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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen (10 O 476/13) vom 02.12.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 142.368,87 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
31.
4Die Klägerin macht als Genossenschaft Schadensersatzansprüche gegen ihren ehemaligen Vorstand im Zusammenhang mit der Ausweitung eines Kreditengagements geltend.
5Mit Kreditvorlage vom 01.07.2010 wurde das Darlehensengagement des Kunden der Klägerin, Herrn Q, um 240.000,- € ausgeweitet (Bl. 31-33 GA). Das Darlehen wurde unter anderem durch eine Bürgschaftsurkunde, datierend auf den 23.04.2010, über 200.000,- €, welche als Bürgin die Zeugin Q, die Schwester des Kunden Q, benannte, besichert. Durch Bürgschaftsurkunde vom 17.06.2011 erfolgte eine Erhöhung der Bürgschaft auf 250.000,- € (Bl. 34-37 GA).
6Im beigezogenen Verfahren Landgericht Aachen – 1 O 381/11 – hat die Zeugin Q, vertreten durch den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, mit Klageschrift vom 22.08.2011 die Feststellung begehrt, dass die Klägerin gegen sie aus den Bürgschaftsverträgen vom 23.04.2010 und vom 17.06.2011 keine Ansprüche herleiten kann und die Herausgabe der genannten Urkunden verlangt. Eine Streitverkündung gegenüber dem hiesigen Beklagten ist nicht erfolgt. Nach Anhörung der Zeugin Q und des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.04.2012 (Bl. 125 ff. BA) hat das Landgericht Aachen der Klage mit Urteil vom 10.05.2012 (Bl. 188 ff. BA) stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Zeugin Q habe die streitgegenständlichen Bürgschaftserklärungen wirksam angefochten. Nach dem Ergebnis der Anhörung stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin bei Abgabe der Erklärungen ohne Erklärungsbewusstsein gehandelt habe, die Schriftstücke ihr vielmehr untergeschoben worden seien, §§ 119 Abs. 1, 1. Alt., 123 BGB. Die hiesige Klägerin hat gegen das Urteil keine Berufung eingelegt.
7Auf die Strafanzeige der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Zeugin Q und nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Staatsanwaltschaft Aachen im Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts des Betruges – 509 Js 1603/11 – ein Gutachten des Schriftsachverständigen C vom 22.11.2013 zur Frage der Echtheit der Unterschriften auf den Bürgschaftserklärungen eingeholt. Darin hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Unterschriften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von der Zeugin Q stammen (Bl. 142 BA StA bzw. Bl. 401 ff. GA).
8Die Klägerin hat behauptet, bei den Bürgschaftsurkunden handele es sich um Totalfälschungen bzw. diese seien der Zeugin Q am 17.06.2011 anlässlich der Eingehung eines eigenen Kreditengagements durch den Beklagten untergeschoben worden und hat die Feststellung einer Einstandspflicht des Beklagten für das Kreditengagement ihres Kunden Herrn Q bis zu einem Betrag in Höhe von 250.000,- € sowie dem Ersatz der ihr im Verfahren vor dem Landgericht Aachen – 1 O 381/11 – entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von 17.368,87 € begehrt.
9Der Beklagte hat gemeint, die Zeugin Q sei aus den genannten Bürgschaftsurkunden wirksam verpflichtet worden. Dass die Unterschriften von der Zeugin stammten, folge bereits aus dem seitens der Staatsanwaltschaft eingeholten Schriftsachverständigengutachten. Einem „Unterschieben“ stehe der Inhalt der unterschriebenen Erklärungen, in denen mehrfach das Wort Bürgschaft auftauche, wie auch die Tatsache entgegen, dass die Zeugin mehrere Erklärungen unterzeichnet hat. Das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.05.2012 gelte nur inter partes, entfalte dahingegen ihm gegenüber keine Wirkung.
