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1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.2.2014 (8 O 341/14) hinsichtlich der Widerklage abgeändert und unter Abweisung der weitergehenden Widerklage festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 13.07.2011, Urkundenrolle-Nr. 2265211Ad nicht über einen Betrag von 90.000.-- € für den Zeitraum vom 15.9.2011 bis zum 15.6.2012 hinaus zusteht.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 88 %.
3. Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn die Gegenseite nicht Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Mit notariellem Kaufvertrag vom 13.07.2011 (Urkunde des Notars B Nr. 2265/2011 Ad) erwarb der Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung im Dachgeschoss der Objekts Xstraße 4-8 zum Preis von 749.500,00 €. In dem Vertrag hat sich die Beklagte zur Sanierung und zum Umbau der Wohnung gemäß der Baubeschreibung und des Kaufvertrages verpflichtet. In § 1 letzter Absatz des Vertrages ist zur Fertigstellung vereinbart:
4„Verkäufer verpflichtet sich, das Kaufobjekt bis zum 15. September 2011 bezugsfertig zu erstellen und bis zum 01. Oktober 2011 vollständig fertig zustellen.“
5Gemäß § 2 des Kaufvertrages ist der Kaufpreis in folgenden Teilbeiträgen zu zahlen:
6„A) 91,5 % nach Eintritt der nachgenannten Fälligkeitsvoraussetzungen gemäß nachstehender Ziffer 1. Absätze a) und b) bzw. Ziffer 2. sowie nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe,
7B) 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung und Erledigung aller im Übergabeprotokoll aufgeführter Mängel und Restarbeiten.“
8Die restlichen 5% sollen bei rechtzeitiger und im Wesentlichen mängelfreier Fertigstellung des Kaufobjekts oder bei Stellung einer Bankgarantie als Sicherheit durch den Verkäufer zu zahlen sein.
9§ 2 des Kaufvertrages enthält folgende Regelung:
10„Für jeden angebrochenen Monat, um die sich die Fertigstellung über den 15. September 2011 verzögert, vermindert sich der Kaufpreis um € 10.000,--. Ausgenommen von den Fertigstellungskriterien sind die Montage und Fertigstellung der beiden Fenstertüren in Zimmer 1 und 2.“
11In § 6 des Vertrages wird zum Besitzübergang bestimmt:
12„Nach bezugsfertiger Erstellung findet eine gemeinschaftliche Begehung des Sondereigentums statt. Danach erfolgen Abnahme und Übergabe des Sondereigentums. Der Abnahmetermin ist dem Käufer mindestens vierzehn Tage im Voraus schriftlich mitzuteilen. Kleinere Mängel bzw. Restarbeiten – insbesondere an Außenanlagen oder sonstigem Gemeinschaftseigentum, welches nicht unmittelbar die Nutzung der Wohnung und des Stellplatzes des Käufers betrifft – hindern nicht die Abnahme des Kaufobjektes durch den Käufer.
13Voraussetzung für die Übergabe ist, dass der Käufer seinen finanziellen und sonstigen Verpflichtungen aus dieser Urkunde nachgekommen ist. (…)
14Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt über einen Sachverständigen des TÜV Rheinland, der von allen Beteiligten bevollmächtigt wird. (…)“
15Mit E-Mail vom 30.08.2011 teilte der damalige Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit, dass sich der Übergabetermin der Wohnung wegen Finanzierungsumstellungen verzögern werde bis voraussichtlich Ende November 2011 und die Beklagte dadurch verursachte zusätzliche Kosten übernehmen werde (Anlage K 28, Bl. 60 a AH II). Ein erster Abnahmetermin fand am 19.05.2012 statt, bei dem eine Reihe von Punkten aufgenommen wurde. Ein weiterer einvernehmlich vereinbarter Abnahmeversuch erfolgte nach einer vorherigen Begehung vom 13.06.2012 am 15.06.2012, bei dem der Kläger die Abnahme verweigerte. Unter dem 15.06.2012 erstellte der Kläger das aus Anlage B 3 (Bl. 128 ff. AH I) ersichtliche Begehungsprotokoll, welches auf einem vorherigen Protokoll vom 13.06.2012 mit Ergänzungen beruhte. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 28.06.2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, die im Begehungsprotokoll vom 15.06.2012 festgehaltenen Mängel bis zum 06.07.2012 zu beseitigen und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes den Besitz an der Wohnung am 07.07.2012 zu übertragen (Anlage B 11, Bl. 192 ff. AH I). Gleichzeitig bot er an, unter bestimmten Umständen die erste Kaufpreisrate von 91,5% abzüglich 10.000,00 € monatlich seit dem 15.09.2011 zu zahlen. Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2012 forderte die Beklagte den Kläger zur Abnahme bis zum 19.07.2012 oder Benennung eines Abnahmetermins bis zum 21.07.2012 auf (Anlage B 10, Bl. 187 ff. AH I). Mit nachfolgendem Schreiben vom selben Tage erklärte sich die Beklagte sodann einverstanden mit der Zahlung eines vorfälligen Teilbetrages vor Abnahme durch den Kläger in Höhe von 425.219,05 € und teilte des weiteren mit, dass sich die Beklagte daher „an das vertraglich vorgesehene Prozedere halten und zunächst einmal eine Abnahme“ mit dem Kläger durchführen wolle (vgl. Anlage K24, Bl. 56 AH2). Mit Anwaltsschreiben vom 17.07.2012 erklärte sich der Kläger u.a. zur Abnahme des Sondereigentums unter der Bedingung der Besitzübergabe bereit (Anlage B 13, Bl. 197 f. AH I). Mit Schreiben vom 18.07.2012 erklärte die Beklagte, dass kein Einverständnis mit der Lösung bestehe und dass in ihrem zweiten Schreiben vom 12.07.2012 das Wort „nicht“ vor „einverstanden“ gefehlt habe; es bleibe bei Aufforderung und Fristsetzung gemäß dem ersten Schreiben vom 12.07.2012 (vgl. Anlage B 21, Bl. 95 AH II). Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 24.07.2012 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Schreibens in Anlage B1 Bezug genommen (Bl. 115 ff. AH I). Mit Schreiben vom 01.08.2012 forderte sie zur Abgabe von Löschungsbewilligungen hinsichtlich Grundbucheintragungen zu Gunsten des Klägers bis zum 08.08.2012 auf (Anlage B15, Bl. 200 ff. AH). Gleichzeitig wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, für die Immobilie ein neues Kaufangebot abzugeben.
16Der Kläger hat behauptet, das Kaufobjekt sei bis heute nicht bezugsfertig und abnahmereif hergestellt. Es bestünde eine Vielzahl gravierender Mängel und unerledigter Restarbeiten im Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Insbesondere lägen die in Anlage K 3 aufgelisteten Mängel am Sondereigentum und die in Anlage K 4 aufgelisteten Mängel im Gemeinschaftseigentum vor. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Übergabe der Kaufsache verpflichtet. Der Anspruch auf Übergabe sei gemäß den vertraglichen Bestimmungen mit Ablauf des 15.09.2011 fällig geworden. Ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten bestünde nicht. Sie habe zum einen aufgrund ihrer Rücktrittserklärung kein eigenes Leistungsinteresse mehr, befinde sich mit der Fertigstellung in Verzug und verhalte sich deshalb nicht vertragstreu. Zudem sei die Gegenforderung der Beklagten – Zahlung der ersten Kaufpreisrate – mangels Bezugsfertigkeit nicht fällig. Außerdem sei vor Erklärung des Rücktritts keine ausreichende Frist gesetzt worden.
17Der Kläger hat beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Dachgeschosswohnung Nr. 14 gemäß Aufteilungsplan (Anlagenkonvolut K1) in der Liegenschaft Xstraße 4-6 in L, Hauseingang Xstraße 6, 5. OG rechts, nebst Dachterrasse und Kellerraum Nr. 41 gemäß Aufteilungsplan und Einzelstellplatz Nr. 27 gemäß Aufteilungsplan im Parkdeck (Sockelgeschoss) zu übergeben.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Widerklagend hat die Beklagte beantragt,
221. den Kläger zu verurteilen, eine Löschungsbewilligung zu erteilen für die zu seinen Gunsten eingetretene Auflassungsvormerkung gemäß Kaufvertrag vom 13.07.2011, Urkundenrolle Nr. 2265211Ad, beurkundet vor Notar B, hinsichtlich der von ihm erworbenen Wohneinheit Nr. 14 des Hauses X Straße 4 bis 8 in L, Grundbuchbezirk L, Blatt 63998, L, Flur 36, Flurstück 244, Blatt 64007, eingetragen in der 2. Abteilung mit der laufenden Nr. 5;
232. festzustellen, dass der Kläger der Beklagten denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der daraus entstanden ist, dass der Kläger die diesbezügliche Löschungsbewilligung nicht bis zum 27.02.2014 erteilt hat;
243. festzustellen, dass dem Kläger gemäß § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 13.07.2011, Urkundenrolle-Nr. 2265211Ad, kein Anspruch auf Schadensersatz ab 15.07.2012 in Höhe von jeweils 10.000,00 € pro Monat zusteht.
