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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 15.01.2014 (Az.: 1 O 271/12) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Forderung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche in Zusammenhang mit einer bislang nicht erfolgten Bescheidung über einen Antrag des Klägers auf Erstattung von Kapitalertragsteuer in Zusammenhang mit sogenannten cum-ex-Geschäften. Der Kläger vertritt als Trustee einen Trust nach amerikanischem Recht, der von den dortigen Behörden als Pensionsfonds anerkannt und von den US-Steuern befreit ist. Neben dem Kläger hat der Fonds keine weiteren Begünstigten. Er verwaltet ein Vermögen von rund 300 Millionen US Dollar.
4Im Zeitraum vom 12.04.2011 bis zum 01.06.2011 erwarb der Kläger als Trustee über die Börse Aktien verschiedener deutscher DAX-Unternehmen im Wert von insgesamt 6,3 Milliarden Euro. Die Käufe waren in erheblichem Maße kreditfinanziert. Der Kauf erfolgte jeweils kurz vor dem Datum der Hauptversammlung, in der der Beschluss über die Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre zu treffen war. Kurz nach der Hauptversammlung verkaufte der Kläger die Aktien wieder. Dem Kläger, welchem nur Beträge in Höhe der Nettodividenden gutgeschrieben worden waren, wurde von seiner Depotbank für alle durchgeführten Börsengeschäfte die Abfuhr von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag bescheinigt.
5Über die in London ansässige T Ltd. stellte der Kläger am 22.06.2011 nach § 50 d Abs. 1 S. 6 EStG 2011 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 b) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung von Doppelbesteuerung in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 01. Juni 2006 (im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen) im Datenträgerverfahren einen Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 53.882.080,94 Euro. Der übermittelte Datenträger enthielt keine Berufsträgerbescheinigung im Sinne des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (nachfolgend: BMF) vom 29.03.2012. In jenem Schreiben, welches das Bundeszentralamt für Steuern veröffentlicht hatte, heißt es:
6„Erfolgte der Aktienerwerb gemäß Schlusstag am Tag der Hauptversammlung, die über die Dividende beschließt, oder am Tag davor, ist eine Erstattung insoweit nur vorzunehmen, wenn der Antragsteller oder ein nach § 4 Nr. 12a Steuerberatungsgesetz befugtes ausländisches Kreditinstitut die Bescheinigung eines Berufsträgers im Sinne der §§ 3 und 3a Steuerberatungsgesetz einreicht, in der Folgendes bestätigt wird: „Es liegen mir auf Grund des mir möglichen Einblicks in die Unternehmensverhältnisse und nach Befragung des Steuerpflichtigen keine Erkenntnisse über Absprachen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf den über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb der Aktien sowie entsprechender Leerverkäufe, bei denen die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle nicht in Deutschland liegt, vor.“ “
7Der Antrag im Datenträgerverfahren wurde vom Bundeszentralamt für Steuern durch Mitteilung vom 07.11.2011 unter Bezugnahme auf Ziff. 4.1 Abs. 3 der Erfordernisse und Anforderung zur Teilnahme am Datenträgerverfahren, wonach vorbehalten bleibt, einzelne Antragsteller vom Datenträgerverfahren auszuschließen, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen ohne Beteiligung des Bundesamtes für Finanzen nicht beurteilt werden kann, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde angeführt, dass eine Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Leerverkäufen vorgenommen werden soll. Zugleich wurde unter Bezugnahme auf das Schreiben des BMF vom 29.03.2012 auf die Möglichkeit einer schriftlichen Antragstellung verwiesen.
8Am 02.12.2011 stellte der Kläger über die B LLc in London einen schriftlichen Antrag auf Kapitalsteuererstattung. Dem schriftlichen Antrag war die als Anlage K 9 vorgelegte Berufsträgerbescheinigung beigefügt, welche auf den 06.07.2011 datiert. Im Folgenden unternahm das Bundeszentralamt für Steuern umfangreich Nachfragen und Ermittlungen. Über den schriftlichen Antrag sowie über den am 27.06.2012 eingelegten Untätigkeitseinspruch ist bislang nicht entschieden.
9Wegen der nicht bzw. verzögert erfolgten Bescheidung seines Erstattungsantrags begehrt der Kläger insbesondere unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung die Erstattung der Kosten für die Berufsträgerbescheinigung, die er auf 32.725,00 Euro brutto beziffert, sowie die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten für die außergerichtliche Vertretung im Erstattungsverfahren, die er auf 272.224,40 Euro brutto beziffert. Er begehrt überdies die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten für weiteren materiellen Schaden, der aus der nicht bzw. verzögerten Bearbeitung des Erstattungsantrags herrühren soll. Er benennt dabei insbesondere entgangenen Gewinn aus der Wiederanlage des Erstattungsbetrages. Als Mindestschaden für die Zeit vom 01.12.2011 bis zum 30.06.2012 geht der Kläger dabei auf Basis eines Tagesgeldzinssatzes von 0,853 % von einem Schaden von 268.108,25 Euro aus. Für jeden weiteren Monat soll sich der Schaden um 38.301,18 Euro erhöhen.
10Der Kläger hat, nach Reduzierung der bezifferten Klageforderung um Mehrwertsteueranteile, zuletzt beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 256.260,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2012 zu zahlen.
122. festzustellen, dass die Beklagte ihm jeden Schaden der ihm aus der Amtspflichtverletzung der Beklagten in der Vergangenheit bereits entstanden ist und in der Zukunft entstehen wird, soweit er nicht im Antrag zu 1 verfolgt wird, zu ersetzen hat.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
16Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es an einer schuldhaften Amtspflichtverletzung fehle. Eine solche läge weder in dem Verweis auf das schriftliche Antragsverfahren bzw. in der Anforderung der Berufsträgerbescheinigung, noch in der unterbliebenen Bescheidung infolge zu Recht gemäß § 88 Abs. 1 AO aufgenommener Ermittlungstätigkeiten. Vielmehr sei es vertretbar, dass die Beamten der Finanzbehörden sich auf den Standpunkt stellten, im hier möglichen Fall von Leerverkäufen um den Dividendenstichtag unter Beteiligung einer ausländischen Depotbank komme es auf die tatsächliche Abführung der Kapitalertragsteuer, d.h. auf die (mindestens) zweimalige Abführung einerseits der Steuer auf die Dividende, andererseits auf die Dividendenkompensationszahlung, an. Jedenfalls sei die Rechtslage mangels höchstrichterlicher Klärung unklar. Darüber hinaus liege auch nach Maßgabe der Kollegialrichtlinie keine schuldhafte Amtspflichtverletzung vor. Dass die Voraussetzungen eines in der geltend gemachten Höhe von einbehaltenen 25% bestehenden Anspruchs erfüllt seien, sei nicht ersichtlich, weshalb auch Ermittlungen zur gewerblichen Tätigkeit des Trusts in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften jedenfalls vertretbar seien. Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff scheide aus, weil es an einer hoheitlichen Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit fehle. Den zugleich als unbegründet abgewiesenen Feststellungsantrag legte das Landgericht dergestalt aus, dass der Kläger eine Feststellung lediglich für Schäden infolge nicht spätestens bis zum 22.11.2011 erfolgter positiver Bescheidung begehre.
17Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit welcher er sein Begehren insgesamt weiter verfolgt. Er rügt die Auslegung des Feststellungsantrages als fehlerhaft und stellt klar, dass dieser Schäden aufgrund einer Nichtbescheidung auch über den 22.11.2011 hinaus umfasse. In der Sache wiederholt und vertieft er seine Auffassung, dass die Rechtslage eindeutig sei und sein Erstattungsantrag zwischenzeitlich, jedenfalls aber nach dem 01.09.2013, ohne weitere Ermittlungen positiv hätte beschieden werden müssen.
18Der Kläger beantragt,
19unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 15.01.2014 – 1 O 271/12 -
201. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 256.260,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2012 zu zahlen,
212. festzustellen, dass die Beklagte ihm jeden Schaden, der ihm aus der Amtspflichtverletzung der Beklagten in der Vergangenheit bereits entstanden ist und in der Zukunft entstehen wird, soweit er nicht im Antrag zu 1 verfolgt wird, zu ersetzen hat.
22Den schriftsätzlich angekündigten Hilfsantrag hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gestellt.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und hält an ihrer Auffassung fest, dass auch die Frage, ob gewerbliche Geschäfte im Sinne von Art. 10 Abs. 3 b) des Doppelbesteuerungsabkommens vorlagen, weiter ungeklärt sei.
26Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2014 Bezug genommen.
27II.
28Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
29A.
30Zulässigkeitsbedenken stehen der Klage nicht entgegen.
311.
32Mit der Kammer geht der Senat von der Prozessführungsbefugnis des Klägers als Trustee des B2 Profit Sharing Plan - Trust aus.
33Zwar beurteilt sich die Prozessführungsbefugnis auch in Fällen mit Auslandsberührung grundsätzlich nach deutschem Prozessrecht. Gründet die Prozessführungsbefugnis jedoch auf materiellem Recht, muss nach dem aufgrund deutschen internationalen Privatrechts ermittelten Recht (der „lex causae“) entschieden werden, ob eine solche Befugnis für die im Prozess auftretende Person vorliegt (OLG Celle, Urteil vom 27.10.2010 – 3 U 84/10 – juris). Vorliegend beurteilt sich diese Frage nach materiellem Gesellschaftsrecht des Staates New Jersey (USA), § 41 Abs. 1 EGBGB. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, welcher neben einem weiteren „individual trustee" ausweislich der Gründungsurkunde die Interessen des Trusts als Sondervermögen wahrnimmt, nicht bzw. nicht allein prozessführungsbefugt wäre, bestehen insoweit, auch in Ansehung der Regelung in Art. 63.3 a.E. des Gründungsvertrages, nicht, worauf der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
342.
35Der Feststellungsantrag ist nach Maßgabe der gebotenen Auslegung zulässig, wobei der Senat indes nicht der inhaltlichen Auslegung der Kammer zum zeitlichen Umfang folgt.
36Der durch die Verwendung des Rechtsbegriffs der "Amtspflichtverletzung" ohne konkrete Bezeichnung der dieser tatsächlich zugrunde liegenden Umstände nicht hinreichend i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmte Feststellungsantrag ist unter Heranziehung der insoweit eindeutig gefassten Klage- und hiermit in Übereinstimmung stehenden Berufungsbegründung dergestalt auszulegen, dass das Petitum des Klägers in tatsächlicher Hinsicht auf die Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung von Schäden gerichtet ist, welche durch die nicht bzw. verzögert erfolgte Bescheidung seines Antrags bzw. seiner Anträge auf Erstattung von Kapitalertragsteuer entstehen.
37Dem Kläger ist im Übrigen auf der Grundlage seines auch insoweit eindeutigen Klagevorbringens darin zu folgen, dass das Feststellungsbegehren in seinem zeitlichen Umfang nicht beschränkt ist auf die infolge der nicht spätestens bis zum 22.11.2011 erfolgten Nichtbescheidung seines Antrags, sei es im Datenträgeraustausch- oder im schriftlichen Verfahren, entstandenen Schäden, sondern darüber hinausgeht und deshalb den Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfasst.
38Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht unabhängig davon, dass ein bislang bereits entstandener Anlageschaden bezifferbar wäre, da die Möglichkeit besteht, dass sich der Schaden bis zum Abschluss des Erstattungsverfahrens weiter entwickelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2005 – VI ZR 83/04 –, BGHZ 163, 351-362).
39B.
40In der Sache bleibt das Rechtsmittel des Klägers indes ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch bzw. Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.
411.
42Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
43a) Es fehlt bereits an einer Amtspflichtverletzung.
44aa) Soweit der Kläger sich auf unzulässige bzw. unnötige Ermittlungen und auf die Nichtentscheidung über den Erstattungsantrag – sei es im schriftlichen Verfahren oder im Datenträgerverfahren - sowie über den Untätigkeitseinspruchs bezieht, mündet dies letztlich in den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung durch zögerliche Sachentscheidung. Gemäß § 85 Satz 2 AO haben die Finanzbehörden sicherzustellen, dass Steuererstattungen nicht zu Unrecht versagt werden. Dabei ermittelt die Finanzbehörde gemäß § 88 Abs. 1 AO den Sachverhalt von Amts wegen, bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen und ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden, wobei sich der Umfang dieser Pflichten nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Daraus folgt aber nicht, dass die Behörde berechtigt wäre, Ermittlungen in die Länge zu ziehen, etwa Unnötiges zu ermitteln, oder gar Erstattungsanträge nicht zu bescheiden. Vielmehr hat in einem Rechtsstaat jede Behörde die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und, sobald ihre Prüfung abgeschlossen ist, ungesäumt zu bescheiden (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05 – juris). Wird eine behördliche Entscheidung durch unnötige oder unzulässige Ermittlungen im erheblichen Maße verzögert, so ist eine Amtspflichtverletzung zu bejahen.
45An diesen Voraussetzungen fehlt es indes.
46Die Beklagte war und ist auch über den 01.09.2013 hinaus berechtigt, im Zusammenhang mit dem vom Kläger begehrten Erstattungsanspruch umfangreiche Ermittlungen durchzuführen. Die Entscheidung über den Antrag setzt nämlich die Aufklärung eines komplexen Sachverhalts nebst Auseinandersetzung mit mehreren, insbesondere höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen voraus, die sich nur auf der Grundlage der genauen Umstände des Einzelfalles beantworten lassen.
