 80.796,56 EUR nach näherer Maßgabe der Berechnung in den mit der Klageschrift vorgelegten Unterlagen verlangt. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. 1. 2016, auf das einschließlich der gestellten Anträge und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt: Zwar entsprächen die streitgegenständlichen Widerrufserklärungen, was die Angaben zum Beginn des Fristlaufes angehe, nicht den gesetzlichen Anforderungen und die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Dennoch könne die Klage keinen Erfolg haben. Hinsichtlich der im Jahre 2003 abgeschlossenen Darlehensverträge, die bereits im März 2011 vollständig erfüllt gewesen seien, stehe der Ausübung des Widerrufsrechts der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB wegen Verwirkung entgegen. Hinsichtlich der beiden im Jahre 2008 abgeschlossenen Verträge fehle es – ebenso wie hinsichtlich der Darlehensverträge aus dem Jahr 2003 – an einer nachvollziehbar vorgetragenen Abrechnung. Dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsersatz für die von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nicht zu. Außerdem habe er nicht ausreichend vorgetragen, dass die entrichteten Zinsen nicht den marktüblichen Zinsen entsprochen hätten.
6Dagegen richtet sich die Berufung, mit der der Kläger eine unrichtige Rechtsanwendung rügt. Nach seiner Auffassung hat das Landgericht die Frage der Verwirkung unzutreffend beurteilt. Auszugehen sei in zeitlicher Hinsicht nicht von den Widerrufserklärungen im Jahre 2015, sondern von seinem Schreiben vom 30. 7. 2014, mit dem er seine Ansprüche erstmalig und schon vor der Erklärung des Widerrufs geltend gemacht habe. Der sich dann ergebende Zeitraum von nur gut drei Jahren reiche nicht aus, um von Verwirkung ausgehen zu können. Es fehle jedenfalls an dem dafür erforderlichen Umstandsmoment. Was die im Jahre 2008 abgeschlossenen Verträge angehe, so sei seine Berechnung mathematisch richtig und gehe auch von zutreffenden rechtlichen Grundlagen aus. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stünden ihm nämlich auch Ansprüche auf Nutzungsersatz zu, wie der BGH inzwischen entschieden habe. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts sei unrichtig.
7Aus dem Darlehen -721 schulde ihm die Beklagte eine Nutzungsentschädigung (berechnet auf der Grundlage einer Verzinsung von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) in Höhe von 13.694,47 EUR; ferner habe sie die von ihm gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 2.409,05 EUR zu erstatten. Für das Darlehen -750 betrage die Nutzungsentschädigung 12.223,17 EUR, die Vorfälligkeitsentschädigung 1.970,65 EUR. Für das zurückgeführte Darlehen -850 betrage die Nutzungsentschädigung 5.200,89 EUR. Auf das Darlehen -847 zahle er derzeit monatlich 1.048,48 EUR. Bis zum Widerruf am 2. 3. 2015 sei eine Nutzungsentschädigung von 6.070,47 EUR angefallen. Auf seit dem Widerruf bis zum Stichtag 15. 3. 2017 weiter geleistete Zahlungen von zusammen 25,163,52 EUR sei eine Nutzungsentschädigung von 410,89 EUR geschuldet. Bis zum 20. 9. 2017 fielen weitere 6.290,88 EUR an, die ebenfalls zurückzuerstatten seien. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Ansprüche des Klägers wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 13. 3. 2017 nebst Anlage (Bl. 217 ff. d. A.) sowie den Schriftsatz vom 29. 8. 2017 (Bl. 270 f. d. A.) verwiesen.
8Der Kläger beantragt, nach mehrfacher Umstellung seiner Anträge, zuletzt
9unter Abänderung des Urteils des Landgerichts
101. a) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.768,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. 8. 2014 zu zahlen;
11b) festzustellen, dass der Kläger durch den Widerruf zum 20. 9. 2017 auf das Darlehen mit der Nr. 6007697847 nur noch einen Betrag von 4.673,98 EUR schuldet;
122. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.061,16 EUR sowie notwendige Gutachterkosten in Höhe von 1.249,50 EUR zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen rechtlichen Ausführungen zur Frage der Wirksamkeit des Widerrufs beziehungsweise der Richtigkeit der Widerrufsbelehrung. Im Hinblick auf das Darlehen -847 berechnet sie den dem Kläger geschuldeten Nutzungsersatz auf 5.757,52 EUR, von dem noch 25 % Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.439,38 EUR zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag in Höhe von 79,17 EUR abzuziehen seien. Mit den ihr zustehenden Ansprüchen hat sie die Aufrechnung erklärt; für den verbleibenden Saldo zu ihren Gunsten schulde ihr der Kläger weiterhin Wertersatz in Höhe des Vertragszinses. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 7. 6. 2017 nebst Anlage CBH 1 (Bl. 253 ff. d. A.) verwiesen.
