Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) wird der Beschluss des Landgerichts Bonn - 1 O 291/11 - vom 2. August 2011 abgeändert und in den Ziffern I und II des Tenors wie folgt neu gefasst:
„I. Das Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 (Aktenzeichen 99/1258) ist, soweit es sich gegen die Antragsgegnerin zu 1) richtet, zugunsten der Antragstellerin mit einer Teil-Vollstreckungsklausel zu versehen (Art. 31 ff. EuGVÜ i.V.m. §§ 3, 8 AVAG).
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gegen die Antragsgegnerin zu 2) wird abgelehnt.“
II. Mit dieser Maßgabe lautet die zu vollstreckende Verpflichtung wie folgt:
Die Antragsgegnerin zu 1) wird - gesamtschuldnerisch neben der Antragsgegnerin zu 2) -, verurteilt, der Antragstellerin einen Betrag von NLG 6.808.248,- (in Worten: sechs Millionen achthundertachttausendzweihundertachtundvierzig Gulden) zuzüglich der gesetzlichen Zinsen auf diesen Betrag ab 10. Oktober 1998 bis zum Tag der vollständigen Begleichung
zuzüglich eines Betrages von NLG 113.452 (in Worten: einhundertdreizehntausendvierhundertundzweiundfünfzig Gulden) an außergerichtlichen Kosten zu zahlen.
Die Antragsgegnerin zu 1) wird - gesamtschuldnerisch neben der Antragsgegnerin zu 2) - zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt, die auf Seiten der Antragstellerin bis zu dieser Entscheidung in erster Instanz auf NLG 6.800,- an Anwaltshonorar, auf NLG 7.485,- an Gerichtsgebühren und auf NLG 295,46 an Auslagen und in der Berufung auf NLG 8.700,- an Anwaltshonorar, auf NLG 9.350,- an Gerichtsgebühren und auf NLG 258,08 an Auslagen veranschlagt werden.“
Die Tenorziffer III des vorgenannten Beschlusses bleibt unverändert.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten des Verfahrens (erster und zweiter Instanz) tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) jeweils 50 %. Die der Antragsgegnerin zu 2) in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt die Antragstellerin; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
4. Der Gegenstandswert wird auf 3.500.000,- € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines niederländischen Urteils des Gerechtshof‘s-Gravenhage.
41. Die Antragsgegnerinnen wurden - nach Abweisung der gegen sie gerichteten Klage der aus abgetretenem Recht vorgehenden Antragstellerin in erster Instanz durch Urteil der Arrondissementsrechtsbank te Dordrecht - auf die Berufung der Antragstellerin durch Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 verurteilt, als Gesamtschuldner 6.808.248 NLG nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegnerinnen hatten sich in dem Verfahren vor den niederländischen Gerichten nicht eingelassen.
5Mit am 28. Juli 2011 beim Landgericht Bonn eingegangenem Schreiben vom 27. Juli 2011 beantragte die Antragstellerin, das vorgenannte Urteil mit einer internationalen Vollstreckungsklausel zu versehen.
6Das Landgericht Bonn hat mit Beschluss vom 2. August 2011 angeordnet, das Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 gemäß Artt. 31 ff. EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Dabei hat es seine örtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) daraus hergeleitet, dass diese im Gerichtsbezirk des Landgerichts über Grundvermögen verfüge, in das Zwangsvollstreckungsmaßnahmen stattfänden. Die örtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) hat es auf eine entsprechende Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ gestützt.
72. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerinnen. Sie sind der Ansicht, die Beschwerde sei hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) schon deshalb begründet, weil das Landgericht insoweit nicht zuständig gewesen sei. Für eine entsprechende Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ fehle es an einer Regelungslücke. Die örtliche Zuständigkeit sei in Art. 32 Abs. 2 EuGVÜ abschließend geregelt; dass gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) eine Zwangsvollstreckung in Bonn stattfinden solle, habe die Antragstellerin nicht dargelegt.
8Im Übrigen sei die Beschwerde begründet, weil der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach Art. 34 Nr. 2 i.V.m. Art. 27 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVÜ abzulehnen sei.
9Es liege ein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vor. Ihnen, den Antragsgegnerinnen, sei das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden; die Antragstellerin habe entgegen Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ den Nachweis der Zustellung der Klageschrift, auf die es maßgeblich ankomme, nicht geführt. Selbst wenn man von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgehe, könne diese keinesfalls rechtzeitig erfolgt sein, weil eine solche Zustellung im Irak mehrere Monate wenn nicht Jahre dauere; auch im fraglichen Zeitraum 1998/1999 sei nicht oder allenfalls mit erheblichen Verzögerungen mit einer Zustellung im Irak zu rechnen gewesen. Außerdem seien die Antragsgegnerinnen aufgrund des internationalen Embargos gegen die Antragsgegnerin zu 1) in der fraglichen Zeit grundsätzlich nicht in der Lage gewesen, sich gegen Klagen in Europa zu verteidigen. Da europäische Banken das Vermögen der Antragsgegnerinnen weitgehend eingefroren hätten, sei es ihnen, den Antragsgegnerinnen, in der Praxis fast unmöglich gewesen, über europäische Banken Zahlungen an Dritte wie etwa an Prozessbevollmächtigte zu leisten.