47Im Einzelnen:
48Gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG kann der Gläubiger von Kapitalerträgen die völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer verlangen, wenn diese Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder mit nur einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden dürfen. Nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b) des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA werden die von einem dort ansässigen Pensionsfond gezogenen Dividenden nicht versteuert, soweit sie weder unmittelbar noch mittelbar aus einer gewerblichen Tätigkeit dieses Pensionsfonds stammen. Die Erstattung im Anrechnungsverfahren erfolgt, indem auf die Einkommenssteuer die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG angerechnet wird. Jedoch muss dafür eine Steuerbescheinigung gemäß § 45a Abs. 3 EStG vorgelegt werden. Der Kläger beruft sich auf diese Steuerbefreiung und darauf, dass ihm im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften eine Kapitalertragsteuerbescheinigung ausgestellt wurde.
49Es ist jedoch auch zur Überzeugung des Senats fraglich, ob der Kläger eine Erstattung bzw. Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach der für Mai/April 2011 maßgeblichen Rechtslage letztlich erfolgreich wird geltend machen können. Denn bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag kann es dazu kommen, dass hinsichtlich derselben Aktie zwei Eigentümer existieren, nämlich: der Veräußerer als zivilrechtlicher und der Erwerber als wirtschaftlicher Eigentümer. Diese Problematik taucht bei Leerverkäufen sowie bei Aktienverkäufen „cum Dividende“ mit über Wertpapierdarlehen erworbenen Papieren „ex-Dividende“ auf (BT-Drucksachen 16/2712, 48; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Kapitalsteuergesetz § 20 Rn. 112). Während bei einem „normalen“ Verkauf vor dem Dividendenstichtag der Veräußerer weder die Dividende noch eine Steuerbescheinigung erhält, weil hinsichtlich der veräußerten Aktien ein Sperrvermerk in seinem Depot angebracht wird, geht der Sperrvermerk beim sog. Leerverkauf ins Leere, weil sich die Aktien nicht im Depotbestand des Veräußerers befinden. Damit bekommt am Dividendenstichtag der Eigentümer, bei dem sich der Veräußerer die Aktien noch beschaffen musste, sowohl die Nettodividende als auch die Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 3 EStG und gleichzeitig bekommt der Erwerber, der die Aktie „cum Dividende“ erworben hatte, einen Betrag in Höhe der Nettodividende (Dividendenausgleichszahlung) gutgeschrieben sowie von seiner inländischen Depotbank ebenfalls eine entsprechende Steuerbescheinigung. Nach der hier maßgeblichen, aufgrund des JStG 2007 (BGBl. I 2006, 2878) geschaffenen Rechtslage ist zwar auch die Dividendenausgleichszahlung steuerpflichtig (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG), jedoch wurde eine Pflicht, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen, nur für inländische Kreditinstitute statuiert (§ 44 Abs. 3 EStG). Dies führte dazu, dass - soweit auf der Seite des Veräußerers ein ausländisches Kreditinstitut beteiligt war - dieses weder zur Einbehaltung noch zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer verpflichtet war. Daher konnten bei bis Ende 2011 vorgenommenen Wertpapiergeschäften sowohl der ursprüngliche Aktieninhaber als auch der Erwerber jeweils eine Bescheinigung über entrichtete Kapitalertragsteuer erhalten, obwohl diese nur einmal abgeführt wurde. Dieses steuerrechtliche Problem ist für Wertpapiergeschäfte, die ab dem 01.01.2012 abgewickelt werden, durch das OGAW-IV-Umsetzungsgesetz (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmter Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren - BGBL. 2011, Teil 1 Nr. 30, S. 1126 - und zum 01.01.2012 in Kraft getreten) beseitigt worden. Der streitgegenständliche Fall beurteilt sich aber nach alter Rechtslage. Im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des Klägers stellt sich deshalb die eingangs dargestellte Problematik. Denn es ist unstreitig, dass der Kläger die Aktien kurz vor dem Datum der Hauptversammlung, in der der Beschluss über die Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre zu treffen war, gekauft und kurz nach der Hauptversammlung wieder verkauft hat, und es ist unklar, ob dem jeweiligen Kauf ein ungedeckter Leerverkauf zugrunde lag. Insoweit hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, dass ihm dies nicht bekannt sei. Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt ist es demnach durchaus möglich, dass den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften solche Leerverkäufe im „cum-/ex-Dividende“ - Verfahren unter Beteiligung einer ausländischen Depotbank auf Veräußerseite zugrundelagen. Zudem ist klärungsbedürftig, ob den Verkäufen eine vorherige Absprache vorausgegangen ist, in rechtlicher Hinsicht außerdem fraglich, ob einem Erstattungsanspruch eine solche Absprache oder der Umstand, dass tatsächlich keine zweite Kapitalertragsteuer abgeführt wurde, entgegensteht.
50(1) Vor diesem Hintergrund ist es zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden, dass die Beklagte Ermittlungen durchgeführt hat, ob der Kläger als wirtschaftlicher Eigentümer der betroffenen Aktien anzusehen war, insbesondere ob es sich bei den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften um (ungedeckte) Leerverkäufe handelte.
51Grundsätzlich geht das im Steuerrecht maßgebliche wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO schon dann über, wenn der Erwerber die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausüben kann, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Bei Wertpapiergeschäften kann der Erwerber bereits am Tag des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses über die Wertpapiere verfügen, insbesondere sind Gefahr, Nutzungen und Lasten der Wertpapiere, also Kurschancen und -risiken, auf ihn übergegangen. Ob dies auch bei Leerverkäufen im cum- ex-Verfahren anzunehmen ist, stellt die Beklagte aber zu Recht in Frage. Als Leerverkauf (short selling) wird im Allgemeinen die Marktpraxis bezeichnet, ein Finanzinstrument zu verkaufen, das zum Zeitpunkt der Transaktion nicht im Eigentum des Verkäufers steht. Bei einem ungedeckten Leerverkauf (naked short selling) hat der Verkäufer zum Zeitpunkt des Abschlusses der Transaktion darüber hinaus nicht einmal einen schuldrechtlich oder sachenrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung von Aktien gleicher Gattung. Er verkauft also einen Vermögenswert, ohne ihn sich vorher zu leihen oder eine Leihe zu vereinbaren, d.h. die Zusage, das Aktivum zu liefern und nicht das Aktivum selbst. Dies ist ihm möglich, weil er bis zur Erfüllung des Geschäfts zwei Börsentage Zeit hat, um die Wertpapiere zu beschaffen.
