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Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 15.12.2015 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen, 12 O 126/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)
3I.
4Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn I (im Folgenden: Schuldner). Der Schuldner betrieb zwei Spielhallen in X und I2. Das beklagte Land wird durch das Finanzamt B vertreten.
51.
6Der Kläger macht im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähransprüche im geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
7a)
8Am 22.09.2011 erließ das Finanzamt B eine erste Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen offener Steuerforderungen in Höhe von 11.052,96 €, u.a. Lohnsteuer und Umsatzsteuer, z.T. fällig seit Februar und März 2011 (Bl. 60 ff. d. A.). Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes B vom 22.09.2011 wurde der W-Bank eG am 27.09.2011 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Guthaben auf diesem Konto des Schuldners 1.108,19 € (Bl. 64 d. A.). In der Zeit vom 27.09.2011 bis einschließlich 19.10.2011 gingen auf dem Konto EC-Karten-Zahlungen der Kunden der Spielhallen in Höhe von – so der Kläger - insgesamt 7.500,00 € (ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge nur 7.050,00 €) ein, so dass unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Verrechnung durch die Bank zu Beginn des 19.10.2011 das Guthaben auf dem Konto 6.923,42 € betrug. Am 19.10.2011 erfolgte auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22.09.2011 durch die W-Bank eG eine Zahlung an das Finanzamt B in Höhe von 6.900,00 € (Bl. 69 d. A.).
9In der Zeit vom 20.10.2011 bis zum 03.11.2011 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Kunden der Spielhallen in Höhe von insgesamt 5.300,00 € ein (Bl. 70 ff. d. A.), so dass am 04.11.2011 ein Guthaben auf dem Konto in Höhe von 6.512,79 € vorhanden war. An diesem Tage erfolgte eine weitere Zahlung auf die erste Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22.09.2011 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 4.218,96 € (Bl. 76 d. A.).
10b)
11In der Zeit vom 04.11.2011 bis zum 30.11.2011 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen in Höhe von insgesamt 6.650,00 € ein (Bl. 76 ff. d. A.). Am 10.11.2011 erließ das Finanzamt B eine zweite Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen offener Steuerforderungen in Höhe von 6.880,38 € (Bl. 78 ff. d. A.). Die Zustellung an die W-Bank eG erfolgte am 11.11.2011. Das Guthaben auf dem Konto des Schuldners betrug zu diesem Zeitpunkt 5.393,83 € (Bl. 83 d. A.). Aus diesem Guthaben erfolgte am 14.11.2011 eine Zahlung an die Stadt I2 in Höhe von 4.625,96 €, so dass ein Restguthaben in Höhe von 767,87 € vorhanden war. Bis zum 01.12.2011 erhöhte sich durch die EC-Karten-Zahlungen das Kontoguthaben auf einen Betrag von 4.101,62 €. Daraufhin erfolgte an diesem Tage eine Zahlung auf die zweite Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10.11.2011 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 4.000,00 € (Bl. 90 d. A.).
12Anschließend gingen in der Zeit vom 01.12.2011 bis zum 09.12.2011 auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen in Höhe von insgesamt 2.900,00 € ein (Bl. 91 ff. d. A.), so dass das Kontoguthaben 3.001,61 € betrug. Hieraus erfolgte am 12.12.2011 eine weitere Zahlung auf die zweite Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10.11.2011 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 2.880,38 € (Bl. 93 d. A.).
13c)
14Am 24.01.2012 erließ das Finanzamt B eine dritte Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen offener Umsatzsteuerforderungen für die Monate August bis Oktober 2011 in Höhe von 9.733,39 € (Bl. 94 ff. d. A.). Die Zustellung an die W-Bank eG erfolgte am 01.02.2012. In der anschließenden Drittschuldnererklärung vom 06.02.2012 teilte die W-Bank eG dem Finanzamt B u.a. mit, dass das von der Pfändung betroffene Konto ein Guthaben aufweist und von anderen Personen keine Ansprüche bezüglich der gepfändeten Forderungen erhoben werden (Bl. 159 f. d. A.).
15In der Zeit vom 01.02.2012 bis zum 21.02.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen in Höhe von insgesamt 8.550,00 € ein (Bl. 98 ff. d. A.). Am 01.02.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 1.182,24 € betragen, am 21.02.2012 dann 9.538,44 €. Auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung erfolgte dann am 23.02.2012 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B eine Zahlung in Höhe von 7.526,42 € (Bl. 104 d. A.).
