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Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den von dem Amtsgericht – Familiengericht – Bonn am 22.11.2013 erlassenen Beschluss – 402 F 191/14 – und ihr Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens werden zurückgewiesen.
Die im Beschwerderechtszug entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Kindesmutter.
G r ü n d e:
2Der Senat macht von der ihm gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG eröffneten Möglichkeit zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren Gebrauch, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden hat und von der Wiederholung dieser Verfahrenshandlung vor dem Senat keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.
3Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter vom 19.12.2013 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels scheidet auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 ZPO aus. Mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht für die Vertretung des minderjährigen Kindes in dem von dem Kindesvater gegen dieses beabsichtigten Unterhaltsabänderungsverfahren zu Recht die Ergänzungspflegschaft angeordnet.
4Gemäß § 1909 Abs. 1 BGB erhält der unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft Stehende für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund gehindert sind, einen Pfleger. Eine Verhinderung in diesem Sinne ist gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegeben bei einem Verfahren des Kindesvaters gegen seinen Sohn auf Abänderung eines Unterhaltstitels. Ein Ausnahmefall im Sinne von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, zur Wahrung der Interessen des minderjährigen Kindes bei Unterhaltsansprüchen gegenüber dem anderen Elternteil allein vertretungsberechtigt ist, ist vorliegend nicht gegeben. In der Konstellation des vorliegend von den Kindeseltern im Termin vor dem Amtsgericht Bonn am 12.09.2008 vereinbarten und seitdem gelebten sogenannten Wechselmodells mit der Folge, dass das minderjährige Kind in nahezu gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt, fehlt es an dem für ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB notwendigen Schwerpunkt der Betreuung.
5Der Begriff der „Obhut“ stellt auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, also desjenigen Elternteils, der sich vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert. Voraussetzung für die Anwendung des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ist, dass das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt (BGH, Urteil vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 – und Urteil vom 28.02.2007 – XII ZR 161/04 –; Schmitz in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 10 Rn. 45). Der vereinzelt gebliebenen gegenteiligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, für das Obhutsverhältnis im Sinne von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB genüge es, dass der Anteil des Elternteils an der Betreuung und Versorgung des minderjährigen Kindes den Anteil des anderen Elternteils nur geringfügig übersteige (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2001 – 6 UF 71/00 – zitiert nach Juris Rn. 14) vermag sich der Senat in Anbetracht der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Interesse einer einheitlichen wie auch praktikablen Gesetzesanwendung nicht anzuschließen.
6Auf dieser Grundlage ist im vorliegenden Fall von einem Ausschluss der Vertretungsbefugnis (auch) der Kindesmutter für das minderjährige Kind in dem von dem Kindesvater gegen das Kind anzustrengen beabsichtigten Unterhaltsabänderungsverfahren auszugehen. Tatsächlich übernimmt der Kindesvater die Betreuung und Versorgung des gemeinsamen Kindes in zeitlicher Hinsicht unstreitig mit einem prozentualen Anteil von 43 %, während der Betreuungsanzahl der Kindesmutter bei 57 % liegt. Bei einem derart geringen Übergewicht kann von einem Schwerpunkt der Betreuung auf Seiten eines Elternteils nicht ausgegangen werden.
7Der von der Kindesmutter in der Beschwerdebegründung angeführte weitere Gesichtspunkt, dass sich der Kindesvater in dem im Jahr 2008 abgeschlossenen Vergleich zur Zahlung von Barunterhalt trotz gleichzeitiger Vereinbarung des Wechselmodells für das gemeinsame Kind verpflichtete, ist für die Beurteilung der Frage, bei welchem Elternteil sich das gemeinsame Kind überwiegend in Obhut befindet, ohne Bedeutung. Insoweit sind maßgeblich die tatsächlichen Verhältnisse. Ob sich dieser Gesichtspunkt in materiell-rechtlicher Hinsicht auf die Beurteilung des Erfolgs des von dem Kindesvater anzustrengen beabsichtigten Unterhaltsabänderungsverfahrens auswirkt, bedarf hier keiner Entscheidung.
8Auch die von der Kindesmutter erstinstanzlich geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht. Die Tatsache, dass die Kindesmutter die Kosten für die Hausaufgabenbetreuung und das Mittagessen in der Schule für das gemeinsame Kind auch in der Betreuungszeit des Antragstellers trägt, ist für die Beurteilung des Schwerpunkts der Betreuung unerheblich, wie auch umgekehrt die Tatsache, dass der Kindesvater die Kosten der Heilbehandlung für das gemeinsame Kind über die bei ihm bestehende Mitversicherung abrechnet. Der Umstand, dass die Kindesmutter bisher die Kleidung für den Sohn im Wesentlichen anschaffte, dürfte seine Ursache darin finden, dass der Kindesvater jedenfalls bis Mai 2013 den im Vergleich festgelegten Barunterhalt zahlte, und vermag zur Beurteilung der Frage der Schwergewichtigkeit der Betreuung nicht wesentlich beizutragen. Soweit die Kindesmutter geltend gemacht hat, das gemeinsame Kind habe bei ihr ein eigenes Zimmer mit eigenem Bett, während dies bei dem Kindesvater nicht der Fall sei, kann dieses Vorbringen der Entscheidung schon nicht zu Grunde gelegt werden, weil der Kindesvater dieses Vorbringen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 20.11.2013 detailliert bestritten und die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kindesmutter (vgl.: Schmitz, a. a. O., § 10 Rn. 44) für ihr Vorbringen mangels Beweisantrages beweisfällig geblieben ist.
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
10Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.