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Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Oktober 2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn ‑ 9 O 190/14 - wird zurückgewiesen, soweit es den Antrag auf Zahlung von 6.487,09 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten betrifft.
Hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Stufenklage wird die Berufung insgesamt zurückgewiesen, soweit die Klägerin Ansprüche auf einen Mindestrückkaufswert bzw. auf den Rückkaufswert im Sinne der versprochenen Leistung ohne Verrechnung von Abschlusskosten verfolgt.
Zurückgewiesen wird die Berufung weiter, soweit die Klägerin mit der hilfsweise erhobenen Stufenklage Auskunft darüber begehrt, mit welchem Stornoabzug die Beklagte die Auszahlungsbeträge für den abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag belastet hat, sowie die Vorlage entsprechender Unterlagen verlangt (Hilfsanträge zu a. und b.)
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
II.
4Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache, soweit Entscheidungsreife besteht, keinen Erfolg.
51.
6Die Klägerin hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihr auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrages gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. November 1999 zustande gekommen. Die Klägerin hat dem Vertragsschluss nicht binnen einer Frist von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 30. Oktober 2013 erklärte Widerspruch war verfristet.
7Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
8Dass die Klägerin sämtliche notwendigen Vertragsunterlagen mit dem Versicherungsschein erhalten hat, ist nicht im Streit. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (GA 83) ist die Klägerin nicht entgegentreten.
9Die Verbraucherinformationen waren auch nicht deshalb unvollständig, weil eine Tabelle über garantierte Rückkaufswerte fehlten. Eine solche gehört bei fondsgebundenen Versicherungen nicht zu den erforderlichen Verbraucherinformationen. Bei dieser Versicherungsform ist der künftige Verlauf abhängig von der – nicht vorherzusagenden – Entwicklung der Fonds am Kapitalmarkt und kann daher schlechterdings nicht prognostiziert werden (vgl. OLG Nürnberg, VersR 2004, 182). Die Angabe detaillierter Rückkaufswerte kann mithin bei fondsgebundenen Renten- oder Lebensversicherungen nicht verlangt werden (vgl. Prölss in: Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl., § 5 a, Rn. 43; AG Osterode, NVersZ 2000, 326, 327). Bei fondsgebundenen Versicherungen reichen allgemeine Angaben über die möglichen Rückkaufswerte aus, wie sie hier in § 10 Abs. 3 der Produktbedingungen (Anlage K 3) erfolgt sind. Damit enthalten die Bedingungen die „Angabe der Rückkaufswerte“ im Sinne von Ziff. 2 Buchst b) des Abschnitts I zur Anlage C zum VAG. Angaben zu garantierten Rückkaufswerten (Nr. 2 d) sind nur erforderlich, soweit im Vertrag Garantien vorgesehen sind (vgl. Prölss, aaO, Rz. 47). Das ist hier nicht der Fall.
10Die Widerspruchsbelehrung, die sich im Versicherungsschein vom 3. November 1999 (Anlage K 3) befindet, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
11Der Vertrag gilt auf Grundlage dieses Versicherungsscheins, der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich widersprechen. Der Lauf dieser 14-tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o.g. Unterlagen – einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht – vollständig vorliegen; abweichend hiervon erlischt Ihr Recht zum Widerspruch jedoch spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
12Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Es reicht die allgemeine Angabe, dass der Versicherungsnehmer im Besitz des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen sein muss. Es muss nicht notwendig darauf hingewiesen werden, dass mit den Verbraucherinformationen die Verbraucherinformation nach § 10a VAG mit der dazugehörigen Anlage D gemeint sind. Die Verbraucherinformationen sind Bestandteil der übersandten Unterlagen; sie sind vorliegend zudem gesondert auf der Seite 5 des Versicherungsscheins erwähnt (Anlage K 3; s. ferner S. 19 ff. der Unterlagen). Von daher erschließt sich dem Versicherungsnehmer ohne weiteres, was mit den in der Belehrung angeführten „maßgebenden Verbraucherinformationen“ gemeint ist.