16d)
17Bereits vorher hatte das Finanzamt B am 07.02.2012 eine vierte Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG erlassen, die der Bank an diesem Tage zugestellt wurde. In der hierauf erteilten Drittschuldnererklärung vom 22.02.2012 teilte die W-Bank eG dem Finanzamt B u.a. mit, dass das von der Pfändung betroffene Konto ein Guthaben aufweist und von anderen Personen Ansprüche bezüglich der gepfändeten Forderungen erhoben werden, und zwar vom Finanzamt B (7.526,42 €), der StädteRegion B (100,00 €) und der Stadt X (18.438,96 €) (Bl. 161 f. d. A.).
18In der Zeit vom 03.05.2012 bis zum 14.05.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen in Höhe von insgesamt 4.250,00 € ein (Bl. 105 ff. d. A.). Am 03.05.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 265,23 € betragen (Bl. 105 d. A.), am 14.05.2012 dann 4.515,23 € (Bl. 107 d. A.). Am 15.05.2012 erfolgte eine Zahlung auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 07.02.2012 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 3.197,81 € (Bl. 108 d. A.).
19e)
20Schon am 06.03.2012 hatte das Finanzamt B eine fünfte Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen offener Umsatzsteuerforderungen für den Monat Dezember 2011 in Höhe von 2.855,53 € erlassen (Bl. 109 f. d. A.). Die Zustellung an die W-Bank eG erfolgte am 07.03.2012. In der entsprechenden Drittschuldnererklärung vom 18.03.2012 führte die W-Bank eG aus, dass das von der Pfändung betroffene Konto ein Guthaben aufweist und von anderen Personen Ansprüche bezüglich der gepfändeten Forderungen erhoben werden, und zwar vom Finanzamt B (4.446,52 €), der StädteRegion B (353,50 €) und der Stadt X (18.438,96 €) (Bl. 163 f. d. A.).
21In der Zeit vom 21.05.2012 bis zum 30.05.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank EC-Karten-Zahlungen der Kunden der Spielhallen in Höhe von insgesamt 4.250,00 € ein (Bl. 111 ff. d. A.). Am 21.05.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 1.105,41 € betragen (Bl. 111 d. A.), am 30.05.2012 dann 5.355,41 € (Bl. 113 d. A.). Am 31.05.2012 erfolgte eine Zahlung auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 06.03.2012 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 2.855,53 € (Bl. 114 d. A.).
22f)
23Zwischenzeitlich hatte das Finanzamt am 30.05.2012 eine sechste Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG (Bl. 115 f. d. A.) erlassen, die der W-Bank eG am 31.05.2012 zugestellt wurde. In der Drittschuldnererklärung vom 11.06.2012 teilte die W-Bank eG dem Finanzamt B u.a. mit, dass das von der Pfändung betroffene Konto ein Guthaben aufweise und dass von der Stadt I2 ein Anspruch in Höhe von 5.470,51 € bezüglich der gepfändeten Forderungen erhoben werde (Bl. 165 f. d. A.).
24In der Zeit vom 10.07.2012 bis zum 23.07.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank weitere EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen ein (Bl. 116 ff. d. A.). Am 10.07.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 171,83 € betragen (Bl. 116 d. A.), am 23.07.2012 dann 2.918,80 € (Bl. 119 d. A.), eine Differenz von 2.746,47 €. Der Kläger hat insoweit die Zahlungseingänge mit 2.900,00 € beziffert. Am 24.07.2012 erfolgte eine Zahlung auf die sechste Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30.05.2012 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 2.900,00 € (Bl. 126 d. A.).
25In der Zeit vom 27.07.2012 bis zum 16.08.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank weitere EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen ein (Bl. 121 ff. d. A.). Am 27.07.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 18,80 € betragen (Bl. 121 d. A.), am 16.08.2012 dann 4.081,94 € (Bl. 126 d. A.), eine Differenz von 4.063,14 €. Aus diesem Guthaben erfolgte am 16.08.2012 eine Zahlung auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30.05.2012 durch die W-Bank eG an das Finanzamt B in Höhe von 4.000,00 € (Bl. 126 d. A.).
26In der Zeit vom 21.08.2012 bis zum 27.08.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank weitere EC-Karten-Zahlungen ein (Bl. 127 ff. d. A.). Am 21.08.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 81,94 € betragen (Bl. 127 d. A.), am 27.08.2012 dann 1.330,15 € (Bl. 129 d. A.), eine Differenz von 1.248,31 €. Aus dem Guthaben erfolgte am 27.08.2012 eine weitere Zahlung auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30.05.2012 in Höhe von 1.300,00 € (Bl. 126 d. A.).