52Der Senat verkennt nicht die Argumentation des Klägers, demnach im Falle eines (ungedeckten) Leerverkaufs unerheblich sei, ob er wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie geworden ist, weil er jedenfalls im Zuge des Erwerbs cum-Dividende von der Depotbank Kompensationszahlungen (in Höhe der Nettodividende) mit Blick auf eine bis zur Erfüllung stattgefundene Dividendenbeschlussfassung erhalten hat und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 EStG verwirklicht (vgl. Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 08.10.2012 – 5 V 1661/11 – DStR 2012, 2381 – beckonline). Nach dieser Vorschrift gelten Einnahmen, die anstelle von Dividendenbezügen von einem anderen als dem Anteilseigner bezogen werden, als sonstige Bezüge aus steuerpflichtigem Kapitalvermögen, wenn die Aktien mit Dividendenberechtigung erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat jedoch der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 16.04.2014 (Az.: I R 2/12) gerade nicht ausgeführt, dass bei Leerverkäufen im cum-/ex-Verfahren auch derjenige, der letztlich die Dividendenkompensationszahlung erhält, im maßgeblichen Zeitpunkt als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie anzusehen ist bzw. dass dies aufgrund der Verwirklichung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 EStG dahinstehen kann. Vielmehr hat er in dem von ihm zu beurteilenden Fall den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums verneint, wenn auf der Grundlage des konzeptionellen und standardisierten Vertragsgeflechts eines Kreditinstituts: 1. das Kreditinstitut den Anteilserwerb fremdfinanziert, 2. der Erwerber die Aktien unmittelbar nach Erwerb dem Kreditinstitut im Wege einer sog. Wertpapierleihe (bis zum Rückverkauf) weiterreicht und 3. er das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines sog. Total Return Swap-Geschäfts auf das Kreditinstitut überträgt; dann sei der Erwerber nicht in der Lage, den rechtlichen Eigentümer aus seiner Stellung zu verdrängen. Unabhängig von dieser besonderen Konstellation hat der Bundesfinanzhof aber auch grundsätzlich festgestellt, dass „nicht zweifelsfrei und im Schrifttum umstritten ist…, ob…auch im Falle eines sog. Leerverkaufs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirtschaftliches Eigentum erworben werden kann“ (BFH aaO. Rn. 31). Daher ist es unerheblich, ob die vom Bundesfinanzhof entschiedene Fallkonstellation mit der Vorliegenden vergleichbar ist. Denn die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat eben nicht Unklarheiten beseitigt, sondern verdeutlicht, dass die Frage des wirtschaftlichen Eigentums nicht abstrakt, sondern nur unter Beachtung der jeweiligen Konstellation im Einzelfall beantwortet werden kann. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte ermitteln, ob den Wertpapiergeschäften Leerverkäufe zugrunde lagen.
53(2) Nichts anderes ergibt sich im Hinblick auf die Frage, ob den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften Vereinbarungen zugrundegelegen haben, die einen Gestaltungsmissbrauch darstellten. Zwar hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass unterschiedslos jedweder Erwerb über die Börse den Anforderungen des § 50c Abs. 8 EStG entspricht und daher auch die rein formale Abwicklung genügt, unabhängig von der Motivation der Beteiligten oder etwaigen Individualabsprachen (BFH Urteil vom 15.12.1999 – I R 29/97 – DStR 2000, 462, 465: Quelle juris), weshalb ein Gestaltungsmissbrauchs i.S.d. § 42 Abs. 2 S. 1 AO wegen der Sonderregelung des § 50c Abs. 8 EStG nicht vorliegen könne. Dass die streitgegenständlichen Geschäfte über die E AG (Eurex, Xetra) abgewickelt wurden, ist zwar unstreitig. Gleichwohl zeigt die Entscheidung des Bundesfinanzhof vom 16.04.2014 (I R 2/12) auf, dass es Konstellationen geben kann, in welchen ein Gestaltungsmissbrauch trotz Abwicklung über die Börse gleichwohl in Betracht kommt. Zwar hat er in dem von ihm entschiedenen Fall ausdrücklich offengelassen, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, indes der Möglichkeit Raum gelassen, dass seine vormalige Rechtsprechung Ausnahmen erfahren könnte. Die Beklagte durfte daher auch ermitteln, ob den Wertpapiergeschäften entsprechende Vereinbarungen vorausgegangen sind.
54(3) Die Beklagte war zur Überzeugung des Senats auch berechtigt zu prüfen, ob eine zweite Kapitalertragssteuer einbehalten und abgeführt wurde. Die Frage, ob dem Kläger aufgrund der erteilten Steuerbescheinigung Kapitalertragsteuer auch dann zu erstatten ist, wenn tatsächlich keine (zweite) Kapitalertragssteuer einbehalten und abgeführt wurde, ist nicht eindeutig zu beantworten.
55Gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG besteht ein Erstattungsanspruch nur bei einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass ihm auch im Falle einer Dividendenkompensationszahlung lediglich der Nettowert überwiesen wurde. Soweit er daraus folgert, dass der Steueranteil zu seinen Lasten einbehalten wurde, ist ihm indes nicht ohne Weiteres zu folgen. Denn tatsächlich wird die zu entrichtende Kapitalertragsteuer durch das dividendenausschüttende Unternehmen einbehalten, so dass lediglich die Nettodividende der D AG und damit letztlich dem Aktieneigentümer zufließt. Dadurch, dass aufgrund der weiteren schuldrechtlichen Verpflichtungen der Leerverkäufer von seiner Depotbank mit der Nettodividendenkompensationszahlung zu Gunsten des Leerkäufers belastet wird, generiert sich kein zweiter Steuereinbehalt. Etwas anderes ergibt sich erst, wenn der Leerverkäufer von seiner Depotbank zusätzlich mit dem auf die Dividendenkompensationszahlung entfallenden Steueranteil belastet wird. Vorliegend ist weiterhin unklar, ob dies geschehen ist. Bereits vor diesem Hintergrund kann in dem die Ermittlungen auslösenden, unterstellten Fall eines Leerverkaufs nicht davon ausgegangen werden, dass der auf die Dividendenkompensationszahlung entfallende Steueranteil tatsächlich einbehalten wurde.
56Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommt es für den Anrechnungsanspruch darauf an, dass die Kapitalertragsteuer erhoben wurde. Insoweit hat der Bundesfinanzhof bisher entschieden, dass für die Erhebung der Kapitalertragsteuer ihre Einbehaltung ausreicht, es also auf die Abführung an das Finanzamt nicht ankommt (BFH Urteil vom 23.04.1996 – VIII R 30/93 – BeckRS 1996 23000494). Dass die Kapitalertragssteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG „erhoben“ ist, wenn sie vom Schuldner der Kapitalerträge für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten wurde, begründet der Bundesfinanzhof damit, dass sich der Fiskus beim Einzug der Kapitalertragssteuer des Schuldners der Kapitalerträge als "Verwaltungsgehilfen" bediene, während der Gläubiger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) den Steuereinbehalt dulden muss und auf die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer durch den Schuldner der Kapitalerträge grundsätzlich keinen Einfluss nehmen könne (BFH aaO.). Hierauf beruft sich der Kläger, der von einem Steuereinbehalt ausgeht.
