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Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Februar 2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 428/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt ärztlicher Fehler bei Behandlungen in der Zeit vom 12. Juni 2007 bis zum 14. Juni 2007 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Hause der Beklagten zu 1. vom 11. Juni 2007 bis zum 5. Juli 2007 auf Zahlung von Ersatz für immaterielle und materielle Schäden sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger Schäden in Anspruch.
4Die Klägerin wurde von ihrem behandelnden Orthopäden am 5. Juni 2007 wegen einer posttraumatischen Gonarthrose rechts zur Implantation einer Knieoberflächenersatzprothese rechts in das Krankenhaus der Beklagten zu 1. überwiesen. Die stationäre Aufnahme erfolgte am 11. Juni 2007, die Operation wurde durch die Beklagten zu 2. und 3. am 12. Juni 2007 durchgeführt. Nach der Operation wurde die Klägerin zunächst auf der Intensivstation betreut und am nächsten Tag auf die orthopädische Normalstation verlegt. Am 14. Juni 2007 wurde eine Angiographie durchgeführt und Heparin verordnet. Sodann wurde die Klägerin auf die chirurgische Abteilung verlegt. Gegen 18:15 Uhr wurde schließlich eine Notoperation mit Anlage eines Venenbypasses und eine Hämatomausräumung bei Dissektion und Thrombose der arteria poplitea durchgeführt. Am 15. Juni 2007 fand eine weitere Operation mit Hämatomausräumung statt. Die Klägerin wurde Anfang Juli 2007 entlassen. Es erfolgten Rehabilitationsmaßnahmen in der N Klinik in C. Die Nachbehandlung erfolgte durch den Hausarzt der Klägerin sowie einem Facharzt für Neurologie. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Köln vom 5. Juni 2008 wurde die Klägerin mit einem Behinderungsgrad von 60 als schwerbehindert anerkannt. Vom 31. Mai 2010 bis zum 5. Juni 2010 musste die Klägerin wegen eines Bypassverschlusses in der gefäßchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Q am S erneut stationär behandelt werden.
5Die Klägerin hat behauptet, im Rahmen der Operation am 12. Juni 2007 sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Verletzung der arteria poplitea gekommen, die von den Beklagten zu 2. und 3. nicht bemerkt worden sei. Auf den bei ihr eingetretenen postoperativen Blutverlust von 1.200 ml sei verspätet reagiert worden. Auch sei eine Notoperation zu spät angesetzt worden. Darüber hinaus sei im Rahmen dieser gefäßchirurgischen Operationen die notwendige Befunderhebung unterblieben. Insbesondere sei aber am 13. Juni 2007 eine Angiographie befunderhebungsfehlerhaft unterlassen worden. Eine solche Untersuchung hätte die starke Blutung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verletzung der arteria poplitea erkennen lassen. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht ordnungsgemäß, nämlich verspätet am Morgen des Operationstages, aufgeklärt worden. In Folge der Fehlbehandlung sei es zu einer Arterienverletzungen gekommen, in deren Folge wiederum sich die Klägerin insgesamt drei Revisionsoperationen unterziehen musste. Sie müsse nunmehr dauerhaft Marcumar einnehmen. Es bestünden Taubheitsgefühle im rechten Unterschenkel und Fuß, das Fußgelenk sei weitestgehend versteift, die Zehenhebung eingeschränkt. Sie könne sich nur sehr eingeschränkt fortbewegen, insbesondere das Treppensteigen falle ihr schwer. Auch Autofahren sei ihr nicht mehr möglich. Vor diesem Hintergrund erachte sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,00 Euro als angemessen. Darüber hinaus habe sie vorgerichtlich ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M erstellen lassen, der für seine Tätigkeit 1.422,05 Euro berechnet habe. Diesen Betrag habe sie ausgeglichen. Für die Beiziehung von Behandlungsunterlagen habe sie darüber hinaus einen Betrag in Höhe von 38,00 Euro aufbringen müssen. Darüber hinaus stünden ihr weitere Ansprüche auf Schadensersatz insbesondere wegen eines möglichen Haushaltsführungsschadens zu, die sie derzeit noch nicht abschließend beziffern könne.
6Die Klägerin hat beantragt,
71.
8die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften rechtswidrigen Behandlung zwischen dem 12. Juni 2007 und dem 14. Juni 2007 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2010,
92.
10die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aus der oben genannten fehlerhaften rechtswidrigen Behandlung 1.460,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.423,05 Euro seit dem 21. September 2010 sowie aus den verbleibenden 38,00 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
113.
12festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren vergangenen und zukünftigen materiellen sowie sämtliche künftigen immateriellen Schäden, die ihr aus der oben genannten fehlerhaften rechtswidrigen Behandlung entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
13Die Beklagten haben beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagten sind den Behauptungen der Klägerin und insbesondere dem Vorwurf schadensursächlicher Behandlungsfehler und dem Vorwurf verspäteter Aufklärung entgegengetreten.
16Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die vorgelegten Behandlungsunterlagen Bezug genommen.
17Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T [schriftliches Gutachten vom 23. August 2011 (Bl. 144 – 181 i. V. m. 182 – 243 d. A.)], welches der Sachverständige in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 31. Juli 2012 mündlich erläutert hat [S. 1 – 5 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 31. Juli 2012, Bl. 318 ff, 318 – 320 d. A.] und durch Einholen eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L [schriftliches Gutachten vom 11. März 2014 (Bl. 362 – 373 d. A.)]. In dieser Weise sachverständig beraten hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Klägerin der ihr obliegende Beweis für schadensursächliche Fehler der Behandler im Hause der Beklagten zu 1. nicht gelungen sei.
18Dagegen wendet sich der Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klaganträge unverändert weiterverfolgt.
19Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere vor, dass die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln in der Besetzung mit Frau F als Vorsitzender Richterin nach Einholung des schriftlichen Gutachtens des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T und dessen mündlicher Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2012 zu erkennen gegeben habe, dass sie von einem groben Behandlungsfehler bereits im Rahmen der Nachbehandlung der Klägerin am 12. Juni 2007 ausgehe, dass die Kammer in dieser Besetzung einen Vergleich mit einer Abfindungszahlung von 20.000 Euro vorgeschlagen und nach Ablehnen dieses Vergleichsvorschlages durch die Beklagten ein Gutachten von Herrn Prof. Dr. L zu den Folgen der Arterienverletzung und insbesondere zu der Abgrenzung zwischen den Folgen der Nervenverletzung und der Arterienverletzung eingeholt habe, das dieser am 11. März 2014 erstattet habe. Nach dem Wechsel im Vorsitz habe die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln mit Frau Berg als Vorsitzender Richterin und auch im Übrigen vollständig neuer Besetzung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2014 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Klage wegen Fehlens des Nachweises eines Behandlungsfehlers insgesamt abzuweisen, und sei alsdann tatsächlich die Klage insgesamt abgewiesen worden, ohne dem von der Klägerin gestellten Antrag auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. T zu entsprechen. Durch das Zurückweisen des Antrages auf erneute Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. T habe das Landgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Zudem habe sich die 3. Zivilkammer in der neuen Besetzung in dem angefochtenen Urteil in keiner Weise mit dem Gutachten des Parteisachverständigen Prof. Dr. M auseinandergesetzt. Auch aus dem Gutachten des Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 vom 10. Mai 2015 ergebe sich, dass die Feststellungen des Prof. Dr. T, auf die sich die 3. Zivilkammer in ihrer neuen Besetzung in dem angefochtenen Urteil gestützt habe, nicht haltbar seien. Nach den Feststellungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 stelle es einen groben Behandlungsfehler dar, nach einer Operation der hier in Rede stehenden Art eine Palpation der Fußpulse am Ende der Operation zu unterlassen und entsprechend nicht zu dokumentieren, wobei die Palpation der Fußpulse dokumentationspflichtig sei. Lediglich in dem verspätet erstatteten Entlassungsbericht seien postoperativ tastbare Pulse erwähnt worden. Nach den Feststellungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 könne entgegen der Annahme des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T und des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der postoperativ aufgetretenen Blutung mit größerer Wahrscheinlichkeit um eine spongiöse Blutung gehandelt habe. Denn wegen der Verwendung des Knochenzementes Palacos sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine arterielle Blutung aus dem Bereich der Kniekehle vorgelegen habe. Nach den Feststellungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 hätte im Hinblick auf den dokumentiertenpostoperativen Blutverlust und die engmaschig angeordneten Kontrollen des HB-Wertes, die im Hause der Beklagten zu 1. keineswegs üblich seien, weitergehende Befunderhebungen stattfinden müssen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätten. Insoweit hätten eine Sonographie, eine Ultraschall-Doppler-Untersuchung und letztlich eine Angiographie durchgeführt werden müssen. Das Unterlassen insoweit sei als grob fehlerhaft zu bewerten. Dies sei offenbar auch die Auffassung von Prof. Dr. T gewesen, wie sich aus dem Protokoll seiner diesbezüglichen Erläuterungen ergebe. Aufgrund dieser protokollierten Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. T sei die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln in der damaligen Besetzung auch von einem groben Fehler ausgegangen. Aus dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. L zu den Folgen der Arterienverletzung ergebe sich, dass der den Beklagten vorwerfbare Gefäßschaden langfristig zu erheblich schwerwiegenderen