27In der Zeit vom 30.08.2012 bis zum 17.09.2012 gingen auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank weitere EC-Karten-Zahlungen der Besucher der Spielhallen ein (Bl. 130 ff. d. A.). Am 30.08.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 30,15 € betragen (Bl. 130 d. A.), am 17.09.2012 dann 2.754,04 € (Bl. 134 d. A.), eine Differenz von 2.723,89 €. Aus dem Guthaben erfolgte am 17.09.2012 eine weitere Zahlung in Höhe von 2.700,00 € (Bl. 134 d. A.).
28Schließlich gingen in der Zeit vom 19.09.2012 bis zum 26.09.2012 auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank weitere EC-Karten-Zahlungen ein (Bl. 135 ff. d. A.). Am 19.09.2012 hatte das Guthaben auf dem Konto 54,04 € betragen (Bl. 135 d. A.), am 26.09.2012 dann 1.354,04 € (Bl. 136 d. A.), eine Differenz von 1.300,00 €. Am 02.10.2012 erfolgte eine Zahlung auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30.05.2012 in Höhe von 781,02 € (Bl. 138 d. A.).
292.
30Zudem gab es in dem hier streitbefangenen Zeitraum weitere Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger:
31So erließ im Mai 2011 die Stadt I2 eine Pfändungsverfügung bezüglich der Ansprüche des Schuldners gegen dessen kontoführende Bank, die W-Bank eG in X. Die Stadt I2 erhielt daraufhin von der W-Bank eG am 17.05.2011 und 20.05.2011 Zahlungen in Höhe von 1.638,95 € und 1.067,45 € (Bl. 20 d. A.). Am 24.08.2011 erwirkte die Württembergische Versicherung AG einen Mahnbescheid gegen den Schuldner wegen eines Betrages von 214,20 € nebst Kosten und Zinsen (Bl. 57 d. A.). Am 19.09.2011 erließ die J eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung bezüglich des Kontos des Schuldners bei der W-Bank eG wegen eines Betrages von 347,45 € (Bl. 44 d. A.). Die W-Bank zahlte am 20.09.2011 den Betrag von 347,45 € (Bl. 45 d. A.). Daneben vollstreckte am 26.09.2011 der Vollziehungsbeamte der B2 beim Schuldner einen Betrag von 1.270,00 € (Bl. 46 d. A.)
32Die H erwirkte am 13.10.2011 einen Mahnbescheid wegen eines Betrages von 199,68 € (Bl. 58 d. A.). Am 19.10.2011 erließ die Stadt I2 eine Pfändungsverfügung bezüglich des Kontos des Schuldners bei der W-Bank eG wegen seit 19.07.2011 fälliger Vergnügungssteuer für die Jahre 2010 und 2011 in Höhe von 4.625,96 € (Bl. 21 ff. d. A.). Diesen Betrag zahlte die W-Bank eG am 14.11.2011. Das Guthaben auf dem Konto des Schuldners betrug vor der Zahlung 5.393,83 € und danach noch 767,87 € (Bl. 25 d. A.). Am 20.10.2011 vollstreckte der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B beim Schuldner einen Betrag von 295,27 € (Bl. 48 d. A.).
33Am 04.11.2011 erfolgte eine Zahlung des Schuldners an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes B in Höhe von 200,00 €, die nicht Gegenstand der Klage ist (Bl. 77 d. A.). Am 18.11.2011 erließ die Stadt I2 eine Pfändungsverfügung bezüglich des Kontos des Schuldners bei der W-Bank wegen am 26.09.2011 fälliger Vergnügungssteuer 2011 in Höhe von 6.164,90 € (Bl. 26 ff. d. A.). Die Zahlung an die Stadt erfolgte am 06.01.2012, als das Konto des Schuldners bei der W-Bank eG ein Guthaben von 6.176,90 € aufwies (Bl. 28 d. A.).
34Am 23.11.2011 vollstreckte der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B beim Schuldner einen Betrag von 1.500,00 € (Bl. 49 d. A.), am 05.12.2011 der Vollziehungsbeamte der B2 einen Betrag von 1.048,16 € (Bl. 47 d. A.), am 21.12.2011 wiederum der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B einen Betrag von 1.000,00 € (Bl. 50 d. A.) und am 18.01.2012 einen weiteren Betrag von 515,84 € (Bl. 51 d. A.) und schließlich am 25.01.2012 der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B einen Betrag von 799,46 € (Bl. 52 d. A.).