16II.
17Die zulässige Berufung hat nur mit dem zuletzt gestellten Klageantrag zu 1 b) teilweise Erfolg.
181. a) Hinsichtlich der Darlehensverträge -721, -750, und -850 ist das Widerrufsrecht des Klägers verwirkt. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass es sich – entgegen der Darstellung im Urteil des Landgerichts – bei dem Vertrag mit der Endnummer -847 um den noch nicht erfüllten Vertrag handelt. Dies entspricht sowohl der Darstellung in der Klageschrift (Bl. 2 d. A.) als auch der Klageerwiderung (S. 5 = Bl. 73 d. A.) und dem gesamten weiteren Vortrag der Parteien; die abweichende Angabe auf S. 4 der Klageerwiderung (Bl. 72 d. A.) stellt daher einen offensichtlichen Irrtum dar.
19Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, 11. 10. 2016, XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 30).
20Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der Widerruf konkludent in der Klageschrift vom 15. 1. 2015 erklärt worden ist, die der Beklagten am 27. 2. 2015 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat einen vorprozessualen Widerruf in Abrede gestellt (Klageerwiderung vom 11. 5. 2015, S. 2 = Bl. 70 d. A.). Das in diesem Zusammenhang seitens des Klägers erwähnte Schreiben vom 30. 7. 2014 ist nicht vorgelegt worden, so dass sich nicht feststellen lässt, ob in diesem Schreiben der Widerruf bereits erklärt oder nur angedroht worden ist.
21In Bezug auf die Verträge -721 und -750 (Vertragsschluss 17. 3. 2003, vorzeitige Rückführung zum 31. 3. 2011) und -850 (Vertragsschluss 30. 4. 2008, Rückführung zum 30. 4. 2013) liegt bei dem im Jahr 2015 erstmals erklärten Widerruf das Zeitmoment vor. Dies gilt auch, wenn der Kläger mit Schreiben vom 30. 7. 2014 (ohne den Widerruf zu erklären) die Beklagte auf das seiner Ansicht nach fortbestehende Widerrufsrecht hingewiesen haben sollte. Selbst wenn dieses Schreiben (was sich ohne Kenntnis seines Inhalts nicht beurteilen lässt) das Vertrauen der Beklagten auf den Fortbestand der infolge der Rückführung der Verträge entstandenen Vermögenslage erschüttert haben sollte, wäre auch der Zeitraum zwischen dem letzten Vertragsschluss im Jahr 2008 und Juli 2014 groß genug, um bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen entstehen zu lassen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann in diesem Zusammenhang nicht auf die Länge der Verjährungsfristen abgestellt werden, da das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegt.
22Der Senat sieht in Anbetracht des Zeitablaufs und des Umstandes, dass die genannten Darlehen bereits seit längerer Zeit abgewickelt waren (im Fall der Darlehen -721 und -750 vorzeitig auf Wunsch des Klägers), auch das Umstandsmoment als erfüllt an.
23b) Der seitens des Klägers in Bezug auf das Darlehen -847 erklärte Widerruf ist dagegen wirksam.
24Auch die Beklagte zieht in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel, dass die Widerrufsbelehrung für das Darlehen -847 infolge der Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ unzureichend war und sie sich auch nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 2 BGB-InfoV a. F. berufen kann, da sie gegenüber dem Muster relevante Veränderungen vorgenommen hat (wie z. B. das Einfügen von im Muster nicht vorgesehenen Fußnoten).