57Es wird jedoch mit beachtlichen Argumenten vertreten, dass diese „Sphärenwertung“ des Bundesfinanzhofs nicht anwendbar sei, wenn die Einbehaltung durch ein ausländisches Kreditinstitut erfolgen müsste, weil dieses nicht als Verwaltungshelfer des Finanzamtes angesehen werden könne (Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 08.10.2012 – 5 V 1661/11 – DStR 2012, 2381 – beckonline). Diese Entscheidung wurde in der Literatur zwar kritisiert, u.a. deshalb, weil das FG Hessen darauf abgestellt hat, es sei nicht nachgewiesen, dass die ausländische Depotbank des Erwerbers die Kapitalertragsteuer tatsächlich einbehalten habe (vgl. Desens aaO.). Eine Einbehaltungsverpflichtung für die Depotbank des Erwerbers bestand jedoch damals auch nicht für inländische Kreditinstitute. Auch aufgrund des JStG 2007 (BGBl. I 2006, 2878) - mit welchem die Kapitalertragssteuerpflicht für Dividendenkompensationszahlungen überhaupt erst eingeführt wurde - wurde eine Einbehaltungspflicht lediglich für das „für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende inländische Kreditinstitut“ statuiert, § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach Einkommensteuer- und Kapitalsteuergesetz § 44 Rn. 20; siehe aber auch BR-Drucksache 622/06, 98 oben). Ungeachtet dessen bleibt die Argumentation des hessischen Finanzgerichts im Kern aber zutreffend. Der Senat verkennt nicht, dass vertreten wird, die „Sphärenwertung“ des Bundesfinanzhofs schütze auch den Empfänger einer Nettodividendenkompensationszahlung, weil es für dessen Schutzbedürftigkeit keinen Unterschied mache, ob die zweite Einbehaltung unterbleibe, weil eine inländische Depotbank ihrer Entrichtungspflicht nicht nachkomme oder weil das ausländische Kreditinstitut des Leerverkäufers gar nicht erst zur Einbehaltung verpflichtet sei (vgl. Prof. Dr. Desens Anmerkung zum Beschluss des Hessischen FG, DStR 2012, 2473). Selbst wenn man es aber für die Sphärenwertung für maßgeblich erachtet, auf die Schutzbedürftigkeit des Erwerbers abzustellen, dürfte diese jedenfalls zu verneinen sein, wenn der Erwerber bei Abschluss des Wertpapiergeschäftes Kenntnis von dem Leerverkauf hat. Dann nämlich kennt er alle Tatsachenumstände für die rechtliche Erkenntnis, dass bei Beteiligung einer ausländischen Depotbank auf Seiten des Leerverkäufers keine Kapitalertragsteuer einbehalten wird, ihm jedoch gleichwohl eine Bescheinigung ausgestellt wird. Vorliegend ist unklar, ob der Kläger eine entsprechende Kenntnis hatte. Nichts anderes ergibt sich aus der vorgelegten Berufsträgerbescheinigung, zumal diese sich nicht auf den geforderten Wortlaut beschränkt, sondern umfangreiche, erläuternde Ausführungen enthält. Bereits vor diesem Hintergrund waren Ermittlungen der Beklagten also zulässig. Davon aber abgesehen erscheint es dem Senats fraglich, ob der Bundesfinanzhof mit seiner Sphärenwertung überhaupt die Schutzbedürftigkeit des Erwerbers als zentralen Gesichtspunkt herausstellen wollte. Maßgeblicher Gesichtspunkt dürfte eher die Frage der Zurechenbarkeit des Handelns eines Verwaltungshelfers sein. Da ein ausländisches Kreditinstitutes jedoch nicht als Verwaltungshelfer des Finanzamtes angesehen werden kann, hat auch das Finanzamt keinen Einfluss auf die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer, so dass es nicht sinnvoll erscheint, bereits die Einbehaltung der Steuer als Erhebung anzusehen. Es liegt daher eher nahe, dass die Sphärenwertung in der hier diskutierten Fallkonstellation nicht greift und die Kapitalertragsteuer i.S.d. § 36 EStG erst „erhoben“ ist, wenn sie auch tatsächlich abgeführt wurde. Dass aber eine zweite Kapitalertragsteuer tatsächlich abgeführt wurde, behauptet auch der Kläger nicht. Daher waren jedenfalls auch insoweit entsprechende Ermittlungen der Beklagten zulässig.
58Anderes folgt auch nicht schon ohne Weiteres daraus, dass dem Kläger eine Steuerbescheinigung erstellt wurde, demnach die Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde.
59Nach § 45a Abs. 3 EStG (a.F.) gilt: „Werden Kapitalerträge für Rechnung des Schuldners durch ein inländisches Kreditinstitut oder ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut gezahlt, so hat anstelle des Schuldners das Kreditinstitut oder das Finanzdienstleistungsinstitut die Bescheinigung zu erteilen. Satz 1 gilt in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 entsprechend; der Emittent der Aktien gilt insoweit als Schuldner der Kapitalerträge.“ Aus der Fiktion, dass der Emittent als Schuldner der Kapitalerträge gilt, wird teilweise gefolgert, dass es für einen Anrechnungsanspruch allein auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer beim Emittenten der Aktie – also lediglich auf den ersten Steuereinbehalt - ankomme (Prof. Dr. Desens aaO; Englisch, RdF 2012, 425, 426). Damit werde gesetzlich zudem fingiert, dass auch für den Erwerber, dem infolge der Dividendenkompensationszahlung eine Steuerbescheinigung ausgestellt wird, Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Dies gelte erst Recht deshalb, weil der Nachweis, dass die Kapitalertragsteuer tatsächlich erhoben wurde, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof nur durch diese Bescheinigung erbracht werden könne (Desens aaO mit Verweis auf das Urteil des BFH vom 29.04.2008 – VIII R 28/07 – DStR 2008, 1377: beck-online). Letzterem Argument liegt allerdings ein unzulässiger Umkehrschluss zugrunde. Wenn der Nachweis, dass die Kapitalertragsteuer gezahlt wurde, nur durch die Vorlage einer Bescheinigung erbracht werden kann, so folgt daraus noch nicht, dass ein Erstattungsanspruch auch dann besteht, wenn trotz vorgelegter Bescheinigung tatsächlich keine Kapitalertragsteuer gezahlt wurde. Dem Hauptargument wird im Übrigen entgegengehalten, dass angesichts des Regelungszwecks des § 45a EStG denklogisch vorauszusetzen sei, dass die Kapitalertragssteuer auch tatsächlich (also ein zweites Mal) erhoben worden sei (Hessisches Finanzgericht aaO.).
60Es kann dahinstehen, ob dies überzeugt. Denn selbst wenn man mit dem Kläger der Auffassung ist, aus dem Wortlaut und der Systematik der §§ 50d Abs. 1 Satz 2, 36 Abs. 2 Nr. 2, 45a Abs. 3 EStG a.F ergäbe sich, dass ohne Weiteres von einem Erstattungsanspruch auszugehen sei, darf die Beklagte jedenfalls die abweichende Auffassung vertreten, dass insoweit eine Regelungslücke besteht.