35Am 02.02.2012 erließ die Stadt X eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen offener Vergnügungssteuer in Höhe von 18.483,96 € (Bl. 36 f. d.A.) und am 21.03.2012 eine weitere Pfändungs- und Überweisungsverfügung wegen am 23.02.2012 fälliger Vergnügungssteuer in Höhe von 6.241,68 € (Bl. 38 f. d. A.). Am 11.04.2012 vollstreckte der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B beim Schuldner einen Betrag von 1.000,00 € (Bl. 53 d. A.). Am 17.04.2012 erließ die Stadt I2 eine Pfändungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen am 05.12. und 26.12.2011 fälliger Vergnügungssteuer 2011 in Höhe von 5.470,51 € (Bl. 29 f. d. A.). Darauf leistete die W-Bank am 02.07.2012 und 05.07.2012 Zahlungen in Höhe von 4.300,00 € und 1.170,51 € (Bl. 31, 32 d. A.). Am 25.04.2012 vollstreckte der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B beim Schuldner einen Betrag von 1.000,00 € (Bl. 54 d. A.). Am 16.05.2012 vollstreckte der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes B beim Schuldner einen Betrag von 1.000,00 € (Bl. 55 d. A.) und am 23.05.2012 wegen eines Betrages von 240,17 € (Bl. 56 d. A.).
36Am 06.06.2012 erließ die Stadt X eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen fälliger Vergnügungssteuer in Höhe von 11.652,55 € (Bl. 40 ff. d.A.). Am 19.06.2012 erließ die Stadt I2 eine Pfändungsverfügung gegen den Schuldner bezüglich seines Kontos bei der W-Bank eG wegen am 26.03.2012 fälliger Vergnügungssteuer 2011 in Höhe von 3.367,45 € (Bl. 33 f. d. A.). Darauf leistete die W-Bank am 02.10.2012 eine Teilzahlung von 500,00 € (Bl. 31, 32 d. A.). Am 12.07.2012 ist ein Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner für die H wegen eines Betrages von 201,16 € erlassen worden (Bl. 59 d. A.).
373.
38Zusammenfassend hat der Kläger die Zahlungen der W-Bank eG vom Konto des Schuldners an das Finanzamt B im Zeitraum vom 23.09.2011 bis zum 02.10.2012 in Höhe von insgesamt 43.260,12 € angefochten und unter Berücksichtigung eines anfänglichen Kontostandes in Höhe von 1.108,19 € einen Betrag von 42.151,93 € zum Gegenstand der Klage Gemacht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende zuvor bereits aufgeführte Zahlungen:
3919.10.2011 6.900,00 €
4004.11.2011 4.218,96 €
4101.12.2011 4.000,00 €
4212.12.2011 2.880,38 €
4323.02.2012 7.526,42 €
4415.05.2012 3.197,81 €
4531.05.2012 2.855,53 €
4624.07.2012 2.900,00 €
4716.08.2012 4.000,00 €
4827.08.2012 1.300,00 €
4917.09.2012 2.700,00 €
5002.10.2012 781,02 €
51Die diesen Auszahlungen zugrundeliegenden Zahlungseingänge auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank eG gingen darauf zurück, dass der Schuldner den Besuchern der Spielhallen auf Wunsch das in den Kassen vorhandene Bargeld auszahlte. Die jeweils in bar ausgezahlten Beträge wurden auf dem jeweiligen Girokonto der Besucher mittels EC-Karte belastet und anschließend auf dem Girokonto des Schuldners bei der W-Bank gutgeschrieben.
52Auf den Antrag eines Gläubigers vom 05.04.2013 ist durch Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts - Aachen vom 25.07.2013, 91 IN 116/13, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden (Bl. 17 ff. d. A.).
53Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass in dem Angebot des Schuldners an seine Kunden, an diese Bargeld herauszugeben gegen eine Belastung des Girokontos der Besucher per EC-Karten-System, die wiederum eine Gutschrift auf dem Konto des Schuldners bei der W-Bank zur Folge gehabt habe, eine Rechtshandlung des Schuldners zu sehen sei. Er habe die Zwangsvollstreckung des Finanzamtes bewusst gefördert und an der Entstehung des Pfändungspfandrechts mitgewirkt, indem er für die entsprechenden Guthaben auf seinem Konto gesorgt habe. Er hat behauptet, der Schuldner habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Der Schuldner sei ab Oktober 2011 zahlungsunfähig gewesen. Das habe auch das Finanzamt gewusst.