10Darüber hinaus stünde einer Anerkennung des Urteils des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 das Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ entgegen, weil die Anerkennung des Urteils der deutschen öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspreche. Der Umstand, dass die Antragsgegnerinnen aufgrund der niederländischen Zustellungsregeln und der tatsächlichen Verhältnisse im Irak praktisch keine Möglichkeit gehabt hätten, sich gegen die Klage zu verteidigen, habe dazu geführt, dass die Klage durch die niederländischen Gerichten für zulässig erachtet worden sei, obwohl der zugrunde liegende Vertrag vom 15. April 1981 eine Schiedsklausel enthalten habe. Außerdem sei die Klage für begründet erachtet worden, obwohl die Wirksamkeit der Forderungsabtretung an die Antragstellerin nur auf die fingierte Zustellung der Klage an die Antragsgegnerinnen zurückgehe. Außerdem sei nicht ersichtlich, was die Antragsgegnerinnen - insbesondere die Antragsgegnerin zu 2) - mit den angeblichen Ansprüchen aus dem genannten Vertrag zu tun hätten. Insgesamt erweise sich das Urteil vom 31. Oktober 2000 als erschlichenes - zumindest unter treuwidriger Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten und tatsächlicher Umstände - erwirktes Urteil, das nicht Grundlage einer Vollstreckung in Deutschland sein könne.
11Die Antragsgegnerinnen beantragen,
122. den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 2. August 2011 - 1 O 291/11 - über die Vollstreckbarerklärung des Urteils des Gerechtshof‘s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 - 99/1258 - aufzuheben,
133. den Antrag der Antragstellerin, das Urteil des Gerechtshof‘s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 - 99/1258 - für vollstreckbar zu erklären und für dieses Urteil die Vollstreckungsklausel zu erteilen, abzulehnen.
14Die Antragstellerin beantragt,
15die Beschwerde zurückzuweisen.
16Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss. Sie ist der Auffassung, das Landgericht Bonn sei hinsichtlich beider Antragsgegnerinnen zuständig gewesen. Die Zuständigkeit für den gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Antrag ergebe sich aus der Belegenheit einer dieser Antragsgegnerin gehörenden Immobilie im Landgerichtsbezirk, in die vollstreckt werde. Hinsichtlich der als Gesamtschuldnerin neben der Antragsgegnerin zu 1) verurteilten Antragsgegnerin zu 2) folge die Zuständigkeit aus einer entsprechenden Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ, weil diese zumindest ein Konto bei der I im Landgerichtsbezirk München unterhalte.
17Ein Anerkennungshindernis nach Art. 27 EuGVÜ liege nicht vor.
18Entgegen der Annahme der Antragsgegnerinnen seien im niederländischen Ursprungsverfahren sowohl die Klageschrift als auch die Berufungsschrift den Antragsgegnerinnen ordnungsgemäß zugestellt worden, so dass dahinstehen könne, ob verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ die Klageschrift oder - aufgrund des zunächst klageabweisenden Versäumnisurteils - die Berufungsschrift sei. Die Klageschrift sei gemäß Zustellungsnachweis (Anlage BG 4) nach dem - vorliegend einzig zulässigen - in den Niederlanden vorgesehenen Verfahren für vertragsstaatenlose Auslandszustellungen gemäß Art. 55 der niederländischen Zivilprozessordnung am 9. Oktober 1998 ordnungsgemäß zugestellt worden; die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift sei überdies im Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage ausdrücklich festgestellt und somit gemäß Art. 46 Nr. 2 i.V.m. Art. 48 EuGVÜ nachgewiesen worden. Parallel zu der niederländischen Auslandszustellung, bei der das Zustellungsdatum fingiert werde, sei die Klageschrift per Einschreiben versendet worden; die niederländische Post habe unter dem 27. November 1998 bestätigt, dass der Postbetrieb zur damaligen Zeit funktioniert habe (Anlage BG 6); ohnedies setze Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht voraus, dass die beklagte Partei tatsächliche Kenntnis von der Klageschrift erlange. Auch die Berufungsschrift, auf die wegen des die Antragsgegnerinnen nicht beschwerenden erstinstanzlichen Urteils abzustellen sei, sei am 28. Juli 1998 ordnungsgemäß zugestellt worden, was die vorgelegte Bescheinigung gemäß Art. 54 EuGVVO aF (GA I 146 f.) belege.
19Auch ein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ liege nicht vor. Ein Verstoß gegen den ordre public, der ohnedies nur in gravierenden Ausnahmefällen angenommen werden könne, sei nicht gegeben. Bei der von den Antragsgegnerinnen behaupteten fehlenden Einhaltung von Zustellungsregeln, die ohnedies Gegenstand der besonderen Vorschrift des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sei, handle es sich allenfalls um einen unbeachtlichen einfach-rechtlichen Fehler. Gleiches gelte für das behauptete Übergehen einer angeblich vereinbarten Schiedsklausel; im Übrigen sei eine solche nicht vereinbart worden.