61Eine planwidrige Lücke fehlt nämlich nicht deshalb, weil der Gesetzgeber die Problematik der doppelten Erstattung trotz einmaliger Abfuhr erkannt hat und die Regelungen des JStG 2007 diese Ausfälle nur teilweise, nämlich nur bei der Beteiligung inländischer Kreditinstitute, abgemildert haben (BR-Drucksache 622/06, 76f.). Eine teilweise Abmilderung war offensichtlich nur deshalb erfolgt, weil der Gesetzgeber die Lücke zunächst durch die Statuierung einer Abführungspflicht schließen wollte, ihm jedoch die Gesetzgebungskompetenz für eine solche Regelung gegenüber ausländischen Kreditinstituten fehlte. Schließlich hat der Gesetzgeber durch eine andere Regelungskonzeption eine Möglichkeit gefunden, die Lücke insgesamt zu schließen: Mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz wurde mit Wirkung ab dem 01.01.2012 geregelt, dass die ausschüttende Aktiengesellschaft die Bruttodividende an die auszahlenden Stellen weiterleitet und die Abzugsverpflichtung nunmehr bei dem inländischen Institut liegt, welches die Kapitalerträge gutschreibt bzw. auszahlt oder – falls die Gutschrift bzw. Auszahlung durch eine ausländische Stelle erfolgt – bei der letzten inländischen Stelle, die die Beträge an die ausländische Stelle weitergeleitet hat (vgl. Desens, DStZ 2012, 142, 153 f.; Kußmaul/Huwer/Kloster, RdF 2012, 314, 322 ff). Dass der Gesetzgeber zunächst nur eine unzureichende Gesetzesgestaltung als schadensbegrenzenden Lösungsweg vorgenommen hat, bedeutet aber nicht, dass er die Lücke im Übrigen hinnehmen wollte. Vielmehr wird dadurch, dass er sie zu schließen versucht und schließlich auch erfolgreich geschlossen hat, deutlich, dass er sie zu keinem Zeitpunkt gebilligt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen.
62Eine solche Regelungslücke ist grundsätzlich der Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion zugänglich. Auch unter Geltung des Grundgesetzes ist seit jeher anerkannt, dass der Vorrang des Gesetzes den Gerichten nicht verbietet, das Recht fortzuentwickeln (BVerfGE 96, 375, 394; BVerfGE 111, 54, 81f.) Nur dann, wenn der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen hat, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar gewesen wäre (BVerfG 82, 6, 12). Eine richterliche Rechtsfortbildung greift lediglich dann in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein und ist daher unzulässig, wenn sie den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird (BVerfGE 118, 212, 243). Es ist nach Auffassung des Senats nicht ausgeschlossen, im Wege der Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion auch im streng formalisierten Anrechnungsverfahren zu erreichen, dass ein Erstattungsanspruch trotz Vorlage einer entsprechenden Steuerbescheinigung bei der Beteiligung ausländischer Banken bei Wertpapiergeschäften im cum/ex-trade nur dann besteht, wenn Kapitalertragsteuer auch tatsächlich abgeführt wurde. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, steht einer solchen Rechtsfortbildung weder der klare Wortlaut des Normengefüges noch der Wille des Gesetzgebers entgegen. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte jedenfalls ermitteln, ob es in Bezug auf eine Dividendenausschüttung zu zwei Nettogutschriften in Höhe der Dividende gekommen ist und ob dem auch tatsächlich zwei Kapitalertragsteuereinbehalte und Abführungen gegenüberstehen.
63(4) Schließlich durfte die Beklagte auch ermitteln, ob den Wertpapiergeschäften des Klägers eine gewerbliche Tätigkeit des Trusts zugrundeliegt. Handelt es sich bei dem Nutzungsberechtigten um einen, in einem anderen Vertragsstaat ansässigen Pensionsfonds, so werden die von ihm gezogenen Dividenden nur dann nicht versteuert, wenn sie weder unmittelbar noch mittelbar aus einer gewerblichen Tätigkeit dieses Pensionsfonds stammen (Art. 10 Abs. 3 lit. b des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA). Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass sich die Frage, ob er gewerblich tätig ist, allein nach deutschem Recht beurteilt. Dies bereits deshalb, weil es um die Befreiung von der hiesigen Kapitalertragsteuer geht. Danach ist als gewerbliche Tätigkeit eine selbständige, nachhaltige, in Gewinnerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit anzusehen, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, § 15 Abs. 2 EStG. Als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal kommt hinzu, dass die jeweilige Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. BFH, Beschluss vom 25-06-1984 - GrS 4/82-, NJW 1984, 93: Beck-online). Insoweit hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass auch bei einem An- und Verkauf von Wertpapieren für die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb allgemein darauf abzustellen sei, ob lediglich der Beginn bzw. das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit vorliegt, oder ob die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz in den Vordergrund treten (BFH, Urteil vom 29. 10. 1998 - XI R 80/97 - BeckRS 1998 23000810). Dem Charakter der Vermögensanlage in Wertpapieren entspräche es, dass sie nicht nur auf die Erzielung von Zins- und Dividendenerträgen ausgerichtet sei, sondern - wegen der kurzfristigen Verwertbarkeit der Wirtschaftsgüter - auch Wertveränderungen durch An- und Verkauf genutzt würden, um dadurch Erträge in Form von Kursgewinnen zu erzielen. Daraus folge, dass selbst bei häufigem Umschlag von Wertpapieren der Bereich der privaten Vermögensverwaltung auch dann noch nicht verlassen wird, wenn Wertpapiergeschäfte in größerem Umfang vorlägen. Dies selbst dann, wenn die sonstigen Merkmale für eine gewerbliche Tätigkeit (z. B. Nachhaltigkeit, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) vorlägen (BFH aaO mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung). Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreite die Grenze zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen, in denen die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmache (z. B. das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, Ausnutzung eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen; Anbieten von Wertpapiergeschäften einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber), oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen vorlägen, wobei das Gesamtbild entscheidend sei (BFH aaO.). Der Umfang der getätigten Wertpapiergeschäfte lässt also vorliegend noch nicht auf eine gewerbliche Tätigkeit schließen.