25Der Kläger hat beantragt,
26die Widerklage abzuweisen.
27Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, aufgrund des Rückstritts bestehe kein Anspruch auf Übergabe der Kaufsache. Darüber hinaus hat sie die Einrede des nichterfüllten Vertrages erhoben; eine Übergabe könne allenfalls Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung erfolgen. Sie hat behauptet, die Kaufsache befinde sich bereits seit dem 19.05.2012 in einem abnahmefähigen Zustand und die Wohnung sei zu diesem Zeitpunkt bereits im Wesentlichen vertragsgemäß fertiggestellt gewesen. Der Kläger habe ohne Rechtsgrund die Abnahme verweigert, was zu der Rücktrittserklärung der Beklagten geführt habe. Das Sondereigentum sei spätestens am 15.06.2012 fertiggestellt worden. Aufgrund einer Vielzahl von Sonderwünschen des Klägers sei das Objekt nicht am 15.09.2011, sondern erst am 15.05.2012 in einem abnahmefähigen Zustand fertig gestellt. Die bei dem gemeinsamen Abnahmetermin am 19.05.2012 festgehaltenen Punkte seien abgearbeitet und erledigt. An begründeten Mängeln, die etwa einer Fertigstellung der Wohnung entgegenstehen könnten, bliebe lediglich der noch nicht montierte, da nicht gewünschte, Türspion, die Endmontage der Handtuchhalter, Toilettenbürsten etc. sowie die fehlende Duschabtrennung in einem Badezimmer, die bis dahin noch nicht bemustert und endgültig ausgewählt gewesen sei.
28Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zur Besitzübergabe an der Wohnung ohne Gegenleistung verpflichtet. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe ihr infolge eigener Vertragsuntreue nicht zu, weil der von ihr am 24.7.2012 erklärte Rücktritt vom Vertrag unwirksam gewesen sei. Zum einen sei die Wohnung nicht abnahmefähig gewesen. Darüber hinaus habe es an der erforderlichen Setzung einer angemessenen Frist zu Abnahme gefehlt. Die Widerklage sei unbegründet. Das gelte auch für den Antrag auf Feststellung, dass die § 2 Kaufvertrages vereinbarte Minderung des Kaufpreises nicht angefallen sei. Zwar werde aus der Bezugnahme auf das Datum 15.9.2011 in § 1 des Vertrages deutlich, dass es sich bei der „Fertigstellung“ im Sinne des § 2 um die Herstellung der Bezugsfertigkeit handele. Im Gegensatz dazu habe sich die Beklagte verpflichtet, eine vollständige Fertigstellung bis zum 01.10.2011 zu erreichen. § 6 des Vertrages sehe vor, dass nach bezugsfertiger Erstellung eine gemeinschaftliche Begehung des Sondereigentums und danach Abnahme und Übergabe des Sondereigentums erfolgten. Die vereinbarte Vertragsstrafe mit dem maßgeblichen Kriterium der Bezugsfertigkeit ziele damit darauf ab, dass das Sondereigentum zur Nutzung zur Verfügung stehen solle. Allein mit der angeblichen faktischen Bezugsfertigstellung sei daher für den Erwerber solange nichts gewonnen, wie er die Wohnung nicht nutzen könne. Zu einer Abnahme sei es aber nicht gekommen. Auch könne die Abnahmereife und damit gleichzeitig die Bezugsfertigkeit nicht festgestellt werden. Mit der Rücktrittserklärung und der Aufforderung zur Abgabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Auflassungsvormerkung des Klägers habe die Beklagte zudem einen Vollzug des Vertrages und damit auch eine Besitzeinräumung eindeutig verweigert. Da der Rücktritt nicht wirksam gewesen sei, sie sie aber zur Besitzeinräumung verpflichtet. Vor diesem Hintergrund könne nicht festgestellt werden, dass ein Anspruch des Klägers aus § 2 des Kaufvertrages für den Zeitraum ab dem 15.07.2012 nicht besteht.
29Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Übergabe der Wohnung und gegen die Abweisung der Widerklage. Mit dem Widerklageantrag begehrt sie die Feststellung, dass dem Beklagten ab dem 15.9.2011 kein Schadensersatz nach § 2 des Kaufvertrages zustehe. Soweit erstinstanzlich im Widerklageantrag das Datum „15.7.2012“ genannt worden sei, habe es sich um einen Tippfehler gehandelt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, sie trete von Rücktritt zurück und stehe voll zu ihren vertraglichen Verpflichtungen. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
30Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und
311. die Klage abzuweisen,
322. festzustellen, dass dem Kläger gemäß § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 13.07.2011, Urkundenrolle-Nr. 2265211Ad, keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von jeweils 10.000,00 € pro Monat ab 15.09.2011 zusteht.
33Der Kläger beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Auch er wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung sowie auf die sonstigen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
37II.
38Die zulässige Berufung ist hinsichtlich der Klage unbegründet, hinsichtlich der Widerklage teilweise begründet.
391. Klage
40Die Berufung ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zuerkennung der Klage richtet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übergabe der Wohnung. Auf eine Vorleistungspflicht des Klägers oder ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB kann sich die Beklagte mangels eigener Vertragstreue nicht berufen. Der am 24.7.2012 erklärte Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag war unwirksam. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, steht schon im Hinblick auf die Mängel, die nach dem von der Beklagten selbst vorgelegten Gutachten des Dipl. Ing. L2 vom 19.11.2014 (Anl. B 23, AH II Bl. 99) bestehen, insbesondere den Mängeln in beiden Bädern, nicht fest, dass das Sondereigentum am 15.6.2012 abnahmereif war. Außerdem fehlte es an einer angemessenen Fristsetzung. In Bezug auf die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der ersten Kaufpreisrate enthielt das Schreiben vom 12.7.2012 (Anl. B 10, AH I Bl. 187 ff.) überhaupt keine Fristsetzung. Da die Beklagte weiterhin an dem Rechtsstandpunkt festgehalten hat, dass der Rücktritt wirksam sei, hat sie sich vertragsuntreu verhalten. Das hat zur Folge, dass sie sich weder auf die Einrede des § 320 BGB noch eine etwaige Vorleistungspflicht des Klägers berufen kann (vgl. etwa BGHZ 50, 175, 177; NJW 2002, 3541; NJW-RR 2013, 1458, 1459; Münchener Kommentar/Emmerich, BGB, 6. Aufl., § 320 Rdn. 20 f., 28; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 320 Rdn. 6 und 18; H. Schmidt in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.8.2015, § 320 Rdn. 12 jew. m.w.N.).
41Daran hat auch die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung der Beklagten nichts geändert, sie trete von dem Rücktritt zurück und stehe voll zu ihren Vertragsplichten. Zwar kann von einem Wegfall der Vorleistungspflicht grundsätzlich nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Vorleistungsberechtigte seine eigenen vertraglichen Pflichten nach früherem Leugnen vorbehaltlos wieder anerkennt (BGHZ 88, 91 = NJW 1983, 2437). An der vorbehaltlosen Rückkehr zur Vertragstreue fehlt es aber. § 6 des Vertrages sieht vor, dass nach bezugsfertiger Erstellung eine gemeinschaftliche Begehung des Sondereigentums stattfindet und danach die Abnahme und Übergabe des Sondereigentumserfolgen. Den Abnahmetermin hat die Beklagte dem Kläger vierzehn Tage im Voraus mitzuteilen. Die vorbehaltlose Anerkennung ihrer Vertragspflichten hätte demnach erfordert, dass die Beklagte den Kläger erneut zur Abnahme aufgefordert und ihm