10Das Landgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, ob die Zeugin Q die streitgegenständlichen Bürgschaftsurkunden wissentlich und willentlich unterzeichnet hat, gemäß Beweisbeschluss vom 08.07.2014 (Bl. 217 f. GA) durch Vernehmung der Zeugin Q sowie informatorische Anhörung des Beklagten im Termin vom 07.10.2014 (Bl. 433 ff. GA) und Verwertung des Schriftsachverständigengutachtens im beigezogenen Strafverfahren (Bl. 401 ff. GA).
11Hinsichtlich der weiteren Details des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Aachen vom 02.12.2014 – 10 O 476/13 –Bezug genommen.
122.
13Mit Urteil vom 02.12.2014, der Klägerin am 08.12.2014 zugestellt, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
14Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG scheide aus, da der Klägerin der Nachweis einer Pflichtverletzung des Beklagten in Form des Erschleichens der Bürgschaftserklärungen der Zeugin Q nicht gelungen sei. Nach dem Schriftsachverständigengutachten stehe fest, dass die Unterschriften von der Zeugin stammten. Dass die Zeugin die Bürgschaftsurkunden nicht willentlich unterzeichnet habe, stehe aufgrund deren Aussage nicht fest. Dem stehe entgegen, dass die Zeugin ihren Bruder auch davor finanziell unterstützt hat und es im Februar 2010 zu einem Treffen mit dem Beklagten im Beisein des Bruders gekommen ist, dessen Gegenstand eine Bürgschaftsübernahme durch die Zeugin war. Auch sprächen die Umstände der Darlehensunterzeichnung vom 17.06.2011 gegen ein „Unterschieben“ der Bürgenerklärungen an diesem Tag. Insbesondere sei einerseits nicht nachvollziehbar, dass die Zeugin die von ihr unterzeichneten Dokumente nicht mehr zur Kenntnis genommen haben will, nachdem diese am Tag zuvor als fehlerhaft gerügt und hiernach berichtigt worden sind. Und andererseits sei das Wort „Bürge“ im Bereich der Unterschriftenzeile auch schwerlich zu übersehen gewesen. Schließlich bestehe ein Eigeninteresse der Zeugin am Ausgang des Rechtsstreits sowohl in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht, und deren Aussage stünden die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung entgegen, wobei die Kammer keiner der Erklärungen den Vorzug zu geben vermöge.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung des Landgerichts wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
163.
17Mit ihrer am 29.12.2014 eingegangenen und mit am 19.01.2015 eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung stellt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil insgesamt zur Überprüfung.
18Sie meint, die Erklärungen der Zeugin Q und des Beklagten im beigezogenen Zivilverfahren LG Aachen - 1 O 381/11 - hätten in Form „verbindlich vertypter Erklärungen“ in die Gesamtschau und Bewertung der streitgegenständlichen Rechtssache einbezogen werden müssen, womit an der Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin Q keine Zweifel bestanden hätten. Soweit die Kammer die Umstände der Darlehensunterzeichnung vom 17.06.2011 herangezogen habe, sei nicht klar, ob die Zeugin die streitgegenständlichen Unterschriften überhaupt an diesem Tag geleistet habe. Die Kammer hätte das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts vom 05.04.2011 ebenso als Erkenntnisquelle auswerten müssen wie den Klägervortrag, dass der Beklagte ein weiteres Sicherungsmittel fingiert habe und das Bürgschaftsexemplar vom 23.04.2010 fehlerhaft nummeriert gewesen sei.