Folgen geführt hat als die – den Beklagten nicht vorwerfbare – Nervenverletzung. Der Parteisachverständige Prof. Dr. S2 habe zudem akribisch nachgewiesen, dass das Narkoseprotokoll eine korrigierte Dokumentation der Blutsperredauer enthalte. Die Dokumentation im Anästhesieprotokoll, die ebenso wie der Operationsbericht keine Öffnung der Blutsperre vor dem Operationsende belege, sei offensichtlich manipuliert. Spätestens aufgrund des Pflegeberichtes vom 13. Juni 2007, in dem um 8.00 Uhr ein erheblicher Blutverlust, ein HB-Wert von 8,3 g/dl und eine Fußheberparese dokumentiert sei, hätte zwingend und umgehend auch an eine Blutungskomplikation gedacht werden müssen. Die routinemäßigen Laborkontrollen im Hause der Beklagten zu 1. hätten in dieser Situation nicht mehr ausgereicht. Es sei von den Behandlern eine über den Standard im Hause der Beklagten zu 1. hinausgehende engmaschige Kontrolle des HB-Wertes angeordnet worden. Die postoperativ angeordnete Blutbildkontrolle alle zwei Stunden gehe weit über den Standard im Hause der Beklagten zu 2. hinaus, sei nur zu erklären, wenn intraoperativ der Verdacht auf eine Gefäßverletzung aufgekommen ist, und hätte zu reaktionspflichtigen Befunden geführt, wenn sie anordnungsgemäß durchgeführt worden wären, wobei eine Nichtreaktion auf diese Befunde grob fehlerhaft gewesen wäre. Aus der ungewöhnlich engmaschig angeordneten
20Blutbildkontrolle habe der Gerichtssachverständige Prof. Dr. T seine Feststellungen abgeleitet, die die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zutreffend als Feststellung eines groben Behandlungsfehlers bewertet habe. Es werde erneut beantragt, Prof. Dr. T ergänzend anzuhören.
21Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und treten dem Berufungsvorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2016 [Protokoll, Bl. 494/495. d. A.] Bezug genommen.
23II.
24Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
25Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Vielmehr hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz immaterieller und materieller Schäden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen, weil ihr der ihr obliegende Beweis für schadensursächliche Behandlungsfehler der Behandler im Hause der Beklagten zu 1. nicht gelungen, und weil auch ihre erstinstanzlich erhobene – und zu Recht in zweiter Instanz nicht mehr aufrecht erhaltene Aufklärungsrüge – nicht begründet ist. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende, für sie günstigere Entscheidung nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:
261.
27Auch der Senat folgt bei seiner Beurteilung ebenso wie das Landgericht den Gutachten der beiden Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T und Prof. Dr. L [Prof. Dr. T; Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie des Ev. Xkrankenhauses C2; schriftliches Gutachten vom 23. August 2011 (Bl. 144 – 181 i. V. m. 182 – 243 d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen am 31. Juli 2012 (S. 1 – 5 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 31. Juli 2012, Bl. 318 ff, 318 – 320 d. A.); Prof. Dr. L ;Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie des Ev. Krankenhauses E (akademisches Lehrkrankenhaus der Universität E); schriftliches Gutachten vom 11. März 2014 (Bl. 362 – 373 d. A.)]. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T überzeugt nicht zuletzt deshalb, weil es auf der Basis einer außergewöhnlich sorgfältigen Auswertung der Krankenunterlagen und des Akteninhalts im Übrigen einschließlich des Gutachtens des Parteisachverständigen beider Parteien Prof. Dr. F2 [Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universität L2; Gutachten im Auftrage der Haftpflichtversicherung der Beklagten in Abstimmung mit den früheren Bevollmächtigten der Klägerin zu den Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin; schriftliches Gutachten vom 8. September 2009 (Anlage K 1; Bl. 19 – 32 d. A.)] sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien und mit dem Gutachten des Parteisachverständigen Prof. Dr. Dr. B. M [Direktor der Klinik für Gefäßmedizin und Gefäßchirurgie der Städtischen Krankenhäuser L3; schriftliches Gutachten vom 8. August 2010 (Anlage K 2; Bl. 33 – 50 i. V. m. 51 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 10. November 2011 (Bl. 290 – 308 d. A.)] umfassend, in sich schlüssig und gut nachvollziehbar begründet worden ist, wobei zwar seine Feststellungen im Zusammenhang mit der aus der Operationssituation heraus erfolgten Anordnung von ungewöhnlich engmaschigen HB-Wert-Kontrollen in dem Anästhesieprotokoll Fragen aufwerfen [näher dazu unten zu 3. und 4. d)], aber die Überzeugungskraft seiner Feststellungen insgesamt nicht schmälern. Auch das Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. L überzeugt nicht zuletzt wegen seiner auf einer sorgfältigen Auswertung der Krankenunterlagen und des Akteninhalts im Übrigen und auf einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien und mit den zuvor zu den Akten gelangten Gutachten der anderen Sachverständigen beruhenden, umfassenden, in sich schlüssigen und gut nachvollziehbaren Begründung.