203. Der seinerzeit nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige 16. Zivilsenat hat die Beschwerde mit Beschluss vom 26. November 2013 wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen befunden, dass die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei, und den vorgenannten Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, insbesondere zur Hauptsache, zurückverwiesen.
214. Die Parteien haben - unter Aufrechterhaltung ihrer Anträge - ihr Vorbringen wiederholt und - auch auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 30. Mai 2016 - vertieft.
22II.
23Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) ist begründet. Demgegenüber bleibt die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ohne Erfolg, weshalb das Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 nur im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) für vollstreckbar zu erklären und mit einer Teil-Vollstreckungsklausel (§ 9 Abs. 2 AVAG) zu versehen ist.
241. Die von den Antragsgegnerinnen eingelegte Beschwerde ist statthafter Rechtsbehelf im Sinne des Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), § 11 Abs. 1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes in der Fassung vom 3. Dezember 2009 (BGBl. I, S. 3881; im Folgenden: AVAG). Sie ist zulässig und insbesondere fristgemäß eingelegt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - IX ZB 91/13 -, juris Rn. 22).
25Die Einholung einer Abhilfeentscheidung durch das Landgericht vor der Entscheidung durch den Senat war nicht angezeigt, weil dem die Vollstreckung zulassenden Gericht nach allgemeiner Ansicht keine Befugnis zur Abhilfe zukommt (vgl. BT-Drucks. 11/351 S. 22; OLG München, Beschluss vom 28. Mai 1974 - 24 W 418/74 -, NJW 1975, 504, 505; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 37 Rn. 2; Schlosser, EuGVÜ, 1996, EuGVÜ Art. 37 Rn. 1; ebenso zur EuGVVO aF: OLG Celle, Beschluss vom 22. Januar 2004 - 8 W 457/03 -, IPRax 2005, 450 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 3 W 165/04 -, IPRax 2006, 487 f.; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., EuGVO Art. 43 Rn. 10; Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 10, 22. Aufl., EuGVVO Art. 43 Rn. 14).
26Zur Entscheidung berufen ist der Senat in voller Besetzung des Spruchkörpers, weil der nach Art. 32 Abs. 1 Spiegelstr. 3 EuGVÜ, § 3 Abs. 3 AVAG zur Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung berufene Vorsitzende der Zivilkammer nicht Einzelrichter im Sinne von § 568 Satz 1 ZPO ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 16 W 13/02 -, IPRax 2003, 354 f.; ebenso zur EuGVVO [aF]: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 3 W 165/04 -, IPRax 2006, 487, 488; ferner Eichel, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band IV, Nr. 708, Stand: 47. Lfg., AVAG § 11 Rn. 2; Kropholler/von Hein, a.a.O., Art. 43 Rn. 10; jeweils m.w.N.).
272. In der Sache hat die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) Erfolg, weshalb insoweit der angegriffene Beschluss des Landgerichts - wie tenoriert - abzuändern und der unter dem 27. Juli 2011 gestellte Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen ist (dazu a). Demgegenüber erweist sich die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) als unbegündet (dazu b).
28a) Die angegriffene Entscheidung ist, indem das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit auch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) angenommen hat, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
29aa) Der Senat als Beschwerdegericht im Sinne von Art. 37 Abs. 1 EuGVÜ hat von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckbarerklärung einschließlich der örtlichen Zuständigkeit des erstinstanzlich entscheidenden Landgerichts zu prüfen. § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach die Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, findet im Rahmen des gemäß Art. 36 f. EuGVÜ i.V.m. §§ 11 ff. AVAG eröffneten Beschwerdeverfahrens keine Anwendung. Der zugrunde liegende Zweck der Vorschrift, überflüssige Prozesse zu vermeiden, setzt voraus, dass der Gegner erstinstanzlich angehört wurde und Gelegenheit hatte, Einwendungen gegen die örtliche Zuständigkeit zu erheben (vgl. noch zu § 513 Abs. 2 ZPO: OLG Köln, Beschluss vom 14. Januar 1993 - 16 W 70/92 -, OLGR 1993, 172; Jennissen, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., AVAG § 3 Rn. 3 m.w.N.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 32 Rn. 4 aE). Das ist vorliegend nicht der Fall, da in dem gemäß Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ (bzw. § 6 Abs. 1 AVAG) einseitig geführten Verfahren für die Antragsgegnerinnen vor Einlegung der Beschwerde keine Möglichkeit zur Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit bestand.
30bb) Das Landgericht hat für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung, soweit er (auch) gegen die Antragsgegnerin zu 2) gerichtet war, zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit bejaht.
31(1) Nach Art. 32 Abs. 2 EuGVÜ i.V.m. § 3 Abs. 2 AVAG ist für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen örtlich zuständig ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat, oder, wenn er - wie hier - im Inland keinen Wohnsitz hat, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) nicht erfüllt. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Antragsgegnerin zu 2) im Bezirk des Landgerichts Bonn Vermögen besitzt, in das die Antragstellerin gegebenenfalls zu vollstrecken beabsichtigen könnte; die Antragstellerin hat hierzu in ihrem Antrag vom 27. Juli 2011 lediglich ausgeführt, dass sie bereits Sicherungshypotheken auf Grundstücken der Antragsgegnerin zu 1) in Friesdorf habe eintragen lassen. Unter diesen Umständen kann die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts für den Antrag nur insoweit bejaht werden, als er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1) richtet.