54Der Kläger hat beantragt,
55das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 42.151,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.07.2013 zu zahlen.
56Das beklagte Land hat beantragt,
57die Klage abzuweisen.
58Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass es an einer Rechtshandlung und einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehle. Die Auszahlung des Bargelds sei zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebes notwendig gewesen. Er habe die Vollstreckung nicht bewusst gefördert, sondern den Geschäftsbetrieb nur wie zuvor weitergeführt. Das beklagte Land hat die objektive Gläubigerbenachteiligung, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die eigene Kenntnis davon bestritten.
59Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Auszahlungen der per EC-Cash-System auf dem Konto des Schuldners eingegangenen Gutschriften seitens der W-Bank als Drittschuldnerin an das Finanzamt nach § 133 InsO anfechtbar seien. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
60Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des beklagten Landes. Das beklagte Land greift das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens an. Es trägt vor, es fehle an einer Rechtshandlung des Schuldners. Er habe die Pfändung nicht durch sein Verhalten gefördert. Es fehle an einer aktiven Mitwirkung. Er habe nur seinen üblichen Geschäftsbetrieb fortgesetzt und sein Angebot aufrechterhalten, seinen Kunden bei fehlendem Bargeld ein (Weiter-)Spielen zu ermöglichen und damit sein Geschäft zu fördern. Er habe dadurch Umsätze erzielt, die sonst verloren gegangen wären. Er habe lediglich den bisherigen Zahlungsweg weiter akzeptiert. Der vorliegende Fall sei daher mit der Entscheidung des BGH vom 16.01.2014 (IX ZR 31/12) vergleichbar. Es fehle auch an einer Gläubigerbenachteiligung. Es liege ein wirtschaftlich neutraler Vorgang vor. Der Vorgang habe jedenfalls zu einer gesamtwirtschaftlichen Verbesserung der Situation des Schuldners geführt. Es könne nicht Zweck der Insolvenzanfechtung sein, der Masse Vermögensvorteile zu verschaffen, die sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht erlangt hätte (BGH, Urteil vom 26.01.1983 – VIII ZR 257/81). Der Schuldner habe auch nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, weil er nur seinen Geschäftsbetrieb fortgesetzt habe. Zudem sei es regelmäßig zu Barvollstreckungen gekommen. Es habe daher vom Zufall abgehangen, ob Vollstreckungen aufgrund von Zugriffen auf die Kasse oder aufgrund von Pfändungen des Kontos Erfolg gehabt hätten. Letztlich habe das Finanzamt keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehabt, weil die Pfändungen des Kontos immer wieder zum Erfolg geführt hätten.
61Das beklagte Land beantragt,
62die Klage unter Abänderung des am 15.12.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Aachen, 12 O 126/15, abzuweisen.
63Der Kläger beantragt,
64die Berufung zurückzuweisen.
65Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Rechtshandlung des Schuldners habe vorgelegen. Er habe im Bewusstsein der Pfändung seines Kontos weiter Zahlungen seiner Kunden per EC-Karte entgegengenommen, obwohl er auf diese Vorgehensweise nicht angewiesen gewesen sei. Eine Gläubigerbenachteiligung liege vor. Dies folge schon daraus, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass das gesamte herausgegebene Bargeld wieder in die Spielautomaten geworfen worden seien. Im Übrigen seien auch Gewinne erzielt worden. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz habe vorgelegen und das Finanzamt habe auch Kenntnis davon gehabt.
66Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien des Rechtsstreits wird auf den Inhalt der erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
67II.
68Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat auch in der Sache Erfolg.
69Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen.
70Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Rückgewähr der von der W-Bank eG gezahlten 42.151,93 € gem. § 133 Abs. 1 InsO, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
71Die – angefochtenen - Drittschuldnerzahlungen der W-Bank eG an das Finanzamt B haben zwar zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt. Insoweit lag auch der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vor. Eine entsprechende Kenntnis des Finanzamtes B vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann jedoch nur bezüglich eines Teils dieser Zahlungsvorgänge angenommen werden. Indes scheitert der Rückgewähranspruch daran, dass den EC-Kartenzahlungen der Kunden und den Drittschuldnerzahlungen der W-Bank eG keine Rechtshandlungen des Schuldners zugrunde lagen.
72Im Einzelnen gilt Folgendes:
731.