282.
29Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme können haftungsbegründende Fehler im Rahmen der umstrittenen Operation am 12. Juni 2007, im Rahmen der postoperativen Behandlung und auch im Zusammenhang mit der Operation am 14. Juni 2007 nicht festgestellt werden:
30a)
31Die umstrittene Operation am 12. Juni 2007 war indiziert und ist hinsichtlich ihrer orthopädischen Aspekte gut gelungen, was auch der Parteisachverständige der Klägerin Prof. Dr. S2 in seinem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten vom 10. Mai 2015 [ehem. Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität L2; schriftliches Gutachten vom 10. Mai 2015 (Bl. 458 – 479 i. V. m. 480 d. A.)] ohne jeden Zweifel ausdrücklich festgestellt hat. Alle vom Gericht und von der Klägerin eingeschalteten Sachverständigen sind sich zudem darin einig, dass die intraoperativ erfolgte Verletzung der Arteria poplitea als schicksalhafte Komplikation zu bewerten ist und nicht auf einem vorwerfbaren Behandlungsfehler der Operateure beruht.
32b)
33Auch hinsichtlich der postoperativen Behandlung der Klägerin am 12. und 13. Juni 2007 können haftungsbegründende Fehler nicht festgestellt werden. Vielmehr haben die Behandler insbesondere auf die aufgetretene ungewöhnlich starke Nachblutung mit insgesamt ca. 1.300 ml Blut, das über die Redon-Drainage unter Sog abgeleitet worden war, und das Abfallen des HB-Wertes adäquat reagiert, indem sie zum einen Blutkonserven und Infusionen verabreicht und zum anderen gegen 17.30 Uhr den Sog abgeschaltet haben. Nach Abschalten des Sogs ist es nicht mehr zu relevanten Nachblutungen gekommen und hat sich in der Folge der HB-Wert stabilisiert.
34Eine Angiographie, die weder am 12. noch am 13. Juni 2007 durchgeführt worden ist, war am 12. und 13. Juni 2007 nicht indiziert. Insbesondere bot der starke Blutverlust für sich genommen hierfür keine Veranlassung. Denn zum einen kann es nach Operationen der hier in Rede stehenden Art auch ohne eine Verletzung der Arteria Poplitea stets zu Nachblutungen kommen. Insbesondere kann es nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T je nach Lage der unter Sog angelegten Redon-Drainage trotz des Zementes, der zum Implantieren der Knieprothese verwendet wird, zu einer spongiösen Blutung aus dem Knochenmark kommen. Ferner sind Nachblutungen aus kleineren Arterien im Operationsgebiet möglich. Einem üblichen Vorgehen bei orthopädischen Operationen der hier in Rede stehenden Art entspricht es nach den Feststellungen der Gerichtssachverständigen, zunächst den Sog der Redon-Drainage abzuschalten und abzuwarten, ob es zu weiteren relevanten Nachblutungen kommt. Genau in dieser Weise sind die Behandler hier verfahren und es hat nach Abschalten des Sogs keine weiteren relevanten Nachblutungen gegeben, wobei sich in der Folge der HB-Wert stabilisiert hat. Im Hinblick darauf konnten die Behandler davon ausgehen, dass die Nachblutung beherrscht ist. Da zudem nach den Feststellungen der Sachverständigen bei der Klägerin am 12. und 13. Juni 2007 auch keine Zeichen von Durchblutungsstörungen erkennbar waren, bestand keine Veranlassung für eine Angiographie. Im Übrigen kann auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass eine Angiographie zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich bei einer entsprechenden Untersuchung weitgehend normale Durchblutungsverhältnisse gezeigt hätten. Denn nach der übereinstimmenden Feststellung der Gerichtssachverständigen und des Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 ist es zu dem Verschluss der Arteria poplitea erst am Vormittag des 14. Juni 2007 gekommen. Der Umstand, dass die Klägerin ein Kältegefühl in dem betroffenen Unterschenkel und Symptome einer Fußheberschwäche verspürt hat, hat nach den Feststellungen der Sachverständigen mit der Verletzung der Arteria poplitea und den Durchblutungssituation nichts zu tun, sondern ist auf die Nervenverletzung zurückzuführen, wobei auf diese Symptome durch die Anordnung und Durchführung des neurologischen Konsils am 13. Juni 2007 zeitlich und in der Sache angemessen reagiert worden ist. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. T stellt es zwar einen Fehler dar, dass am 13. Juni 2007 keine erneute HB-Wert-Kontrolle stattgefunden hat; diese fehlerhafte Unterlassung ist aber nach seinen Feststellungen folgenlos geblieben, weil hinreichend sicher angenommen werden kann, dass eine entsprechende Untersuchung keinen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte; denn nach dem Abstellen des Sogs am 12. Juni 2007 gegen 17.30 Uhr ist es nachhaltig nicht mehr zu einer relevanten Nachblutung und einer Stabilisierung des HB-Wertes gekommen mit der hinreichend sicher anzunehmenden Folge, dass sich am 13. Juni 2007 ein ähnlich unauffälliger HB-Wert ergeben hätte wie am Vortag nach dem Abstellen des Sogs und Stabilisierung des HB-Wertes.