32(2) Entgegen der - von der Antragstellerin geteilten - Auffassung des Landgerichts vermag auch eine entsprechende Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn nicht zu begründen; vorliegend ist für eine solche Analogie kein Raum.
33Dabei kann dahin stehen, ob die entsprechende Anwendung eines Wahlgerichtsstandes auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren mit der Systematik des Übereinkommens überhaupt vereinbar ist (für die EuGVVO aF verneinend Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 10, 22. Aufl., EuGVVO Art. 39 Rn. 3). Die vom Landgericht als Beleg für seine Auffassung zitierte Fundstelle (Geimer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., Anh III AVAG § 3 Rn. 2) vermag den von der Antragstellerin geteilten Standpunkt des Landgerichts nicht zu stützen, wenngleich zu konzedieren ist, dass die an der angegebenen Fundstelle enthaltene Aussage auf den ersten Blick im Sinne der Antragstellerin zu sprechen scheint. Indes verdeutlicht die dort in Bezug genommene weitere Fundstelle (Geimer, NJW 1975, 1086, 1087), dass Geimer - und mit ihm die im Schrifttum vorherrschende Auffassung - bei subjektiver Antragshäufung im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine entsprechende Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ nur für Konstellation befürwortet, in denen die in einer ausländischen Entscheidung gemeinsam verurteilten Schuldner im Inland ihren Wohnsitz in verschiedenen Landgerichtsbezirken haben bzw. die Vollstreckungsorte in verschiedenen Landgerichtsbezirken liegen (vgl. Geimer, NJW 1975, 1086, 1087; ders. in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1. Aufl., EuGVÜ Art. 32 Rn. 5; Haß, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 606 Art. 32 Rn. 3; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 32 Rn. 6; Roth, RIW 1987, 814, 815, 817; Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 32 Rn. 2; Wolff, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band III/2, 1984, Rn. 231; ferner - zur EuGVVO aF: Dörner, in: Saenger, ZPO, 5. Aufl., EuGVVO Art. 39 Rn. 4; Gottwald, in: MünchKommZPO, Band 3, 4. Aufl., EuGVO Art. 39 Rn. 9; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVO Art. 39 Rn. 11; Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 540 Art. 39 Rn. 7; a.A.: Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 10, 22. Aufl., EuGVVO Art. 39 Rn. 3). Dies wird insbesondere dadurch verdeutlicht, dass die befürwortete analoge Anwendung Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ von dem Bestreben getragen ist, das für solche Fälle im deutschen Zivilprozessrecht vorgesehene Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. Juni 1988 - AR 1 Z 33/88 -, NJW 1988, 2181) auszuschließen, weil dieses die vorherige Anhörung des Gegners vorsieht (vgl. nur Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 1, 23. Aufl., § 36 Rn. 2, § 37 Rn. 1; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Erster Band - Teilband 2, 4. Aufl., § 37 Rn. 14), was als unvereinbar mit der einseitigen Ausgestaltung des Antragsverfahrens (Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ, § 6 Abs. 1 AVAG) angesehen wird (vgl. dezidiert insbesondere Haß, a.a.O.; Pörnbacher, a.a.O.; Roth, RIW, 1987, 814, 815, 816).
34Für den Fall, dass einer der Titelschuldner im Inland keinen Wohnsitz hat und auch sonst eine gegen ihn gerichtete konkrete Vollstreckungsabsicht im Inland nicht besteht, wird hingegen - soweit ersichtlich - eine entsprechende Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht vertreten. Abgesehen davon, dass in diesem Fall der Annahme einer Regelungslücke schon die abschließende Vorschrift des Art. 32 Abs. 2 EuGVÜ entgegen steht, besteht für eine analoge Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ auch aus praktischen Erwägungen keine Notwendigkeit (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des Art. 39 Abs. 2 EuGVVO aF: Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 10, 22. Aufl., EuGVVO Art. 39 Rn. 3). So liegt der Fall hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2); die Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 30. Juni 2016 gebieten aus den durch die Antragsgegnerinnen mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016 ausgeführten Gründen, denen der Senat beitritt, keine abweichende Bewertung. Soweit die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin zu 2) habe deutsche Staatsanleihen gezeichnet, wird dies durch die in Bezug genommene Seite 20 des als Anlage BG 9 vorgelegten Jahresabschlusses 11 der Antragsgegnerin zu 2) nicht bestätigt; hierzu verhält sich die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 31. August 2016 auch nicht mehr. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf das bei der I geführte Konto der Antragsgegnerin zu 2) greift nicht durch. Zwar führt die Antragstellerin im Ansatz zutreffend aus, dass es bei der Beurteilung der Zuständigkeit grundsätzlich nicht auf die Erfolgsaussichten der künftigen Vollstreckung ankommt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 16 W 20/03 -, juris Rn. 13). Doch hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang schon eine konkrete Vollstreckungsabsicht nicht plausibel dargetan; aus dem als Anlage BG 8 vorgelegten anonymisierten Schreiben der I ergibt sich, dass das dort genannte Guthaben (595.000 €) bereits anderweitig wegen einer Forderung in Höhe von 3.415.588,24 € gepfändet war.