in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Begehung des Sondereigentums angeboten hätte. Zwar mag sich die in der mündlichen Verhandlung ausgesprochene Verweigerung der Wohnungsbesichtigung auf eine Besichtigung im Rahmen des erörterten Vergleiches bezogen haben. Darauf kommt es indes nicht an, weil es Sache der Beklagten war, ihren Vertragspflichten entsprechend der genannten Vertragsbestimmung durch die Benennung eines Abnahmetermins nachzukommen. Zudem befindet sich die Beklagte mit der schon für den 01.10.2011 vereinbarten abnahmereifen Fertigstellung weiterhin in Verzug. Der Schuldner, der sich in Leistungsverzug befindet, kann nicht zur Abwehr der Verzugsfolgen geltend machen, dass der Gläubiger seiner erst nach Eintritt des Leistungsverzugs entstehenden Zahlungspflicht nicht nachgekommen sei. Wer sich in Verzug befindet, muss stets zunächst die Folgen seiner eigenen Vertragsverletzung beseitigen, bevor er sich auf § 320 BGB berufen kann. Hierzu ist erforderlich, dass er die von ihm geschuldete Leistung vollständig erbringt oder sie dem anderen Vertragsteil so anbietet, dass dieser seinerseits in Annahmeverzug gerät (BGH NJW-RR 1995, 564; Münchener Kommentar/Emmerich § 320 Rdn. 30 m.w.N.). Dass die Wohnung – wie zur Widerklage noch auszuführen ist - mittlerweile bezugsfertig ist und daher die erste Rate von 91,5 % nach § 2 A) des Vertrages fällig geworden ist, begründet keinen Annahmeverzug des Klägers. Weist das Objekt die Abnahmereife ausschließende Mängel auf, so kann der Erwerber dem Anspruch auf die Bezugsfertigkeitsrate seinerseits ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB entgegenhalten. Der Erwerber ist berechtigt, die Zahlung einer nach Baufortschritt fälligen Rate wegen bis dahin aufgetretener Baumängel in angemessenem Verhältnis zum voraussichtlichen Beseitigungsaufwand zu verweigern (BGH NJW 2012, 56 = NZBau 2012, 34; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rdn. 286; Basty Rdn. 545 f.). Bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung hätte die Beklagte nach Erstellung der Bezugsfertigkeit einen fälligen Anspruch auf Auszahlung der Rate von 91,5 % Zug um Zug gegen Besitzübergabe gehabt (§ 2 A des Vertrages). Der Kläger hätte dem Zahlungsanspruch aber seinerseits ein Zurückbehaltungsrecht wegen solcher Mängel entgegenhalten können, die einer Abnahme entgegenstehen. Davon sind nach § 6 des Vertrages nur kleinere Mängel und Restarbeiten – insbesondere an Außenanlagen oder sonstigem Gemeinschaftseigentum, welches nicht unmittelbar die Nutzung der Wohnung und des Stellplatzes betrifft – ausgenommen, die eine Abnahme des Kaufobjektes nicht hindern. Eine Rückkehr zur Vertragstreue hätte deshalb zur Voraussetzung gehabt, dass die Beklagte dem Kläger eine solche Vertragsabwicklung auf der Grundlage eines doppelten Zurückbehaltungsrechts angeboten hätte (zur doppelten Zug-um-Zug-Abwicklung grundlegend BGHZ 90, 344 = NJW 1984, 1676). Das ist indes nicht geschehen. Die Abnahmefähigkeit des Objektes, welche die Beklagte zu beweisen hat (vgl. Repgen in: Baumgärtel/Prütting/Laumen, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 320 Rdn. 5 m.w.N.; Kessen, ebendort, § 640 Rdn. 1 f.), ist dagegen nicht erwiesen. Wie schon ausgeführt, sind die in dem eigenen Privatgutachten der Beklagten vom 19.11.2014 dokumentierten Mängel im Gegenteil so erheblich, dass sie die Abnahmefähigkeit ausschließen. Auf die insoweit zutreffende Würdigung des Landgerichts nimmt der Senat Bezug.
422. Widerklage
43Teilweise begründet ist die Berufung, soweit das Landgericht den erstinstanzlichen Widerklageantrag zu 3. abgewiesen hat. Dieser ist – in der Fassung der Berufung - auf die negative Feststellung gerichtet, dass dem Kläger kein „Schadensersatz“ (gemeint ist die Minderung) gem. § 2 des notariellen Vertrages in Höhe von 10.000,-- € ab dem 15.9.2011 zusteht.