35c)
36Schließlich haben die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. nach den überzeugend begründeten und von der Klägerin nicht mit Substanz angegriffenen Feststellungen der Gerichtssachverständigen auch am 14. Juni 2007 nach Auftreten des Verschlusses der Arteria poplitea angemessen und in vertretbarer Zeit reagiert.
373.
38Veranlassung für eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den Umstand, dass die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. aus der Operationssituation heraus engmaschige HB-Wert-Kontrollen alle zwei Stunden im Narkoseprotokoll angeordnet haben sowie im Hinblick auf die diesbezüglichen Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T.
39Prof. Dr. T hat diese Anordnung zwar als ungewöhnlich bezeichnet und gemutmaßt, dass die Behandler für eine derart ungewöhnlich engmaschige HB-Wert-Kontrolle für den Fall, dass diese Engmaschigkeit im Hause der Beklagten zu 1. bei Operationen der hier in Rede stehenden Art nicht üblich sein sollte [entgegen der Behauptung der Beklagten lässt sich dem als Anlage B 4 vorgelegten so genannten „Pflege-standard Knie-TEP“ der Beklagten zu 1. (Bl. 62/63 d. Bandes „Krankenunterlagen“) nicht entnehmen, dass HB-Wert-Kontrollen in einer solchen Engmaschigkeit im Hause der Beklagten zu 1. üblich waren], einen Grund gehabt haben müssen, dass als Grund letztlich nur der intraoperativ aufgekommene Verdacht auf eine Gefäßverletzung vorstellbar sei. Und Prof. Dr. T hat für diesen Fall gefordert, dass einem solchen Verdacht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hätte nachgegangen werden müssen. Konkrete Maßnahmen, die alsdann über das tatsächlich Geschehene hätten ergriffen werden müssen, hat Prof. Dr. T aber nicht benannt. Vielmehr hat er in Übereinstimmung mit den anderen Sachverständigen – und auch in Übereinstimmung mit dem Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 – eine sofortige Revisionsoperation als Möglichkeit verworfen, weil der fragliche Operationsbereich ohne ein Entfernen der implantierten Prothese nicht hinreichend hätte eingesehen werden können und weil ein sofortiges Explantieren der Prothese allein auf den Verdacht auf eine Gefäßverletzung hin nicht in Betracht gekommen wäre. Als Möglichkeit hat er lediglich für den Fall, dass eine Nachblutung mit lebensbedrohlichem Ausmaß oder mit anderen im weiteren Verlauf massiv nachteiligen Folgen aufgetreten wäre, den Einsatz eines interventionellen Radiologen angesprochen, der unter Einsatz von Kontrastmittel und Katheter die Herkunft der Blutung hätte feststellen und unter Umständen mit Stents hätte arbeiten können. Diese Möglichkeit kam bei der Klägerin aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Nachblutung bei ihr zwar zu einem relativ hohen Blutverlust, aber ersichtlich weder zu einer lebensbedrohlichen noch zu einer ansonsten massiv nachteiligen Situation geführt hat, und weil die Nachblutung im Übrigen durch die angesprochenen Mittel nachhaltig hat gestoppt werden können.
40Zudem hat Prof. Dr. L mit überzeugender Begründung zum einen festgestellt, dass eine postoperative Nachblutung, die – wie bei der Klägerin – mit konservativen Methoden gestillt werden kann und nicht mit Zeichen einer Minderdurchblutung des betroffenen Beines einhergeht, für sich genommen keine Indikation für eine angiographische Diagnostik oder operative Intervention darstellt. Zum anderen hat er mit ebenfalls überzeugender Begründung festgestellt, dass bei der Klägerin auch dann, wenn bei ihr eine Revisionsoperation vorgenommen worden wäre, nicht davon ausgegangen werden könnte, dass der weitere Verlauf anders und für die Klägerin günstiger ausgefallen wäre als tatsächlich geschehen. Zur Begründung für diese Feststellung hat er insbesondere ausgeführt, dass es ggf. nur zwei Möglichkeiten gegeben hätte: Die eine Möglichkeit wäre gewesen, dass die bei der Klägerin aufgetretene Nachblutung tatsächlich eine Blutung aus der Arteria poplitea gewesen wäre: Ggf. hätte man im Rahmen der Revisionsoperation im Hinblick darauf, dass es sich dabei sicher um keinen schweren Defekt gehandelt hätte, lediglich eine punktuelle Blutung an der Arterienwand umstochen und keine weiteren Maßnahmen ergriffen, weil nach der Einschätzung aller Sachverständigen zu der fraglichen Zeit das Gefäß noch durchgängig gewesen sei, und weil intraoperativ die beginnende Intimaläsion, die sich später im weiteren Verlauf gezeigt habe, kaum zu diagnostizieren gewesen wäre; mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es im weiteren Verlauf ebenso wie tatsächlich geschehen zu dem Gefäßverschluss gekommen. Als zweite Möglichkeit wäre vorstellbar, dass die bei der Klägerin aufgetretene Nachblutung nicht aus der Arteria poplitea gekommen wäre, sondern aus dem Knochenmark oder aus kleineren Arterien im Operationsgebiet: in dem Falle hätte man keinen Grund gehabt, die Arteria poplitea freizulegen mit der Folge, dass es sicher zu dem später aufgetretenen Verschluss dieses Gefäßes gekommen wäre.