35b) Demgegenüber erweist sich die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) als unbegründet. Das Landgericht hat das Urteil des Gerechtshof’s-Gravenhage vom 31. Oktober 2000 insoweit mit Recht für vollstreckbar erklärt.
36Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor; ein Anerkennungsversagungsgrund nach Art. 27 EuGVÜ ist vorliegend nicht gegeben.
37aa) Ein Anerkennungsversagungsgrund nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird eine Entscheidung nicht anerkannt - und somit nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ auch nicht für vollstreckbar erklärt -, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde. Der Inhalt eines ausländischen Urteils verletzt die deutsche öffentliche Ordnung nur, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und der in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92 -, IPRax 1994, 367, insoweit in BGHZ 122, 16 nicht abgedruckt). Hiernach und unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der Versagungsgründe kann mithin ein Verstoß gegen ordre public des Anerkennungsstaates nicht schon dann angenommen werden, wenn dessen Gerichte anders entschieden hätten. Vielmehr kommt die Versagung der Anerkennung nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Klomps, Slg. 1981, 1595, 1608 Rn. 19; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 5). Dies ist hier nicht der Fall.
38(1) Soweit die Antragsgegnerin zu 1) rügt, die Antragstellerin habe vor den niederländischen Gerichten Klage erhoben, obwohl der zugrunde liegende Vertrag eine Schiedsklausel enthalten habe, zeigt sie keinen Grund auf, der einer Vollstreckbarerklärung entgegen steht. Nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ darf die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in Artt. 27 f. EuGVÜ genannten Gründe aufgehoben werden. Unter diesen Versagungsgründen, die eng auszulegen sind und deren Aufzählung abschließend ist (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 1, Art. 28 Rn. 5; zu den entsprechenden Artt. 34 f. EuGVVO aF: EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Rs. C-139/10 - Prism Investments BV, Slg. 2011 I-9527, 9539 Rn. 33), ist der Einwand der Schiedsvereinbarung nicht genannt (vgl. Geimer, in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1. Aufl., EuGVÜ Art. 28 Rn. 33; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 1 Rn. 46, Art. 28 Rn. 5).
39Nichts anderes gilt, wenn man in dem Übergehen einer eindeutig wirksamen Schiedsklausel einen Verstoß gegen den ordre public nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sieht (so Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 27-29 Rn. 5). Eine eindeutige Wirksamkeit der von der Antragsgegnerin zu 1) reklamierten Schiedsklausel kann dem Vertrag vom 9. Juli 1981 und den wechselseitig hierzu vorgelegten Schriftstücken nicht entnommen werden.
40(2) Die Antragsgegnerin zu 1) vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, die Klage aus abgetretenem Recht sei für begründet erachtet worden, obwohl die Wirksamkeit der Abtretung nur aus der fingierten Zustellung der Klageschrift folge. Der in der Sache gerügte Verstoß gegen den deutschen materiellen ordre public greift nicht durch. Abgesehen davon, dass die ausländische Entscheidung auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung keinesfalls in der Sache nachgeprüft werden darf (vgl. Art. 34 Abs. 3, Art. 29 EuGVÜ), würden durch die Anerkennung des Urteils vom 31. Oktober 2000 keine Grundsätze des deutschen materiellen Rechts verletzt, weil das deutsche Recht eine Forderungsübertragung ohne Mitwirkung (und Kenntnis) des Schuldners zulässt (vgl. §§ 398 ff. BGB).
41(3) Auch der Einwand der Antragsgegnerin zu 1), die Klage sei für begründet erachtet worden, obwohl sie mit dem Rechtsstreit überhaupt nichts zu tun gehabt habe, greift nicht durch (vgl. Art. 34 Abs. 3, Art. 29 EuGVÜ).
42Für den damit verknüpften Vorwurf, das Urteil sei erschlichen oder zumindest unter „treuwidriger Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten und tatsächlicher Umstände“ erwirkt worden, ist nichts ersichtlich. Der Vorwurf greift schon deswegen zu kurz, weil er unberücksichtigt lässt, dass der mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieher sowohl die Klageschrift als auch die Berufungsschrift nicht nur der niederländischen Staatsanwaltschaft übergab, sondern darüber hinaus die Versendung weiterer Ausfertigungen nebst englischer Übersetzung per Einschreiben unmittelbar an die Antragsgegnerinnen veranlasste. Gegen ein Erschleichen bzw. treuwidriges Erwirken eines Urteils spricht überdies der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin sich ausweislich der Anlage BG 6 sieben Wochen nach Klageerhebung (am 27. November 1998) bei der niederländischen Post nach den postalischen Zustellungsmöglichkeiten im Irak erkundigte und hierauf die Auskunft erhielt, dass Postverkehr in den Irak möglich sei, jedoch seit dem 2. Juli 1991 über Jordanien erfolge und von dort per Bus oder Lastwagen in den Irak transportiert werde. Aufgrund der abschließenden Mitteilung der Post, dass nach internen Erkundigungen keine Störungen bekannt geworden seien, durfte die Antragstellerin davon ausgehen, dass die Klage- bzw. Berufungsschrift den Antragsgegnerinnen zugehen würden.