64Der Kläger weist auch zutreffend darauf hin, dass eine Fremdfinanzierung der Geschäfte unbeachtlich ist, „weil Wertpapiergeschäfte in solchem Umfang üblicherweise mittels Krediten finanziert werden..[weshalb]..der Tatsache der Fremdfinanzierung für die Abgrenzung des privaten von einem gewerblichen Bereich allenfalls Bedeutung zukommen [kann], soweit eine Eigenfinanzierung als Alternative überhaupt möglich gewesen wäre“ (BFH aaO.). Dies ist bei dem Umfang der streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte (3 Milliarden Euro Aktien) im Hinblick auf das Fondvermögen (300 Millionen US-Dollar) nicht anzunehmen. Vorliegend bedarf es jedoch keiner Feststellung, ob die Wertpapiergeschäfte im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit vorgenommen wurden. Vielmehr ist ausreichend, dass die Beklagte genügend Anhaltspunkte dafür hat zu ermitteln, ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt. Davon aber ist das Landgericht zu Recht ausgegangen. Bei dem Trust, für den der Kläger klagt, handelt es sich nicht um einen typischen Pensionsfonds mit einer Vielzahl von Berechtigten, sondern berechtigt ist trotz des Volumens von rund 300 Millionen US-Dollar allein der Kläger. Warum der Kläger eine reine Vermögensverwaltung in der Form eines solcherart gestalteten Pensionsfonds vornimmt, ist offen. Bereits hieraus ergibt sich ein Grund für Ermittlungen. Dass die Beklagte aufgrund des bisherigen außergerichtlichen Vortrages des Klägers davon ausgehen müsste, dass keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist nicht ersichtlich und von dem Kläger auch im Berufungsverfahren nicht konkret dargelegt. Dass der Kläger erstinstanzlich insoweit vage vortrug und sich anstelle der Darbietung von Fakten auf die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bezog, geht insoweit zu seinen Lasten. Dass ein weiteres Ermitteln der Beklagten unzulässig war, kann jedenfalls nicht festgestellt werden.
65(5) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, ob die Beklagte im Einzelfall auch Ermittlungen vorgenommen hat, die für die Entscheidung der vorstehenden Rechtsfragen im Besonderen und die Bescheidung des Antrages im Allgemeinen unerheblich waren. Einer Auseinandersetzung mit den insoweit - im Übrigen lediglich zur Verdeutlichung der Verzögerung angeführten Beanstandungen des Klägers – bedurfte es bereits deshalb nicht, weil sich angesichts der umfangreichen zulässigen Ermittlungen zur Überzeugung des Senats jedenfalls daraus keine amtspflichtverletzungsrelevanten Verzögerungen ergeben haben. Deshalb bedürfte es auch keiner näheren Überprüfung, ob sämtliche in den Fragenkatalogen der Beklagten aufgeworfenen und vom Kläger beantworteten Fragen letztlich im Erstattungsverfahren entscheidungserheblich sind.
66bb) Der Kläger kann einen Schadensersatzanspruch auch nicht daraus herleiten, dass ihm die Vorlage einer Berufsträgerbescheinigung nach Maßgabe des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 29.03.2011 aufgegeben wurde. Es kann insoweit dahinstehen, ob das Bundesfinanzministerium über den gesetzlichen Tatbestand hinaus unzulässige Erstattungsanforderungen geschaffen hat oder ob es sich insoweit lediglich um eine zulässige Maßnahme der Verfahrenserleichterung handelt. Denn selbst wenn die Anforderung einer Berufsträgerbescheinigung eine Amtspflichtverletzung darstellte, fehlt es an einem kausalen Schaden. Die vorgelegte Bescheinigung datiert nämlich bereits auf den 06.07.2011. Die Anforderung der Beklagten vom 02.12.2011 kann daher nicht schadenskausal gewesen sein. Dies deckt sich auch mit den Ausführungen des Klägers in der Klageschrift, demnach er vor dem Aufforderungsschreiben vom 07.11.2011 nicht davon auszugehen gehabt habe, dass er einen schriftlichen Antrag zu stellen hätte und daher den Erlass vom 29.03.2011 zuvor nicht habe zur Kenntnis nehmen müssen.
67cc) Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass eine Amtspflichtverletzung wegen der Ablehnung der Durchführung der Erstattung im Datenträgerverfahren nicht vorliegt. Grundsätzlich ist gemäß § 50d Abs. 1 S. 3 EStG 2011 ein schriftlicher Antrag zu stellen. Seit dem 01.01.2002 besteht die Möglichkeit, Anträge auf Erstattung deutscher Kapitalertragsteuer auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu stellen. Insoweit kann das Bundeszentralamt für Steuern zulassen, dass Anträge auf maschinell verwertbaren Datenträgern gestellt werden, § 50d Absatz 1 Satz 7 EStG. Jedoch hat sich das Bundeszentralamt für Steuern in den von ihm formulierten Erfordernissen und Anforderungen zur Teilnahme an diesem Verfahren unter 4.1 Abs. 3 vorbehalten, einzelne Antragsteller vom Datenträgerverfahren auszuschließen, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen ohne Beteiligung des Bundesamtes für Finanzen nicht beurteilt werden kann. Dementsprechend wurde der Antrag des Klägers vom Bundeszentralamt für Steuern mit Schreiben vom 07.11.2011 zurückgewiesen, weil eine Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Leerverkäufen erforderlich sei. Dies ist vor dem Hintergrund der Frage, ob der Erwerber einer Dividendenkompensationszahlung schutzbedürftig ist (s.o.), wenn er von entsprechenden Verkäufen Kenntnis hat, im Lichte der vorstehenden Ausführungen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass die von der Beklagten für die Ablehnung des Antrages im Datenträgerverfahrens benötigte Zeitspanne nicht als zögerlich erachtet werden kann, trifft den Kläger darüber hinaus ein schadensersatzausschließendes weit überwiegendes Mitverschulden, da für ihn zweifelsfrei erkennbar war, dass das Datenträgerverfahren für seinen Erstattungsanspruch ungeeignet ist. Dass eine solche Erkenntnis bei ihm auch tatsächlich vorlag, wird durch die Datierung der Berufsträgerbescheinigung indiziert.
68dd) Ob die sachbearbeitenden Beamten ihre Remonstrationspflicht verletzt haben, bedarf keiner Beurteilung. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass es sich bei der Remonstrationspflicht des § 63 Abs. 2 BBG nicht um eine drittschützende Amtspflicht handelt.
69ee) Eine Amtspflichtverletzung liegt auch nicht deshalb vor, weil die Beklagte infolge der Nichtbescheidung gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verstoßen würde. Die Beklagte ist nicht bereits allein deshalb zur (positiven) Bescheidung verpflichtet, weil der Kläger eine Berufsträgerbescheinigung vorgelegt hat. Nach der Auffassung des Klägers, demnach es sich um eine unzulässige weitere Erstattungsvoraussetzung handele, besteht bereits keine Erstattungsverpflichtung, weil es einen Gleichbehandlungsanspruch im Unrecht nicht gibt. Doch auch auf der Grundlage der Ansicht der Beklagten ergibt sich keine Selbstbindung, da auch eine mit der Berufsträgerbescheinigung verbundene Verfahrenserleichterung nur dann zu einer zügigeren Erstattung führte, wenn die im Verfahren zu ermittelnden Fakten durch diese Bescheinigung auch tatsächlich nachgewiesen werden. Aufgrund der 11 Seiten umfassenden Bescheinigung kann mit der Beklagten davon ausgegangen werden, dass keine weitere Ermittlungen ausschließende, klare Erklärung vorliegt. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Beklagte in gleichgelagerten Fällen eine Erstattung vorgenommen haben soll. Denn es fehlt bereits an substantiiertem Vortrag dazu, dass überhaupt gleichgelagerte Fälle vorliegen. Die bisherigen Ausführungen des Klägers können deshalb nur als unbeachtliche Behauptungen ins Blaue hinein gewertet werden. Jedenfalls ist der Vortrag so substanzlos, dass die Beklagte auch nicht im Wege der sekundären Darlegungslast verpflichtet wäre, Näheres zu etwaigen Erstattungsfällen vorzutragen. Eines Hinweises des Senates bedurfte es insoweit nicht.