41Lediglich dann, wenn bereits am 12. Juni 2007 im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Arteria poplitea primär ein Bypass gelegt worden und dieser Eingriff mit optimalen Ergebnis verlaufen wäre, hätte der spätere Verschluss dieses Gefäßes und des alsdann zunächst tatsächlich angelegten Bypasses verhindert werden können, wobei aber auch bei gutem Verlauf insoweit stets mit Früh- oder Spätverschlüssen hätte gerechnet werden müssen. Bei dieser „Möglichkeit“ handelt es sich aber lediglich um eine eher theoretisch vorstellbare Vorgehensweise aus der Sicht ex post, nicht hingegen um eine ernsthaft in Betracht gekommene Handlungsmöglichkeit der Behandler im Hause der Beklagten zu 1. aus der maßgeblichen Sicht ex ante. Denn aufgrund des Verlaufs am 12. und 13. Juni 2007 konnten die Behandler nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass es sich bei der Verletzung der Arteria poplitea im Rahmen von orthopädischen Operationen der hier in Rede stehenden Art um eine extrem seltene Komplikation handelt, und dass die bei der Klägerin postoperativ aufgetretene Blutung mit konservativen Maßnahmen nachhaltig zum Stillstand gekommen ist und der HB-Wert sich nachhaltig stabilisiert hat, nicht damit rechnen, dass es intraoperativ zu einer Verletzung dieses Blutgefäßes gekommen ist.
42Im Hinblick auf Vorstehendes kann die Frage, welche zeitlichen Intervalle im Hause der Beklagten zu 1. bei Knie-TEP-Operationen für die postoperative Kontrolle des HB-Wertes üblich sind bzw. im Jahre 2007 üblich waren, letztlich dahinstehen.
434.
44Aus den Berufungsangriffen der Klägerin ergibt sich keine Veranlassung für eine abweichende, für die Klägerin günstigere Beurteilung:
45a)
46Ohne Erfolg rügt die Klägerin insbesondere, dass das Landgericht sich in keiner Weise mit den Feststellungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. M auseinandergesetzt habe. Denn zum einen hat der Gerichtssachverständige Prof. Dr. T sich bereits ungewöhnlich ausführlich mit den Feststellungen dieses Parteisachverständigen auseinandergesetzt und diese – soweit sie von den Feststellungen des Prof. Dr. T abweichen – überzeugend entkräftet. Und zum anderen hat das Landgericht auf einen insoweit wesentlichen Aspekt, nämlich darauf, dass die Feststellungen des Prof. Dr. M auf der unzutreffenden Annahme basieren, dass die Redon-Drainage ohne Sog angesetzt gewesen sei, auf S. 7 der angefochtenen Entscheidung [dort der letzte Satz] ausdrücklich hingewiesen.
47b)
48Die Klägerin verweist auch ohne Erfolg darauf, dass Prof. Dr. L zu den Folgen der Arterienverletzung festgestellt habe, dass der Gefäßschaden langfristig als schwerwiegend einzuschätzen sei, weil es dadurch zu einer weiteren und deutlichen Verschlechterung der Durchblutung kommen könne. Dies trifft zwar zu, führt indes gleichwohl nicht zu einer Haftung der Beklagten, weil ein diesbezüglicher haftungsbegründender Fehler nicht festgestellt werden kann. Im Übrigen blendet die Klägerin offenbar aus, dass Prof. Dr. L zugleich auch festgestellt hat, dass die Ursache für den wesentlichen Teil der von der Klägerin derzeit geäußerten Beschwerden der nervale Schaden sei, für den die Beklagten unstreitig und auch nach der zutreffenden Einschätzung der Klägerin selbst nicht haftbar gemacht werden können.