43bb) Auch das Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ liegt nicht vor. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1) nicht so rechtzeitig zugestellt wurde, dass sie sich nicht verteidigen konnte (dazu unter (3)).
44Nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich - wie vorliegend die Antragsgegnerin zu 1) - auf das Verfahren im Erststaat nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Damit bezweckt die Vorschrift den Schutz der Rechte des Beklagten, insbesondere die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs.
45(1) Aus diesem Regelungszweck folgt, dass verfahrenseinleitendes Schriftstück in diesem Sinn ein Schriftstück ist, durch dessen Zustellung der Beklagte von dem gegen ihn gerichteten Verfahren erstmals Kenntnis erlangen soll (vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 108; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 24; Wolf, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 606 Art. 27/28 Rn. 20). Dafür spricht überdies der eindeutige Wortlaut der Vorschrift (vgl. Wolf, a.a.O. Art. 27/28 Rn. 23). Dementsprechend stellen etwa - jedenfalls bei fortdauernder Parteiidentität - spätere Klageerweiterungen oder -änderungen im Allgemeinen keine verfahrenseinleitenden Schriftstücke dar (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 1986 - IX ZB 27/86 -, IPRax 1987, 236, 237; Geimer, a.a.O., EuGVÜ Art. 27 Rn. 110; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Rn. 852; Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 27-29 Rn. 10; Wolf, a.a.O., Art. 27/28 Rn. 23; zweifelnd Kropholler, a.a.O., EuGVÜ Art. 27 Rn. 26). Vor diesem Hintergrund ist vorliegend auf die das erstinstanzliche Verfahren vor der Arrondissementsrechtbank te Dordrecht einleitende Klageschrift abzustellen.
46(2) Die Zustellung der Klageschrift ist vorliegend ordnungsgemäß erfolgt. Ordnungsgemäß in diesem Sinne ist die Zustellung dann, wenn sie einem im Urteilsstaat geltenden Abkommen oder dem autonomen Recht des Urteilsstaates entspricht (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 30).
47Vorliegend bestimmt sich die Ordnungsgemäßheit der Zustellung nach Art. 55 der niederländischen Zivilprozessordnung, da vorliegend im Verhältnis der Niederlande zum Irak kein vorrangiges Abkommen Anwendung findet. Danach ist - was die Antragstellerin durch Vorlage des in beglaubigter Abschrift als Anlage BG 4 vorgelegten Zustellungsnachweises urkundlich im Sinne von Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ belegt hat - die Ladung zum Termin am 24. Februar 1999 mit dem Inhalt der Klageschrift den Antragsgegnerinnen unter dem 9. Oktober 1998 zugestellt worden, und zwar auf diplomatischem Wege durch der Staatsanwaltschaft in Dordrecht zugestellte Kopien (nebst Duplikaten in englischer Übersetzung) sowie mittels eingeschriebener Briefe durch den beauftragten Gerichtsvollzieher. Hierbei geht das für dieses Verfahren maßgebliche autonome niederländische Recht davon aus, dass die Zustellung im Inland erfolgt (sog. „remise au parquet“), ohne dass es darauf ankommt, ob der Zustellungsadressat die zuzustellenden Schriftstücke tatsächlich erhält.
48Unter diesen Umständen war die Zustellung durch die Übergabe der Ladungsschrift nebst Klageinhalt an die Staatsanwaltschaft in Dordrecht ordnungsgemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vollzogen. Dies hat die Antragsgegnerin zu 1) nicht mehr in Abrede gestellt, nachdem die Antragstellerin die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift - was zulässig ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. März 1999 - 16 W 32/98 -, IPRax 2000, 528 f.) - im Beschwerdeverfahren nachgewiesen hat.
49(3) Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1) nicht so rechtzeitig zugestellt wurde, dass sie sich nicht verteidigen konnte.
50(a) Die vorstehend ausgeführte Ordnungsgemäßheit der Zustellung steht als solches einer Anerkennungsversagung nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht entgegen. Entgegen der missverständlichen deutschen Textfassung enthält die Vorschrift mit der Ordnungsgemäßheit der Zustellung einerseits und ihrer Rechtzeitigkeit andererseits zwei gesonderte und kumulative Garantien für die Versagung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung. Dementsprechend ist das Gericht des Zweitstaates selbst dann, wenn ein Gericht des Urteilsstaates die Ordnungsgemäßheit der Zustellung festgestellt hat, nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zur Prüfung der Frage verpflichtet, ob diese Zustellung so rechtzeitig erfolgt ist, dass sich der Beklagte verteidigen konnte (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Klomps, Slg. 1981, 1594, 1607 f. Rn. 15 f.).