13Die Belehrung ist auch in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt. Dies fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, NJW 2009, 3060). Dem ist hier ausreichend dadurch Rechnung getragen worden, dass die Widerspruchsbelehrung auf Seite 2 des Versicherungsscheins vollständig durch Fettdruck und auffällige Platzierung über den Unterschriften der für die Rechtsvorgängerin der Beklagten handelnden Personen hervorgehoben ist. Dass der Text auf der Rückseite der Seite 1 gedruckt ist, ist unschädlich, denn es kann erwartet werden, dass ein Versicherungsnehmer jedenfalls den Inhalt des nur aus 2 Seiten bestehenden Versicherungsscheins insgesamt und damit auch die Belehrung zur Kenntnis nimmt.
14Die Formulierung, dass der Vertrag bei nicht fristgerechtem Widerspruch als geschlossen gilt, ist hinreichend transparent; dem Versicherungsnehmer wird verdeutlicht, dass der Vertrag bei Nichtausübung des Widerspruchsrechts wirksam ist.
15Über die Rechtsfolgen des Widerspruchs muss nicht belehrt werden; das verlangt § 5a Abs. 2 VVG a.F. nicht. Ebenso bedurfte es - anders als etwa gemäß § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB - nicht der Benennung des Widerspruchsadressaten; unabhängig davon findet sich auf Seite 2 unten des Versicherungsscheins Name und Anschrift der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Es muss auch nicht - anders als nach § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB - darauf hingewiesen werden, dass der Widerspruch ohne Angaben von Gründen erfolgen kann.
16Die Belehrung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil auf die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hingewiesen worden ist. Damit wurde der damals maßgebende Gesetzestext wiedergegeben. Dass die Bestimmung auf Lebensversicherungsverträge keine Anwendung findet, steht erst seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 fest.
172.
18§ 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. verstößt nicht gegen europäisches Recht. Diese Gesetzesbestimmungen stellen sich insbesondere nicht als fehlerhafte Umsetzung der Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 dar. Das Policenmodell steht auch im Einklang mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990) bzw. Art. 35 der die vorgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002. Das hat nunmehr der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13 – (VersR 2014, 1065) entschieden, und dies entspricht auch der bisherigen ständigen Senatsrechtsprechung (zuletzt etwa Urt. v. 11. Juli 2014 - 20 U 68/14 -, Urt. v. 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 -). Der Senat hält hieran fest und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den vorstehend zitierten Entscheidungen.
19Der Senat ist auch nicht gehalten, die Frage der Europarechtskonformität des Policenmodells dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Dazu besteht schon deshalb keine Veranlassung, weil die Europarechtskonformität des Policenmodells außer Zweifel steht (so jetzt ausdrücklich BGH, aaO, Rz. 16; das hat auch der Senat in früheren Entscheidungen so vertreten, s. etwa Urt. v. 22. März 2013 - 20 U 178/12 -). Eine Vorlagepflicht scheidet darüber hinaus jedenfalls deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. dazu auch BVerfG, WM 2014, 647, Rz. 48 f.).
20Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es einem Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. erhalten hat, auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach nationalem Recht gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (BGH, aaO, Rz. 32 ff.). Dem schließt sich der Senat an.
21Es bedarf auch keiner Vorlage an den EuGH zur Entscheidung darüber, ob das Recht zur Lösung vom Vertrag verwirkt sein kann. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht. Die generellen Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt. Danach ist eine missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (zuletzt etwa EuGH, ZfZ 2014, 100, Rn. 29). Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann sich auf der Grundlage lediglich objektiver Kriterien ergeben, soweit die mit der einschlägigen Bestimmung verfolgten Zwecke beachtet werden (so insbes. EuGH, Slg. 2000, I-1705, Rz. 34). Wenn – wie vorliegend – der Versicherungsnehmer über sein Vertragslösungsrecht vor Wirksamwerden des Vertrags ordnungsgemäß belehrt wird und er die notwendigen Vertragsunterlagen rechtzeitig erhalten hat, dann sind die mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung angestrebten Ziele erreicht worden (s. BGH, aaO, Rz. 42). Demgemäß ist es treuwidrig, wenn sich der solchermaßen belehrte und informierte Versicherungsnehmer unter Berufung auf ein (unterstelltes) gemeinschaftswidriges Zustandekommen des Vertrags von diesem nach Jahren wieder lösen will. Er würde sich dadurch gegenüber den vertragstreuen Versicherungsnehmern einen objektiv widerrechtlichen Vorteil verschaffen.