49c)
50Entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung ergibt sich aus dem Gutachten ihres Parteisachverständigen Prof. Dr. S2 nicht, dass die Feststellungen des Prof. Dr. T nicht tragfähig sind:
51aa)
52Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Feststellungen der beiden Sachverständigen zu der Frage nach der Quelle für die bei der Klägerin aufgetretene postoperative Blutung. Letztlich haben beide Sachverständigen hierzu festgestellt, dass die Quelle dieser Blutung nicht hinreichend sicher benannt werden könne, wobei beide zwei Ursachen für theoretisch denkbar halten, nämlich eine arterielle Blutung – sei es aus der Arteria poplitea, sei es aus kleineren Arterien im Operationsgebiet – oder aber eine spongiöse Blutung aus dem Knochenmark, wobei Prof. Dr. T eine spongiöse Blutung aus dem Knochenmark für wahrscheinlicher hält, und Prof. Dr. S2 eine Blutung aus der Arteria poplitea. Zur Begründung für seine Einschätzung hat Prof. Dr. T gut nachvollziehbar und überzeugend insbesondere darauf hingewiesen, dass es nach Abstellen des Sogs keine relevante Nachblutung mehr gegeben habe, was gegen eine arterielle Blutung spreche, die auch ohne Sog hätte fortbestehen können und müssen, dass eine Blutung aus dem Knochenmark trotz der Verwendung von Knochenzement zum Implantieren der Knieprothese möglich sei, wenn die unter Sog, d. h. unter Unterdruck stehende Redon-Drainage durch ihre Anlage dem nicht durch Knochenzement abgedichteten Knochen nahe gekommen sei, und dass auch im Rahmen der gefäßchirurgischen Operationen am 14. und 15. Juni 2007 zwar massive Einblutungen in die Weichteile mit Kompression des Gefäß- und Nervenstranges, aber nicht die Blutungsquelle habe festgestellt werden können, insbesondere nicht die Arteria poplitea als Blutungsquelle. Prof. Dr. S2 hat seine Feststellungen demgegenüber wenig überzeugend nur damit begründet, dass eine Blutung aus dem Knochenmark wegen der Abdichtung der spongiösen Oberfläche mit dem Knochenzement Palacos nicht bzw. lediglich durch die nach der Zementierung verbleibenden, mikroskopisch kleinen Spalten möglich sei.
53bb)
54Hinsichtlich der Palpation der Fußpulse hat Prof. Dr. S2 entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung keinen groben Behandlungsfehler der Operateure festgestellt, sondern nur bemängelt, dass eine solche zum Standard gehörende Palpation nicht bereits im Operationsbericht, sondern erst – nach seiner Meinung zu spät – in dem Entlassungsbrief dokumentiert worden sei; irgendwelche nachteiligen, potentiell ersatzpflichtigen Folgen hieraus leitet Prof. Dr. S2 hieraus indes – zu Recht – nicht ab und werden auch von der Klägerin weder behauptet noch belegt. Insbesondere wäre auch aus Sicht des Prof. Dr. S2 ein reaktionspflichtiger Befund aus einer früheren Palpation der Fußpulse nicht zu erwarten gewesen, weil auch Prof. Dr. S2 von einem Verschluss der Arterie erst am 14. Juni 2007 ausgeht.
55cc)
56Entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung hat der Parteisachverständige Prof. Dr. S2 auch nicht „akribisch nachgewiesen“, dass das Narkoseprotokoll hinsichtlich der Blutsperredauer manipuliert worden sei. Im Übrigen ist auch insoweit nicht ersichtlich, inwiefern sich aus der Korrektur des Narkoseprotokolls irgendeine nachteilige, potentiell ersatzpflichtige Folge zugunsten der Klägerin ergeben könnte. Prof. Dr. S2 stellt hierzu lediglich ohne Hinweis auf nachteilige Folgen für die Klägerin fest, dass es zur guten klinischen Praxis gehöre, vor dem Wundverschluss den Druck aus der Manschette abzulassen und eine sorgfältige Blutstillung vorzunehmen, dass der Operationsbericht offenlasse, ob die chirurgische Blutstillung vor oder nach dem Tourniquet [= Abbindesystem, um z. B. bei chirurgischen Operationen in Blutleere operieren zu können; Prof. Dr. S2 meint damit wohl: ob die chirurgische Blutstillung vor oder nach dem Lösen der Blutsperre erfolgt ist] erfolgt sei, dass das Narkoseprotokoll insoweit Korrekturen aufweise, dass die Zeitangaben in der pflegerischen Dokumentation hiervon geringfügig abwichen, und dass die Anwendung der Blutsperre heute von vielen Autoren kontrovers diskutiert werde.