51Das Erfordernis der Rechtzeitigkeit der Zustellung soll gewährleisten, dass dem Beklagten ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung steht, um seine Verteidigung vorzubereiten oder die zur Vermeidung einer Säumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Klomps, Slg. 1981, 1594, 1608 Rn. 18). Hierbei sind Wertungen tatsächlicher Art entscheidend. Es ist darauf abzustellen, ob dem Beklagten nach den Umständen des Einzelfalles tatsächlich genügend Zeit zur Vorbereitung einer sachgerechten Verteidigung zur Verfügung stand (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 6. Oktober 1994 - 7 W 34/94 -, NJW-RR 1995, 446, 447; OLG Hamm, Beschluss vom 3. August 1987 - 20 W 24/87 -, IPRax 1988, 289, 290). Dabei verlangt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis genommen hat. Da die Versagungsgründe Ausnahmecharakter haben und auch die Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke ebenso wie die einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkommen die Interessen des Beklagten wahren sollen, kann das Gericht des Vollstreckungsstaats normalerweise davon ausgehen, dass der Beklagte nach einer ordnungsgemäßen Zustellung Maßnahmen zur Verteidigung seiner Interessen schon von dem Zeitpunkt an einleiten kann, zu dem das Schriftstück zugestellt wird, sei dies nun an seinem Wohnsitz oder an einem anderen Ort. Im Allgemeinen kann sich somit das Gericht des Vollstreckungsstaats auf die Prüfung der Frage beschränken, ob der von dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Zustellung an zu berechnende Zeitraum dem Beklagten ausreichend Zeit für seine Verteidigung gelassen hat. Es hat jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Annahme nahelegen, dass die Zustellung, obgleich ordnungsgemäß erfolgt, dennoch nicht genügte, den Beklagten in die Lage zu versetzen, Schritte zu seiner Verteidigung einzuleiten, und dass sie somit den in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ geforderten Zeitraum nicht beginnen lassen konnte. Hierbei kann das Gericht des Vollstreckungsstaats alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, einschließlich der Art und Weise der Zustellung, der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und der Art der Maßnahmen, die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung einzuleiten waren (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Klomps, Slg. 1981, 1594, 1608 f. Rn. 19 f.).
52(b) In Anwendung der vorstehend skizzierten Maßstäbe kann hier nicht festgestellt werden, dass die Klageschrift der Antragsgegnerin zu 1) nicht so rechtzeitig zugestellt wurde, dass sie sich nicht verteidigen konnte.
53(aa) Die Antragsgegnerin zu 1) hat zur Nichtwahrung des Rechtzeitigkeitserfordernisses nicht hinreichend substanziiert vorgetragen. Sie hat zwar im Hinblick auf das - davon zu unterscheidende - Erfordernis der Ordnungsgemäßheit der Zustellung bis zur Vorlage der Anlage BG 4 durch die Antragstellerin mit Recht gerügt, dass insofern kein Nachweis geführt sei. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Rechtzeitigkeit fehlt es indes an jedwedem Vorbringen von Substanz. Insoweit hat die Antragsgegnerin zu 1) auf Seite 5 der Beschwerde zunächst nur pauschal ausgeführt, dass unabhängig von der Form der Zustellung davon auszugehen sei, „dass eine solche Zustellung im Irak mehrere Monate, wenn nicht Jahre dauert“; es sei darüber hinaus davon auszugehen, „dass in den hier fraglichen Jahren 1998 und 1999 die Lage angesichts der damaligen Sanktionen und der internationalen Isolierung des Irak noch wesentlich schwieriger war“. Auf Seite 12 des Schriftsatzes vom 13. Juni 2013 hat sie sodann unter Bezugnahme auf dieses Vorbringen zum Beweis dafür, „dass im fraglichen Zeitraum in den Jahren 1998 und 1999 nicht oder allenfalls mit erheblichen Verzögerungen mit einer Zustellung im Irak zu rechnen“ gewesen sei, die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Dieser Anregung war indes nicht nachzugehen, da dieses Vorbringen der Antragsgegnerin zu 1) zu pauschal und daher einer Beweisaufnahme nicht zugänglich ist.
54Dies geht zu Lasten der Antragsgegnerin zu 1), zumal die gemäß Art. 55 niederl. ZPO erfolgte Zustellung zweigleisig - auf dem diplomatischen Weg einerseits und per Einschreiben durch den Gerichtsvollzieher andererseits - erfolgt ist. Hinzu kommt, dass aus dem Zustellungsnachweis für die (unter dem 9. Oktober 1998 zugestellte) Klageschrift eine Vorlaufzeit bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in Dordrecht (am 24. Februar 1999) von gut viereinhalb Monaten ersichtlich ist.