25Insoweit greift auch der Einwand der Verwirkung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats spricht es regelmäßig gegen die Annahme des Umstandsmoments, wenn der widerrufene Vertrag noch nicht von beiden Seiten vollständig erfüllt worden ist. In dieser Konstellation wird der Unternehmer dadurch ausreichend geschützt, dass ihm die Möglichkeit der Nachbelehrung nach § 355 BGB a. F. zur Verfügung steht (BGH, 12. 7. 2016, XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 41). Weitere Umstände, die hier dennoch die Annahme der Verwirkung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
26c) aa) Infolge des Widerrufs hat sich das Darlehen in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Dies hat zur Folge, dass der Darlehensnehmer nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB die gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung herauszugeben hat und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile für die jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta schuldet. Nach § 346 Abs. 1 BGB sind dabei nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Das gilt auch für die Bank, der es freisteht, die zu ihren Lasten streitende Vermutung zu widerlegen, sie habe aus empfangenen Leistungen Nutzungen gezogen (BGH, 12. 1. 2016, XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Tz. 18; BGH, 12. 7. 2016, XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Tz. 58).
27Der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz besteht dabei grundsätzlich in Höhe des Vertragszinses. Zwar kann der Verbraucher nachweisen, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war mit der Folge, dass er nur den marktüblichen Zins zahlen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Marktüblichkeit der vereinbarten Zinsen auszugehen, wenn sie innerhalb der Streubreite der in den Monatsberichten der E ausgewiesenen Zinssätze oder nur geringfügig bis zu 1 Prozentpunkt darüber liegen (BGH, 19. 1. 2016, XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 ff. = WM 2016, 687 Tz. 17). Dass der Vertragszins hier um mehr als 1 Prozentpunkt über dem Referenzzins gelegen hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Maßgeblich sind insoweit die Verhältnisse bei Vertragsschluss, eine zeitabschnittsweise Betrachtung findet nicht statt (OLG Schleswig, 20. 10. 2016, 5 U 62/16, BKR 2017, 22 Tz. 99). Von diesem zutreffenden Ansatz gehen auch die zuletzt vorgelegten Berechnungen des Klägers aus (Schriftsatz vom 13. 3. 2017, Bl. 217 ff. d. A.).
28Dieser Wertersatzanspruch der Bank gilt auch nach dem Widerruf fort; der Widerruf stellt insoweit keine Zäsur dar (OLG Karlsruhe, 10. 2. 2016, 17 U 77/15, juris Rn. 43; OLG Schleswig, 20. 10. 2016, 5 U 62/16, BKR 2017, 22 Rn. 100). Dies gilt auch, wenn die Bank sich weigert, den Widerruf zu akzeptieren. Eine Rechtspflicht diesen Inhalts ist nicht erkennbar; ferner steht es dem Darlehensnehmer frei, die Ansprüche der Bank – gegebenenfalls nach einer durch Aufrechnung bewirkten Saldierung der beiderseitigen Ansprüche – zu erfüllen und so den Wertersatzanspruch zu beenden. § 301 BGB greift nicht ein, da sich die Beklagte nicht in Verzug befand (vgl. unten II.3).
29Die Höhe des seitens der Beklagten geschuldeten Nutzungsersatzes wird dagegen – von beiden Seiten widerleglich – mit 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vermutet, da es sich bei dem in Rede stehenden Darlehen um ein Immobiliardarlehen (§ 492 Abs. 1a Satz 2 Halbsatz 1 BGB a. F.) handelt (BGH, 12. 7. 2016, XI ZR 564/15, juris Rn. 58). Vortrag zur Widerlegung der Vermutung ist von keiner der Parteien gehalten worden.
30Die nach dem Widerruf erbrachten Zahlungen des Klägers hat die Beklagte nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herauszugeben (vgl. BGH, 4. 7. 2017, XI ZR 470/15, juris Rn. 13). § 266 BGB, auf den sich die Beklagte in diesem Zusammenhang bezieht, steht dem Anspruch schon von den Tatbestandsvoraussetzungen her nicht entgegen: Nach dieser Bestimmung darf der Gläubiger die Annahme von Teilleistungen verweigern. Nimmt er die (an sich) unzulässige Teilleistung an, bleibt es bei der Erfüllungswirkung (BeckOK-BGB/Lorenz, § 266 Rn. 18).
31Grundsätzlich schuldet die Beklagte auch insoweit Nutzungsersatz gemäß § 818 Abs. 1 BGB, dessen Höhe ebenfalls mit (widerleglich vermuteten) 2,5 Prozentpunkten anzusetzen ist (OLG Schleswig, 20. 10. 2016, 5 U 62/16, BKR 2017, 22 Tz. 90 f.). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Beklagte ausdrücklich auch gegen diesen Anspruch die Aufrechnung mit der ihr aus dem Rückabwicklungsverhältnis zustehenden Forderungen erklärt hat. Dies hat zur Folge, dass die Forderung mit Rückwirkung – bezogen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung – erloschen sind (§ 389 BGB) und damit Ansprüche auf Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln sind (vgl. OLG Frankfurt, 27. 4. 2016, 23 U 50/15, juris Rn. 61).