74Die Zahlungen der W-Bank eG als Drittschuldnerin in Höhe von insgesamt 42.151,93 € vom Konto des Schuldners an das Finanzamt B haben zu einer (mittelbaren) objektiven Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO geführt, weil diese Zahlungen das Vermögen des Schuldners und damit die Insolvenzmasse gemindert haben.
752.
76Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners lag zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen ebenfalls vor. Ein Schuldner handelt mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei Vornahme der Rechtshandlung bekannt war. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch hier die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher grundsätzlich, dass der Schuldner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter vielmehr gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH ZInsO 2013, 384 m.w.N.).
77Hier spricht für eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, dass in dem Zeitraum, in dem es zu den angefochtenen Zahlungen gekommen ist, erhebliche Verbindlichkeiten bestanden. Dazu zählten insbesondere Steuerschulden bei der Stadt X (z.B. 18.438,96 € laut Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 02.02.2012, 6.241,68 € laut Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21.03.2012 sowie 11.652,55 € laut Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 06.06.2012), der Stadt I2 (z.B. 4.625,96 € laut Pfändungsverfügung vom 19.10.2011, 6.164,90 € laut Pfändungsverfügung vom 18.11.2011 oder 5.470,51 € laut Pfändungsverfügung vom 17.04.2012) und dem Finanzamt B (vgl. nur die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22.09.2012 über 11.052,96 €) sowie weitere Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern wie der B2 und der J. Gerade Sozialversicherungsträger sind besonders „lästige“ Gläubiger, weil die Nichtzahlung der Beiträge strafbewehrt ist. Aber auch Steuerschulden zählen zu den „lästigen“ Verbindlichkeiten, weil die Gläubiger bereits kurzfristig nach Fälligkeit der jeweiligen Forderungen mit der Vollstreckung beginnen können und nicht darauf angewiesen sind, sich zuvor mit gerichtlicher Hilfe einen Titel zu verschaffen. Die Zahlung von Steuerschulden und Sozialversicherungsbeiträgen erfolgt typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind (Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl. 2015, § 130 Rn. 69 m.w.N.).
78Zudem kam es im streitgegenständlichen Zeitraum zu einer Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere zu Pfändungs-, Einziehungs- und Überweisungsverfügungen bezüglich des (einzigen) Girokontos des Schuldners bei der W-Bank eG. Die vorhandenen Guthaben auf dem Konto waren durchgehend nicht ausreichend, um die den Pfändungen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten durch Drittschuldnerzahlungen sofort nach der jeweiligen Pfändung auszugleichen. Es erfolgten in der Regel nur Teilzahlungen. Der Schuldner war daher selbst nach der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen häufig nicht in der Lage, die Verbindlichkeiten innerhalb von 3 Wochen vollständig auszugleichen. Ein weiteres Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit ist der Umstand, dass der Schuldner nicht einmal kleinere Verbindlichkeiten - z.B. gegenüber der H oder der X2 Versicherung - rechtzeitig bezahlte, so dass diese Gläubiger Mahnverfahren einleiten mussten.
79Die Gesamtwürdigung dieser Umstände rechtfertigt die Annahme einer in dem streitgegenständlichen Zeitraum bestehenden drohenden Zahlungsunfähigkeit und das Vorliegen eines entsprechenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Dafür sprechen die zum Teil erheblichen Steuerschulden und Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern sowie vor Allem die Vielzahl der Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger. Mit ihrem Vorbringen, ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz scheide aus, weil der Schuldner nur seinen normalen Geschäftsbetrieb fortgeführt und die EC-Kartenzahlungen nur angenommen habe, um einen höheren Umsatz zu erzielen, dringt das beklagte Land nicht durch. Zwar handelt ein Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (BGH NZI 2014, 762). Solche konkreten Umstände sind hier indes weder dargetan noch ergeben sich diese aus den Akten.
803.
81Von dem bestehenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte das Finanzamt B indes erst ab dem 23.02.2012 Kenntnis. Eine entsprechende Kenntnis des Anfechtungsgegners wird gemäß § 133 Abs. 1 S 2 InsO vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch hier die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher grundsätzlich, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter vielmehr gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH ZInsO 2013, 384 m.w.N.).