55Der Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist zwar von Amts wegen zu prüfen (h.M.: vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ vor Art. 26 Rn. 6 m.w.N.; a.A. Geimer, in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1. Aufl., EuGVÜ Art. 27 Rn. 92: nur bei Geltendmachung durch den Beklagten). Jedoch trägt die Beweislast für alle der Anerkennung entgegen stehenden Tatsachen - mit Ausnahme der gemäß Artt. 46 f. EuGVÜ durch den Antragsteller beizubringenden Nachweise - diejenige Partei, welche die Anerkennung bestreitet; dies folgt aus der durch Art. 26 EuGVÜ statuierten Rechtsvermutung zugunsten der Anerkennung (str., vgl. Kropholler, a.a.O., vor Art. 26 Rn. 7 unter Berufung auf den erläuternden Bericht von Jenard zu Art. 26; a.A. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Rn. 884; Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 27-29 Rn. 34).
56Dies bedeutet für das Anerkennungshindernis des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Ordnungsgemäßheit der Zustellung der Antragsteller trägt (vgl. Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ), diejenige für die fehlende Rechtzeitigkeit der Zustellung hingegen der die Anerkennungsversagung reklamierende Schuldner, zumal Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ die Vorlage von Urkunden, aus denen sich die Rechtzeitigkeit der Zustellung im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ergibt, nicht fordert (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., EuGVÜ Art. 46 Rn. 3 aE m.w.N.; Schlosser, EuGVÜ 1996, Art. 46 Rn. 2 aE). Sind mithin für die Anwendung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wesentliche Tatsachen nicht aufzuklären, so geht dies zu Lasten der die Anerkennung bestreitenden Partei (vgl. Kropholler, a.a.O., vor Art. 26 Rn. 7 aE; a.A. Schlosser, a.a.O., Art. 27-29 Rn. 34). Das steht zwar in der Allgemeinheit - wie anhand der Zitate ersichtlich - nicht außer Streit. Jedoch besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Umstände, die die Antragsgegnerin zu 1) der Anerkennung des niederländischen Urteils gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ durch pauschale Hinweise auf die Dauer von Postzustellungen im Irak entgegen halten möchte, aus ihrer Sphäre herrühren. Nachdem die Antragstellerin nicht nur die Ordnungsgemäßheit der Zustellung der Klageschrift im Sinne von Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ belegt, sondern darüber hinaus eine Mitteilung der niederländischen Post vorgelegt hat, in der diese dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im November 1998 bestätigt hat, dass Postverkehr in den Irak möglich sei, wenngleich dieser seit dem 2. Juli 1991 über Jordanien und von dort entweder per Bus oder Lastwagen erfolge. Vor dem Hintergrund dieses unstreitigen Vorbringens der Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin zu 1) ihr diesbezügliches Vorbringen zu konkretisieren. Dies hat sie - ungeachtet des Hinweisbeschlusses vom 30. Mai 2016 - auch in ihrem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 nicht getan. Dort hat sie lediglich mitgeteilt, es lasse sich trotz - nicht näher ausgeführter - „aufwändiger Nachforschungen“ nicht ermitteln, ob, wann und in welcher Form die Terminsladung mit Angabe der Klagegründe zugestellt worden sei, und im Übrigen ohne Begründung die Darlegungs- und Beweislast der Antragstellerin zugewiesen; konkrete Angaben zu den postalischen Verhältnissen im Irak im Zeitraum ab 1998 fehlen. Soweit die Antragsgegnerin zu 1) mutmaßt, es müsse angesichts der zweigleisig - auf dem diplomatischen Weg und auf dem Postweg - erfolgten Zustellung Zustellungsnachweise entweder der irakischen Behörden oder des niederländischen Außenministeriums oder der niederländischen Post geben, deren Einholung der Antragstellerin „ohne Weiteres möglich“ sei, legt sie nicht dar, warum ihr trotz „aufwändiger Nachforschungen“ eine entsprechende Anfrage etwa an das niederländische Außenministerium nicht möglich war. Auch ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die irakischen Behörden in der fraglichen Zeit überhaupt Zustellungsnachweise ausstellten; dass dies nicht ohne Weiteres angenommen werden kann, wird auch dadurch dokumentiert, dass das Außenministerium der Antragsgegnerin zu 1) im vorliegenden Verfahren bis heute keinen Zustellungsnachweis überreicht hat.
57(bb) Soweit die Antragsgegnerin zu 1) erstmals mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016 unter Hinweis auf verschiedene UN-Resolutionen und die Verordnung (EG) 2465/96 die Behauptung aufstellt, sie sei in der fraglichen Zeit nicht in der Lage gewesen, sich gegen Klagen in Europa zu verteidigen, weil europäische Banken ihr Vermögen weitgehend eingefroren hätten und es ihr in der Praxis fast unmöglich gewesen sei, Zahlungen an Prozessbevollmächtigte über europäische Banken zu leisten, vermag sie damit nicht durchzudringen. Abgesehen davon, dass auch dieses Vorbringen ohne Substanz ist, erweist es sich aus den durch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. August 2016 ausgeführten Gründen auch in tatsächlicher Hinsicht als unzutreffend.
58III.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 4 AVAG i.V.m. § 788 ZPO, § 8 Abs. 2 Satz 2 AVAG, § 97 Abs. 1 ZPO.