22Die Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin ergibt sich vorliegend daraus, dass sie den Vertrag bis zur Widerspruchserklärung fast 14 Jahre lang durch Zahlung der Prämien durchgeführt und dadurch bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags begründet hat.
233.
24Ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung scheitert daran, dass die Beklagte vorliegend korrekt belehrt hat.
25Schadensersatz wegen Nichtaufklärung über etwaige Kick-back-Zahlungen verlangt die Klägerin ausdrücklich nicht mehr.
264.
27Die Klage hat auch mit den Hilfsanträgen keinen Erfolg, soweit über diese abschließend befunden werden kann.
28a)
29Die Berufung ist unzulässig, soweit die Klägerin ausweislich der Berufungsanträge weiterhin einen Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert bzw. den Rückkaufswert ohne Einbeziehung von Abschlusskosten verfolgt. Hierzu fehlt es an einer Berufungsbegründung. Die Klägerin bestätigt vielmehr ausdrücklich die Auffassung des Landgerichts, dass sie mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten hat.
30b)
31Geschuldet ist allerdings der Rückkaufswert ohne Stornoabzug. Ein solcher Abzug ist zwar vorliegend in § 10 Abs. 3 der Produktbedingungen vorgesehen („vermindert um die noch nicht getilgten rechnungsmäßigen Abschlusskosten“). Diese Vereinbarung ist aber wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 b) BGB) unwirksam, weil der notwendige Hinweis an den Versicherungsnehmer, ihm werde der Nachweis gestattet, der Beklagten sei ein Schaden überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe entstanden, fehlt (vgl. BGHZ 194, 208, Rz. 60).
32Daraus folgt, dass der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft über den Stornoabzug zusteht (vgl. BGH, VersR 2013, 1381). Diese Auskunft hat die Beklagte vorliegend indes erteilt, in dem sie angegeben hat, ein Stornoabzug sei nicht erhoben worden (GA 142). Damit ist der Auskunftsanspruch erfüllt, so dass der Auskunftsanspruch unbegründet ist. Die inhaltliche Richtigkeit ist keine Voraussetzung für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs (vgl. Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 254, Rn. 49). Die Klägerin kann auch nicht die Vorlage entsprechender Unterlagen (wie mit Buchst. b. beantragt) verlangen, sondern hat nur Anspruch auf eine Auskunft in geordneter Form und nicht auf Rechnungslegung (vgl. BGH, VersR 2013, 1381).
33Auch wenn die Auskunft ergeben hat, dass der Klägerin weitergehende Zahlungsansprüche nicht zustehen dürften, können weder der Antrag zu c. noch die noch unbezifferte Leistungsklage (Antrag zu d.) derzeit in Bezug auf den Stornoabzug abgewiesen werden. Die Gesamtabweisung einer Stufenklage ist nur dann zulässig, wenn die Prüfung ergibt, dass dem Hauptanspruch eine materiell-rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, NJW 2002, 1042, Rz. 20). Das ist hier nicht der Fall, denn grundsätzlich besteht ein Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung eines zu Unrecht einbehaltenen Stornoabzugs. Es ist damit Sache der Klägerin zu entscheiden, wie sie auf die erteilte Auskunft prozessual reagiert. Über die weiteren Stufen verhandelt der Senat auf Antrag einer Partei (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 254, Rn. 11 m.w.N.).
34Zur Zulassung der Revision besteht nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 keine Veranlassung mehr. Auch im Übrigen stellen sich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.
35