19Die Klägerin beantragt,
201. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils LG Aachen 10 O 476/13 vom 02.12.2014 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 17.368,87 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 14.12.2012 zu zahlen;
212. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden bis zur Höhe von 250.000,00 € zu ersetzen, die der Klägerin durch die Kreditausweitung zugunsten des I N Q aufgrund der vom Beklagten unzutreffend gefertigten Kreditvorlage vom 01.07.2010 sowie der Fiktion einer weiteren werthaltigen Bürgschaft von 250.000,00 € vom 17.06.2011 entstehen werden;
223. festzustellen, dass die klageweise geltend gemachten Ansprüche auf einer vorsätzlichen, unerlaubten Handlung des Beklagten beruhen;
234. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtlich angefallene, nicht anrechnungsfähige Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.519,75 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er hält an seinem Vorbringen fest und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
27Mit Beschluss vom 04.03.2016 hat der Senat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen und der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 587-592 GA Bezug genommen. Eine Stellungnahme der Klägerin ist mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.03.2016 erfolgt. Wegen der Ausführungen der Klägerin im Einzelnen wird auf Bl. 613-627 GA verwiesen.
28II.
29Auch mit Rücksicht auf die weiteren Ausführungen der Klägerin bleibt der Senat nach neuerlicher Beratung einstimmig dabei, dass ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen ist, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), weder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch es der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung insbesondere wegen einer eventuellen Divergenz oder der Rechtsfortbildung bedarf (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) und weil eine mündliche Verhandlung nicht zur weiteren Sachaufklärung oder aus anderen Gründen geboten erscheint.
30Zur Begründung wird zunächst auf den Beschluss des Senats vom 04.03.2016 (Bl. 587 ff. GA) Bezug genommen. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin vom 30.03.2016 (Bl. 613 ff. GA) daran fest, dass dieser aus Anlass der Entgegennahme der Bürgschaftserklärungen der Zeugin Q durch den Beklagten diesem gegenüber keine Schadensersatzansprüche zustehen.
31Die Ausführungen geben lediglich zu folgenden Ergänzungen Anlass:
32Soweit die Klägerin eine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Tatsachenwürdigung vornimmt und insofern ihren Vortrag wiederholt und vertieft, hat der Senat bereits im Beschluss vom 04.03.2016 ausgeführt, dass er dieser Würdigung nicht folgt, sondern vielmehr im Einklang mit den Ausführungen der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen in dem hier angefochtenen Urteil ein etwaig pflichtwidriges Verhalten des Beklagten gerade nicht für erwiesen erachtet. Selbst wenn man die Aussage der Zeugin Q für sich betrachtet als glaubhaft und die Zeugin als glaubwürdig beurteilt sowie die Aussage des Beklagten außer Betracht lässt, stehen dieser als maßgeblicher Gesichtspunkt die Umstände der Abgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftserklärungen, die ausweislich des von der Staatsanwaltschaft Aachen im Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts des Betruges – 509 Js 1603/11 – eingeholten und gemäß § 411a ZPO im hiesigen Verfahren verwertbaren Sachverständigengutachten des Schriftsachverständigen C vom 22.11.2013 der Zeugin Q zuzuordnen waren, entgegen, insbesondere die Mehrfachunterzeichnung von Dokumenten, die ausweislich der bei den Akten befindlichen Fotokopien (Bl. 34-37 GA) mehrfach im Text sowie unmittelbar im Unterschriftenfeld das Wort „Bürge“ enthalten.
33Auch soweit die Klägerin für die von ihr vorgenommene Würdigung erneut von ihr behauptete „Unregelmäßigkeiten“ anführt, hat der Senat hierzu bereits Stellung genommen, und ausgeführt, dass er diese für die Frage der Pflichtwidrigkeit relevanten Gesichtspunkte mangels erwiesenen potentiell pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten für nicht erheblich erachtet. Die seitens der Klägerin behaupteten Umstände der abweichenden alphanumerischen Kombinationen in der Fußzeile der Urkunde als Beleg für die Erstellung derselben zu einem anderen Zeitpunkt und fehlerhafte Buchung einer weiteren Bürgschaft lassen zudem für sich betrachtet aber auch in der Gesamtschau keinen sicheren Schluss auf die behauptete konkrete Manipulation durch den Beklagten in Form eines Unterschiebens der Bürgschaftserklärungen zu.
34III.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.