44a) Die Minderung ist an die fehlende Bezugsfertigkeit geknüpft, die nach § 1 des Vertrages bis zum 15.9.2011 herzustellen war und die – wie noch auszuführen ist - von der Fertigstellung und Abnahmefähigkeit unterschieden werden muss. Das hat auch das Landgericht im Ansatz richtig angenommen. Im Ergebnis hat es dennoch die Bezugsfertigkeit mit der Abnahmefähigkeit mit der Begründung gleich gesetzt, die vereinbarte Vertragsstrafe mit dem maßgeblichen Kriterium der Bezugsfertigkeit ziele darauf ab, dass das Sondereigentum zur Nutzung zur Verfügung stehen solle. Zu einer Abnahme sei es aber nicht gekommen. Auch könne die Abnahmereife und damit gleichzeitig die Bezugsfertigkeit nicht festgestellt werden. Nach der insoweit eindeutigen Regelung ist die Minderung jedoch allein an das nicht fristgemäße Erstellen der Bezugsfertigkeit geknüpft. Im Hinblick auf einen verzögerten Eintritt der Abnahmefähigkeit oder die Verweigerung der Übergabe ist der Kläger auf Ansprüche nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen verwiesen.
45b) Der Kläger teilt ebenfalls den Ansatz, dass es für die Minderung auf die verspätete Herstellung der zum 15.9.2011 vereinbarten Bezugsfertigkeit ankomme, wendet aber ein, die Bezugsfertigkeit sei insbesondere unter Berücksichtigung des Luxuscharakters der erworbenen Wohnung nicht eingetreten.
46Die Bezugsfertigkeit ist von der Fertigstellung und Abnahmereife zu unterscheiden und schon anzunehmen, wenn dem Erwerber der Bezug des Objekts nach der Verkehrsanschauung zumutbar ist. Danach muss beim Verkauf von Wohnungen das Vertragsobjekt im Rahmen normaler Wohnbedürfnisse (Wohnen, Essen, Schlafen) ohne Gefahr für die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner auf Dauer bewohnt werden können (Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Aufl., Rdn. 506). Die grundlegenden und für die Nutzung erforderlichen Arbeiten müssen fertiggestellt sein. Die Versorgung mit Wasser und Strom muss dagegen gesichert, die Heizung muss funktionsfähig sein (Basty Bl. 508). Dagegen ist die abschließende Fertigstellung etwa der Außenanlagen nicht erforderlich, wenn ein sicherer Zugang besteht (etwa Basty Rdn. 506 ff.; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 11. Teil, Rdn. 512; Werner/Pastor, Der Bauvertrag, 15. Aufl., Rdn. 1619). Mängel der erbrachten Bauleistungen hindern die Bezugsfertigkeit grds. nicht, sofern sie nicht die Sicherheit des Wohnens beeinträchtigen. Das Gleiche gilt für die mangelnde Nutzbarkeit des Balkons oder sonstiger Außenanlagen (zutreffend Basty Rdn. 507 und 508 m.w.N). Teilweise wird namentlich bei Luxuswohnungen ein etwas strengerer Maßstab angelegt und verlangt, dass die restlichen Arbeiten außerhalb der Wohnung – abgesehen von den Außenanlagen - unter Würdigung ihres Umfanges und der dafür erforderlichen Dauer die vertraglich geschuldete Nutzungsmöglichkeit nur unerheblich beeinträchtigen dürften. So hat das OLG Hamm (NZBau 2007, 709, 712 = BauR 2007, 1737, 1739) angenommen, die ungestörte Nutzungsmöglichkeit setze bei einer für 1,3 Mio. DM erworbenen Wohnung am Elbufer voraus, dass zumindest ab dem Frühjahr auch die Balkone nutzbar seien und bei der Fertigstellung der übrigen Wohnungen des Bauvorhabens kein erheblicher Baulärm und Drecke entstehe.
47Es ist zumindest zweifelhaft, ob der vom OLG Hamm betonte Gesichtspunkt der Preishöhe im vorliegenden Fall von wesentlicher Bedeutung sein kann. Denn andererseits ist die Minderung mit 10.000 € je Monat selbst im Verhältnis zum Kaufpreis ungewöhnlich hoch bemessen. Dies mag indes dahinstehen. Die vom Kläger geltend gemachten Mängel sind unter keiner Betrachtungsweise so erheblich, dass sie der Bezugsfertigkeit der Wohnung entgegenstünden. Als tatsächliche Grundlage für die Beurteilung sind heranzuziehen:
48- Abnahmeprotokoll vom 15.6.2012, Anl. K 7, Bl. 14 AH II
49- Begehungsprotokoll des Klägers vom 15.6.2012. Anl. B 23, Bl. 128 ff. AH I
50- Begehungsprotokoll Sondereigentum vom 27.8.2013, Anl. K 3, Bl. 106 AH I
51- Begehungsprotokoll Gemeinschaftseigentum Anl. K 4, Bl. 109 AH I
52- Parteigutachten der Beklagten vom 19.11.2014, Anl. B 23, Bl. 99 AH II
53- Protokoll der Begehung vom 18.2.2015, Anl. K 31, Bl. 412 d.A.