32bb) Damit standen der Beklagten unstreitig die Rückgewähr der Darlehensvaluta in Höhe von 100.000 EUR sowie Wertersatz in Höhe von 21.414,40 EUR zu. Streitig ist die Höhe des seitens der Beklagten geschuldeten Nutzungsersatzes, den die Beklagte mit 4.238,97 EUR berechnet, der Kläger mit 6.070,47 EUR. Die Beklagte hat allerdings die Kapitalertragssteuer in Abzug gebracht. Dies ist unzulässig, solange diese Steuer nicht bereits von der Bank entrichtet worden ist (BGH, 25. 4. 2017, XI ZR 108/16, juris Rn. 24 f.). Da die Beklagte nicht vorgetragen hat, die Kapitalertragssteuer bereits entrichtet zu haben, ist der von ihr genannte Bruttobetrag von 5.752,52 EUR anzusetzen. Im Hinblick auf die verbleibende Differenz zur Angabe des Klägers legt der Senat gemäß § 287 ZPO den von der Beklagten ermittelten Wert zugrunde, da der Kläger für die Höhe des von ihm beanspruchten Nutzungsersatzes darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. BGH, 15. 4. 2010, III ZR 218, 09, BGHZ 185, 192 ff. = WM 2010, 980 Rn. 21; Lechner, WM 2017, 737, 741 f.).
33Somit ergibt sich folgende Berechnung der nach der Aufrechnung zu saldierenden Ansprüche bezogen auf den Zeitpunkt des Widerrufs (27. 2. 2015):
34Rückgewähr der Darlehensvaluta |
100.000 |
Vertragszins bis zum Widerruf (Wertersatz) |
-21.414,40 |
Rückzahlung der Leistungen des Klägers bis zum Widerruf |
79.684,48 |
Nutzungsersatz bis Widerruf |
5.752,52 |
Summe |
-35.977,4 |
Dieser Saldo ist ab dem 27. 2. 2015 weiter mit dem Vertragszins in Höhe von 4,75 % zu verzinsen; die nach dem Widerruf im Zeitraum vom 1. 3. 2015 bis zum 30. 9. 2017 jeweils zum Monatsersten erbrachten Zahlungen des Klägers in Höhe von jeweils 1.048,48 EUR sind in Abzug zu bringen.
362. Daraus folgt, dass ein Zahlungsanspruch des Klägers (Klageantrag zu 1a) nicht besteht. Die vom Kläger beantragte Feststellung (1b), dass der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis betreffend das Darlehen -847 kein höherer Betrag mehr zusteht, ist nach Maßgabe der vorstehenden Berechnungen zu treffen, was zu einem Teilunterliegen des Klägers mit diesem Antrag führt. Zulässigkeitsbedenken bestehen insoweit nicht, da sich die Beklagte eines höheren Anspruchs gegen den Kläger berühmt hat.
373. Ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten und Gutachterkosten (Klageantrag zu 2) besteht nicht. Die Erstattung dieser Kosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens würde voraussetzen, dass der Kläger die von ihm nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten hat; ein solches tatsächliches Angebot ist nicht vorgetragen worden. Ein Schadensersatzanspruch besteht auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt, insbesondere nicht dem des Schadensersatzes wegen einer Verletzung der Pflicht zur richtigen Belehrung des Klägers über sein Widerrufsrecht (vgl. BGH, 14. 3. 2017, XI ZR 442/16, juris Rn. 29 f.).
384. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Erfolg hat die Berufung im Ergebnis lediglich mit dem Klageantrag zu 1 b). Da sich die Beklagte nur eines – im Verhältnis zum Gesamtstreitwert – geringfügig höheren Anspruchs aus dem Rückgewährschuldverhältnis berühmt hat als ihr tatsächlich zusteht, kann dieses Teilunterliegen im Rahmen der Kostenentscheidung außer Ansatz bleiben.
39Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
40Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Die Sache hat keine über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
41Bezüglich der Streitwertfestsetzung ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass sie ausschließlich für die Gerichtskosten gilt (§ 63 GKG).