57dd)
58Soweit der Parteisachverständige Prof. Dr. S2 für den 12. und 13. Juni 2007 weitergehende Befunderhebungen als erforderlich bezeichnet und meint, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätten und insoweit insbesondere eine Sonographie, eine Ultraschall-Doppler-Untersuchung und letztlich eine Angiographie erwähnt, vermag dies nicht zu überzeugen und die entgegenstehenden Feststellungen des Prof. Dr. T nicht zu entkräften. Insbesondere lässt Prof. Dr. S2, der ebenso wie die Gerichtssachverständigen ausdrücklich davon ausgeht, dass der Verschluss der Arteria poplitea erst am Vormittag des 14. Juni 2007 eingetreten ist, eine Erklärung zu der Frage vermissen, inwiefern er gleichwohl meint, dass die von ihm geforderten Untersuchungen bereits am 12. und/oder 13. Juni 2007 gleichwohl einen reaktionspflichtigen Befund hätten ergeben können. Auch dürften die entsprechenden Ausführungen des Prof. Dr. S2 eher von einer Sicht ex post und nicht von der rechtlich maßgeblichen Sicht ex ante getragen sein.
59d)
60Entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung bestand schließlich weder für die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln in ihrer „neuen“ Besetzung Veranlassung für eine ergänzende Anhörung des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T noch besteht eine solche Veranlassung für den Senat.
61aa)
62Eine Veranlassung für eine ergänzende Anhörung von Prof. Dr. T ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln in der „alten“ Besetzung am 31. Juli 2012 nach Anhörung des Prof. Dr. T ausweislich ihres protokollierten Hinweises von einem groben Behandlungsfehler am 12. Juni 2007 ausgegangen ist und dies zum Anlass für das Einholen eines weiteren Sachverständigengutachtens genommen hat.
63Zwar wird aus dem Protokoll des Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermins am 31. Juli 2012 nicht deutlich, wie die Kammer damals zu dieser Einschätzung kommen konnte. Denn die Ausführungen des Prof. Dr. T im Zusammenhang mit der Anordnung von HB-Wert-Kontrollen alle zwei Stunden in dem Narkoseprotokoll zu der Operation am 12. Juni 2007 tragen – jedenfalls mit ihrem protokollierten Inhalt – die Annahme eines potentiell haftungsbegründenden groben Behandlungsfehlers nicht. Zu dieser Anordnung der HB-Wert-Kontrolle [die entgegen der Behauptung der Beklagten in dem als Anlage B 4 vorgelegten so genannten „Pflegestandard Knie-TEP“ der Beklagten zu 1. (Bl. 62/63 d. Bandes „Krankenunterlagen“) keine Erklärung findet], ist zu berücksichtigen, dass sich auch dann, wenn man den diesbezüglichen Mutmaßungen des Prof. Dr. T [die Behandler müssen sich bei der Anordnung etwas gedacht habe und hätten dann diesem Gedanken weiter nachgehen müssen] folgt, aus den oben zu 3. ausgeführten Gründen keine im Ergebnis für die Klägerin günstigere Beurteilung ergäbe, und dass im Hinblick darauf die Frage, welche zeitlichen Intervalle im Hause der Beklagten zu 1. bei Knie-TEP-Operationen für die postoperative Kontrolle des HB-Wertes üblich sind bzw. im Jahre 2007 üblich waren, letztlich dahinstehen kann.
64Vor diesem Hintergrund kann zu der rechtlichen Schlussfolgerung der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln in der damaligen Besetzung lediglich angemerkt werden, dass auch der Senat diese – ebenso wie die 3. Zivilkammer in der „neuen“ Besetzung – auf der Basis des protokollierten Inhaltes der Anhörung des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T nicht nachzuvollziehen vermag.
65Und die Parteien haben auch weder schriftsätzlich noch mündlich auf entsprechende Nachfrage seitens des Senates in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. April 2016 vorgetragen, dass Prof. Dr. T über die protokollierten Feststellungen hinaus Erklärungen – gewissermaßen „zwischen den Zeilen“ – abgegeben hätte, die die rechtliche Einschätzung der Kammer in ihrer damaligen Besetzung hätte erklären können. Vielmehr haben beide Prozessbevollmächtigten bestätigt, dass die rechtlichen Hinweise der Kammer in dem Termin am 31. Juli 2012 für sie eher überraschend gewesen seien.
66bb)
67Auch aus den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BVerfG [B. v. 17. Januar 2012, NJW 2012, 1346] und des OLG Koblenz [E. v. 30. April 2014, MedR 2014, 883] ergibt sich aus den zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Gründen von S. 9 der angefochtenen Entscheidung nicht, dass eine ergänzende mündliche Anhörung von Prof. Dr. T allein aus prozessualen Gründen erforderlich wäre.
685. Prozessuale Nebenentscheidungen:
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
70Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Es geht im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen um Tatsachenfragen und im Übrigen um die Anwendung geltenden Rechts sowie der hierzu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze und damit um eine Einzelfallentscheidung.
71Berufungsstreitwert: 76.460,05 Euro