54Die in der Klagebegründung (S. 5) unter Bezug auf die Wohnungsbegehung vom 27.8.2013 angeführten Mängel betreffen nicht die Sicherheit des Wohnens und schließen selbst unter Berücksichtigung des hohen Kaufpreisniveaus eine Bezugsfertigkeit nicht aus. Das gilt auch schon für die in dem Begehungsprotokoll des Klägers vom 15.6.2012 aufgelisteten Mängel. Die im Berufungsverfahren unter Bezug auf das in dem von der der Wohnungseigentümergemeinschaft geführten Rechtstreit (LG Köln 8 O 549/12) erstattete Gutachten des Sachverständigen Eisenblätter (Anl. K 38) in den Vordergrund gestellten Mängel des Gemeinschaftseigentums sind für die Bezugsfertigkeit unerheblich. Insbesondere der Umstand, dass das Treppenhaus neu gefliest werden muss, schließt die Bezugsfertigkeit nicht aus, zumal unstreitig andere Erwerber schon seit langem in dem Haus wohnen. Derartige Arbeiten können ohne Weiteres unter Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit des Treppenhauses in einer für die Bewohner zumutbaren Weise durchgeführt werden. Die gerügten Mängel der Wendeltreppe zur Dachterrasse, insbesondere die vom Kläger behauptete Abweichung von der Baugenehmigung, stehen der Bezugsfertigkeit gleichermaßen nicht entgegen, zumal die Nutzbarkeit jedenfalls des Balkons nicht in Frage steht. Die Bezugsfertigkeit der Wohnung ausschließende Mängel der Heizungs- und der Elektroanlage sind weder in der Klageschrift noch in der auf den Hinweis des Senats eingegangen Stellungnahme des Klägers vom 28.9.2015 hinreichend dargetan. Dass diese Anlagen ohne größeren Aufwand in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Bezug der Wohnung in Betrieb genommen werden können, liegt schon deshalb auf der Hand, weil zumindest der ganz überwiegende Teil der übrigen Wohnungen seit Jahren bezogen ist.
55Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Wohnung schon vor dem 15.6.2012 bezugsfähig geworden war. Insoweit fehlt es an jeglicher Beurteilungsgrundlage. Dies geht zu Lasten der Beklagten, da diese für die Eintritt der Bezugsfertigkeit darlegungs- und beweispflichtig ist (zum Verzug Palandt/Grüneberg § 286 Rdn. 49). Es kann aus diesem Grunde nicht festgestellt werden, dass auch für den Zeitraum vom 15.9.2011 bis zum 15.6.2012 eine monatliche Minderung von 10.000,-- €, mithin von insgesamt 90.000,-- €, nicht angefallen ist. Insoweit sind Widerklage und Berufung unbegründet.
563. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze beider Parteien enthalten weder zur Klage noch zur Widerklage Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung veranlassen könnten. Sie geben keinen Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
57III.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
59Die Revision wird nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Die vom Beklagten angeführten Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
60Berufungsstreitwert: 749.500,-- €
61Das Landgericht hat den Streitwert auf 1.269.500,-- € festgesetzt und die Werte von und Klage und Widerklage addiert. Der Kläger hat den Wert in der Klageschrift mit 489.500,-- € angegeben und nach dem Kaufpreis abzüglich der Minderung vom 15.9.2011 bis zum 15.11.2013 berechnet. Da die Frage der Minderung mit dem dritten (hilfsweise gestellten Widerklageantrag) streitgegenständlich geworden ist, erhöht sich der Streitwert auf die volle Kaufpreissumme von 749.500,-- € (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Die Widerklageanträge zu 1. und 2. erhöhen den Streitwert nicht, da sie dieselbe Sache betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG).
62Für den erstinstanzlichen Streitwert sind zusätzlich die mit der Berufung nicht weiter verfolgten Widerklageanträge zu 1. und 2. zu berücksichtigen, die der Senat jeweils mit 75.000,-- € bewertet (§ 3 ZPO), so dass der Streitwert für die erste Instanz wird auf 899.500,-- € festzusetzen ist.
63