70b) Schließlich kann zu Lasten der Beklagten auch kein schuldhaftes Verhalten festgestellt werden. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB, der auch im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Verschuldensfrage auf die Kenntnisse und Einsichten des Beamten an, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind (BGHZ 117, 240, 249). Dabei muss der Schädiger für einen Rechtsirrtum nur einstehen, wenn er fahrlässig gehandelt hat (vgl. statt aller: Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 276 Rn. 22). Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Eine objektiv unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung ist vorwerfbar, wenn sie gegen den klaren, bestimmten und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift verstößt oder wenn die Zweifelsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind (Wöstmann in: Staudinger Kommentar zum BGB, Neubearb. 2012 § 839 Rdn. 204). Beides ist vorliegend zweifelsfrei nicht der Fall. Weder ist die Rechtsanwendung eindeutig, noch liegt insoweit höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Die Frage, ob bei Leerverkäufen im cum-ex-Verfahren der Leerkäufer als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, ob etwaige zugrundeliegende Absprachen zu einem Gestaltungsmissbrauch führen, ob die Sphärenwertung des Bundesfinanzhofs sowie die Fiktion des § 45a EStG auch dann greift, wenn sowohl für eine Dividendenausschüttung als auch für eine Dividendenkompensationszahlung eine Steuerbescheinigung erteilt wurde, die Kapitalertragssteuer jedoch nur einmal einbehalten wurde, ist nicht höchstrichterlich entschieden. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
71Doch selbst ein objektiver Rechtsirrtum begründet nicht zwingend einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, dann aus der Missbilligung dieser Auffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – III ZR 310/09 –, juris; BGH, Beschluss vom 28. September 1995 – III ZR 202/94 –, juris). Dabei hat bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rechtsansicht der Beklagten teilweise sogar in der Instanzrechtsprechung vertreten wird (vgl. Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 17.05.2013 – 2-04 O 358/12 – nicht veröffentlicht; vorgelegt als Anlage B 18; Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 08.10.2012 – 5 V 1661/11 – DStR 2012, 2381).
72Weiterhin weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass es sich jedenfalls bei der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. (aaO.) um eine kollegialgerichtliche und deshalb im Rahmen der Kollegialrichtlinie zu beachtende Entscheidung handelt. Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich die Beklagte überhaupt auf die Kollegialrichtlinie berufen kann, insbesondere, ob das Bundesfinanzministerium, als oberste Bundesbehörde, in den Verfahrensablauf derart eingebunden war, dass es an einer inneren Rechtfertigung für die Anwendung der Kollegialgerichtsregel fehlen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris; BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 – 2 C 37/04 –, BVerwGE 124, 99-110). Denn dies hindert nicht, die Kollegialrichtlinie als einen (weiteren) Aspekt bei der tatrichterlichen Verschuldensprüfung zu berücksichtigen (BGH aaO.).
73Insgesamt kann ein der Beklagten anzurechnendes Verschulden nicht festgestellt werden. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst die Notwendigkeit gesehen hat, eigens ein umfangreiches Rechtsgutachten einzuholen, aus dem sich ergeben soll, dass die Rechtsansichten der Beklagten unvertretbar sind.
74c) Schließlich stellen neben den Kosten für die Berufsträgerbescheinigung, wie ausgeführt, auch die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten keinen kausalen Schaden dar. Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sind dem Kläger durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Erstattungsverfahren bereits im Frühjahr 2012 entstanden. Selbst wenn, anders als hier vertreten, mittlerweile von einer zögerlichen Vorgehensweise der Beklagten auszugehen wäre, besteht kein Zweifel daran, dass die Beklagte anfängliche Ermittlungen für eine Entscheidung über den Erstattungsantrag durchführen durfte. Dass sich der Kläger zur Durchsetzung seines Rechts bereits in einem so frühen Stadium eines Rechtsbeistandes bediente, geht zu seinen eignen Lasten.
752.
76Dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch auch nicht aus enteignungsgleichem Eingriff zu. Ein solcher setzt die Verletzung einer durch Art. 14 GG geschützten Rechtsposition durch unmittelbare Auswirkung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme voraus, welche dem Betroffenen ein besonderes, Anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt, wobei es keine anderweitige Entschädigungsmöglichkeit geben darf (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 262/263). Vorliegend fehlt es bereits an einer Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten. Zudem wird dem Kläger zum Wohle der Allgemeinheit kein Sonderopfer abverlangt, vielmehr soll durch die Ermittlungen verhindert werden, dass dem Kläger etwas zugesprochen wird, das ihm nicht zusteht. Schließlich aber ist durch das Ermitteln der Beklagten dem Kläger kein Schaden entstanden, sondern allenfalls durch die Nichtbescheidung und daher die Untätigkeit der Beklagten. Ein Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinne setzt jedoch grundsätzlich ein positives Handeln voraus, und somit erfüllt ein reines Unterlassen und Untätigbleiben der öffentlichen Hand grundsätzlich nicht die Merkmale eines Eingriffs (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 – III ZR 220/86 –, BGHZ 102, 350-368: juris).
773.
78Aufgrund vorstehender Erwägungen ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.
79Über den, mit Schriftsatz vom 08.10.2014 angekündigten Hilfsantrag, demnach festgestellt werden sollte, dass die Beklagte dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen hat, der ihm aus den Amtspflichtverletzungen der Beklagten seit dem 01.09.2013 entstanden ist und in Zukunft entstehen wird, war, soweit nicht ohnehin in der Sache geschehen, nicht gesondert zu entscheiden. Der Kläger hat diesen Hilfsantrag – wie im Parallelverfahren (OLG Köln, Az.: 7 U 22/14) – ausdrücklich nicht gestellt. Dies war als Teil-Klagerücknahme zu werten.
80C. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
81Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
82Der Streitwert wird auf 1.217.205,80 Euro festgesetzt (Klageantrag zu 1): 256.260,00 Euro; Klageantrag zu 2): 960.945,80 Euro, nämlich 70% des monatlichen Anlageschadens von 38.132,77 Euro für den Zeitraum bis einschließlich zum 23.10.2014).
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