82Hier hatte der Schuldner zwar erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt B. Das Finanzamt war ab September 2011 auch gezwungen, seine Forderungen gegen den Schuldner mittels Vollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Auch wenn bei einem im Geschäftsleben tätigen Schuldner üblicherweise von der Existenz weiterer Gläubiger auszugehen ist, reicht dies im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung allein noch nicht für die Annahme einer entsprechenden Kenntnis aus. Zum Zeitpunkt der ersten Vollstreckungsmaßnahmen hatte das Finanzamt B noch keine konkreten Erkenntnisse davon, dass auch andere Gläubiger des Schuldners nicht befriedigt wurden. Entsprechende weitere Vollstreckungsmaßnahmen waren dem Finanzamt nicht bekannt. Zudem wurden die Steuerschulden nach Einleitung der Vollstreckungsmaßnahmen zunächst noch vollständig relativ zeitnah ausgeglichen, wenn auch mittels Teilzahlungen. Hieraus konnte das Finanzamt den Rückschluss ziehen, dass der Schuldner über Einnahmen verfügte, die, wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, für einen Ausgleich der bestehenden Verbindlichkeiten ausreichten.
83Sonstige Beweisanzeichen wie Mahnungen, Ratenzahlungsvereinbarungen und Stundungsbitten fehlten. Die Würdigung aller maßgeblichen Umstände ergibt daher, dass das Finanzamt nicht schon nach Einleitung der ersten Vollstreckungsmaßnahmen ab September 2011 wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte. Es konnte vielmehr in dieser Zeit noch davon ausgehen, dass es sich um eine bloße Zahlungsstockung handelte. Dies änderte sich indes, als das Finanzamt B aufgrund der Drittschuldnererklärung der W-Bank eG am 22.02.2012 erfuhr, dass mehrere vorrangige Pfändungen des Kontos des Schuldners in Höhe von ca. 25.000,00 € vorhanden waren. Nun wusste dass Finanzamt, dass es nicht allein offene Forderungen gegen den Schuldner hatte, es vielmehr auch andere Gläubiger mit erheblichen Forderungen gab, die ebenfalls schon Vollstreckungsmaßnahmen ausgebracht hatten und deren Forderungen noch nicht beglichen waren. Die Gesamtwürdigung dieser Umstände ergibt daher, dass ab dem Erhalt der Drittschuldnererklärung vom 22.02.2012 von der Kenntnis des Finanzamtes B von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen ist. Erfasst werden somit folgende Drittschuldnerzahlungen: Zahlung vom 23.02.2012 in Höhe von 7.526,42 €, vom 15.05.2012 in Höhe von 3.197,81 €, vom 31.05.2012 in Höhe von 2.855,53 €, vom 24.07.2012 in Höhe von 2.900,00 €, vom 16.08.2012 in Höhe von 4.000,00 €, vom 27.08.2012 in Höhe von 1.300,00 €, vom 17.09.2012 in Höhe von 2.700,00 € sowie vom 02.10.2012 in Höhe von 781,02 €.
84Da der Kläger die Zahlungen der Drittschuldnerin – als Rechtshandlung des Schuldners – nur dann anfechten könnte, wenn der Schuldner an der Auffüllung seines Kontos bei der W-Bank eG durch die EC-Kartenzahlungen seiner Kunden auf dieses Konto mitgewirkt hätte, kann statt der am 24.07.2012 gezahlten 2.900,00 € nur ein Betrag von 2.746,47 € und statt der am 27.08.2012 gezahlten 1.300,00 € nur ein Betrag von 1.248,31 berücksichtigt werden, weil nur die Beträge von 2.746,47 € und 1.248,31 € durch EC-Kartenzahlungen der Kunden des Schuldners auf das gepfändete Konto bei der W-Bank eG eingezahlt worden sind. Bezüglich der Zahlung vom 16.08.2012 in Höhe von 4.000,00 € kann entgegen den Erörterungen des Senates in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2016 der volle Betrag angesetzt werden, weil der Senat fälschlich von einer Differenz von nur 2.746,47 € ausgegangen ist. Mithin können – ein Rückgewähranspruch unterstellt – nur Zahlungen in Höhe von insgesamt 25.055,56 € berücksichtigt werden.
854.
86Diesen Zahlungen der W-Bank liegen – wie der Senat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert hat - indes keine Rechtshandlungen des Schuldners gem. §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO zugrunde, so dass aus diesem Grunde ein entsprechender Rückgewähranspruch ausscheidet.
87Eine Rechtshandlung des Schuldners setzt ein willensgeleitetes verantwortungsgesteuertes Handeln voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch eine Leistung des Schuldners erlangt, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners zumindest auch dazu beigetragen hat, selbst wenn dies unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt ist. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen. Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine dieser gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss (BGH NZI 2014, 218 m.w.N.).
88Der Schuldner hat hier nicht durch aktives Tun zur Befriedigung des Finanzamtes B aus dem Pfändungspfandrecht beigetragen. Die auf das Konto des Schuldners von den Besuchern der Spielhallen eingezahlten Beträge sind dem Finanzamt allein aufgrund der Pfändungen zugeflossen. Der Schuldner hat keinen für den Vollstreckungserfolg mitursächlichen Beitrag geleistet. Für einen mitursächlichen Beitrag, wie er etwa bei einer vom Schuldner bewusst zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers veranlassten Einzahlung auf ein gepfändetes Konto bestehen kann (vgl. BGH NJW-RR 2014, 231 Rn. 2, 10), besteht kein Anhalt. Der Schuldner hat die Bezahlung mit EC-Karte gerade nicht bewusst zum „Werthaltigmachen des Pfändungspfandrechts“ eingesetzt, sondern nur Geld aus der Kasse an die Besucher der Spielhallen gegeben, damit diese weiterspielen konnten. Dabei hat er es hingenommen, dass die Kunden – als Gegenleistung – ihre Scheckkarte einsetzten. Damit hat der Schuldner nur den bisherigen Zahlungsweg beibehalten und die Fortzahlung der Kunden auf das gepfändete Konto nicht unterbunden. Damit lag die eigentliche Entscheidung über den Zahlungsweg nicht beim Schuldner, sondern bei seinen Kunden. Er hat nur nicht verhindert, dass die Kunden Zahlungen auf das gepfändete Konto erbrachten. Im Ergebnis handelt es sich nicht um eine vom Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Finanzamtes veranlasste direkte Einzahlung des Kunden auf das gepfändete Konto, sondern um ein Unterlassen.
89Indes kann weder in der unterbliebenen Eröffnung eines neuen Kontos noch in der fehlenden Anweisung an die Kunden, zu Barzahlungen überzugehen, ein der Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO gleichgestelltes Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO) des Schuldners gesehen werden. Im Insolvenzanfechtungsrecht ist eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung nur gerechtfertigt, wenn die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt. Eine bloße Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit genügt nicht. Der Schuldner muss das Gebotene in dem Bewusstsein unterlassen haben, dass sein Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen auslöst. Dabei müssen sich die Vorstellungen des Schuldners nicht auf eine konkrete Rechtsfolge beziehen oder rechtlich zutreffend sein; es genügt, wenn aus einer Situation, die naheliegender Weise materiell-rechtliche Ansprüche zur Folge hat, bewusst keine Konsequenzen gezogen werden. Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ergibt sich aus deren subjektiven Voraussetzungen die weitergehende Anforderung, dass die gebotene Handlung bewusst und wenigstens unter Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung unterlassen worden sein muss. Die untätige Hinnahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen muss also gerade in der Vorstellung und mit dem Willen erfolgen, dass durch das Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf den vollstreckenden Gläubiger gefördert wird. Für ein entsprechend zielgerichtetes Unterlassen reicht es nicht aus, dass der Schuldner die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers lediglich geschehen lässt. Vielmehr hat er andere Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Gläubigergesamtheit in Erwägung zu ziehen und muss hiervon bewusst im Interesse einzelner Gläubiger absehen. Dieses Bewusstsein kann vorhanden sein, wenn von der Geltendmachung bestehender Erstattungsansprüche kein Gebrauch gemacht wird oder erfolgversprechende Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen eine rechtswidrige Vollstreckung nicht genutzt werden (BGH NZI 2014, 218 m.w.N.). Hier kann nicht von einem zielgerichteten Unterlassen des Schuldners ausgegangen werden. Denn er hat seinen Geschäftsbetrieb lediglich in der üblichen Art und Weise fortgeführt und die Einzahlungen auf das Konto bei der W-Bank geschehen lassen.
90III.
911.
92Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
942
95Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind erfüllt. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Frage, ob in der Hingabe von Münzgeld durch einen Spielhallenbetreiber gegen EC-Kartenzahlungen seiner Kunden, die zu einer Auffüllung seines gepfändeten Geschäftskontos führen, eine Rechtshandlung des Schuldners im Sinne von § 133 InsO zu sehen ist, bislang höchstrichterlich – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist und für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann. Die Rechtssache hat daher grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus erfordern aber auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Hierbei wird insbesondere von Bedeutung sein, ob die Grundsätze des Urteils des BGH vom 16.01.2014 (IX ZR 31/12, NZI 2014, 218) – wie vom Senat angenommen - auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden sind.
963.
97Berufungsstreitwert: 42.151,93 €